Ausbildung
Schlafmedizinische Inhalte berühren nahezu alle Bereiche der humanen Physiologie und der Pathophysiologie der Erkrankungen. Bei allen chronischen Erkrankungen sind Störungen, die sich aus dem Schlaf-Wach-Rhythmus ergeben, von diagnostischer wie auch therapeutischer Relevanz. Hier seien exemplarisch auf die
arterielle Hypertonie, die
Herzinsuffizienz, das
Asthma bronchiale und den
Diabetes mellitus verwiesen. Trotz der Tatsache, dass es in fast allen medizinischen Gebieten schlafmedizinische Aspekte gibt, sind diese in der Ausbildung erst ansatzweise berücksichtigt. Punktuell werden sie in die medizinische Ausbildung einbezogen, wie zum Beispiel die zirkadiane Kortisolsekretion beim Asthma bronchiale oder das zirkadiane Blutdruckprofil bei der Regulation des arteriellen Blutdruckes, ein systematisches Curriculum der Schlafmedizin fehlte bisher. Der Nationale kompetenzbasierte Lernzielkatalog 2015, den der medizinische Fakultätentag in einem Delphi-Prozess mit den Fachgesellschaften – u. a. der DGSM – erarbeitet hat, nennt verschiedene schlafmedizinische Aspekte, die im Curriculum der medizinischen Fakultäten verbindlich Berücksichtigung finden sollen (MFT
2015). An 41 universitär angebundenen Schlaflaboren (Stand 2016) findet in unterschiedlichem Maße eine Vermittlung von Grundwissen, zum Teil auch weitergehend, in der Schlafmedizin statt. Beispielhaft sei der 2010 an der Charité-Universitätsmedizin Berlin eingeführte Modellstudiengang Medizin genannt, der sich an neuen Lehr- und Lernkonzepten orientiert und in dem schlafmedizinische Inhalte in das Curriculum aufgenommen wurden. Dort finden zum Beispiel im 4. Fachsemester im Modul „Atmung“ eine Vorlesung/Patientenvorstellung zur Schlafapnoe, im 5. Fachsemester im Modul „Psyche und Schmerz“ wissenschaftliche Kleingruppenarbeit zur
Insomnie und im 6. Fachsemester eine Vertiefung in Form des Wahlpflichtangebotes „Interdisziplinäre Schlafmedizin“ statt.
Fortbildung
Schlafmedizinische Fortbildung wird seit der Gründung der Arbeitsgruppe nächtliche Atmungs- und Kreislaufregulationsstörungen (AGNAK) in der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) sowie des Arbeitskreises klinische Schlafmedizin (AKS) Mitte der 1980er-Jahre und später in systematisierter Form von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) angeboten (siehe auch „Schlafmedizinische Fachgesellschaften, Fachzeitschriften und Publikationsforen“). Nationale und internationale Symposien, Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte und technische sowie pflegerische Mitarbeiter wurden bundesweit mit zunehmender Häufigkeit durchgeführt. Hinzu kamen die einwöchigen Kurse, die für niedergelassene Ärzte erforderlich wurden, um die Befähigung zur Abrechnung der ambulanten Früherkennung der Schlafapnoe gemäß § 135 Abs. 2 SGB V zu erlangen. Diese sogenannten NUB- beziehungsweise BUB-Kurse werden bundesweit von vielen Teilnehmern absolviert, so wurden zum Beispiel im Jahr 2016 allein 15 Kurse DGSM-zertifiziert durchgeführt.
Nach der Gründung der DGSM entstand ein umfassendes Qualitätsmanagementprogramm für Schlaflabore. Neben der
Akkreditierung war ein tragender Faktor dieses Programms die Einführung des
Qualifikationsnachweises Somnologie in 1997 (QN Somnologie), zunächst für Ärzte (DGSM
1997a), im Weiteren für Psychologen und Naturwissenschaftler (DGSM
1997b) wie auch für technische und pflegerische Mitarbeiter (DGSM 1997c) in den schlafmedizinischen Zentren. Aktuelle Voraussetzung für den Erwerb des QN Somnologie für Ärzte ist die Mitgliedschaft in der DGSM, der Nachweis einer mindestens dreijährigen klinischen Tätigkeit, die Erfüllung der Richtzahlen gemäß Stoffkatalog sowie der Nachweis einer zweijährigen ganztägigen Fortbildung in einem von der DGSM akkreditierten Labor (DGSM
2017). Für Psychologen und Naturwissenschaftler sowie technische und pflegerische Mitarbeiter beträgt dieser Zeitraum ebenfalls zwei Jahre. Angepasst an die verschiedenen Gebiete der Medizin können je nach Vorbildung Ausbildungszeiten beziehungsweise Tätigkeiten in ausländischen Schlaflabors partiell anerkannt werden.
Die theoretische Ausbildung umfasst die Grundlagen der Schlafmedizin wie auch die klinischen Aspekte:
Elektrophysiologische und biochemische Grundlagen des Schlafes
Chronobiologische Aspekte des Schlafes
Diagnostische Verfahren zur Erfassung und Beurteilung von
Schlafstörungen des Erwachsenen
Differentialdiagnostik und Therapie aller Schlafstörungen und
schlafmedizinischen Erkrankungen, einschließlich der Schlafstörungen, die durch psychiatrische, neurologische, internistische und andere organische Erkrankungen verursacht werden
Prävention und Behandlung von Schlafstörungen und schlafmedizinischen Erkrankungen
Differentialdiagnostik der
Schlafbezogenen Atmungsstörungen und deren Therapie: Indikationen und Methoden konventioneller nichtinvasiver Beatmungstherapien (nCPAP, nBiPAP, nIPPV)
In den 1990er-Jahren wurden auf Initiative der DGSM hochwertige Fortbildungszyklen an verschiedenen Standorten etabliert, die mittlerweile in kompakten Curricula eine schlafmedizinische Fortbildung umfassend anbieten. Neben dem theoretischen Stoffkatalog muss die Befähigung zur selbstständigen Durchführung, Befundung und Dokumentation von
Polysomnographien, Multiplen Schlaflatenztests sowie die Dokumentation abgeschlossener Behandlungsfälle aus verschiedenen schlafmedizinischen Diagnosegruppen belegt werden. In einem
Anerkennungsverfahren werden das praktische Können und die theoretischen Kenntnisse überprüft. Der QN Somnologie wird vom Vorstand der DGSM verliehen.
Weiterbildung
Eine ärztliche Weiterbildung in der Schlafmedizin wird in der (Muster-)weiterbildungsordnung durch die
Bundesärztekammer vorgeschlagen (Bundesärztekammer
2019). Gemäß der Neustrukturierung der Weiterbildungsordnung wird die Schlafmedizin als
Zusatzweiterbildung empfohlen. Voraussetzung ist eine 18-monatige Weiterbildungszeit im Schlaflabor, der Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in der schlafmedizinischen Differentialdiagnostik und -therapie sowie der Nachweis selbstständig erbrachter Untersuchungs- und Behandlungsleistungen sowie abgeschlossener Behandlungsfälle in der Schlafmedizin.
Es sind in allen 16 Bundesländern in den entsprechenden Landesärztekammern die Regelungen für die Weiterbildung umgesetzt worden. Voraussetzung zum Erwerb ist 2020 ein Facharzt für Allgemeinmedizin (außer Berlin), Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Innere Medizin, Innere Medizin und Pneumologie (außer Sachsen), Kinder- und
Jugendmedizin, Neurologie oder Psychiatrie und
Psychotherapie. Darüber hinaus sind in den Bundesländern Berlin noch der Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, in Niedersachsen der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde oder der Facharzt für Nervenheilkunde und in Bayern der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie zugelassen. Die Weiterbildung wird mit einer Prüfung abgeschlossen, im Rahmen der Übergangsbestimmungen findet ebenfalls eine Prüfung statt.