Nebenwirkungen auf Haut, Haare und Hautanhangsgebilde: Hand-Fuß-Syndrom
Das
Hand-Fuß-Syndrom (HFS)
wird auch als palmar-plantare Erythrodysästhesie
bezeichnet und dient als Sammelbegriff von erythematösen Hauteffloreszenzen, die nicht nur an Hand und Fuß, sondern auch am Körperstamm und den Extremitäten vorkommen können. Das HFS war lange Zeit nur als Komplikation von chemotherapeutischen Behandlungen bekannt, bekommt in der letzten Zeit jedoch eine zunehmende Bedeutung, da es eine häufig beobachtete Nebenwirkung bei dem Einsatz der Targeted Therapy (z. B. Tyrosinkinase-Inhibitoren, Vascular-endothelial-growth-factor(VEGF)-Antikörper etc.) ist. Das HFS kann dabei zu Therapieunterbrechungen und -abbrüchen führen, ist allerdings nach Pausierung der auslösenden Therapie in der Regel auch vollständig reversibel (Burbach und Zuberbier
2013).
Da die Pathogenese des HFS noch weitgehend ungeklärt ist, wird eine symptomatische Behandlung empfohlen. Hierzu kommen allgemeine Pflegeempfehlungen, wie z. B. Anwendung von fettender Hautpflege, Tragen von Baumwollhandschuhen, Vermeidung von intensiver Belastung der Hand- und Fußflächen. Darüber hinaus kann therapeutisch mit Harnstoff-Präparaten, Salicylsäure, topischen Steroiden und auch nichtsteroidalen Schmerzmitteln behandelt werden. Ebenso sind vereinzelt auch dermatochirurgische Behandlungen (z. B. Abtragung von Hyperkeratosen, Rhagaden etc.) indiziert (Degen et al.
2010).
Kardiotoxizität
Zu den häufigsten durch Zytostatika induzierten Kardiotoxizitäten
gehören neben Arrhythmien
und ischämischen Ereignissen
vor allem die
Perikarditis und die Myokardischämie. Dabei scheint es vor allem bei Therapien mit Anthrazyklinen sowie den neuen „Targeted Therapeutics“, wie den Multi-Kinase-Inhibitoren und den monoklonalen
Antikörpern, zu kardiotoxischen Ereignissen zu kommen. Darüber hinaus haben eine Vielzahl anderer Zytostatika ein kardiotoxisches Potenzial. Tab.
5 gibt eine Übersicht über chemotherapiebedingte kardiovaskuläre Nebenwirkungen und die auslösenden Substanzen.
Tab. 5
Kardiotoxizität von uroonkologisch relevanten Zytostatika und Targeted Therapeutics
Arrhythmie | Anthrazykline, Cisplatin, 5-Fluorouracil, Paclitaxel | Pazopanib, Sorafenib, Sunitinib |
Arteriell-embolische Ereignisse | | Axitinib, Bevazizumab, Pazopanib, Sunitinib |
Bradykardie | Ifosfamid, Paclitaxel | |
| Cisplatin, Etoposid, Paclitaxel | Axitinib, Pazopanib, Sorafenib, Sunitinib |
| Anthrazykline, Cyclophosphamid, Ifosfamid | Sunitinib |
Myokardischämie | Anthrazykline, Cisplatin, 5-Fluorouracil, Vinblastin, Vincristin, Vinflunin | Bevazizumab, Sorafenib, Sunitinib |
Perikarditis | Anthrazykline, Actinomycin D, Cyclophosphamid, Ifosfamid | |
Hypotonie | | Bevazizumab |
Beim Monitoring der Nebenwirkungen ist zu beachten, dass sich die Kardiotoxizität nicht zwangsläufig als akutes Ereignis, sondern gelegentlich erst nach Monaten und Jahren klinisch manifestiert. Beispielhaft ist hier die durch Anthrazykline induzierte
Kardiomyopathie zu nennen. Zu den Risikofaktoren, die für die Entwicklung einer kardiovaskulären Nebenwirkung prädisponieren, gehören Lebensalter,
Diabetes mellitus, vorbestehende Herz-/Kreislauferkrankungen, Nikotinabusus, Kombinationstherapien und kombinierte Radio-/Chemotherapie mit Bestrahlung des Mediastinums (Aapro et al.
2011).
Differenzialdiagnostisch sind durch Exsikkose, Störungen des Elektrolythaushalts und
Anämie bedingte kardiovaskuläre Ereignisse sowie eine Tumorinfiltration des Herzens und ein maligner
Perikarderguss abzugrenzen.
Da die therapeutischen Optionen limitiert sind, gilt es beim Einsatz kardiotoxischer Substanzen ein individuelles Risikoprofil zu erstellen. Hilfreiche diagnostische Maßnahmen sind hierbei neben der Anamnese und klinischen Untersuchung bei entsprechenden Patienten die Blutdruckmessung, Labordiagnostik,
EKG, Echokardiografie sowie eine Röntgenuntersuchung des Thorax. In Abhängigkeit von der eingesetzten Substanz sowie dem Patientenprofil sind Verlaufskontrollen angezeigt. Therapeutisch steht mit dem seit 2007 zugelassenen EDTA-Analogon Dexrazoxan lediglich eine Substanz zur Kardioprotektion bei metastasierter Krebserkrankung und wiederholter Anthrazyklintherapie zur Verfügung. Weitere therapeutische Maßnahmen orientieren sich im Wesentlichen an den allgemeinen kardiologischen Leit- und Richtlinien zur Behandlung der jeweiligen kardiovaskulären Erkrankung. Dabei ist eine Intervention umso effektiver, je früher die kardiovaskuläre Problematik erkannt wird, was nochmals den Stellenwert eines suffizienten Monitorings unterstreicht. Daneben besteht häufig lediglich die Möglichkeit zur Dosisreduktion bzw. zum Therapieabbruch oder einem Regimewechsel (Albini et al.
2010).
Pulmotoxizität
Aufgrund der zunehmenden Zahl der in der onkologischen Therapie zur Verfügung stehenden zytotoxischen Medikamente, der zunehmenden Möglichkeit zur Dosiseskalation aufgrund potenter supportivmedizinischer Strategien und verlängerter Überlebenszeiten der Patienten, zeigen sich doch auch zunehmend therapiebezogene Toxizitäten. Hierbei unterscheidet man zwischen akuten, mittelfristigen und späten Komplikationen. Häufig handelt es sich bei therapiebedingten Schädigungen der Lunge um spät auftretende Nebenwirkungen, welche sich nicht selten erst Wochen und Monate nach Abschluss der Chemotherapie demarkieren.
Bezüglich der Pathogenese lassen sich im Wesentlichen 3 Formen der Pulmotoxizität unterscheiden: das therapiebedingte, nicht kardiale Lungenödem
, die Hypersensitivitätspneumonitis
sowie die chronische Pneumonitis
und
Fibrose. Daneben können sich Nebenwirkungen in Form von Pleuraergüssen
, Bronchospasmus
sowie Parenchymblutungen
manifestieren.
Klinisch äußern sie sich häufig in
Husten, Dyspnoe,
Schmerzen und vegetativer Begleitsymptomatik. Gelegentlich handelt es sich um symptomarme bzw. asymptomatische Verläufe, die z. B. im Rahmen von Bildgebungen identifiziert werden. Als Risikofaktoren für die Ausbildung einer Pneumotoxizität sind erhöhtes Lebensalter, vorbestehende Lungenerkrankungen, die applizierte Gesamtdosis der Chemotherapeutika und eine kombinierte Chemo-/Radiotherapie zu nennen (Abid et al.
2001).
Differenzialdiagnostisch sind u. a. eine neu auftretende oder progrediente pulmonale Metastasierung, Infektionen und kardiale Ursachen in Betracht zu ziehen.
Diagnostisch können neben Anamnese, klinischer Untersuchung und einem Basislabor bildgebende Verfahren, die Lungenfunktionsprüfung und die
Bronchoskopie mit
bronchoalveolärer Lavage bzw. Biopsie angewandt werden. Die bronchoskopischen Verfahren ausgenommen, sind prätherapeutische Ausgangsbefunde vorteilhaft für die Diagnosefindung (Vahid und Marik
2008). Tab.
6 gibt eine Übersicht der substanzspezifischen pneumotoxischen Auswirkungen wieder.
Tab. 6
Substanzspezifische pneumotoxische Nebenwirkungen
Hypersensitivitätspneumonitis | Azathioprin, Bleomycin, Cabazitaxel, Docetaxel, Methotrexat, Nivolumab, Atezolizumab, Pembrolizumab, Ipilimumab, Avelumab |
| Bleomycin, Cyclophosphamid, Docetaxel, Ifosfamid, Irinotecan, Mitomycin |
Nichtkardiales Lungenödem | Gemcitabin, Mitomycin, Vinblastin, Vincristin, Vinflunin |
Bronchospasmus | Cabazitaxel, Docetaxel, Mitomycin, Vinblastin, Vincristin, Vinflunin |
| Methotrexat, Mitomycin |
Parenchymblutung | Bevacizumab, Etoposid |
Die therapeutischen Möglichkeiten bei Auftreten einer pulmonalen Toxizität sind limitiert. Sie bestehen aus dem Absetzten der auslösenden Substanz, sowie – je nach Ausmaß und Schädigungsbild – aus der Einleitung einer Kortikosteroidtherapie (Cave: vorher Ausschluss einer infektiösen Genese), O
2-Therapie, Inhalation, Analgesie, Antibiotikatherapie, Gabe von Sekretolytika und/oder
Diuretika sowie ggf. beatmungs- und notfallmedizinischen Maßnahmen.
Hepatotoxizität
Unter dem Begriff der durch Zytostatika induzierten Hepatotoxizität versteht man zum einen die primäre direkte hepatozelluläre Schädigung bzw. eine primäre Schädigung der intrahepatischen Gallenwege durch das Zytostatikum oder seine Metaboliten. Zum anderen kann es sich auch um eine Progredienz oder Reaktivierung einer vorbestehenden Lebererkrankung handeln. Neben allgemeinen Symptomen einer hepatischen Erkrankung können diese Veränderungen zu einer Störung der Metabolisierung bzw. der Exkretion des Chemotherapeutikums selbst oder seiner Metaboliten führen, was wiederum mit erhöhten Plasma- und/oder Gewebespiegeln einhergehen kann und in der Regel mit einer Steigerung der Toxizität assoziiert ist.
Als Risikofaktoren für die Entwicklung einer Hepatotoxizität unter bzw. nach einer Chemotherapie gelten von Seite des Patienten das Lebensalter, ein kachektischer Allgemeinzustand, das Vorhandensein von Lebererkrankungen, ein Zustand nach Alkoholabusus sowie die Einnahme anderer über die Leber zu verstoffwechselnde Medikamente. Von der Therapieseite spielen die Wahl des Zytostatikums und die Dosierung desselben eine entscheidende Rolle. Akute klinische Manifestationen lassen sich in eine direkte zytotoxische Form mit Ausbildung von Nekrosen sowie in cholestatische und Mischformen unterteilen. Neben diesen akuten Manifestationen können sich auch chronische Schädigungsmuster in Form von Fibrosierung und Zirrhose manifestieren. Eine dritte Form der zytostatika-vermittelten Hepatotoxizität ist die venookklusive Erkrankung.
Differenzialdiagnostisch sollten
Lebermetastasen, paraneoplastische Syndrome,
Pfortaderthrombosen sowie bereits vorbestehende Lebererkrankungen in Erwägung gezogen werden.
Neben Anamnese und klinischer Untersuchung mit Augenmerk auf evtl. vorliegende Cholestasezeichen sollten im Rahmen einer labormedizinischen Untersuchung die Transaminasen (Aspartataminotransferase [ASAT], Alaninaminotransferase – [ALAT]), die Cholestaseparameter (alkalische Phosphatase [AP],
Bilirubin,
γ-Glutamyltransferase [γ-GT]), eine Hepatitisserologie sowie die Überprüfung der Syntheseleistung (Cholinesterase [CHE], Quick,
Albumin) überprüft werden. Ergänzend kann in Abhängigkeit von der Fragestellung eine Sonografie bzw. eine MRT oder in speziellen Fällen eine Biopsie durchgeführt werden (Bokemeyer und Lipp
2006).
Hyperkalzämie
Zu den häufigsten durch maligne Tumoren bedingten Stoffwechselveränderungen gehört die
Hyperkalzämie. Ursächlich für die Hyperkalzämie kann eine durch ossäre Metastasen bedingte Osteodestruktion oder ein paraneoplastischer Effekt sein. Neben der Höhe des Gesamtkalziumspiegels bzw. des Spiegels des nicht proteingebundenen Kalziums beeinflusst auch die Anstiegsgeschwindigkeit das Ausmaß der Symptomatik. Betroffene Patienten leiden unter neurologischen Veränderungen mit Adynamie und Muskelschwäche sowie Müdigkeit bis hin zur Bewusstseinseintrübung, unter Störungen des Gastrointestinaltraktes mit Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit sowie unter Störungen des kardialen Reizleitungssystems mit Nachweis einer QT-Zeit-Verkürzung im
EKG. Ferner kommt es frequent zu einer übermäßigen Steigerung der Urinmenge und des Durstes sowie insgesamt zu einer Dehydratation. Unbehandelt kann dieser Zustand zu einer signifikanten Verschlechterung der Nierenfunktion führen.
Diagnostisch lässt sich außer den im Rahmen der klinischen Untersuchung zu erhebenden und oben erwähnten Befunde laborchemisch eine Erhöhung des Kalziumspiegels nachweisen.
Die Therapie der
Hyperkalzämie besteht in einer Steigerung der Diurese. Dies geschieht überwiegend in Form einer intravenösen
Volumentherapie durch Gabe von isotoner Kochsalzlösung (ca. 4–5 l/Tag) ggf. in Kombination mit einem Diuretikum. Eine Inhibierung der Osteoklastentätigkeit gelingt durch Verabreichung eines Bisphosphonats (z. B. 4 mg Zoledronsäure als Kurzinfusion) sowie ebenfalls durch die Gabe von
Calcitonin. Auch die Gabe von
Kortikosteroiden kann den Verlauf positiv beeinflussen (Reagan et al.
2014).
Fatigue
Die tumorassoziierte Fatigue
betrifft zwischen 50 und 96 % der onkologischen Patienten vor, während oder nach einer Therapie und ist in ihrer zeitlichen Ausdehnung sehr variabel. Es handelt sich dabei um das subjektive Erleben von Müdigkeit im Sinne einer ausgeprägten Erschöpfung mit Reduktion der psychischen und physischen Belastbarkeit. Sie tritt unabhängig von körperlicher und mentaler Belastung auf oder steht in ihrer Intensität in keinem Verhältnis zu dieser und zeigt keine Besserung nach Erholungsphasen. Folge ist eine mitunter massive Einschränkung der
Lebensqualität. Stone und Mitarbeiter konnten in einer 2000 veröffentlichten Arbeit in dem von ihnen untersuchten Patientenkollektiv zeigen, dass die Fatigue belastender als
Schmerz und/oder Übelkeit und Erbrechen wahrgenommen wurde. Auch scheint die Fatigue mit einer kürzeren Überlebenszeit sowie einer erhöhten Mortalität assoziiert zu sein (Campos et al.
2011).
Die Genese der tumorassoziierten Fatigue ist multifaktoriell. Häufig ist sie Folge eines Zusammenspiels psychosozialer, somatischer und emotionaler Faktoren. Eine detaillierte Übersicht der die Fatigue bedingenden Ursachen liefert Tab.
7.
Tab. 7
Ursachen und begünstigende Faktoren der Fatigue
Therapie | Insbesondere bei einer Therapie mit Platinanaloga und Taxanen |
Somatisch | Tumorerkrankung, paraneoplastische Syndrome, Anämie, Diabetes mellitus, Hypothyreose, kardiopulmonale Erkrankungen, Multimorbidität, chronische Schmerzen, Nausea, Ernährungsstörungen, Infektionen |
Medikamentös | |
Psychosozial | Depression, Ängste, Schlafstörung |
Die der tumorassoziierten Fatigue zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen sind noch nicht vollständig geklärt. Diskutiert werden Störungen der hormonellen Regulation, wie der zirkadianen Melatoninausschüttung, der Serotoninausschüttung, des Katecholaminstoffwechsels und der hypothalamischen Regelkreise sowie der Immunmodulation mit der Dysregulation inflammatorischer
Zytokine.
Im Zentrum des diagnostischen Work-ups steht die Anamneseerhebung. Analog zur numerischen Schmerzskala empfiehlt es sich, die Ausprägung der Müdigkeitssymptome mittels einer visuellen Analogskala (0 = keine Müdigkeit; 10 = stärkste Müdigkeit) zu erfassen. Neben der Erfassung der Intensität der Beschwerden, ist es essenziell, der Fatigue zugrunde liegende Ursachen zu identifizieren. Ergänzt wird die Basisdiagnostik durch eine körperliche Untersuchung sowie die Bestimmung eines Routinelabors.
Die therapeutischen Ziele bei der Behandlung der tumorassoziierten Fatigue bestehen in der Information des Patienten und seines Umfelds über das Beschwerdebild sowie in der Elimination oder Verminderung auslösender bzw. verstärkender Faktoren. Tab.
8 gibt eine detaillierte Auflistung der Therapieoptionen wieder. Das Therapiekonzept sollte immer individuell auf den Patienten abgestimmt sein (Horneber et al.
2012).
Tab. 8
Therapieoptionen der tumorassoziierten Fatigue
Nichtmedikamentöse Therapieoptinen | |
|
Körperliches Training im aeroben Bereich |
Medikamentöse Therapieoptionen | Hämatopoetische Wachstumsfaktoren bei bestehender Anämie |
Psychostimulierende Medikamente (z. B. Methylphenidat und Modafenil; Cave: „off-label use“) |
|
Phytoterapeutika (z. B. Ginseng) |
Tumorlysesyndrom
Das
Tumorlysesyndrom beschreibt eine durch einen ausgeprägten Zerfall von Tumorzellen ausgelöste metabolische Entgleisung, die in einem akuten
Nierenversagen münden kann. Es entsteht nach Einleitung einer Radio- und/oder Chemotherapie insbesondere bei Patienten mit einer großen Tumorlast sowie bei undifferenzierten hämatologischen Neoplasien. Das Vollbild ist als onkologische Notfallsituation zu werten, deren Letalität in der Literatur mit bis zu 15 % angegeben wird. Nahezu jeder zweite Patient benötigt eine
Hämodialyse.
Pathophysiologisch gelangen Zellbestandteile in übermäßiger Konzentration in den Extrazellulärraum. Laborchemisch können eine Hyperkaliämie, eine
Hyperphosphatämie, eine
Hypokalzämie sowie eine Hyperurikämie nachweisbar sein. In der Regel findet sich auch eine azidotische Stoffwechselsituation.
Insbesondere die
Harnsäure führt dabei zu einer Schädigung der Nierentubuli mit konsekutiver Funktionseinschränkung bis hin zum
Nierenversagen. Die Inzidenz des Vollbilds liegt bei ca. 5 % (Cairo et al.
2010).
In der Uroonkologie findet sich das
Tumorlysesyndrom am häufigsten bei Patienten mit einer ausgeprägten Metastasierung eines gonadalen Keimzelltumors.
Zu den Symptomen des Syndroms zählen u. a. neuropsychiatrische Veränderungen wie Somnolenz, Desorientierung sowie eine erhöhte Bereitschaft zu Krampfanfällen. Des Weiteren bestehen eine Oligo- bis
Anurie und
Herzrhythmusstörungen. Tab.
9 gibt eine Übersicht über mögliche Risikofaktoren, die zur Entwicklung eines
Tumorlysesyndroms prädisponieren.
Tab. 9
Risikofaktoren für die Entstehung eines Tumorlysesyndroms
Niere | Nierenerkrankungen mit einer um 25 % erniedrigten Gesamtclearence |
Herz | |
Stoffwechsel | Metabolische Erkrankungen |
| Volumenmangel |
Lebensalter | >60 Jahre |
Tumor | Große Tumormasse |
Hoher Tumorzellumsatz |
|
Radio-/Chemotherapie | Zu erwartende hochpotente Wirksamkeit |
Patienten mit einem entsprechenden Risikoprofil sollten insbesondere während der Therapieinitiierung intensiv betreut werden. Im Rahmen dieses Monitorings sollte bereits prätherapeutisch eine durch große retroperitoneale Tumormassen bedingte Harnstauung ausgeschlossen werden. Des Weiteren empfiehlt sich die Durchführung eines
EKG sowie die Dokumentation des Ausgangsgewichts. Ein nach Möglichkeit
zentralvenöser Zugang ist anzulegen. Mit Therapiebeginn sollten Blutbild,
Elektrolyte, Retentionswerte und die Lactatdehydrogenase (LDH) regelmäßig bestimmt werden, Letztere ggf. 2- bis 3-mal/Tag. Ferner ist eine Urin-pH-Metrie, eine exakte Bilanzierung von Flüssigkeitszufuhr und -ausfuhr und die engmaschige Kontrolle der Vitalparameter zu empfehlen.
Bei sog. Risikopatienten sollte bereits im Vorfeld ein ausreichender Hydrierungsstatus (ca. 3000 ml/m
2 5 %
Glukose und isotone Kochsalzlösung im Wechsel) sowie eine ausreichende Diurese (ca. 150 ml/h) sichergestellt sein. Beim Einsatz von
Diuretika sollte eine mögliche Beeinflussung der Harnsäureexkretion bedacht werden.
Therapeutisch sind auftretende Elektrolytentgleisungen zu korrigieren. Zur Behandlung der Hyperurikämie stehen mit dem Allopurinol und der Rasburicase zwei Medikamente zur Verfügung. Allopurinol vermindert über eine Hemmung der Xanthinoxidase die Bildung von
Harnsäure. Es ist allerdings zu beachten, dass Allopurinol zum einen potenziell nephrotoxisch ist und bei erhöhten Retentionswerten eine Dosisanpassung notwendig ist, zum anderen die Bildung von
Xanthin und somit die Ausbildung einer Xanthinnephropathie durch Allopurinol nicht beeinflusst wird.
Demgegenüber führt die Rasburicase zu einer Umwandlung von
Harnsäure in das gut lösliche Allantoin. Hierdurch ist eine rasche und potente Absenkung des Harnsäurespiegels möglich. Es konnte gezeigt werden, dass durch den Einsatz dieser rekombinant hergestellten Uratoxidase die Zahl der Dialyseindikationen im Rahmen des
Tumorlysesyndroms signifikant reduziert werden konnte. Das Medikament sollte mit einer Dosierung von 0,2 mg/kg KG/Tag intravenös über 30 min appliziert werden (Vines et al.
2010). Sollte es trotz der prophylaktischen und therapeutischen Maßnahmen zur Entwicklung eines akuten
Nierenversagens kommen, besteht die Indikation zur
Nierenersatztherapie.
Immunvermittelte Nebenwirkungen
Checkpoint-Inhibitoren sind immunmodulatorische
Antikörper, die mit der intendierten Verstärkung der Immunantwort eine antitumoröse Wirkung erzielen und auf diese Weise für viele uroonkologischen Entitäten bereits die Therapie revolutioniert haben: Beim metastasierten
Nierenzellkarzinom und beim metastasierten
Harnblasenkarzinom sind diese Substanzen bereits zugelassen und in der Therapiesequenz etabliert. Bei anderen uroonkologischen Entitäten sind die Checkpoint-Inhibitoren bereits in der klinischen Prüfung.
Sowohl beim
Nierenzellkarzinom, wie auch beim
Harnblasenkarzinom wurden mit PD-1/PD-L1 – und/oder CTLA-4 Inhibitoren signifikante klinische Benefits im Bereich der Tumoransprechraten, der progressionsfreien Überlebensintervalle und auch des Gesamtüberlebens erzielt. Trotz dieser erfolgreichen klinischen Endpunkte gilt es bei diesen Wirkstoffen das Nebenwirkungsspektrum zu beachten und insbesondere die sogenannten immunvermittelten Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und spezifische Behandlungen zum Nebenwirkungsmanagement einzuleiten.
Immunvermittelte Nebenwirkungen können im Wesentlichen dermatologische, gastrointestinale, hepatische, pulmonale und endokrine Auswirkungen umfassen, die wahrscheinlich aus einer generalisierten immunologischen Antwort des Gesamtorganismus resultieren und die durch eine vorübergehende systemische Therapie mit
Glukokortikoiden und/oder
Immunsuppressiva durchbrochen werden können. Da es in seltenen Fällen auch fulminante Verläufe von immunvermittelten Nebenwirkungen gibt, es ist besonders wichtig, die immunvermittelten Nebenwirkungen von unspezifischen medikamentösen Nebenwirkungen zu differenzieren, sie schnellstmöglich zu erkennen und das Nebenwirkungsmanagement umgehend einzuleiten (Brahmer et al.
2018).
Der im Folgenden dargelegten Empfehlungen für das Nebenwirkungsmanagement von
Checkpoint-Inhibitoren liegen die Leitlinien der „American Society of Clinical Oncology“ und der „Society for Immunotherapy of Cancer“ zugrunde (Puzanov et al.
2017). Grundsätzlich sollten die Ausprägungen der Nebenwirkungen nach standardisierten Kriterien bemessen werden. Hierzu bietet sich die Systematik der „Common Toxicity Criteria of Adverse Events“ des National Cancer Institutes an.
Alle Patienten unter Therapie sollten regelmäßig und sorgfältig nach Nebenwirkungen und speziell nach immunvermittelten Nebenwirkungen befragt werden. Bei Auftreten solcher Nebenwirkungen folgt nach der Einteilung in den Schweregrad generell die Pausierung der Checkpoint-Inhibitor-Therapie und die systemische Gabe von
Glukokortikoiden. Die Dauer des Pausierens der Immuntherapie und die Dosierung der Glukokortikoide richtet sich nach dem Schweregrad der beobachteten Toxizität (Brahmer et al.
2018).
Für Grad 1 Toxizitäten gilt, dass die Immuntherapie in allen Fällen fortgeführt werden kann. Eine systemische Kortikoid-Therapie ist für diese Toxizitätsstufe nicht erforderlich.
Bei den Grad 2 Toxizitäten wird empfohlen die Checkpoint-Inhibition zu pausieren. Sie sollte erst wieder begonnen werden, wenn sich die Nebenwirkungen wieder abschwächen und Grad 1 oder weniger betragen. Alle Patienten sollen eine Kortikoidtherapie erhalten: Während diese bei kutanen Nebenwirkungen topisch appliziert werden kann, ist sie bei allen anderen Toxizitäten systemisch zu verabreichen und sollte für die hepatischen und gastrointestinalen Nebenwirkungen in einer Dosierung von 0,5–1,0 mg/kg/Tag und für alle anderen Nebenwirkungen (endokrin, pulmonal, etc.) in einer Dosierung von 1,0–2,0 mg/kg/Tag appliziert werden.
Auch bei den Grad 3 Toxizitäten soll die Checkpoint-Inhibition unterbrochen werden und eine systemische Kortikoid-Therapie gestartet werden. Die Dosierungsempfehlungen richten sich auch hier nach der Art der Nebenwirkung. Es wird allerdings mit Ausnahme der kutanen (topische Applikation) und der renalen Toxizitäten für alle anderen Nebenwirkungen eine Dosierung von 1,0–2,0 mg/kg/Tag empfohlen. Für pulmonale Nebenwirkungen Grad 3 soll die Dosis sogar auf 2,0–4,0 mg/kg/Tag angehoben werden. Ebenso muss die Immuntherapie bei pulmonaler Grad 3 Toxizität dauerhaft beendet werden.
Für alle Grad 4 Toxizitäten gilt ebenfalls, dass die Immuntherapie dauerhaft beendet werden muss. Die Dosierungsempfehlung für die Kortikoidtherapie beträgt mit Ausnahme der pulmonalen Toxizitäten (dort 2,0–4,0 mg/kg/Tag) 1,0–2,0 mg/kg/Tag.
Für alle Behandlungen mit Kortikoiden gilt, dass nach Abklingen der Nebenwirkungen durch die Immuntherapie ein Ausschleichen der Kortikoidtherapie erforderlich ist.
Kommt es zu keiner Besserung der immunvermittelten Nebenwirkungen, ist zusätzlich zur Kortikoidtherapie eine immunsuppressive Therapie, z. B. mit Infliximab (Einmalgabe 3 mg/kg) oder Mycophenolat-Mofetil (2 × 0,5–1,0g/d) angezeigt.
Nebenwirkungen einer Kortikosteroidtherapie
Kortikosteroide werden in vielfältiger Indikation und mit unbestrittenem Nutzen in der supportiven Onkologie eingesetzt. Hierbei wird sich ihre antiallergische, antiemetische, antiinflammatorische, antriebssteigernde und abschwellende Wirkung zu Nutzen gemacht. Eine besondere Rolle spielen die Kortikoide bei der Behandlung von immun-vermittelten Nebenwirkungen durch moderne
Checkpoint-Inhibitoren (vgl. Abschn.
10).
Neben den jeweils gewünschten Effekten der Kortikosteroidtherapie
haben die jeweiligen Substanzen, bei denen es sich meistens um Derivate des endogenen Hydrokortisons handelt, auch ein nicht unerhebliches Nebenwirkungsspektrum. Die Grundlage hierfür besteht in der Tatsache, dass Kortikoide ihr gesamtes Wirkungsspektrum prinzipiell über 2 Mechanismen entwickeln. Zum einen können sie innerhalb weniger Minuten zu einer Stabilisierung der Zellmembran führen. Diese wichtige nicht genomische Wirkung bildet die Grundlage für zahlreiche gewünschte Effekte z. B. im Bereich der Antiemesis oder bei der Unterdrückung allergischer Reaktionen etwa bei der Therapie mit Taxanen. Daneben entfalten
Kortikosteroide aber auch eine sog. genomische Wirkung. Das bedeutet, dass sie zu einer Änderung der Expression zahlreicher Gene führen. Die so vermittelten Wirkungen setzen hier erst mit einer Verzögerung von Stunden bis Tagen ein. Im Weiteren sollten für den adäquaten Einsatz von Kortikosteroiden und zur Reduktion möglicher Nebenwirkungen folgende Tatsachen berücksichtigt werden:
Auf der Basis dieser theoretischen Grundlagen gilt es in der Praxis Folgendes zu beachten. Bei einer notwendigen lang andauernden Einnahme von Kortikosteroiden sollte die Gesamtdosis morgens verabreicht werden. Es sollte immer die geringste noch wirksame Dosis verabreicht werden. Beim Absetzen von Kortikosteroiden sollte in Abhängigkeit von der Therapiedauer ein „ausschleichendes“ Regime mit stufenweiser Dosisreduktion erfolgen.
Sollten Nebenwirkungen im Laufe der Kortikosteroidtherapie entstehen und eine Modulation derselben, z. B. im Sinne einer Dosisreduktion, aus therapeutischen Gründen nicht möglich sein, sind die Nebenwirkungen symptomatisch zu behandeln. Tab.
10 gibt einen Überblick der gängigen Nebenwirkungen und möglicher Therapieansätze (Herdegen
2008).
Tab. 10
Nebenwirkungen der Kortikosteroidbehandlung und mögliche therapeutische Ansätze
Akutes Auftreten | | |
| |
Ödembildung | |
Amenorrhö, Impotenz | Hormonsubstitution |
| Hormonsubstitution |
Psychische/neurologische Veränderungen mit z. B. Adynamie, Psychose | |
Suppression der HHNR-Achse („Addison“) | Langsame staufenweise Reduktion („Ausschleichen“) |
Verzögertes Auftreten im Rahmen von Langzeittherapien | Immunschwäche | Vermeidung von Schutzimpfungen |
Muskelatrophie | Aerobes Training |
Kutane Veränderungen mit Atrophie, Striae, Hämatombildung | |
Fettverteilungsstörungen mit Vollmondgesicht, Büffelnacken, Stammfettsucht | |
| |
Dyslipoproteinämie | Statintherapie |
Glaukom, Katarakt | Engmaschige Kontrolle |
Hämatologische Veränderungen (Abnahme von Lymphozten, Monozyten und eosinophilen Granulozyten; Zunahme von Thrombozyten und Granulozyten) | |
Ulzerationen des Gastrointestinaltraktes in Kombination mit NSA | Protonenpumpenhemmer, Coxibe |
Suppression der HHNR-Achse („Addison“) | Langsame stufenweise Reduktion („Ausschleichen“) |