Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Verfasst von:
Christian Ole Feddersen
Publiziert am: 07.01.2020

Asthma bronchiale

Asthma bronchiale ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Atemwege mit bronchialer Hyperreagibilität und variabler Atemwegsobstruktion. Es ist gekennzeichnet durch reversible Verengung der Bronchien. Asthma bronchiale zählt zur Gruppe der Obstruktiven Atemwegserkrankungen, die unbehandelt zu frühzeitiger Invalidität führen. Durch die veränderte Regulation der Atmung im Schlaf werden pathophysiologische Mechanismen verstärkt mit dem Resultat nächtlicher Symptomhäufung und -verschlechterung, verstärkter respiratorischer Insuffizienz und krankheitsbedingter Todesfolge im Schlaf.

Synonyme

Bronchialasthma

Englischer Begriff

asthma

Definition

Asthma bronchiale ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Atemwege mit bronchialer Hyperreagibilität und variabler Atemwegsobstruktion. Es ist gekennzeichnet durch reversible Verengung der Bronchien. Asthma bronchiale zählt zur Gruppe der „Obstruktiven Atemwegserkrankungen“. Neben Asthma bronchiale gehören dazu die „Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung“ (Chronic Obstructive Pulmonary Disease, COPD), die Kombination aus beiden, das sogenannte Asthma-COPD-Overlap-Syndrom (ACOS), sowie ein weiteres, „neues“ Overlap-Syndrom, das die wechselseitige Beziehung zwischen Asthma und „Obstruktiver Schlafapnoe“ (OSA) beschreibt.

Genetik, Geschlechterwendigkeit

Asthma bronchiale ist wesentlich genetisch determiniert. Familien- und Zwillingsuntersuchungen sowie Untersuchungen an unterschiedlichen ethnischen Gruppen zeichnen ein komplexes Bild. Die Bildung von IgE-Antikörpern und die Ausprägung der Hyperreagibilität sind teilweise genetisch determiniert, offensichtlich sind aber zusätzliche Faktoren für die Organmanifestation notwendig. Man spricht daher von einem polygenen Vererbungsmodus. Das männliche Geschlecht überwiegt. Der hereditäre Anteil des Krankheitsbildes Asthma bronchiale wird auf bis zu 75 % geschätzt.

Epidemiologie und Risikofaktoren

Asthma bronchiale zeigt eine zunehmende Häufigkeit, insbesondere im Kindesalter. Die Prävalenz in Europa liegt bei 5–10 % der Bevölkerung, die Mortalität schwankt bedingt durch national differente Erhebungsverfahren zwischen 0,5 und 1/100.000. Die genetische Disposition beschreibt den wesentlichen Risikofaktor. Das Risiko von Kindern eines asthmatischen Elternteils an Asthma zu erkranken verdoppelt sich, wenn beide Elternteile Asthmatiker sind. Umweltallergene stellen wesentliche Risikofaktoren dar. Der Interaktion zwischen Umwelteinflüssen und der genetischen Prädisposition kommt eine zentrale Bedeutung in der Entstehung des Krankheitsbildes zu. siehe auch „Allergische Erkrankungen“.

Pathophysiologie, Psychophysiologie

Durch Allergenkontakt wird die mit Synthese und Freisetzung von Immunglobulin E verbundene, humorale Immunreaktion sowie die genetisch determinierte, über CD4+-T-Lymphozyten ausgelöste, zelluläre Immunreaktion bevorzugt in den mittleren und größeren Atemwegen initiiert. Dabei wird unter anderem typischerweise über die T-Helfer-2-(TH2-)Lymphozyten eine Aktivierung von Mastzellen und eosinophilen Granulozyten im bronchialen Zielgewebe erreicht mit Freisetzung proinflammatorischer Mediatoren. Die Konsequenz ist eine von Eosinophilen dominierte, desquamative Bronchitis mit Hyperreagibilität, Obstruktion und Schleimhautödem. Nächtliche Hustenattacken können den Schlaf stören. Die ebenfalls induzierte Dyskrinie führt über weitere Bronchiallumeneinengung bis zum Verschluss. Die Folge ist eine „Respiratorische Insuffizienz“ trotz gesteigerter Atemarbeit. Beim sogenannten Intrinsic Asthma wird durch unterschiedliche Mechanismen ohne exogenen Allergenkontakt dieselbe Entzündungsreaktion ausgelöst. Psychische Faktoren wie klassische oder operante Konditionierung können einen Asthmaanfall verstärken oder auslösen, nicht jedoch die Erkrankung als solche.
Asthma bronchiale und Schlaf
Im Schlaf vermindern sich Peak-flow-Werte bei Gesunden um 8 %, bei Asthmatikern um ca. 50 %. Im Schlaf ist eine vermehrte asthmatische Entzündungsreaktion nachweisbar. Hierdurch, wie durch Überwiegen vagaler bronchokonstriktorischer Einflüsse und verminderte NANC-(non-adrenerge non-cholinerge-)bronchodilatatorische Einflüsse im Schlaf, kommt es nachts und frühmorgens zu vermehrter Atemwegsobstruktion mit Asthmaanfällen (siehe auch „Langzeitregistrierung von Lungengeräuschen“). Regelhaft im Schlaf auftretende Hustenattacken sind insbesondere bei Kindern ein Hinweis auf ein beginnendes Asthma bronchiale, häufig ausgelöst durch Hausstaubmilben (siehe „Allergische Erkrankungen“). In Verbindung mit herabgesetztem Atemminutenvolumen und verminderter Atemantwort auf Hypoxie und Hyperkapnie sind nächtliche Hypoxien möglich (siehe „Atmung“). Aus den aggravierten asthmatischen Funktionsstörungen im Schlaf folgt ein Überwiegen der Asthmatodesfälle nachts. „Gastroösophagealer Reflux“ kommt bei Asthmatikern häufiger vor, vor allem bei solchen mit nächtlichen Asthmabeschwerden; hier wird die durch Liegeposition im Schlaf begünstigte Auslösung von Atemwegsobstruktionen diskutiert. Im Sinne eines Overlap-Syndroms erhöht Asthma offensichtlich das Risiko eine OSA zu entwickeln, andererseits ist die Existenz einer OSA mit einem erhöhten Asthmarisiko sowie einer schlechteren Asthmakontrolle assoziiert. Neuere Daten legen zudem nahe, dass eine CPAP-Therapie von OSA-Patienten mit koexistentem Asthma die Kontrolle dieser Atemwegserkrankung verbessert.

Symptomatik

Beschwerden und Symptome

Bei Asthma bronchiale sind anfallsweise Atemnot, Husten und zäher Auswurf, thorakales Engegefühl und Dyspnoe kennzeichnend.

Erstmanifestation

Nach Sensibilisierung führt Allergenkontakt oder bei Intrinsic Asthma Anstrengung zum ersten Asthmaanfall variablen Schweregrades. Die Erstmanifestation kann in jeder Altersklasse erfolgen.

Auslöser

Allergenkontakt, Intoleranz gegen Acetylsalicylsäure, körperliche oder psychische Belastung lösen die Asthmasymptomatik aus. Atemwegsinfekte triggern häufig die Erstmanifestation des Asthmaanfalls.

Verlauf

Episoden von Dyspnoe, Husten und Auswurf, thorakalem Engegefühl im Wechsel mit teilweiser oder vollständiger Beschwerdefreiheit kennzeichnen den Verlauf des Asthma bronchiale. Im Finalstadium kommt es zu Zyanose, Orthopnoe, Erschöpfung der Atemmuskulatur und zur hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz mit schwerer Hypoxämie. Asthmaanfälle können unbehandelt jederzeit zum Tode führen. Anstrengungsinduziertes oder nächtliches Asthma beschreiben keine eigenständigen Entitäten, sondern kennzeichnen Verlaufsformen.

Psychosoziale Faktoren

Fehlende Durchseuchung mit Banalinfekten, mangelnder Kontakt mit natürlichen Umweltallergenen und fehlender Gruppenkontakt im Kleinkindesalter begünstigen das Auftreten des Asthma bronchiale. Psychisches Asthma bronchiale gibt es, verglichen mit allergischem Asthma bronchiale, ätiopathologisch nicht. Jedoch ist der eigene Umgang mit der Krankheit, insbesondere mit dem Auftreten von Asthmaanfällen, stark von psychischen Faktoren geprägt.

Komorbide Erkrankungen

Neurodermitis, Atopie, allergische Dermatitis, Heuschnupfen und Polyposis nasi sind gehäuft mit Asthma bronchiale assoziiert, die Wechselbeziehung zwischen Asthma und OSA wurde oben beschrieben.

Diagnostik

Beim Asthma bronchiale führen Allergie- und Anfallsanamnese, klinische Symptomatik, Untersuchungsbefunde mit verlängertem Exspirium und trockenen Rasselgeräuschen, Lungenfunktion mit pharmakologisch ganz oder weitgehend reversibler, obstruktiver Ventilationsstörung, ein positiver Bronchoprovokationstest und die Peak-flow-Variabilität >20 % zur Diagnose. Nach nationalen bzw. internationalen Leitlinien erfolgt bei Erstdiagnose die Einteilung in vier Schweregrade, welche die Lungenfunktion, die Anfallshäufigkeit, die Symptomatik während der nächtlichen Hauptschlafphase sowie die körperliche Aktivität berücksichtigen, in der Folge wird nach nicht, schlecht oder kontrolliertem Asthma bronchiale unterschieden.

Differentialdiagnostik

Neben dem Erkennen von ca. 10 % Mischformen aus Asthma bronchiale und COPD spielen bei obstruktiven Atemwegserkrankungen differentialdiagnostisch eine Rolle: Herzinsuffizienz, Lungenembolie, Pneumothorax, Hyperventilationssyndrom, exogen allergische Alveolitis, allergische bronchopulmonale Aspergillose, eosinophile Pneumonie, akute Bronchiolitis und Bronchiolitis obliterans, Vocal Cord Dysfunction, Lungenerkrankungen mit restriktiver Ventilationsstörung, (Broncho-)Pneumonie, Bronchiektasen, α1-Antitrypsinmangel, destruktive Bronchialtuberkulose, Immunmangelerkrankungen mit bronchopulmonalen Infekten, Medikamentennebenwirkungen wie Betablocker- und ACE-Hemmer-Therapie und das Bronchialkarzinom.

Prävention

Nichtrauchen oder Raucherentwöhnung und Allergenkarenz sind wesentliche Präventionsmaßnahmen.

Therapie

In der durch Leitlinien der Global Initiative for Asthma (GINA) gesicherten Asthmatherapie unterscheidet man inhalative „Controller“, Medikamente für die antientzündliche Basistherapie bereits ab geringem Schweregrad, im Wesentlichen inhalative Steroide, und „Reliever“, Bedarfsmedikationen zur symptomatischen Therapie, überwiegend Beta-2-Mimetika. Etabliert hat sich die Kombinationstherapie von inhalativem Steroid und langwirkendem Beta-2-Mimetikum wegen wechselseitig überadditiver Wirkverstärkung. Insbesondere bei nächtlicher Asthmasymptomatik spielen die langwirkenden Substanzen eine entscheidende Rolle. Anticholinergika treten additiv bei schlecht kontrollierbarem Asthma bronchiale hinzu, Theophylline sind wenig effektiv. Leukotrienrezeptorantagonisten gelten als mögliche additive Therapie, bei Aspirin-sensitivem Asthma wirken sie kausal. Die Hyposensibilisierung kommt dagegen nur in ausgewählten allergisch bedingten Fällen infrage.

Rehabilitation

Zu den Rehabilitationsmaßnahmen gehören neben Raucherentwöhnung, Patientenschulung und Verhaltenstraining, Ernährungstherapie, Medikamenten-Compliance-Training, Physikalische Therapie, Infektionsprophylaxe und gegebenenfalls Umschulungsmaßnahmen. Die Maßnahmen entsprechen gleichzeitig der Nachsorge und dienen auch der Verbesserung der Lebensqualität.

Psychosoziale Bedeutung

Die psychosoziale Bedeutung obstruktiver Atemwegserkrankungen liegt in der beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Stigmatisierung und Isolierung durch chronische Erkrankung, Invalidisierung nicht oder ungenügend behandelter Erkrankter sowie in den hohen Krankheitskosten mit jährlich weit über 15 Mrd. EUR in Deutschland. Nicht ausreichend behandelte, obstruktive Atemwegserkrankungen mit nächtlicher Symptomatik führen zum nicht erholsamen Schlaf und konsekutiven Leistungseinbußen tagsüber.

Prognose

Bei frühzeitiger Diagnose und effektiver Therapie ist eine Invalidisierung meistens zu vermeiden mit Verminderung von Anfallshäufigkeit und Exazerbationen bei Steigerung von Lebensqualität und Lebenserwartung.

Zusammenfassung, Bewertung

Obstruktive Atemwegserkrankungen sind die häufigsten Lungenerkrankungen in Deutschland. Sie führen unbehandelt zu frühzeitiger Invalidität. Durch die veränderte Regulation der Atmung im Schlaf werden pathophysiologische Mechanismen verstärkt mit dem Resultat nächtlicher Symptomhäufung und -verschlechterung, verstärkter respiratorischer Insuffizienz und krankheitsbedingter Todesfolge im Schlaf. Die Unterschiede zwischen Asthma bronchiale und Chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) auch hinsichtlich der pathophysiologischen Abläufe im Schlaf machen die differentialdiagnostische Trennung hinsichtlich der Therapie notwendig. Beim Asthma bronchiale steht eine Basistherapie mit inhalativen Steroiden im Vordergrund, bei der COPD die bronchodilatative Therapie. Bei der COPD treten zusätzlich die Sauerstofflangzeittherapie sowie die nichtinvasive Beatmung bei progredienter respiratorischer Insuffizienz und bei kombiniert auftretender Obstruktiver Schlafapnoe (OSA) hinzu.
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