Definition
Die Befindlichkeitsskala, die in den Parallelformen Bf-S und Bf-SI vorliegt, wurde im Jahre 1976 durch von Zerssen unter Mitarbeit von Koeller entwickelt. Dieser klinische Test ist ein Bestandteil der Klinischen Selbstbeurteilungs-Skalen (KSb-S) aus dem Münchener Psychiatrischen Informationssystem (PSYCHIS München). Die Bf-S ist sowohl für aktuelle Zustandserhebungen (State-Messung) als auch für Längsschnittuntersuchungen an Probanden oder Gruppen geeignet. Siehe hierzu auch „Psychometrische Fragebögen zum Befinden“.
Messverfahren
Die Befindlichkeitsskala ist anhand von 28 Items operationalisiert. Bei den einzelnen Items handelt es sich jeweils um 2 gegensätzliche Eigenschaftswörter, die einerseits gesteigertes und andererseits beeinträchtigtes Wohlbefinden repräsentieren, beispielsweise frisch versus matt. Die einzelnen Items kennzeichnen das „Zumutesein“ und sind den Kategorien Stimmung, Antrieb, Selbstwerterleben und Vitalgefühl zuzuordnen. Die Auswahl der Items erfolgte nach subjektiven Zustandsschilderungen von depressiven Patienten. Dabei wurde versucht, verschiedene Aspekte depressiver Symptomatik anzusprechen. Durch Ankreuzen eines gestuften Antwortratings unterschiedlicher Merkmalsausprägungen (eher, weder noch) kann der Proband anhand seines Summenwerts zwischen den Polen ausgesprochenes Wohlbefinden (Minimalwert) und hochgradiges Missbefinden (Maximalwert) eingeordnet werden. Die beiden Parallelformen Bf-S und Bf-SI können einzeln angewandt werden. In Kombination wird die Summe des Gesamtscores aus beiden Bögen gemittelt, um einen Testscore zu erreichen.
Auswerteverfahren, Bewertung
Die Befindlichkeitsskala stellt ein sehr zeitökonomisches Verfahren dar. Für die Bearbeitung sowie auch für die Auswertung werden nur wenige Minuten Zeit beansprucht. Testvoraussetzungen sind ein Probandenalter zwischen 20 und 64 Jahren und ein IQ-Punktwert über 80. Die Bf-S ist nach Alter und Geschlecht normiert. Die Konstruktion des Verfahrens orientierte sich an Konzepten der klassischen Testtheorie. Die Reliabilitätskennwerte der Befindlichkeitsskala (nach Spearman-Brown, Hoyt und Guttmann) liegen mit r = 0,86 für die gesunde
Stichprobe und mit r = 0,97 für die psychisch Kranken im hohen Bereich. Die Zuverlässigkeit des Verfahrens ist als hoch einzuschätzen. Der Test ist des Weiteren als objektiv zu bezeichnen. Die innere Konsistenz erweist sich ebenfalls mit Werten für beide Skalen von 0,92 als sehr gut. Zur Aufklärung der Konstruktvalidität wurde der Fragebogen einer Reihe von Vergleichsuntersuchungen unterzogen, die gute Validitätswerte erbrachten (von Zerssen und Koeller
1976).
Apparative Umsetzung, Geräte
Eine computergestützte Fassung liegt im Hogrefe-Testsystem CORA vor.
Indikationen
Die Befindlichkeitsskala dient weniger der Objektivierung diverser Symptome, sondern der Erfassung der momentanen subjektiven Stimmung. Durch wiederholte Testungen kann ein Querschnitt gebildet werden, und kurzfristige Zustandsänderungen, beispielsweise infolge therapeutischer Interventionen, können erhoben werden. Somit stellen psychologische und psychopathologische Längsschnittuntersuchungen die Hauptanwendungsgebiete dar. Aufgrund ihres großen Befindlichkeitsspektrums ist die Befindlichkeitsskala sowohl für gesunde als auch für pathologische
Stichproben geeignet.
Grenzen der Methode
Eine Differenzierung der Beeinträchtigung des Befindens von depressiven und anderen Verstimmungen ist mittels der Befindlichkeitsskala nicht intendiert. Auch lassen sich die auslösenden Faktoren eines beeinträchtigten Befindens nicht erfassen. Für differenziertere Fragestellungen dürfte die global-eindimensionale Erhebung des Konstrukts „Befindlichkeit“ oftmals nicht ausreichen. Das Verfahren ist daher eher für die psychiatrische Praxis und die pharmakologische Forschung geeignet.