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Die Urologie
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Publiziert am: 15.03.2023

Systemische intravenöse Applikation von antineoplastischen Substanzen in der Tumortherapie

Verfasst von: Marianne Leitsmann, Arne Strauß und Elmar Heinrich
Intravenös applizierbare Chemo- und Immuntherapeutika stellen eine wesentliche Säule in der modernen uroonkologischen Therapie dar. Hocheffektive Therapien wie beispielsweise das PEB-Schema bei metastasierten Hodentumoren zeigen die enorme Wichtigkeit dieses Bereichs der Tumortherapie. Durch die Implementierung von Immuntherapien hat sich die Therapielandschaft der Uroonkologie grundlegend verändert und erweitert.
Durch ein hohes Maß an Standardisierung der Applikationsschemata sowie der kontinuierlichen Entwicklung adjuvanter Therapien können diese Therapien zunehmend im ambulanten Bereich erfolgreich durchgeführt werden. Im Rahmen dieses Kapitels werden alle für die Applikation relevanten Eigenschaften wie Kontraindikationen, Dosisanpassung oder Supportivtherapien beschrieben.

Einleitung

Intravenös applizierbare Chemo- und Immuntherapeutika stellen eine wesentliche Säule in der modernen uroonkologischen Therapie dar. Hocheffektive Therapien wie beispielsweise das PEB-Schema bei metastasierten Hodentumoren zeigen die enorme Wichtigkeit dieses Bereichs der Tumortherapie. Durch die Implementierung von Immuntherapien hat sich die Therapielandschaft der Uroonkologie grundlegend verändert und erweitert.
Durch ein hohes Maß an Standardisierung der Applikationsschemata sowie der kontinuierlichen Entwicklung adjuvanter Therapien können diese Therapien zunehmend im ambulanten Bereich erfolgreich durchgeführt werden. Im Rahmen dieses Kapitels werden alle für die Applikation relevanten Eigenschaften wie Kontraindikationen, Dosisanpassung oder Supportivtherapien beschrieben.
Voraussetzung zur sicheren intravenösen Applikation von Zytostatika und Immuntherapeutika sowie der oft nötigen supportiven Therapie ist die Anlage eines venösen Zugangs (Abb. 1). Durch die häufigen Punktionen sowie Venenveränderungen mit Thrombosierung, Lumeneinengung, Gefäßfragilität und erhöhter Permeabilität der Venenwände (Schmoll und Schmoll 1986) durch die Zytostatika wird das Legen peripherer Venenzugänge im Laufe der Behandlung schwieriger und führt zu einer erheblichen Belastung des Patienten. Des Weiteren steigt bei schlechten Venenverhältnissen das Risiko einer Paravasation, welches neben der lokalen Paravasatreaktion oft zur Therapieverzögerung führt. Verschiedene Substanzen sind ohnehin aufgrund ihrer Toxizität nur zentralvenös zu verbreichen. Perkutane zentralvenöse Venenkatheter in der Onkologie sind jedoch aufgrund ihres infektiologischen Risikos sowie der möglichen anlagebedingten Komplikationen aufwendig und nur für den kurzzeitigen Gebrauch geeignet (Abb. 2). Bei komplexen zytostatischen Therapien mit mehreren Medikamenten oder Durchführung mehrerer Zyklen erscheint es sinnvoll, die Patienten über die Möglichkeit einer Portimplantation (Abb. 3) aufzuklären. Die Wahl des Applikationsweges ist oft maßgeblich für die Lebensqualität des Patienten während der Therapie und sollte daher bereits frühzeitig besprochen werden. Zur Applikation von Immuntherapien sind periphere Zugänge unproblematisch.

Docetaxel

Anwendung

Kastrationsrefraktäres metastasiertes Prostatakarzinom.

Wirkmechanismus

Das Grundextrakt für den antimikrotubulären Wirkstoff 10-De-Acetybaccatin III wird semisynthetisch aus den Nadeln der europäischen Eibe (Taxus baccata) hergestellt. Docetaxel verhindert die Depolymerisation der intrazellulären Mikrotubuli, wodurch es zur Strukturstörung, Aggregation freier und Akkumulation stabiler, funktionsloser Mikrotubuli kommt. Der für die Mitose notwendige Spindelapparat kann somit nicht mehr aufgebaut werden und es kommt zu einem Arrest in der G2/M-Phase sowie zur p53-unabhängigen Apoptoseinduktion. Eine zusätzliche Wirkung des Detergens Cremophor EL durch Hemmung des P-170-Glykoproteins bei „multiple drug resistance“ wird diskutiert.

Applikationsform

Intravenös, peripherer Zugang möglich, Infusion über 60 min bei 75 mg/m2 KOF.

Dosierung

75 mg/m2 KOF 3-wöchentlich oder 25 mg/m2 KOF wöchentlich. Eine Anpassung der Dosis mit Wechsel auf das wöchentliche Schema oder auf 60 mg/m2 KOF 3-wöchentlich ist vor allem bei Myelosuppression mit Neutropenie (Hämatotoxizität Grad III/IV) erforderlich.

Elimination

90 % hepatisch und 10 % renal. Die Metabolisierung erfolgt über das Zytochrom-CYP3A4-Isoenzym. Bei Leberenzymerhöhungen der Glutamat-Oxalacetat-Transaminase/Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GOT/GPT) >1,5-facher Normwert und alkalischer Phophatase (AP) >2,5-facher Normwert kommt es zu einer verminderten hepatischen Elimination um ca. 30 %.

Toxizitäten

Allergische Reaktion mit Blutdruckabfall und Bronchospasmus, Myelotoxizität mit vorwiegend Neutropenien. Neurotoxizität mit z. T. Parästhesien und motorischen Störungen, Flüssigkeitsretentionssyndrom in Folge einer Membranpermeabilitätsstörung. Es kann zu peripheren Ödemen, Pleura- und Perikardergüssen kommen. Haut und Schleimhautveränderungen in Form von Mukositis, Nagelveränderungen, Oncholysen, Konjunktivitis, makulopapulöse oder bullöse Hautreaktionen und Alopezie können im Rahmen der Therapie auftreten.

Supportivmaßnahmen

Bei Hypersensitivitätsreaktionen begleitende Therapie mit Dexamethason 2-mal 8 mg oral am Tag vor und nach der Infusion sowie am Infusionstag selbst. Bei Flüssigkeitsretention sollte zusätzlich an den Tagen 2–5 Dexamethason 8 mg 1-mal täglich oral gegeben werden. Zur Vermeidung von Nagelveränderungen, Oncholysen und Alopezien wird die Anwendung von Kältehandschuhen bzw. Kältekappen empfohlen. Bei einer auftretenden Mukositis sollten neben den allgemeinen Prophylaxemaßnahmen noch Mundspülungen mit Dexpanthenol, Benzocain-Lösung oder Salbeitee durchgeführt werden.

Wechselwirkungen

CYP3A4-Inhibitoren wie Ketokonazol, Azol-Antimykotika, Nelfinavir, Ritonavir und Erythromycin erhöhen die Plasmakonzentration von Docetaxel und können daher die Toxizität steigern. Bei Patienten, die im Vorfeld einer Strahlentherapie unterzogen wurden, kann ein sog. Radiation-Recall-Phänomen auftreten, bei dem ursprüngliche strahlenbedingte Haut- und Schleimhautveränderungen wieder auftreten.

Kontraindikationen

Mit Kortikoiden nicht beherrschbare Überempfindlichkeitsreaktionen, Knochenmarkinsuffizienz, vorbestehende Neuropathien (relativ), schwere Leberfunktionsstörungen.

Kontrollen

Vor der ersten Gabe ist routinemäßig ein EKG (unter Docetaxel können Arrhythmien auftreten) durchzuführen sowie Differenzialblutbild, Lebertransaminasen sowie die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) zu bestimmen. Die laborchemischen Kontrollen sollen um den 10. Tag nach Applikation erfolgen, da hier mit der größten Myelosuppression zu rechnen ist. Bei wöchentlicher Gabe erfolgt die Kontrolle direkt vor erneuter Infusion. Bei zu erwartender Neutropenie sind engmaschige Kontrollen inklusive klinischer Kontrolle des Patienten nötig.

Cabazitaxel

Anwendung

Cabazitaxel ist in Kombination mit Prednison oder Prednisolon zur Behandlung von Patienten mit hormonrefraktärem metastasiertem Prostatakarzinom angezeigt, die mit einem Docetaxel-basierten Therapieschema vorbehandelt sind.

Wirkmechanismus

Cabazitaxel wird wie Docetaxel aus dem Grundwirkstoff 10-De-Acetybaccatin III semisynthetisch gewonnen und greift gleich wie Docetaxel (Abschn. 2) in den Zellzyklus sowie in die Struktur der Mikrotubuli ein. Im Vergleich zu Docetaxel ist es jedoch chemisch so verändert, dass es die Multiple-drug-resistance-Mechanismen wie ABC-Transportersysteme überwinden kann.

Applikationsform

Intravenöse Applikation über einen zentralen oder sicheren peripheren Zugang. Für die Applikation wird die Verwendung eines In- Line- Filters mit einer nominalen Porengröße von 0,22 μm empfohlen. Es dürfen keine PVC-Infusionsbehältnisse oder Polyurethan-Infusionsbestecke für die Zubereitung und Anwendung der Infusionslösung benutzt werden. Wie bei allen parenteral anzuwendenden Arzneimitteln sollte die Infusionslösung vor Gebrauch visuell überprüft werden. Da die Infusionslösung übersättigt ist, kann sie nach einiger Zeit auskristallisieren. Wenn das der Fall ist, darf die Lösung nicht mehr verwendet und muss verworfen werden.

Dosierung

Die Standarddosierung ist 25 mg/m2 KOF, 3-wöchentlich mit 10 mg Prednison/Prednisolon oral täglich. 30 min. vor Infusion wird die i. v. Applikation der Kombination Antihistaminikum/Kortikosteroid/H2-Antagonist empfohlen. Dosisreduktion auf 20 mg/m2 KOF bei Neutropenie, Diarrhö und Neuropathie (Abschn. 3.6) möglich.

Elimination

Cabazitaxel wird überwiegend in der Leber metabolisiert (>95 %), hauptsächlich durch das CYP3A4-Isoenzym (80–90 %). Cabazitaxel ist die vorwiegend in humanem Plasma zirkulierende Komponente. Im Plasma wurden 7 Metaboliten gefunden, wobei der Hauptmetabolit 5 % der Cabazitaxel-Exposition ausmacht. Ungefähr 20 Cabazitaxel-Metaboliten werden beim Menschen im Urin und in den Fäzes ausgeschieden.

Toxizitäten

Die Myelosuppression und im Speziellen die Neutropenie ist die häufigste Nebenwirkung von Cabazitaxel. Eine primäre Prophylaxe mit Granulozyten-koloniestimulierendem Faktor (G-CSF) sollte bei Patienten in Erwägung gezogen werden, die klinische Hochrisikofaktoren (Alter über 65 Jahre, schlechter Allgemeinzustand, vorhergehende Episoden febriler Neutropenie, intensive vorhergehende Strahlentherapie, schlechter Ernährungszustand oder andere schwerwiegende Komorbiditäten) aufweisen, aufgrund derer sie für häufigere durch eine lang anhaltende Neutropenie bedingte Komplikationen prädisponiert sind. Die Behandlung der Patienten darf erst bei Erreichen einer Neutrophilenzahl von mindestens 1500/mm3 wieder aufgenommen werden.
Patienten unter Cabazitaxel leiden öfter als Docetaxel-Patienten unter Diarrhö. Die Behandlung erfolgt mit den üblichen Antidiarrhoika wie Loperamid. Entsprechende Maßnahmen zur Rehydratation der Patienten sollten eingeleitet werden. Bei Auftreten einer Diarrhö ≥ Grad 3 können ein Aussetzen der Behandlung oder eine Dosisreduktion erforderlich sein.
Unter der Behandlung mit Cabazitaxel wurden Fälle von peripherer Neuropathie, peripherer sensorischer Neuropathie (z. B. Parästhesien, Dysästhesien) und peripherer motorischer Neuropathie beobachtet. Nach Auftreten neuropathischer Beschwerden sollte die Behandlung bis zur Besserung pausiert werden, bei persistierender peripherer Neuropathie ≥ Grad 2 sollte die Cabazitaxel-Dosis von 25 mg/m2 auf 20 mg/m2 reduziert werden.
Nierenfunktionsstörungen wurden bei Patienten mit septischem Krankheitsbild sowie unter schwerer Dehydratation aufgrund von Diarrhö oder Erbrechen beobachtet. Bei Auftreten von Nierenversagen ≥ Grad 3 gemäß CTC („common toxicity criteria“) ist die Behandlung mit Cabazitaxel abzubrechen.
Bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion ist die Behandlung mit Cabazitaxel kontraindiziert (Bilirubin ≥1-Fache des oberen Normalwertes oder Aspartataminotransferase [AST] und/oder Alaninaminotransferase [ALT] ≥1,5-Fache der oberen Normalwerte).
Zu Herzrhythmusstörungen und Überempfindlichkeitsreaktionen Abschn. 2.

Supportivmaßnahmen

Zur Reduktion oder Vermeidung von Überempfindlichkeitsreaktionen soll vor der Applikation eine Vortherapie mit einem Antihistaminikum, einem Kortikoid und einem H2-Blocker erfolgen. Eine ausreichende Hydratation des Patienten sowie eine antiemetische Prophylaxe oral/i. v. sind empfehlenswert. Bei ausgeprägter Diarrhö werden die Gabe von Loperamid sowie der Ausgleich des Flüssigkeitsverlusts empfohlen. Weitere Supportivmaßnahmen bei Taxan-bedingten Nebenwirkungen siehe Abschn. 2.7.

Wechselwirkungen

Die gleichzeitige Anwendung mit starken CYP3A4-Inhibitoren/Induktoren soll vermieden werden (Abschn. 2).

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegen Cabazitaxel, gegen andere Taxane oder einen der sonstigen Bestandteile in der Formulierung, einschließlich Polysorbat 80. Bei einer Neutrophilenzahl <1500/mm3. Bei eingeschränkter Leberfunktion (Bilirubin ≥1-Fache des oberen Normalwerts oder AST und/oder ALT ≥1,5-Fache der oberen Normalwerte). Gleichzeitige Impfung mit einem Gelbfieberimpfstoff.

Cisplatin

Anwendung

Metastasiertes Urothelkarzinom bzw. als (neo-)adjuvante Therapie vor bzw. nach radikaler Zystektomie oder im Rahmen einer Radiochemotherapie in Kombination mit Gemcitabine beim Urothelkarzinom der Harnblase, Keimzelltumore des Hodens oder extragonadale Keimzelltumore, Plattenepithelkarzinome (Peniskarzinom, Harnblasenkarzinom), neuroendokrines und kleinzelliges Prostatakarzinom.

Wirkmechanismus

Cisplatin wirkt durch Querverknüpfungen von DNA-Strängen. In wässriger Lösung reagieren die Aqua-Cisplatin-Komplexe des Cisplatin bevorzugt mit dem N7-Atom von Guanin und Adenin. Es entstehen so Verknüpfungen innerhalb eines DNA-Strangs und zwischen benachbarten DNA-Strängen („crosslinks“). Des Weiteren führt Cisplatin zu Punktmutationen. Zusätzlich führt Cisplatin auch zur Hemmung der DNA-Reparatur und hemmt die Telomeraseaktivität. Durch die irreversiblen DNA-Schäden bzw. fehlenden Reparaturmechanismen kommt es zur Apoptose in Geweben mit hoher Mitoserate.

Applikationsform

Intravenös, bei meist kombinierten Therapien (Gemcitabine/Cisplatin; PEB) ist die Applikation über einen zentralvenösen Katheter oder ein Portsystem zu empfehlen.

Dosierung

Vor Cisplatin-Applikation muss die Nierenfunktion mittels Kreatinin-Clearance evaluiert werden sowie ein regelrechter Urinabfluss gewährleistet sein. Die am häufigsten verwendete Dosierung ist 70 mg/m2 KOF. Cisplatin sollte bei GFR <60 ml/min nicht gegeben werden (Aronoff et al. 2007). Das Risiko der Nephrotoxizität muss gegen das Risiko eines unzureichenden Ansprechens sowie vor dem Hintergrund mangelnder Therapiealternativen (Hodentumor) abgewogen werden. Zur Vermeidung von schweren Nierenschädigungen ist eine ausreichende Hydratation notwendig (kann bei Dialysepatienten entfallen).
Patienten mit metastasiertem Urothelkarzinom, die einen ECOG-Performance Status (0–1) und keine weiteren Komorbiditäten aufweisen, können bei mäßig eingeschränkter Niereninsuffizienz (GFR 40-60 ml/min) Cisplatin in aufgeteilten Dosen („Split dose“) erhalten (Leitlinienprogramm Onkologie 2020).

Elimination

Die Applikation erfolgt intravenös, da Cisplatin bei oraler Aufnahme hydrolysiert und inaktiviert werden würde. Nach Bildung von Mono- und Diaquakomplexen werden die Metaboliten zu 90 % an Serumproteine (z. B. Albumin) gebunden und unterliegen einer dreiphasigen Eliminationskinetik. Die Verteilung von Cisplatin zeigt besonders hohe Konzentrationen in Nieren, Leber, Gonaden, Milz, Prostata, Harnblase, Pankreas, Muskulatur und Nebennieren und kann dort bis zu 2–4 Wochen persistieren. Die Aufnahme ins ZNS und in den Liquor cerebrospinalis ist gering. Die zytotoxische Aktivität wird durch den nicht proteingebundenen Anteil hervorgerufen. Die Elimination von Cisplatin und seiner Metaboliten erfolgt bevorzugt mit dem Urin.

Toxizitäten

Akute Toxizität

Aus der therapeutischen Anwendung von Cisplatin sind eine Reihe üblicher Nebenwirkungen bekannt. Akut zeigen sich zunächst gastrointestinale Störungen (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö). Ein signifikantes Potenzial zur Auslösung von Haut- und Atemwegsallergien (wie es die Chloroplatinate besitzen) ist für Cisplatin nicht bekannt. Bei der intravenösen Anwendung sind allerdings in seltenen Fällen anaphylaktische Reaktionen (u. a. Hautausschlag, Asthma) beobachtet worden, die möglicherweise durch Verunreinigungen mit Chloroplatinaten bedingt sein könnten.
Überdosierungen führen meist verzögert zu toxischen Effekten an der Niere mit Störungen im Elektrolythaushalt, Veränderungen im Blutbild als Folge einer Knochenmarkdepression, häufig auch Beeinträchtigungen des Hörens (Tinnitus, Schwerhörigkeit) und des Geschmacks. Schwere Störungen oder Schädigungen im Herz-Kreislauf-System, Atemfunktionsstörungen, systemische Effekte am Auge (Netzhautödem, retrobulbäre Neuritis), im peripheren und zentralen Nervensystem sowie leichte Beeinflussungen der Leberfunktion sind selten. Todesfälle infolge akuter Überdosierungen mit Cisplatin sind meist Folge von Knochenmarkschädigungen, Nierenversagen.

Chronische Toxizität

Irreversible Schädigungen der Nieren, der Blutbildung sowie des Hörvermögens sind die wesentlichen Nebenwirkungen bei wiederholter therapeutischer Anwendung. Die Folge sind Störungen im Elektrolythaushalt bis hin zur Dialysepflichtigkeit, Myelosuppression mit Neutropenie, Anämie und Thrombopenie infolge kumulativer Schädigung des Knochenmarks. Die Einschränkung im Hörvermögen zeigen sich klinisch als Tinnitus sowie als sensoneurale Schwerhörigkeit (Banfi et al. 2004). Der Hörverlust ist durch eine apoptosebedingte Haarzelldegeneration ausgelöst und beginnt meist in den hohen Frequenzen und kann sich im weiteren Verlauf auf die tieferen Frequenzen ausbreiten.
Erfahrungen über chronische Wirkungen von Cisplatin infolge einer beruflichen Langzeitexposition bzw. für den inhalativen und dermalen Expositionsweg liegen nicht vor. Bei intravenöser Applikation muss mit embryotoxischen Wirkungen gerechnet werden. Cisplatin wirkte in Testungen an Bakterien wie auch an Säugerzellkulturen mutagen. Das Risiko zur Bildung von Sekundärtumoren ist aktuell noch ungeklärt. Nach Überschreiten einer Kummulativdosis von 400 mg kann Cisplatin sekundäre Leukämien induzieren (Cisplatin Fachinformation 2011; FDA 2010; GESTIS-Stoffdatenbank o. J.; Health Council 2005).

Supportivmaßnahmen

Aufgrund des hochemetogenen Potenzials ist eine standardisierte antiemetische Therapie mit Dexamethason, 5-HT3-Antagonisten und NK1-Rezeptor-Antagonisten zu empfehlen (Kap. „Supportivtherapie in der Uroonkologie“). Bei Patienten mit klinisch relevanten Neutropenien ist eine G-CSF-Gabe entsprechend den Leitlinien zu erwägen (Kap. „Supportivtherapie in der Uroonkologie“).

Wechselwirkungen

Durch die Applikation von Cisplatin über aluminiumhaltige Nadeln oder Infusionssysteme kann es zur Ausfällung und damit Inaktivierung von Cisplatin kommen. Nephrotoxische Medikamente wie Aminoglykoside, Cephalosporine oder Amphotericin B potenzieren die Nephrotoxizität/Ototoxizität von Cisplatin und sollten somit vermieden werden. Verapamil, Metoclopramid und Triflupromacin können die Wirksamkeit ebenfalls erhöhen.

Kontraindikationen

Absolute

Eine absolute Kontraindikation besteht bei einer vorbekannten Hypersensitivität auf Cisplatin oder andere platinhaltige Medikamente. Schwangerschaft, Stillzeit.

Relative

Renale Insuffizienz, Myelosuppression (Leukozyten-Nadir zwischen Tag 18 und 32). Leuko- und Thrombopenie tritt bei Dosen über 50 mg/m2 KOF häufiger auf. Vor Therapiebeginn sollten die Thrombozyten mehr als 100.000 und die Leukozyten mehr als 4000/ml betragen. Bei erheblicher Ototoxizität ist eine Dosisminderung zu erwägen. Hypomagnesiämie und Hypokalziämie sollten vor Therapie ausgeglichen werden. Bei ausgeprägter Anämie ist eine Substitution mittels Erythrozytenkonzentraten entsprechend den Leitlinien zu empfehlen (Kap. „Supportivtherapie in der Uroonkologie“). Bei schwerwiegender Neurotoxizität ist eine Therapiebeendung zu empfehlen. Patienten mit Risiken auf anaphylaktische Reaktionen (Asthma) sollten nur unter Aufsicht therapiert werden.

Carboplatin

Anwendung

Hodentumor, Urothelkarzinom (Alternative zu Cisplatin), neuroendokrines/kleinzelliges Prostatakarzinom (Carboplatin/Etoposid).

Wirkmechanismus

Carboplatin entfaltet seine antineoplastische Wirkung gleich wie Cisplatin (Abschn. 4) und verhält sich auch in Bezug auf die Nebenwirkungen nahezu gleich. Als weitere, jedoch wenig belegte Hypothese des Wirkmechanismus wird eine „Aktivierung“ und damit Katalyse der chemischen Prozesse durch Pt2+-Ionen beschrieben.

Applikationsform

Intravenös (Abschn. 4.3), Applikationszeit 1 h.

Dosierung

Die Dosisberechnung erfolgt nach AUC („area under the curve“). Zur Gesamtdosisberechnung dient die Formel nach Calvert (Calvert et al. 1989). Im Hochdosisbereich (AUC 7 = ca. 800 mg/m2 KOF) sind die Toxizitäten vergleichbar mit Cisplatin.

Elimination

Siehe Cisplatin, Abschn. 4.5.

Toxizitäten

Carboplatin zeigt eine geringere Nephro- und Ototoxizität. Unterschiede zwischen Carboplatin und Cisplatin ergeben sich u. a. aus der deutlich langsameren Kinetik von Carboplatin, die durch die höhere Stabiliät der Dicarboxyl-Ringstruktur bedingt ist. Als Vorteil kann die erhöhte Tumorselektivität von Carboplatin angesehen werden. Organschäden, insbesondere nephrotoxische und hepatotoxische Effekte sollen danach geringer sein als bei Cisplatin.

Supportivmaßnahmen

Siehe Cisplatin, Abschn. 4.7.

Wechselwirkungen

Siehe Cisplatin, Abschn. 4.8.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegen Carboplatin oder andere platinhaltige Präparate, schwere Niereninsuffizienz, schwere Leberinsuffizienz, schwere Knochenmarkdepression, Tumorblutungen, ausgeprägte Hörstörungen, Schwangerschaft, Stillzeit (Abschn. 4.9).

Vinblastin

Anwendung

Vinblastin wird urologisch vorwiegend im M-VAC-Schema (Methotrexat-Vinblastin-Adriamycin-Cisplatin) beim metastasierten Urothelkarzinom verwendet.

Wirkmechanismus

Vinblastin ist ein Vincaalkaloid, chemisch analog zu Vincristin. Durch die Bindung an intrazelluläre Mikrotubuli verhindert es die Ausbildung des Spindelapparats während der Mitose und induziert so die Apoptose der Zelle.

Applikationsform

Intravenös, zentralvenöser Zugang bzw. Portsystem aufgrund der nekrotisierenden Wirkung bei Paravasation empfohlen.

Dosierung

Im M-VAC-Schema ist eine Dosis von 3 mg/m2 KOF mit 4-wöchentlichem Rhythmus vorgesehen. Bei Hodentumor-Patienten ist die initiale Dosis 3,7 mg/m2 KOF mit wöchentlicher Steigerung auf maximal 18,5 mg/m2 KOF vorgesehen (1. Gabe: 3,7 mg/m2 KOF, 2. Gabe: 5,5 mg/m2 KOF, 3. Gabe: 7,4 mg/m2 KOF, 4. Gabe: 9,25 mg/m2 KOF, 5. Gabe: 11,1 mg/m2 KOF). Bei einer Leukopenie unter 3000/ml sollte keine Dosissteigerung erfolgen. Applikation ab 4000 Leukozyten möglich.

Elimination

Die Ausscheidung von Vinblastin erfolgt vorwiegend hepatisch. Bei Patienten mit einem direktem Bilirubin >3 mg/dl ist eine Dosisreduktion auf 50 % empfohlen. Bei Patienten mit verminderter renaler Leistung ist keine Anpassung nötig.

Toxizitäten

Hämatologisch: Myelosuppression mit Leukopenie, Anämie und Thrombozytopenie. Nadir zwischen 4 und 10. Tag. Eine Alopezie tritt fast bei jedem Patienten auf. Gastrointestinal kann es von Obstipation, Übelkeit, Erbrechen bis hin zu hämorrhagischen Enterokolitiden und Ileus kommen. Neurologisch wurden Parästhesien der Finger, Verlust der Sehnenreflexe, periphere Neuritiden sowie Depressionen und Krampfanfälle beobachtet. In der Kombination mit platinhaltigen Substanzen sind seltene Fälle mit permanenter Taubheit sowie Störung des Gleichgewichtssinns in Folge von Ototoxizität beschrieben. Bei der Kombination der Präparate des M-VAC-Schemas wurde über das Auftreten von Myokardinfarkten, Apoplex sowie des Raynaud-Syndroms berichtet. Plötzlich einsetzende Kurzatmigkeit sowie schwerer Bronchospasmus können bei der Anwendung von Vincaalkaloiden auftreten.

Supportivmaßnahmen

Bei gastrointestinalen Beschwerden sind Spasmolytika sowie Prokinetika zur Ileusvermeidung bzw. Therapie indiziert. Bei Patienten mit signifikanter und wiederholter Leukopenie kann einen G-CSF-Therapie in Erwägung gezogen werden.

Wechselwirkungen

Bei Patienten, die zuvor eine Bestrahlung erhalten haben, ist ein „Radiation-Recall-Phänomen“ möglich. Bei zeitgleicher Gabe von Phenytoin ist mit einer reduzierten Serumkonzentration und somit einem erhöhten Anfallsrisiko zu rechnen.

Kontraindikationen

Bei signifikanter Granulozytopenie sowie bei aktiven bakteriellen Infekten darf kein Vinblastin appliziert werden. Überempfindlichkeit gegen Vinblastin, Schwangerschaft, Stillzeit.

Vinflunin

Anwendung

Vinflunin (Javlor®) kann als Monotherapie bei fortgeschrittenem oder metastasierendem Urothelkarzinom nach Versagen einer platinhaltigen Therapie eingesetzt werden.

Wirkmechanismus

Vinflunin ist ein Zytostatikum aus der Klasse der Vinca-Alkaloide. Vinflunin bindet an Tubulin an oder in der Nähe von Vinca-Bindungsstellen und verhindert somit die Polymerisation zu Mikrotubuli. Vinflunin behindert so den Aufbau des Spindelapparates und verursacht eine Störung der Dynamik der Mikrotubuli, eine Inhibierung der Mitose und eine Induktion der Apoptose (Mitosegift).

Applikationsform

Intravenös, periphervenöser oder zentralvenöser Zugang bzw. Portsystem. Bei peripheren Zugängen kann Vinflunin Venenreizungen verursachen. Applikation über 20 Minuten. Vor und nach der Gabe sollte eine isotonische Natriumchloridlösung bzw. eine 5 %ige Glukoselösung verabreicht werden.

Dosierung

Die empfohlene Dosis beträgt 320 mg Vinflunin/m2 KOF alle 3 Wochen. Bei einem ECOG von 1 oder einem PS von 0 und vorangegangener Strahlentherapie des Beckenbereichs sollte die Behandlung mit einer Dosis von 280 mg/mÇ begonnen werden.

Elimination

Die Elimination von Vinflunin erfolgt mit einer terminalen Halbwertszeit von ungefähr 40 Stunden. Der aktive Metabolit O-Deacetyl- Vinflunin (DVFL) wird langsam gebildet und wird langsamer eliminiert als Vinflunin. Die Exkretion von Vinflunin und dessen Metaboliten erfolgt vor allem über die Fäzes, ein Drittel über den Urin. Bei Patienten mit Leber- oder Nierenfunktionseinschränkungen sowie bei älteren Patienten ≥75 kann gegebenenfalls eine Dosisanpassung erfolgen.

Toxizitäten

Hämatologisch: Myelosuppression mit Neutropenie, Leukopenie, Anämie und Thrombozytopenie treten häufig auf. Obstipationen und gastrointestinale Beschwerden werden häufig beschrieben. Eine Verlängerung des QT Intervalls, welches mit einem erhöhten Risiko für ventrikuläre Arrhythmien verbunden sein kann, kann auftreten. Weitere beschriebenen Nebenwirkungen sind ZNS-Störungen wie das Posteriore Reversible Enzephalopathie Syndrom (PRES), eine Hyponatriämie, Leber- sowie Nierenfunktionsstörungen, Anorexie, Übelkeit, Stomatitis/Mukositis, Erbrechen, abdominale Schmerzen und Diarrhoe; allgemeine Störungen wie Asthenie/Müdigkeit.

Supportivmaßnahmen

Als Obstipationsprophylaxe werden ab Tag 1 der Vinflunin-Gabe bis Tag 5 oder 7 nach jeder Vinflunin-Anwendung Laxantien und diätetische Maßnahmen inklusive einer oralen Hydratation empfohlen.

Wechselwirkungen

Zusammen mit Vinflunin sollten keine starken CYP3A4-Inhibitoren oder starken CYP3A4-Induktoren (z. B. Johanniskraut) eingenommen werden.

Kontraindikationen

Vorsicht ist bei Patienten mit einem Myokardinfarkt, einer Myokardischämie oder Angina pectoris in der Vorgeschichte (ischämische Zwischenfälle) geboten. Überempfindlichkeit gegen Vinflunin, Schwangerschaft, Stillzeit.

Etoposid

Anwendung

Hodentumor, neuroendokrines und kleinzelliges Prostatakarzinom.

Wirkmechanismus

Etoposid wird aus der Wurzel des immergrünen amerikanischen Maiapfels (Podophyllum peltatum) gewonnen. Durch die Hemmung der Topoisomerase II, durch DNA-Strangbrüche sowie durch die Hemmung von Membrantransportvorgängen kommt es zur Induktion der Apoptose.

Applikationsform

Intravenös, Cave: keine gleichzeitige Gabe mit Natriumcarbonat über gleichen Zugang. Langsame Infusion über 60 min (Blutdruckabfall).

Dosierung

Standarddosierung bei PE/PEB/PEI ist 100 mg/m2 KOF.

Elimination

Renal, Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz. Kreatinin-Clearence <10 ml Reduktion auf 50 %, 10–50 ml Reduktion auf 75 %.

Toxizitäten

Eine Myelosuppression tritt bei fast allen Patienten auf. Bis zu 90 % der Patienten haben eine Leukopenie und ca. 20 % eine Thrombopenie. Der Nadir ist zwische dem 7. und 14. Tag. Anaphylaktoide Reaktionen können bei der ersten i. v.-Verabreichung von Etoposid auftreten. Im Rahmen der Infusion können Hautrötung, Gesichts- und Zungenödem, Husten, Schwitzen, Zyanose, Laryngospasmus, Krampfanfälle und Blutdruckanstieg beobachtet werden. Der Blutdruck normalisiert sich in der Regel innerhalb weniger Stunden nach Beendigung der Infusion. Als neurologische Nebenwirkung treten oft Müdigkeit und Schläfrigkeit, selten periphere Neuropathien und Krampfanfälle auf.

Supportivmaßnahmen

G-CSF-Gabe bei ausgeprägter Leukopenie, ggf. Transfusion bei Anämie/Thrombozytopenie. Antihistaminika sowie Kortikoidtherapie bei anaphylaktoiden Reaktionen. Antiemetische Therapie.

Wechselwirkungen

Durch die gemeinsame Verabreichung von myelotoxischen Substanzen kann die Myelosuppression verstärkt werden. Phenylbutazon, Natriumsalicylat und Acetylsalicylsäure können Etoposid aus der Plasmaproteinbindung verdrängen und somit zu einer Wirkungsverstärkung führen. Im umgekehrten Sinn verdrängt Etoposid Cumarine (Marcumar) aus ihrer Eiweißbindung und führt daher zur Verstärkung der antikoagulativen Wirkung. Gleichzeitige Verabreichung von hohen Dosen Ciclosporin (42000 ng/ml) und Etoposid oral führen im Vergleich zur Etoposid-Monotherapie zu um 80 % erhöhten AUC-Werten für Etoposid und zu einer um ca. 40 %ig reduzierten Clearance. Die Wirkung anderer Arzneimittel kann durch den Alkohol in diesem Arzneimittel verändert werden.

Kontraindikationen

Etoposid darf nicht angewendet werden bei: Bekannter Überempfindlichkeit gegen Etoposid, Podophyllotoxin und Podophyllotoxinderivate oder einen der sonstigen Bestandteile, bei schweren Leber- und/oder Nierenschäden. Etoposid darf wegen des Gehalts an Benzylalkohol nicht bei Frühgeborenen oder Neugeborenen angewendet werden. Etoposid darf nicht intrapleural, intraperitoneal, intralumbal oder intrathekal verabreicht werden.

Gemcitabin

Anwendung

Neoadjuvante und adjuvante Applikation vor bzw. nach radikaler Zystektomie in Kombination mit Gemcitabine bzw. im Rahmen einer Radiochemotherapie bei Urothelkarzinom der Harnblase bzw. beim metastasierten Urothelkarzinom. In Kombination mit Oxaliplatin und Paclitaxel beim Keimzelltumor-Rezidiv.

Wirkmechanismus

Gemcitabin ist ein Antimetabolit (Pyrimidinnukleosidanalogon). Durch Einbau als „falsche Base“ kommt es zur DNA-Synthese-Störung und somit zur Induktion der Apoptose. Der zytostatische Effekt ist abhängig von der intrazellulären Akkumulation des Antimetaboliten.

Applikationsform

Intravenös (ZVK oder Portsystem).

Dosierung

Zur Erreichung der maximalen intrazellulären Akkumulation des Antimetaboliten ist eine Plasmakonzentration von mindestens 15 μmol/l nötig. Intravenös wird dies mit einer Konzentration von 10 mg/m2 KOF × min erreicht. Eine Dosisreduktion auf 75 % muss bei einer Kreatinin-Clearence <30 ml/min erfolgen bzw. bei Myelosuppression (Leukozyten 1500–3000 μl, Thrombozyten 50.000–100.000).

Elimination

Die Ausscheidung erfolgt renal.

Toxizitäten

Grippeähnliche Symptome sind sehr häufig. Myelosuppression mit Leukopenie und Thrombopenie sind meist der therapielimitierende Faktor. Ein hämolytisch urämisches Syndrom mit erheblicher Reduktion der Nierenfunktion bis hin zur Dialysepflichtigkeit kann bereits nach einer Applikation auftreten, ist aber insgesamt sehr selten. Bei bereits bestehender hepatischer Insuffizienz kann die Gemcitabin-Applikation zur Exazerbation führen.

Supportivmaßnahmen

Dosisreduktion bei signifikanten Toxizitäten. Dexamethason 4–8 mg oral zur Vermeidung von Ödemen. G-CSF-Gabe bei höhergradiger Leukopenie und mangelnden Therapiealternativen.

Wechselwirkungen

Gemcitabin führt zu einer erheblichen Strahlensensibilisierung. Weitere Wechselwirkungen mit Medikamenten sind nicht bekannt.

Kontraindikationen

Nicht therapierbare Myelosuppression, schwere Leber- und Nierenschädigung. Überempfindlichkeit gegen Gemcitabin, Schwangerschaft, Stillzeit.

Bleomycin

Anwendung

Keimzelltumore des Hodens in Kombination mit Cisplatin und Etoposid.

Wirkmechanismus

Der genaue Wirkmechanismus von Bleomycin ist aktuell noch ungeklärt. Bisherige Untersuchungen zeigten hauptsächlich eine Inhibition der DNA-Synthese sowie eine schwächere inhibitorische Wirkung auf die RNA und Proteinsynthese. Des Weiteren verursacht Bleomycin DNA-Einzel- und Doppelstrangbrüche sowie Membrandefekte. Bei intrapleuraler Anwendung wirkt Bleomycin sklerosierend.

Applikationsform

Intravenös, subkutan oder intramuskulär, topisch: intrapleural.

Dosierung

30 mg, unverdünnte Applikation.

Elimination

Die Ausscheidung erfolgt renal. Eine Dosisreduktion auf 50 % bei einer Kreatinin-Clearence <25 ml/min/m2 KOF.

Toxizitäten

Bleomycin ist vorwiegend pneumotoxisch und kann eine irreversible Lungenfibrose hervorrufen. Die Lebensmaximaldosis liegt zwischen 350–400 mg. Durch den langsamen Abbau in der Haut, kann es zu Dermatitis, Erythem und Pigmentierung kommen. Während und kurz nach der Infusion kann es zum sog. Bleomycin-Fieber mit Schüttelfrost kommen.

Supportivmaßnahmen

Regelmäßige Lungenfunktionstests und Röntgen-Thorax-Kontrollen. Bei Bleomycin-Fieber ist die präventive Gabe von 8 mg Dexamethason indiziert.

Wechselwirkungen

Bleomycin ist ein Chelatbildner und verbindet sich mit 2- und 3-wertigen Kationen. Bei der Bildung des Chelatkomplexes kommt es durch die Verbindung mit Sulfhydrylgruppen (Gluthation) zur Inaktivierung.

Kontraindikationen

Bekannte allergische Reaktionen. Vorbestehende Lungenerkrankungen die mit einer eingeschränkten Lungenfunktion einhergehen. Relative Kontraindikation besteht bei Patienten, die im Vorfeld eine mediastinale oder thorakale Radiatio hatten. Das Risiko einer Lungenfibrose steigt mit dem Lebensalter.

5-Fluorouracil (5-FU)

Anwendung

Metastasiertes Peniskarzinom.

Wirkmechanismus

5-FU gehört zur Gruppe der Antimetaboliten und ist ein Pyrimidinantagonist. Es kommt zum Einbau des Wirkstoffs als „falsche Base“ in DNA und RNA. Die Aktivierung erfolgt über Phosphorylasen und Kinasen zu 5-Flurodesoxyuridin-Mono- oder -Triphosphat (Longley et al. 2003).

Applikationsform

Intravenös.

Dosierung

1000 mg/m2 KOF, 2 Gaben pro 3-wöchigem Zyklus. Dosisreduktion um 20 % bei Grad 3 Diarhö und/oder Stomatitis, Neutropenie <1500/μl, Thrombopenie <100.000/μl. Dosisreduktion um 50 % bei Kreatinin-Clearence <60 ml/min und >40 ml/min.

Elimination

Renal.

Toxizitäten

Kardiotoxizität, Diarrhö, Gastritis, Blutungen im Gastrointestinaltrakt, Dermatitis und Fotosensibilisierung, Lebertoxizität, Myelosuppression, ZNS-Schädigung (zerebelläre Ataxie).

Supportivmaßnahmen

Bei ausgeprägter Leukopenie ggf. G-CSF-Behandlung. Monitoring der Herzfunktion. Loperamid oder Octreotid bei Grad 2–3 Diarrhö. Allopurinol-Mundspülung. Kühlung der Mundschleimhaut mit Eis.

Wechselwirkungen

Wirkungsverstärkung durch Cimetidin. Toxizitätssteigerung durch Brivudin. Die Inhibition von 5-FU durch Allopurinol nutzt man in Form von Allopurinol-Mundspülungen zur Stomatitisbehandlung.

Kontraindikationen

5-FU ist bei Überempfindlichkeit, Anwendung von antiviralen Nukleosiden und während der Schwangerschaft kontraindiziert.

Ifosfamid

Anwendung

Hodentumor.

Wirkmechanismus

Ifosfamid ist ein Oxazaphosphorin sowie ein Analogon von Cyclophosphamid. Die Wirkung beruht auf einer Interaktion seiner alkylierenden Metaboliten mit der DNA, was Strangbrüche und Vernetzungen der DNA-Stränge bzw. DNA-Proteinvernetzungen („crosslinks“) zur Folge hat. Die Aktivierung erfolgt in der Leber.

Applikationsform

Intravenös über ZVK oder Portsystem.

Dosierung

1200 mg/m2 KOF, Infusionsdauer 4 h. Dosisanpassung bei Kreatinin-Clearence von 30–60 ml/min: 75 %, bei 10–30 ml/min: 50 %, <10 ml/min: keine Applikation empfohlen.

Elimination

Renal.

Toxizitäten

Nephrotoxizität, Neurotoxizität, Myelosuppression, Hepatotoxizität, Diarrhö, Emesis, hämorrhagische Zystitis, Alopezie, reversible Enzephalopathie, Krampfanfälle, paranoide Halluzinationen.

Supportivmaßnahmen

Uromitexan bei hämorrhagischer Zystitis. Antiemetische Therapie mit Dexamethason und 5-HT3-Antagonisten. Nierenfunktionskontrollen. Lange Infusionszeit zur Vermeidung von Neurotoxizität.

Wechselwirkungen

Toxizitätsverstärkung durch Antidiabetika und Cisplatin. Erhöhte Strahlensensibilität der Haut.

Kontraindikationen

Schwere Leber-/Nierenschädigung, Knochenmarkinsuffizienz.

Temsirolimus

Anwendung

Ehemals als first-Line-Therapie bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom der Hochrisikogruppe. Mittlerweile wurde der Einsatz als Erstlinientherapie abgelöst durch die Immun-Kombinationstherapien.

Wirkmechanismus

Temsirolimus zählt zur Gruppe der „targeted-Therapie“ und hemmt über die Inhibition des mTOR („mammalian target of rapamycin“)-Proteins die Zellproliferation und induziert so die Apoptose der Zelle.

Applikationsform

Intravenös als Kurzinfusion über 30–60 min. Vor der Infusion i. v. Applikation eines Antihistaminikums (z. B. Tavegil). Das Temsirolimus-30-mg-Konzentrat muss vor der Zugabe zur Natriumchlorid-Infusionslösung mit dem mitgelieferten Verdünnungsmittel verdünnt werden.

Dosierung

Einmal wöchentlich 25 mg. Bei Grad-3-Toxizitäten Reduktion um 5 mg möglich. Mindestdosis ist 15 mg. Bei leichter und mittelgradiger Nieren- und Leberfunktionsstörung ist keine Dosisreduktion nötig. Für Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Klasse C) beträgt die empfohlene Dosis einmal wöchentlich 10 mg intravenös, infundiert über einen Zeitraum von 30–60 min.

Elimination

Temsirolimus hat eine sehr lange Halbwertszeit und die Ausscheidung erfolgt renal. Metabolite wie das Sirolimus werden durch Hydroxylierung, Reduktion und Demethylierung hepatisch abgebaut.

Toxizitäten

Anfälligkeit für bakterielle und virale Infektionen (Harnwegsinfekte, Pharyngitis); Myelosuppression (Thrombopenie, Anämie, Leuko- und Neutropenie); Stoffwechselstörungen: Hypercholesterinämie, Hypokaliämie, Hyperglykämie, Hyperlipidämie; Nervensystem: Dysgeusie, Schlaflosigkeit, Schwindel, Depression; Gefäße: Thrombembolien, Hypertonie, Thrombophlebitis; Atemwege: Pneumonie, Husten, Pleuraergüsse, Nasenbluten; Gastrointestinaltrakt: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Stomatitis, Mukositis, Bauchschmerzen. Haut: makulopapulöser Ausschlag, Jucken, Akne, Arthralgie, periphere Ödeme, Myalgie; Nieren: Nierenversagen.

Supportivmaßnahmen

Um eine CYP3A4-Inhibition zu vermeiden, sollten Biguanide bei Hyperglykämien vermieden und Pravasin als Lipidsenker bei Hyperlipidämien angewendet werden. Regelmäßige laborchemische Kontrollen (Elektrolyte, Blutbild, Leber- und Nierenparameter, Gerinnung), Blutdruckkontrollen. Hautpflege bei Hautveränderungen.

Wechselwirkungen

Protease-Inhibitoren, Antibiotika, Antimykotika, selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Rifabutin, Johanniskraut (Hypericum perforatum), ACE-Hemmer, Amiodaron, Sunitinib, Digoxin, Vincristin, Colchicin, Dabigatran, Lenalidomid, Paclitaxel, Pampelmusen (Grapefruit) und Pampelmusensaft können die Konzentration von Torisel im Blut erhöhen und sollten gemieden werden.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegen Temsirolimus, seine Metabolite (einschließlich Sirolimus) und Polysorbat 80.

Paclitaxel

Anwendung

Keimzelltumorrezidiv, metastasiertes Peniskarzinom.

Wirkmechanismus

Der Wirkmechanismus ist identisch mit dem von Docetaxel (Abschn. 2.2).

Applikationsform

Intravenös über PVC-freie Infusionsysteme.

Dosierung

80 mg/m2 KOF (in Kombination mit Gemcitabin und Oxaliplatin).

Elimination

Siehe Docetaxel, Abschn. 2.5.

Toxizitäten

Durch die Kombination mit Cisplatin kommt es zur verstärkten Neuro- und Nephrotoxizität. Zusätzlich zu den von Docetaxel bekannten Nebenwirkungen ist Paclitaxel auch kardiotoxisch.

Supportivmaßnahmen

Siehe Docetaxel, Abschn. 2.7.

Wechselwirkungen

Ketokonazol, Erythromycin, Verapamil, Dilitazem inhibieren das Zytochrom CYP3A4 und erhöhen so die Plasmakonzentration von Paclitaxel (siehe Docetaxel, Abschn. 2.8).

Kontraindikationen

Siehe Docetaxel, Abschn. 2.9. Schwere Herzschäden.

Besonderheiten

Radiation-Recall-Phänomen bei Patienten, die vor der Behandlung eine Radiatio erhielten.

Bevacizumab

Anwendung

Bevacizumab wurde in Kombination mit Interferon-α2a zur first-Line-Behandlung von erwachsenen Patienten mit fortgeschrittenem und/oder metastasiertem Nierenzellkarzinom angewendet. Mittlerweile wurde der Einsatz als Erstlinientherapie abgelöst durch die Immun-Kombinationstherapien.

Wirkmechanismus

Bevacizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, dessen antiproliferative Wirkung durch eine Inhibition der Angiogenese hervorgerufen wird. Die Blockade von VEGF-A („vascular endothelial growth factor A“) verhindert die Aktivierung des Ras-Raf/PI3K-Pathways und führt somit zur Apoptose.

Applikationsform

Intravenöse Infusion alle 2 Wochen. Die erste und zweite Infusion sollte verzögert über 90 min bzw. 60 min appliziert werden. Bei guter Verträglichkeit sollten die weiteren Infusionen in ca. 30 min verabreicht werden.

Dosierung

10 mg/kg Körpergewicht. Eine Dosisanpassung bei Nebenwirkungen ist nicht vorgesehen. Bei nicht beherrschbaren Nebenwirkungen muss eine Pausierung oder ein Absetzen in Betracht gezogen werden.

Elimination

Die Verstoffwechselung erfolgt proteolytisch ubiquitär im Körper. Die renale und hepatische Elimination ist daher zu vernachlässigen.

Toxizitäten

Häufig (>10 %) treten Hypertonie, Anorexie, periphere sensorische Neuropathie, Dyspnoe, Diarrhö, Proteinurie, Asthenie und Fatigue auf. Selten (<10 %) treten bakterielle/virale Infektionen, Blutbildveränderungen (Leuko-, Thrombo-, Lymphopenie, Anämie), Dehydratation, Kopfschmerzen, Herzinsuffizienz, thrombembolische Ereignisse, Magen-Darm-Perforationen, abdominelle Schmerzen, Stomatitis, Hand-Fuß-Syndrom, Kieferosteonekrosen, Myalgie, Athralgie auf.

Supportivmaßnahmen

Bei schwerwiegenden Nebenwirkungen (Grad 4) wie Magen-Darm-Perforationen, Fistelbildung, thrombembolischen Ereignissen oder rezidivierender febriler Neutropenie muss ein Absetzen in Betracht gezogen werden. Bei Auftreten von Hypertonie oder Proteinurie ist zur gemeinsamen Therapie die Anwendung von ACE-Hemmern sowie die regelmäßige Kontrolle empfehlenswert. Patienten mit Hand-Fuß-Syndrom sollten die üblichen Maßnahmen zum Schutz der Haut durchführen.

Wechselwirkungen

Insgesamt ist die Kombination von Bevacizumab mit Zytostatika unproblematisch. Im Rahmen der Kombination mit Sunitinib wurden Fälle mit mikroangiopathischer hämolytischer Anämie (MAHA) berichtet. Diese äußert sich klinisch in Form einer Anämie und Thrombozytopenie und ist nach Absetzen von Bevacizumab reversibel.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff bzw. gegenüber Produkten von CHO-Zellen sowie Schwangerschaft sind Kontraindikationen für die Applikation von Bevacizumab.

Nivolumab

Anwendung

Nivolumab (OPDIVO®) wird in Kombination mit Ipilimumab (YERVOY) als Erstlinientherapie zur Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms bei Patienten mit mittleren oder ungünstigen Prognosescore nach IMDC („International Metastatic Renal Cell Carcinoma“; Heng-Kriterien) Kriterien eingesetzt. Nivolumab ist weiter als Monotherapie bei metastasierten Nierenzellkarzinom nach Vortherapie möglich.
Außerdem ist OPDIVO ist als Monotherapie zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinoms der Harnblase nach Versagen einer vorherigen platinhaltigen Therapie indiziert.

Wirkmechanismus

Nivolumab ist ein monoklonaler Antikörper, der an den PD-1 („Programmed Death-1“)-Rezeptor bindet und die Interaktion des Rezeptors mit den Liganden PD-L1 und PD-L2 blockiert (Checkpoint-Inhibitor). Der PD-1-Rezeptor ist ein negativer Regulator der T-Zellaktivität, der erwiesenermaßen an der Kontrolle der T-Zellreaktionen beteiligt ist. Die Bindung von PD-1 an die Liganden PD-L1 und PD-L2, die von Antigen-präsentierenden Zellen und von Tumoren oder anderen Zellen des Tumors exprimiert werden, führt zur Hemmung der T-Zellproliferation und Zytokinausschüttung. Nivolumab blockiert die Bindung von PD-1 an die PD-L1- und PD-L2-Liganden.

Applikationsform

Die Verabreichung erfolgt intravenös (peripher oder zentral) über einen Zeitraum von 30 oder 60 Minuten je nach Dosierung.

Dosierung

Die empfohlene Dosis beträgt 3 mg/kg Nivolumab in Kombination mit 1 mg/kg Ipilimumab, alle 3 Wochen für die ersten 4 Dosen. Anschließend folgt Nivolumab als Monotherapie in einer Dosierung von entweder 240 mg alle 2 Wochen (entweder 3 Wochen nach der letzten Dosis der Kombinationstherapie) oder 480 mg alle 4 Wochen (6 Wochen nach der letzten Dosis). Eine Dosissteigerung oder -reduktion ist nicht empfohlen.

Elimination

Der Stoffwechselweg von Nivolumab wurde nicht charakterisiert. Es ist zu erwarten, dass Nivolumab über katabole Stoffwechselwege auf gleiche Weise wie endogene IgG in kleine Peptide und Aminosäuren aufgespalten wird.

Toxizitäten

Nivolumab oder Nivolumab in Kombination mit Ipilimumab sind mit immunvermittelten Nebenwirkungen assoziiert. Hier sind vor allem die immunvermittelte Pneumonitis/Kolitis/Hepatitis/Nephritis und Nierenfunktionsstörung/Endokrinopathien/Nebenwirkungen der Haut zu nennen. Weitere häufige Nebenwirkungen sind Fatigue, Hautausschlag, Pruritus, Diarrhö und Übelkeit.

Supportivmaßnahmen

Die meisten immunvermittelten Nebenwirkungen sind mit geeignetem Nebenwirkungsmanagement, einschließlich Einleitung einer Corticosteroid-Behandlung zu kontrollieren.

Wechselwirkungen

Es wurden keine pharmakokinetischen Wechselwirkungsstudien durchgeführt.

Kontraindikationen

Vorsicht bei Immunsuppression und Autoimmunerkrankungen. Gründe für einen Therapieabbruch und ein dauerhaftes Absetzten sind Grad 4- oder wieder auftretenden Grad 3-Nebenwirkungen nach CTC, sowie Grad 2- oder Grad 3-Nebenwirkungen, die trotz Behandlung persistieren. Überempfindlichkeit gegen Nivolumab, Schwangerschaft, Stillzeit.

Pembrolizumab

Anwendung

Pembrolizumab (KEYTRUDA®) ist als Monotherapie zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierenden Urothelkarzinoms nach vorheriger Platin-basierter Therapie zugelassen (unabhängig des PD-L1 Status), sowie als Erstlinientherapie des lokal fortgeschrittenen oder metastasierenden Urothelkarzinoms bei Patienten, die nicht für eine Cisplatin-basierte Therapie geeignet sind mit positivem PD-L1 Status.
Zusätzlich besteht eine Zulassung in Kombination mit Lenvatinib beim metastasierten Nierenzellkarzinom.

Wirkmechanismus

Pembrolizumab ist ein humanisierter monoklonaler PD-1-Antikörper (IgG4/Kappa-Isotyp mit einer stabilisierenden Sequenzänderung in der Fc-Region) aus der Gruppe der Checkpoint-Inhibitoren.

Applikationsform

Die Applikation erfolgt alle 3 Wochen als intravenöse Infusion über 30 Minuten.

Dosierung

Die Dosierung von Pembrolizumab beträgt 200 mg alle 3 Wochen.

Elimination

Die systemische Ausscheidung von Pembrolizumab beträgt ca. 0,2 l/Tag bei einer terminalen Halbwertszeit von ca. 25 Tagen. Es werden keine klinisch bedeutsamen Unterschiede in der Ausscheidung von Pembrolizumab bei Patienten mit leichter Einschränkung der Leberfunktion oder der Nierenfunktion angegeben.

Toxizitäten

Die Therapie mit Pembrolizuab ist mit immunvermittelten Nebenwirkungen assoziiert. Hier sind vor allem die immunvermittelte Pneumonitis/Kolitis/Hepatitis/Nephritis und Nierenfunktionsstörung/Endokrinopathien/Nebenwirkungen der Haut zu nennen. Weitere häufige Nebenwirkungen sind gastrointestinale Beschwerden, Fatigue, Hautausschlag, Pruritus, Dyspnö und Übelkeit.

Supportivmaßnahmen

Die meisten immunvermittelten Nebenwirkungen, sind durch unterstützende Maßnahmen Gabe von Kortikosteroiden und/oder Unterbrechung der Therapie beherrschbar.

Wechselwirkungen

Es wurden keine pharmakokinetischen Wechselwirkungsstudien durchgeführt

Kontraindikationen

Vorsicht bei Immunsuppression und Autoimmunerkrankungen. Bei Auftreten von Grad 4- oder wiederholt auftretenden Grad 3-Nebenwirkungen sollte die Therapie dauerhaft abgesetzt werden. Überempfindlichkeit gegen Pembrolizumab, Schwangerschaft, Stillzeit

Atezolizumab

Anwendung

Atezolizumab (Tecentriq®) ist als Monotherapie bei Patienten zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinoms der Harnblase nach vorheriger platinhaltiger Chemotherapie (unabhängig des PD-L1 Status), oder bei Patienten, die für eine Behandlung mit Cisplatin als ungeeignet angesehen werden und einen positiven PD-L1 Status aufweisen, zugelassen.

Wirkmechanismus

Atezolizumab ist ein monoklonaler Antikörper aus der Gruppe der Checkpoint-Inhibitoren.

Applikationsform

Die Applikation erfolgt alle 3 Wochen als intravenöse Infusion über 30 Minuten.

Dosierung

Die empfohlene Dosis beträgt 1200 mg alle 3 Wochen. Eine Dosisreduktion wird nicht empfohlen.

Elimination

Die Clearance von Atezolizumab beträgt 0,200 l/Tag und die Eliminationshalbwertszeit 27 Tage.

Toxizitäten

Die Therapie mit Atezolizumab ist mit immunvermittelten Nebenwirkungen assoziiert. Hier sind vor allem die immunvermittelte Pneumonitis/Kolitis/Hepatitis/Nephritis und Nierenfunktionsstörung/Endokrinopathien/Nebenwirkungen der Haut zu nennen. Weitere häufige Nebenwirkungen sind gastrointestinale Beschwerden, Fatigue, Hautausschlag, Pruritus, Dyspnö und Übelkeit.

Supportivmaßnahmen

Zur Verhinderung infusionsbedingter Reaktionen wird eine Prämedikation mit einem Antipyretikum und Antihistaminikum empfohlen. Die meisten immunvermittelten Nebenwirkungen sind durch unterstützende Maßnahmen, Gabe von Kortikosteroiden und/oder Unterbrechung der Therapie beherrschbar.

Wechselwirkungen

Da Atezolizumab über katabole Stoffwechselwege abgebaut wird, sind keine direkten Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln zu erwarten. Eine Verwendung systemischer Glukokortikoide oder Immunsuppressiva vor Behandlungsbeginn sollte aufgrund möglicher Beeinträchtigungen der Wirksamkeit vermieden werden.

Kontraindikationen

Vorsicht bei Immunsuppression und Autoimmunerkrankungen. Gründe für einen Therapieabbruch und ein dauerhaftes Absetzten sind Grad 4- oder wieder auftretende Grad 3-Nebenwirkungen nach CTC, sowie Grad 2- oder Grad 3-Nebenwirkungen, die trotz Behandlung persistieren. Überempfindlichkeit gegen Atezolizumab, Schwangerschaft, Stillzeit.

Avelumab

Anwendung

Avelumab (Bavencio®) wird in Kombination mit Axitinib als Erstlinientherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom eingesetzt, zusätzlich als Erhaltungstherapie beim metastasierten Urothelkarzinom bei stabiler oder regredienter Metastasierung nach platinhaltiger Erstlinientherapie.

Wirkmechanismus

Avelumab ist ein humaner monoklonaler IgG1-Antikörper, der gegen den immunmodulatorischen Zelloberflächen-Liganden PD-L1 gerichtet ist (Checkpoint-Inhibitor). Darüber hinaus induziert Avelumab mittels antikörperabhängiger zellvermittelter Zytotoxizität eine direkte Tumorzelllyse, die durch NK-Zellen vermittelt wird.

Applikationsform

Avelumab wird über 60 Minuten intravenös (peripher oder zentral) verabreicht.

Dosierung

Die empfohlene Dosis von Avelumab in Kombination mit Axitinib beträgt 800 mg alle 2 Wochen. Eine Dosissteigerung oder -reduktion wird nicht empfohlen.

Elimination

Die systemische Gesamtclearance 0,59 l/Tag. Die Steady-State-Konzentrationen wurden bei wiederholter Gabe on 10 mg/kg alle 2 Wochen nach ca. 4 bis 6 Wochen erreicht. Eine leichte oder mäßige Einschränkung der Nierenfunktion oder Leberfunktion hat keinen relevanten Einfluss auf die Clearance von Avelumab.

Toxizitäten

Die Therapie mit Avelumab ist mit immunvermittelten Nebenwirkungen assoziiert. Hier sind vor allem die immunvermittelte Pneumonitis/Kolitis/Hepatitis/Nephritis und Nierenfunktionsstörung/Endokrinopathien/Nebenwirkungen der Haut zu nennen. Weitere häufige Nebenwirkungen sind unter anderem gastrointestinale Beschwerden, Fatigue, Hautausschlag, Pruritus, Dyspnoe und Übelkeit. Labormedizinisch kann es zu einer Erhöhung von Gamma-GT, alkalischer Phosphatase, alpha-Amylase, Lipase und Kreatinin kommen.

Supportivmaßnahmen

Vor den ersten 4 Infusionen von Avelumab ist eine Prämedikation mit einem Antihistaminikum und Paracetamol erforderlich.

Wechselwirkungen

Da Avelumab über katabole Stoffwechselwege abgebaut wird, sind keine direkten Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln zu erwarten.

Kontraindikationen

Vorsicht bei Immunsuppression und Autoimmunerkrankungen. Gründe für einen Therapieabbruch und ein dauerhaftes Absetzten sind Grad 4- oder wieder auftretende Grad 3-Nebenwirkungen nach CTC, sowie Grad 2- oder Grad 3-Nebenwirkungen, die trotz Behandlung persistieren. Überempfindlichkeit gegen Avelumab, Schwangerschaft, Stillzeit.

Ipilimumab

Anwendung

Ipilimumab (YERVOY®) wird in Kombination mit Nivolumab (OPDIVO®) als Erstlinientherapie zur Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms bei Patienten mit mittleren oder ungünstigen Prognosescore nach IMDC Kriterien eingesetzt (Abschn. 16.1).

Wirkmechanismus

Ipilimumab gilt als Checkpoint-Inhibitor und ist ein monoklonaler Antikörper, der als CTLA-4-Inhibitor die Wirkung eines Oberflächenproteins auf den T-Helferzellen blockiert.

Applikationsform

Die Verabreichung erfolgt intravenös (peripher oder zentral). Die empfohlene Infusionsdauer beträgt 30 oder 90 Minuten, abhängig von der Dosis. In Kombination mit Nivolumab soll Nivolumab zuerst gegeben werden (Abschn. 16.3).

Dosierung

Die empfohlene Dosis beträgt 1 mg/kg Ipilimumab in Kombination mit 3 mg/kg Nivolumab, alle 3 Wochen für die ersten 4 Dosen. Anschließend folgt Nivolumab als Monotherpaie (Abschn. 16.4).

Elimination

Die Elimination von Ipilimumab erfolgt vermutlich wie bei anderen IgG-Antikörpern über eine Fc-Rezeptor vermittelte Phagozytose durch Zellen des retikuloendothelialen Systems.

Toxizitäten

Ipilimumab in Kombination mit Nivolumab ist mit immunvermittelten Nebenwirkungen assoziiert. Hier sind vor allem die immunvermittelte Pneumonitis/Kolitis/Hepatitis/Nephritis und Nierenfunktionsstörung/Endokrinopathien/Nebenwirkungen der Haut zu nennen.

Supportivmaßnahmen

Die meisten immunvermittelten Nebenwirkungen sind mit bei geeignetem Nebenwirkungsmanagement, einschließlich Einleitung einer Corticosteroid-Behandlung zu kontrollieren.

Wechselwirkungen

Es wurden keine pharmakokinetischen Wechselwirkungsstudien durchgeführt.

Kontraindikationen

Vorsicht bei Immunsuppression und Autoimmunerkrankungen. Gründe für einen Therapieabbruch und ein dauerhaftes Absetzten sind Grad 4- oder wieder auftretende Grad 3-Nebenwirkungen nach CTC, sowie Grad 2- oder Grad 3-Nebenwirkungen, die trotz Behandlung persistieren. Überempfindlichkeit gegen Ipilumumab, Schwangerschaft, Stillzeit.

Mitoxantron

Anwendung

Fortgeschrittenes und hormonresistentes Prostatakarzinom. Verabreichung in Kombination mit niedrig dosierten oralen Glucocorticoiden, einschließlich Prednison und Hydrocortison, zur Schmerzlinderung bei Patienten, die auf Analgetika nicht mehr ansprechen und bei denen eine Strahlentherapie nicht indiziert ist.

Wirkmechanismus

Mitoxantron ist ein Zytostatikum der Anthracenidiongruppe (Typ II Topoisomerase-Inhibitor). Es stört sowohl die DNA-Synthese als auch deren Reparaturmechanismen. Mitoxantron lagert sich durch Bildung von Wasserstoffbrückenbindungen an die DNA an (Interkalation) Dadurch entstehen Quervernetzungen und Strangbrüche. Die Wirkung von Mitoxantron ist vom Zellzyklus unabhängig. Zusätzlich regt Mitoxantron die Bildung von freien Radikalen an. Die Toxizität kann durch Hyperthermie verstärkt werden.

Applikationsform

Mitoxantron kann als langsame intravenöse Injektion (nicht unter 5 min) oder als Kurzinfusion (über 15–30 min) verabreicht werden. Als Trägerlösung eignen sich isotonische Natriumchloridlösung oder 5 %ige Glucoselösung. Beim Umgang mit Mitoxantron ist besondere Vorsieht geboten.

Dosierung

Für jeden Patienten sollte eine vorsichtige, individuelle Dosisanpassung vorgenommen werden. Bei Patienten mit Leberfunktionsstörungen kann eine Reduzierung in Abhängigkeit von den Leberwerten (ab Bilirubin 3,5 mg/dl) notwendig sein. Für die Reduktion gibt es keine allgemeingültigen Erfahrungswerte. Das Ausmaß der Dosisreduktion muss individuell entscheiden werden.

Elimination

Biliäre Exkretion und damit Ausscheidung über die Faezes. Innerhalb von 5 Tagen werden im Mittel 18,3 % der verabreichten Mitoxantron-Dosis über die Faezes und nur 6,5 % mit dem Urin ausgeschieden. Die renale Clearance beträgt ca. 26 ml/min.

Toxizitäten

Häufig sind kardiale Nebenwirkungen: EKG-Veränderungen, akute Arrhythmien, Myokardschädigung, verminderte linksventrikuläre Auswurffraktion, Schmerzen in der Brust, Atemnot. Sogar Fälle von Herzinsuffizienz (kongestive Kardiomyopathie) und Myokardinfarkte sind bekannt. Zu den weiteren Nebenwirkungen zählen Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Haarausfall, Alopezie Verfärbung von Urin und Sklera, Stomatitis, Myelosuppression (Leukopenie, Thrombozytopenie) Immunosuppression (Hemmung von B-, T- Lymphozyten, Makrophagen), Hautnekrosen (bei Paravasaten), Leukämie.

Supportivmaßnahmen

Patienten mit Herzinsuffizienz sprechen der Regel gut auf eine supportive Behandlung mit Digitalis und/oder Diuretika an. Hilfreich sind die üblichen supportiven Maßnahmen (Ausgleich der Flüssigkeits- und Elektrolytbilanz, Überwachung der Nieren- und Leberfunktion, strenges kardiovaskuläres Monitoring, Soor-Prophylaxe u. ähnliches).

Wechselwirkungen

Bei Kombinationsbehandlung mit anderen antineoplastisch wirksamen Arzneimitteln ist mit stärkeren toxischen Erscheinungen, insbesondere einer höheren myelotoxischen und kardiotoxischen Wirkung, zu rechnen.

Kontraindikationen

Herzinsuffizienz, Kardiomyopathie schwere Infektionen, Myelosuppression. Überempfindlichkeit gegen Mitoxantron.

Zusammenfassung

  • Höchste Sorgfalt ist bei der Applikation intravenöser Therapeutika im Hinblick auf Indikation, technische Durchführung, Dosis und Supportivmaßnahmen notwendig.
  • Unterschiedliche Nebenwirkungsspektren erfordern die Anpassung von Kontrolluntersuchungen und Supportivmaßnahmen.
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