Epidemiologie und Ätiologie
Die Existenz des Vena-ovarica-Syndroms als eigene Krankheitsentität wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Häufig wird es als eine Form des Beckenvenensyndroms angesehen. Die betroffenen Patientinnen sind meist junge Frauen mit mehreren Schwangerschaften in der Vorgeschichte. Es tritt häufiger rechtsseitig auf. Die Genese ist bisher nicht geklärt: Aberrante vergrößerte Gefäße, vermehrtes Bindegewebe, ein veränderter Hormonstatus in der Schwangerschaft und dadurch eine verminderte Tonisierung der Uretermuskulatur sowie die Dilatation der Ovarialvene durch vermehrte Perfusion oder Klappeninsuffizienz, jeweils mit konsekutiver Kompression des Ureters werden diskutiert.
Klinik
Die V. ovarica mündet rechtsseitig direkt in die V. cava inferior, während sie linksseitig in die V. renalis sinistra mündet. In der Normvariante verläuft die V. ovarica ventral des Harnleiters, wobei die Vene den Harnleiter in Höhe der Lendenwirbelkörper LWK 3–5 kreuzt. Dorsal des Harnleiters liegen in diesem Bereich die Iliakalgefäße. Eine Einengung des Ureters kann akute oder chronische Becken- bzw. Flankenschmerzen bis hin zu kolikartigen Symptomen hervorrufen. Der verminderte Abfluss kann rezidivierende, aszendierende Harnwegsinfekte zur Folge haben.
Bei einem Beckenvenensyndrom können zusätzlich Vulvavarizen und je nach Ausprägung auch Varizen im Bereich des Gesäßes oder des medialen Oberschenkels vorhanden sein.
Diagnostik
Die Sonografie stellt als nicht invasive Maßnahme das Mittel der 1. Wahl dar. Es zeigt sich meist eine Harntransportstörung der betroffenen Niere und ggf. auch ein erweiterter Ureter. Ein Ultraschall kann das Vorhandensein einer venösen Klappeninsuffizienz bestätigen. Ziel ist der Nachweis eines dopplersonographischen Refluxes in den Ovarialvenen während eines Vasalva-Manövers. Zusätzlich können größere pelvine Tumoren ausgeschlossen werden.
An radiologischer Diagnostik stehen das Ausscheidungsurogramm, die retrograde Pyelografie, die Phlebografie sowie als Schichtbildgebung die kontrastmittelgestützte Computertomografie (CT) bzw. Magnetresonanztomografie (MRT) zur Verfügung. Mit dem Ausscheidungsurogramm oder der retrograden Pyelografie erhält man zusätzlich zum Nachweis der Erweiterung des oberen Harntraktes auch Informationen auf welcher Höhe die Obstruktion des Ureters vorliegt, typischerweise im Bereich LWK 3–5. Verbunden mit einer retrograden phlebographischen Darstellung der V. ovarica kann durch die Kombination dieser beiden invasiven Untersuchungen die Diagnose gestellt werden. Da die meisten Patienten junge Frauen sind, sollte in der Schichtbildgebung der MRT der Vorzug gegeben werden. Ziel der Untersuchung ist die Darstellung einer Varikosis der Ovarialvene.
Die diagnostische Laparotomie bzw. Laparoskopie stellt als invasives Verfahren ebenfalls eine Möglichkeit dar. Dabei kann, nach Ausschluss aller anderen Ursachen, mittels Ligatur bzw. Resektion der Ovarialvene auch direkt therapeutisch agiert werden.
Differenzialdiagnostik
Da die Symptome eher unspezifisch sind, ist eine große Bandbreite an Differenzialdiagnosen möglich: Gynäkologische Erkrankungen wie
Endometriose, Entzündungen des inneren Genitale oder eine Thrombophlebitis der Ovarialvene müssen ebenso bedacht werden wie eine
Appendizitis,
Urolithiasis, eine
retroperitoneale Fibrose oder Tumorerkrankungen.
Therapie
Bei leichten Symptomen ist eine
medikamentöse Therapie möglich. Genutzt werden hierbei synthetische
Gestagene wie Medroxyprogesteronacetat (MPA) oder GnRH(Gonadotropin-Releasinghormon)-Agonisten wie Goserelinacetat. Letztere haben in Studien bessere Ergebnisse erzielt.
Die interventionelle Radiologie stellt mit der
Sklerosierungstherapie oder
Coil-Embolisation mit relativ geringer Invasivität eine weitere Therapiemöglichkeit dar. Der Eingriff gelingt in 98–100 % der Fälle. Die dauerhafte Erfolgsrate innerhalb von 12–19 Monaten wird in Studien mit 68–98 % angegeben (Scultetus et al.
2002, Bhutta et al.
2009). Eine weitere Studie zeigt bei einer Nachbeobachtungszeit von durchschnittlich 45 Monaten in 83 % der Fälle eine signifikante Schmerzreduktion (Kim et al.
2006). Komplikationen dieser Therapieform sind Perforationen der Ovarialvene, Rezidive, Thrombophlebitiden und Embolisationen von nicht beabsichtigten Venen bis zu einer pulmonalarteriellen Embolie.
Die operative Therapie, also die
Ligatur oder
Resektion der Ovarialvene, wurde initial mittels Laparotomie, wird in der heutigen Zeit allerdings zunehmend laparoskopisch und auch robotergestützt durchgeführt. Die Erfolgsraten liegen hier bei 84–100 % über 12 Monate (Scultetus et al.
2002, Bhutta et al.
2009). Eine ältere Studie mit insgesamt 12 Patienten mit einer Nachbeobachtungszeit von 8,8 Jahren berichtet über dauerhafte Erfolgsraten von 73 % (Rundqvist et al.
1984).