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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 08.03.2022

Afrikanische Trypanosomiasis

Verfasst von: Sylvia Kotterba
Die Schlafkrankheit ist eine Infektionskrankheit, hervorgerufen durch Trypanosoma rhodesiense (Ostafrika) oder Trypanosoma gambiense (Westafrika). Die Protozoen (einzellige Parasiten) werden durch den Stich der Tsetsefliege übertragen. Die Erkrankung verläuft in mehreren Stadien, unbehandelt ist die Prognose infaust. Das zweite Krankheitsstadium ist geprägt von Hypersomnie und Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus.

Synonyme

Afrikanische Schlafkrankheit; Schlafkrankheit; Trypanosomiasis

Englischer Begriff

African trypanosomiasis

Definition

Die Schlafkrankheit ist eine Infektionskrankheit, hervorgerufen durch Trypanosoma rhodesiense (Ostafrika) oder Trypanosoma gambiense (Westafrika). Die Protozoen (einzellige Parasiten) werden durch den Stich der Tsetsefliege übertragen. Die Erkrankung verläuft in mehreren Stadien, unbehandelt ist die Prognose infaust. Das zweite Krankheitsstadium ist geprägt von Hypersomnie und Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus.

Epidemiologie

Die Ausbreitung der Krankheit ist an das Vorkommen der Tsetsefliege gebunden und daher nur im tropischen Afrika (zwischen 20 Grad nördlicher und südlicher Breite) zu finden. Etwa 300.000–500.000 Menschen sind in den verteilten Endemiegebieten infiziert (WHO 2020). Im Zuge des Tourismus treten aber auch immer wieder Fälle in Europa auf. Das Reservoir für Trypanosoma gambiense ist hauptsächlich der Mensch, für Trypanosoma rhodesiense sind es auch Haustiere wie Rinder, Ziegen oder Schafe. Das Ausmaß der Übertragung von Tieren auf den Menschen für beide Arten ist noch unklar.

Pathophysiologie

Nach dem Stich der Tsetsefliege gelangen infektionsfähige Trypanosomen in die Haut des Menschen. An der Stichstelle kommt es zu einer Entzündungsreaktion. Durch Zwei- und Vielfachteilung vermehren sich die Erreger massenhaft und bewirken eine Parasitämie. Durch ständige Variationen der Zelloberfläche entziehen sich die Trypanosomen der Immunabwehr.
Durch das erneute Stechen und Blutsaugen, zum Beispiel beim Menschen, nimmt die Tsetsefliege die Parasiten wieder auf. Hier machen diese einen Formwandel durch und vermehren sich beträchtlich. Rund 3 Wochen nach einer „Blutmahlzeit“ kommt es zu einer Anreicherung der Trypanosomen in der Speicheldrüse der Tsetsefliege. Beim erneuten Stechen kann die für den Menschen infektiöse Form des Erregers wieder übertragen werden. Bei infizierten Menschen können die Erreger über das Blutsystem bis zum Zentralnervensystem vordringen. Bei der ostafrikanischen Form der Schlafkrankheit geschieht das bereits nach wenigen Wochen, bei der westafrikanischen Form frühestens nach einem Jahr. Dort verursachen sie eine Entzündung des Gehirns und des Rückenmarks.

Symptomatik

1.
Hämolymphatisches Stadium: 2–4 Tage nach dem schmerzhaften Stich der Tsetsefliege tritt eine lokale Schwellung in der Nähe der Einstichstelle auf (Trypanosomenschanker). Dort vermehren sich die Erreger und gelangen anschließend über das Lymphsystem in den Blutkreislauf. Bei der westafrikanischen Form kann das Wochen bis Monate dauern, bei der ostafrikanischen Form oft nur wenige Tage. Durch die Parasitämie kommt es zu Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Lymphknotenschwellungen. Es können ein fleckiger Hautausschlag, Juckreiz und Schwellungen im Gesicht und an den Beinen auftreten. Auch innere Organe können beteiligt sein, es kann zu einer Vergrößerung von Leber und Milz kommen. Der Verlauf bei der ostafrikanischen Form ist fulminant, innerhalb von 3–9 Monaten, manchmal innerhalb von Wochen kommt es zu einem Multiorganversagen, wobei insbesondere kardiale Symptome und schon früh zusätzliche zentralnervöse Symptome dominieren.
 
2.
Meningoenzephalitisches Stadium: Neurologische Symptome kennzeichnen das zweite Stadium. Die Patienten leiden an Tagesschläfrigkeit und unter Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus. Die Schlafkrankheit scheint insbesondere im Nucleus suprachiasmaticus anzugreifen, dem Sitz des Schrittmachers biologischer Rhythmen („Chronobiologie“). Im weit fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung findet sich parallel zur Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus eine Störung des zirkadianen Rhythmus sowie der Sekretion von Kortisol und „Prolaktin“ (siehe auch „Endokrinium“; „Hypophyse und Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse“). Weiterhin finden sich bei Patienten in diesem Stadium Konzentrationsstörungen, Persönlichkeitsveränderungen, Gang- und Koordinationsstörungen sowie Krampfanfälle. Durch die Störung der Nahrungsaufnahme kommt es zu einer starken Gewichtsabnahme.
 

Diagnostik

Im Liquor zeigt sich meist nur eine milde Pleozytose. Die Trypanosomen können im Blut (Dicker Tropfen), Liquor oder durch eine Lymphknotenbiopsie nachgewiesen werden. Aufgrund der ständigen Oberflächenantigenvariation der Parasiten ist ein typischer Befund auch die Erhöhung der IgM-Globuline sowohl im Blut als auch im Liquor. Die Prostaglandin-D2-Konzentrationen im Liquor sind erhöht. Sie können für die Hypersomnie verantwortlich sein.
Das „Elektroenzephalogramm“ im Wachzustand weist eine Verlangsamung ähnlich dem Schlafstadium NREM2 nach Rechtschaffen und Kales auf. Bei fortschreitender Erkrankung treten zunehmend einzeln und gruppiert hochgespannte Theta- und Deltawellen auf, das EEG-Muster ähnelt dem einer Enzephalitis. Insbesondere Patienten mit einer chronischen Verlaufsform der Erkrankung, die meist durch Trypanosoma gambiense ausgelöst ist, wurden polysomnographisch über 24 Stunden untersucht. Es fand sich eine ausgeprägte Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus mit massiver Tagesschläfrigkeit und starker Unruhe in der Nacht. Vermehrt traten Phasen mit Sleep onset REM (SOREM) auf. Siehe auch „Polysomnographie und Hypnogramm“.

Differentialdiagnostik

Meningoenzaphalitiden durch andere Erreger, in Endemiegebieten vornehmlich Rückfallfieber, viszerale Leishmaniose, Brucellose, Syphilis oder Malaria tropica müssen ausgeschlossen werden.

Therapie

Unbehandelt endet die Erkrankung durch beide Erreger tödlich. Frühzeitige Therapie mit Suramin (10 %ig i. v., initial 100 mg, dann am 2., 3., 7., 14., 21. Tag) kann eine vollständige Heilung bewirken. Alternativ ist eine Therapie mit Pentamidin (200 mg täglich über 5 Tage, danach in 14-tägigen Abständen) möglich.
Setzt die Therapie erst in der zweiten Phase der Erkrankung ein, müssen die liquorgängigen, allerdings toxischeren Arsenpräparate Melarsoprol, Nitrofural oder Eflornithin verwendet werden.

Zusammenfassung, Bewertung

Die durch Protozoen nach Stich durch die Tsetsefliege hervorgerufene Afrikanische Trypanosomiasis ist eine in Endemiegebieten bedeutsame, insbesondere bei Befall durch Trypanosoma rhodiense foudroyant und unbehandelt letal endende Erkrankung. Im Zuge des Tourismus werden betroffene Patienten auch zunehmend in Europa gesehen. Eine Aufklärung Reisender in die Endemiegebiete ist notwendig, damit Maßnahmen gegen Fliegen- und Mückenstiche ergriffen werden.
Literatur
Brandenberger G, Buguet A, Spiegel K et al (1996) Disruption of endocrine rhythms in sleeping sickness with preserved relationship between hormonal pulsatility and the REM-NREM sleep cycles. J Biol Rhythm 11:258–267CrossRef
Buguet A, Bisser S, Joseando T et al (2005) Sleep structure: a new diagnostic tool for stage determination in sleeping sickness. Acta Trop 93:107–117CrossRef
Sanner BM, Buchner N, Kotterba S, Zidek W (2000) Polysomnography in acute African trypanosomiasis. J Neurol 247:878–879CrossRef
Sturm A, Clarenbach P (1997) Checkliste Schlafstörungen. Thieme, Stuttgart
WHO (2020) Trypanosomiasis, human African (sleeping sickness) [Fact Sheets]