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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 09.03.2022

Differenzialdiagnostischer Leitfaden

Verfasst von: Jörg Hermann Peter, Helga Peter und Jan Giso Peter
Bei Schlafstörungen und schlafmedizinischen Erkrankungen, ausgenommen die Parasomnien, orientiert sich die Differentialdiagnostik initial an den Hauptbeschwerden Insomnie, Tagesschläfrigkeit und nicht erholsamer Schlaf. Weiterführend berücksichtigt sie Angaben zum Schlaf-Wach-Verhalten, zur Einnahme von schlafstörenden oder schläfrigmachenden Medikamenten oder Substanzen, zu vorbestehenden psychiatrischen, neurologischen und anderen körperlichen Erkrankungen, zum Vorhandensein von prädisponierenden Faktoren, assoziierten Erkrankungen, klinischen Merkmalen und Ergebnissen der apparativen Diagnostik.

Englischer Begriff

guide to differential diagnosis

Definition

Die Differenzialdiagnostik beinhaltet definitionsgemäß die Diagnostik zur Identifizierung und Abgrenzung klinisch ähnlicher Krankheiten. Bei Schlafstörungen und schlafmedizinischen Erkrankungen orientiert sich die Differenzialdiagnostik initial an den Hauptbeschwerden „Insomnie“; „Tagesschläfrigkeit“ und nicht erholsamer Schlaf (siehe „Beschwerden und Symptome“). Weiterführend berücksichtigt sie Angaben zum Schlaf-Wach-Verhalten, zur Einnahme von schlafstörenden oder schläfrigmachenden Medikamenten oder Substanzen, zu vorbestehenden psychiatrischen, neurologischen und anderen körperlichen Erkrankungen, zum Vorhandensein von prädisponierenden Faktoren, assoziierten Erkrankungen, klinischen Merkmalen und Ergebnissen der apparativen Diagnostik. Für jede schlafmedizinische Diagnose nach „ICSD-3“ liegen definierte diagnostische Kriterien vor. In der praktischen Diagnostik ist nur für einen Teil der Diagnosen die „Messung im Schlaflabor“ erforderlich, die Mehrzahl der Diagnosen lässt sich klinisch und anamnestisch stellen (Kushida et al. 2005).

Grundlagen

Ein Vorgehen gemäß dem „Algorithmus Nicht erholsamer Schlaf“ lässt anhand der Anamnese bereits wesentliche Einflussgrößen bezüglich Schlafverlauf und Schlafverhalten bzw. eines gestörten Schlafs erfragen oder ausschließen:
  • Besteht ein adäquater Umgang mit dem Schlaf? Werden die Regeln der „Schlafhygiene“ und ausreichende Schlafzeiten („Schlafdauer“) eingehalten?
  • Sind Schlafen und Wachen an die Erfordernisse des 24-Stunden-Rhythmus angepasst? („Chronobiologie“)
  • Werden den Schlaf beeinflussende Medikamente oder Substanzen eingenommen?
  • Können die geschilderten Beschwerden das Symptom einer psychiatrischen oder körperlichen Erkrankung sein?
Diagnostische „Fragebögen zu Schlafgewohnheiten und zur Schlafqualität“; „Fragebögen zur Insomnie“; „Fragebögen zur Tagesschläfrigkeit“ und „Schlaftagebücher“ können zur Ergänzung der Anamnese eingesetzt werden. Bei Patienten, deren schlafmedizinische Beschwerden mit den genannten Mitteln hinsichtlich der zugrunde liegenden Ursache nicht hinreichend sicher aufgeklärt und behandelt werden können, sind weitere Bemühungen zur Differenzialdiagnostik erforderlich. Diese umfassen auf neurologischem oder internistischem Fachgebiet den Einsatz apparativer Verfahren oder auf dem Gebiet der Psychiatrie spezifische Methoden der Psychodiagnostik („Psychometrische Fragebögen zu Depressivität“; „Psychometrische Fragebögen zum Befinden“), des Weiteren neuropsychologische Testverfahren.
Nachfolgend wird im ersten Abschnitt auf den Einfluss von Medikamenten und Substanzen auf Schlafen und Wachen eingegangen, wobei auf die weiterführenden entsprechenden Fachbeiträge verwiesen wird. Im zweiten Abschnitt werden die differenzialdiagnostischen Aspekte von „Symptomatische Schlafstörungen“ bei Patienten mit psychiatrischen, neurologischen und anderen körperlichen Erkrankungen dargestellt. Diese wurden in der ICSD-R von 1997 als „Schlafstörungen bei anderen Erkrankungen“ geführt, eine Kategorie, die es als kodierfähige Entität seit der ICSD-2 (2005) nicht mehr gibt.
Im dritten Abschnitt werden die differenzialdiagnostischen Aspekte der schlafmedizinischen Erkrankungen dargestellt, sowohl hinsichtlich der Abgrenzung der Diagnosegruppen als auch der Einzeldiagnosen voneinander. In den Tabellen wird zu den Einzeldiagnosen jeweils die in der Regel vorherrschende schlafbezogene Beschwerde angegeben. Schließlich wird die Gruppe der „Parasomnien“ besprochen, bei denen nicht Insomnie oder Tagesschläfrigkeit als Hauptbeschwerde im Vordergrund steht, sondern komplexe motorische Aktivitäten oder autonome Ereignisse aus dem Schlaf heraus das Bild beherrschen.

Schlafstörungen durch Medikamente und Substanzen

Erwünschte Wirkungen und unerwünschte Nebenwirkungen von Medikamenten sowie Medikamentenmissbrauch und Drogenkonsum sind häufige Ursachen von Schlafstörungen. Darüber hinaus können eine Reihe von Genussmitteln, Nahrungsmitteln und Umweltgiften Wachheit und Schlaf beeinflussen (siehe Tab. 1).
Tab. 1
Schlafstörungen durch Medikamente und Substanzen
Schlafbezogene Hauptbeschwerde
Diagnosen
Schlafstörungen durch Substanzen
„Alkoholbedingte Schlafstörung“
„Insomnie bei Nahrungsmittelallergie“
„Toxin-induzierte Schlafstörung“
Schlafstörungen durch Medikamente
Insomnie
„Schlafstörende Nebenwirkungen von gebräuchlichen Medikamenten zur Therapie der Erkrankungen innerer Organe“
„Schlafstörende Nebenwirkungen von gebräuchlichen Medikamenten zur Therapie neurologischer Krankheiten“
„Schlafstörende Nebenwirkungen von gebräuchlichen Medikamenten zur Therapie psychiatrischer Erkrankungen“
„Schlafstörende Nebenwirkungen von gebräuchlichen Medikamenten zur Therapie der Erkrankungen innerer Organe“
„Schlafstörende Nebenwirkungen von gebräuchlichen Medikamenten zur Therapie neurologischer Krankheiten“
„Schläfrigmachende Nebenwirkungen von gebräuchlichen Medikamenten zur Therapie psychiatrischer Erkrankungen“
Beiträge zur Übersicht und zur Ergänzung:
„Substanzen, die mit der Schlaf-Wach-Regulation interferieren“; „Koffein“; „Kokain“; „LSD“; „Nikotin“

Symptomatische Schlafstörungen bei psychiatrischen, neurologischen und anderen körperlichen Erkrankungen

Schlafstörungen bei psychiatrischen Erkrankungen
Bei denjenigen psychiatrischen Erkrankungen, die häufig mit Schlafstörungen einhergehen, steht als schlafbezogene Hauptbeschwerde die Insomnie im Vordergrund. Eine Ausnahme bilden diesbezüglich die Patienten mit Abhängigkeitsproblematik. Sowohl bei Hypnotikaabhängigkeit als auch bei Stimulanzienabhängigkeit kann im Einzelfall Insomnie oder Tagesschläfrigkeit das Bild beherrschen, je nach Schwere der Abhängigkeitserkrankung, dem aktuellen Spiegel der Substanzen im Blut bzw. entsprechend dem Vorhandensein von Entzugssymptomen.
Zu allen in Tab. 2 genannten Diagnosen gibt es Einzelbeiträge mit ausführlicher Darstellung der Zusammenhänge. An dieser Stelle soll auf einige Besonderheiten eingegangen werden. Zu den Affektiven Störungen zählen die Bipolaren Erkrankungen. Bei den davon Betroffenen herrscht in der manischen Episode ein geringer Schlafbedarf vor. Ähnlich wie gesunde Kurzschläfer benötigen die Patienten in der manischen Episode deutlich weniger als sieben Stunden Schlaf. Selbst bei fünf Stunden Dauer der Hauptschlafphase und darunter entwickeln sie keine Tagesschläfrigkeit und schlafen auch im Urlaub, an Wochenenden oder an Feiertagen nicht länger. Analog den Verhältnissen beim Depressiven Syndrom stehen in der depressiven Episode neben Einschlafstörungen vor allem Durchschlafstörungen und Früherwachen im Vordergrund der Beschwerden sowie tagsüber Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Auch Patienten mit Anorexia nervosa können im Rahmen einer assoziierten depressiven Störung unter Durchschlafstörungen und Früherwachen leiden. In Kombination mit fortgeschrittenem Untergewicht sind diese Patienten besonders schwer zu behandeln und möglicherweise vital gefährdet. Eine besondere Problemgruppe können auch Patienten mit Psychosen darstellen. Bei ihnen kann es im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung zur „Schlafumkehr“ kommen, mit Verlagerung der Hauptschlafphase in den Tag, ferner zum Auftreten von Parasomnien, gekennzeichnet durch komplexe Verhaltensmuster aus dem Schlaf heraus. Unter längerfristiger Neuroleptikabehandlung kommt es nicht nur zu Dyskinesien, sondern auch zu Schlafbezogenen Bewegungsstörungen wie Periodic Limb Movement Disorder (PLMD).
Tab. 2
Psychiatrische Erkrankungen, die symptomatische Schlafstörungen verursachen können. Psychiatrische Diagnosen mit schlafbezogener Hauptbeschwerde
Schlafbezogene Hauptbeschwerde
Diagnosen
„Affektive Störungen“
„Angststörungen“
„Panikstörung“
„Psychosen“
„Essstörungen“
Insomnie oder Tagesschläfrigkeit
„Insomnie bei Hypnotikaabhängigkeit“
„Stimulanzienabhängigkeit“
Beiträge zur Übersicht und zur Ergänzung:
„Psychologische und psychiatrische Ursachen bei Schlafstörungen“
Schlafstörungen bei neurologischen Erkrankungen
Entzündliche neurologische Erkrankungen mit Beteiligung des Gehirns und die Mehrzahl der übrigen symptomatischen Schlafstörungen in der Neurologie gehen mit der Hauptbeschwerde Tagesschläfrigkeit einher.
Bei Patienten mit Parkinsonsyndrom und bei Patienten mit zerebraler Ischämie sind hartnäckige Schlafstörungen weit verbreitet. Im Einzelfall kann die Tagesschläfrigkeit oder die Insomnie im Vordergrund der schlafbezogenen Beschwerden stehen (siehe Tab. 3). Bei Patienten mit demenziellem Abbau kann es unter chronobiologischem Aspekt zum sogenannten Sun Downing kommen (siehe auch „Chronobiologie“). Darunter wird eine Entkoppelung der Aktivitäts- und der Schlaf- beziehungsweise Ruhephasen des dementen Patienten vom geophysikalischen Tag-Nacht-Rhythmus verstanden. Bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma ist die posttraumatische Hypersomnie eine gefürchtete Komplikation, da sie lebenslang anhalten kann. Die erste Version der ICSD von 1991 führte noch die posttraumatische Hypersomnie als selbständige schlafmedizinische Diagnose.
Tab. 3
Neurologische Erkrankungen, die symptomatische Schlafstörungen verursachen können. Neurologische Diagnosen mit schlafbezogener Hauptbeschwerde
Schlafbezogene Hauptbeschwerde
Diagnosen
Insomnie
„Polyneuropathie“
„Fatale familiäre Insomnie und andere Prionenerkrankungen“
Tagesschläfrigkeit
„Schädel-Hirn-Trauma“
„Multiple Sklerose“
„Neuromuskuläre Erkrankungen“
„HIV-Infektion und AIDS“
„Afrikanische Trypanosomiasis“
Insomnie oder Tagesschläfrigkeit
„Demenzen“
„Parkinson-Syndrome“
„Zerebrale Ischämie“
Beiträge zur Übersicht und zur Ergänzung:
„Entzündliche Erkrankungen des Zentralnervensystems“
„Epilepsie“
„Guillain-Barré-Syndrom“
„Schlafbezogene Hypoventilationssyndrome“
Bei Patienten mit Multipler Sklerose steht weniger die vermehrte Tagesschläfrigkeit im Vordergrund als eine Beschwerde über chronische Erschöpftheit, Mattigkeit und Interesselosigkeit, sogenanntes Fatigue. Die seltene Prionenerkrankung der Fatalen familiären Insomnie geht mit schwerster Insomnie einher, auch die Polyneuropathie kann hartnäckige Ein- und Durchschlafstörungen zur Folge haben. Zu den in Tab. 3 genannten Diagnosen gibt es jeweils Einzelbeiträge, die weitergehend informieren. Beim Guillain-Barré-Syndrom können sich Schlafbezogene Hypoventilationssyndrome entwickeln, für welche außer der Hauptbeschwerde der Tagesschläfrigkeit auch Durchschlafstörungen mit Luftnot typisch sind.
Schlafstörungen bei anderen (als neurologischen) körperlichen Erkrankungen
Erkrankungen der inneren Organe verursachen häufig Durchschlafstörungen, beispielsweise aufgrund von Husten, Luftnot, Präkordialschmerz, Wasserlassen, Schmerzen oder Juckreiz. Dazu gehören insbesondere die Erkrankungen des Atmungsorgans, des Herz-Kreislauf-Systems, des Gastrointestinalsystems, des Urogenitalsystems und Allergien. Das schließt nicht aus, dass im Einzelfall auch Tagesschläfrigkeit die vorherrschende Beschwerde sein kann, was insbesondere der Fall ist bei den rheumatischen Erkrankungen und bei hormonellen Veränderungen, beispielsweise bei „Hypothyreose“. Bei Infektionskrankheiten ist Tagesschläfrigkeit die vorherrschende schlafbezogene Beschwerde. In Tab. 4 werden infrage kommende Diagnosen aufgeführt, zu jeder davon geben Einzelessays weiterführende Informationen.
Tab. 4
Erkrankungen bei anderen (als neurologischen) körperlichen Erkrankungen, die symptomatische Schlafstörungen verursachen können. Diagnosen mit schlafbezogener Hauptbeschwerde
Schlafbezogene Hauptbeschwerde
Diagnosen
„Allergische Erkrankungen“
„Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung“
„Restriktive Lungenerkrankungen“
„Respiratorische Insuffizienz“
„Herzinsuffizienz und Schlafbezogene Atmungsstörungen“
„Koronare Herzkrankheit“
„Nierenerkrankungen“
„Hämatoonkologische Erkrankungen“
„Krebserkrankungen“
„Gastroösophagealer Reflux“
„Fibromyalgie“
Tagesschläfrigkeit
„Infektionskrankheiten ohne Befall des Zentralnervensystems“
Insomnie oder Tagesschläfrigkeit
„Schilddrüsenerkrankungen“
„Rheumatische Erkrankungen“
Beiträge zur Übersicht und zur Ergänzung:
„Atmung“
„Atmung beim Schlaf in großer Höhe“
„Schlafbezogene Hypoventilationssyndrome“
„Langzeitregistrierung von Lungengeräuschen“
„Gastrointestinalsystem“
„Salivation und Schlucken“
„Herz-Kreislauf-System“
„Herzrhythmusstörungen“
„Urogenitalsystem“
„Enuresis und Harninkontinenz“
„Diabetes mellitus“
„Schwangerschaftsbezogene Schlafstörung“
„Hypophyse und Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse“
„Endokrinium“
„Wachstumshormon“
Bei Asthma bronchiale sind nächtlicher Husten und Aufwachen mit Luftnot verbreitet, und vor allem bei Kindern kann die schlafstörende Symptomatik die erste klinische Manifestation einer Asthmaerkrankung sein, insbesondere, wenn eine Allergie gegen Bettfedern oder Hausstaubmilben vorliegt. Häufig undiagnostiziert bleiben nächtliche Luftnotanfälle infolge der Aspiration von Sekret aus Nasen- und Stirnnebenhöhlen, das sich im Nachtschlaf entleert und aspiriert wird, sogenanntes postnasal drip syndrome („Langzeitregistrierung von Lungengeräuschen“).
Zu berücksichtigen ist, dass einige der genannten Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenerkrankungen häufig assoziiert auftreten mit schlafmedizinischen Erkrankungen aus den vier Gruppen der Schlafbezogenen Atmungsstörungen; sei es, dass sie zum Auftreten von Schlafbezogenen Atmungsstörungen prädisponieren oder dass sie eine Folgeschädigung bei bereits länger bestehenden Schlafbezogenen Atmungsstörungen sind. Daher ist im Einzelfall sicherzustellen, dass die Symptomatik der Insomnie und Tagesschläfrigkeit nicht Ausdruck einer zugrunde liegenden Schlafbezogenen Atmungsstörung ist (siehe Abschn. „Schlafmedizinische Erkrankungen“). Restriktive Lungenerkrankungen infolge interstitieller Prozesse gehen in erster Linie mit Hypoxämie einher. Bei kompensatorisch gesteigertem Atemantrieb herrscht bezüglich der arteriellen Kohlendioxidspannung Hypokapnie oder Normokapnie vor. Die Schlafqualität ist schlecht, vermehrte Aufwachreaktionen, vermehrte Leichtschlafanteile und reduzierte Tiefschlafanteile sind die Folge. Unter Sauerstoffgabe kann sich die Schlafqualität bessern. Anders verhält es sich bei Patienten, bei denen die Ursache der Restriktion eher mechanischer Art ist, wie bei Kyphoskoliose, beziehungsweise auf einer Schwächung der Leistung der Atempumpe beruht wie bei neuromuskulären Erkrankungen oder bei Restriktion infolge COPD gekoppelt mit Adipositas. Bei den Patienten entwickelt sich in einem hohen Prozentsatz ein Schlafbezogenes Hypoventilationssyndrom mit Hypoxämie und Hyperkapnie. Die Hyperkapnie ist zunächst nur im REM-Schlaf nachzuweisen wegen der dort zuerst auftretenden Hypoventilation. Im Verlauf der Erkrankung erfasst sie auch die anderen Schlafstadien und schließlich besteht auch im Wachzustand eine chronisch-ventilatorische Insuffizienz (CVI) mit Hyperkapnie. Daraus ergibt sich, dass eine nächtliche Sauerstofflangzeitbehandlung bei den Patienten mit restriktiver Lungenerkrankung und Hyperkapnie infolge schlafinduzierter Hypoventilation ohne gleichzeitige nichtinvasive Beatmung nicht sinnvoll ist oder sogar lebensbedrohlich verlaufen kann. Bei den Patienten ist die nasale Ventilationsbehandlung das Mittel der Wahl („Therapie der Schlafbezogenen Atmungsstörungen“; „Nichtinvasive Beatmung bei zentralen Schlafbezogenen Atmungsstörungen und bei der chronischen respiratorischen Insuffizienz“).
Bezüglich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben Patienten mit arterieller Hypertonie und fehlender Nachtabsenkung, dem sogenannten Non-Dipping, ein erhöhtes Risiko für Atherosklerose und deren Folgen. Unter den Schilddrüsenerkrankungen ist die Hyperthyreose mit Insomnie und die Hypothyreose mit Tagesschläfrigkeit vergesellschaftet. Bei den Betroffenen mit Fibromyalgiesyndrom ist der Schlaf vermindert an ungestörten Tiefschlafphasen, und tagsüber steht oft ein Gefühl der Müdigkeit und Erschöpftheit (Fatigue) im Vordergrund der Beschwerden. Physiotherapie, Bewegung und Entspannung können Linderung verschaffen.

Schlafmedizinische Erkrankungen

Insomnien
Die ICSD-3 listet in der Hauptkategorie „Insomnien“ diejenigen Diagnosen, bei denen das Leitsymptom ausschließlich oder überwiegend Insomnie ist. Definitionsgemäß stünde den Betroffenen ausreichend Zeit und Gelegenheit zum Schlafen zur Verfügung, im Rahmen der Insomnie sind sie aber daran gehindert, Schlaf zu finden, den Schlaf aufrecht zu erhalten oder ausreichend lange zu schlafen. Daraus resultieren für die Betroffenen Einschränkungen von Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden in der Wachphase. Insomnie bei Kindern ist häufig gekennzeichnet durch einen Widerwillen, zu Bett zu gehen bzw. allein im Bett zu sein. Insomnie im „Kindesalter“ kann eine Ursache für Schulschwierigkeiten sein. Erwachsene mit Insomnie klagen am Tage über Erschöpftheit, Reizbarkeit, üble Laune, Unwohlsein und kognitive Defizite. Chronische Insomnie schränkt das soziale Leben und das berufliche Fortkommen ein. Mit Insomnien können auch körperliche Symptome einhergehen wie beispielsweise muskuläre Verspannungen, Verdauungsstörungen oder Kopfschmerzen, ebenso können psychische Erkrankungen wie beispielsweise depressive Störungen assoziiert sein. Auch ist die Gefahr für „Einschlafen am Arbeitsplatz“ oder „Einschlafen am Steuer“ bei Insomnien erhöht. In schweren Fällen ist die Lebensqualität deutlich reduziert.
Am häufigsten ist Insomnie die Folge von inadäquater Schlafhygiene, von Medikamenten- oder Substanzwirkungen oder sie ist assoziiert mit psychischen und körperlichen Erkrankungen. Diese Faktoren sind der Anamnese leicht zugänglich, und in diesen Fällen betrifft die weiterführende Diagnostik und die Therapie die jeweilig zugrunde liegende Problematik. Nach Ausschluss des Vorhandenseins von vermeidbaren Einflussgrößen oder von anderen Grunderkrankungen verbleiben nach ICSD-3 die zwei Diagnosen Kurzzeit-Insomnie und Chronische Insomnie sowie eine offene Kategorie Andere Insomnien (siehe Tab. 5). Neben der kurzen Dauer von wenigen Tagen oder Wochen ist für die „Kurzzeit-Insomnie“ der Bezug zu einem erkennbaren Auslöser kennzeichnend. Das können psychosoziale oder körperliche Belastungssituationen oder umgebungsbedingte Störquellen sein und die Schlafstörung verschwindet typischerweise mit dem Wegfall des Auslösers oder mit der Adaptation daran. Differenzialdiagnostisch müssen auch „Zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen“ wie bei „Jetlag“ oder „Nachtarbeit und Schichtarbeit“ berücksichtigt werden.
Tab. 5
Insomnien (nach ICSD-3). Diagnosen mit schlafbezogener Hauptbeschwerde
Schlafbezogene Hauptbeschwerde
Diagnosen
Insomnie
„Chronische Insomnie“
„Kurzzeit-Insomnie“
Beiträge zur Übersicht und zur Ergänzung:
„Kindesalter“
„Psychologische und psychiatrische Ursachen bei Schlafstörungen“
„Stress und Hyperarousal“
„Beschwerden und Symptome“
In der Diagnose Chronische Insomnie werden nach der neuen Klassifikation der Schlafstörungen alle Diagnosen zusammengefasst, die nach ICSD-2 noch Einzeldiagnosen waren. Siehe dazu „Psychophysiologische Insomnie“; „Paradoxe Insomnie“; „Idiopathische Insomnie“; „Inadäquate Schlafhygiene“; „Verhaltensbedingte Insomnie im Kindesalter“. Die jeweiligen diagnostischen Konzepte und therapeutischen Interventionsstrategien haben jedoch im Einzelfall ihre Bedeutung nicht verloren. So sind chronische Verlaufsformen häufig gekennzeichnet durch das Vorhandensein von schlafverhindernden Assoziationen, einen Zustand des Hyperarousal und durch ständige Beschäftigung mit der Schlafstörung. Mittels „Kognitive Verhaltenstherapie“ oder anderer verhaltenstherapeutischer Verfahren können die Betroffenen wieder ein angemessenes Schlafverhalten erlernen. Bei anderen Patienten wird das Ausmaß der subjektiv empfundenen Schlaflosigkeit als so extrem geschildert, wie es ansonsten nur bei bestimmten psychischen Erkrankungen in der Realität vorkommt. Typischerweise bestehen bei den Betroffenen aber keine Affektiven Störungen, auch fehlen die schlafverhindernden Assoziationen. In der Kardiorespiratorischen Polysomnographie (KRPSG) lassen sich keine objektiven Kriterien für das Vorhandensein einer Insomnie finden, deshalb wurde auch von Pseudoinsomnie gesprochen. Für Verläufe, die ihren Beginn in der Kindheit haben, wird eine genetische Disposition diskutiert. Auch hier besteht ein hoher Leidensdrucks und eine ausgeprägte Beschäftigung mit der Störung, es fehlen aber die schlafverhindernden Assoziationen.
Differenzialdiagnostisch muss der „Kurzschläfer“ abgegrenzt werden, der eine Schlafdauer von ca. fünf Stunden und in Extremfällen von nur drei Stunden hat, der sich dadurch aber weder nachts noch tagsüber beeinträchtigt fühlt. Für den Kurzschläfer, der auch im Urlaub und an Wochenenden nicht länger schläft, wird eine Assoziation mit Manie bzw. mit Hypomanie diskutiert („Affektive Störungen“).
Schlafbezogene Atmungsstörungen (SBAS)
Die vier Diagnosegruppen Zentrale Schlafapnoesyndrome, Obstruktiven Schlafapnoe, Schlafbezogene Hypoventilationssyndrome und Schlafbezogene Hypoxämie umfassen insgesamt 17 Einzeldiagnosen (Tab. 6). Die klinische Symptomatik im Hinblick auf Insomnie und Tagesschläfrigkeit ist uneinheitlich. Gemeinsam ist den Schlafbezogenen Atmungsstörungen, dass der Schlaf Störungen der Atmung auslöst. Die Pathomechanismen der jeweils ausgelösten Atmungsstörungen unterscheiden sich aber prinzipiell bei den vier Diagnosegruppen. Je nachdem ob sie bedingt sind durch Phasen von pharyngealer Obstruktion oder durch zentral verursachte Apnoen oder durch Hypoventilation, haben die Patienten eine andere klinische Symptomatik, sie weisen andere Folgeerkrankungen auf und benötigen in der Regel auch eine andere Therapie.
Tab. 6
Schlafbezogene Atmungsstörungen (nach ICSD-3). Diagnosen mit schlafbezogener Hauptbeschwerde
Schlafbezogene Hauptbeschwerde
Diagnosen
Tagesschläfrigkeit oder Insomnie
„Zentrale Schlafapnoesyndrome“
ist die Hauptdiagnosegruppe. Nachfolgend werden die dazugehörigen Einzeldiagnosen aufgezählt. Sie müssen alle ein Aufzählungszeichen, oder vorweg einen Strich erhalten, wie es im Originalmanuskript war. Also:
–Zentrale Schlafapnoe mit Cheyne-Stokes-Atmung
–Zentrale Schlafapnoe infolge körperlicher Erkrankung
ohne Cheyne-Stokes-Atmung
Zentrale Schlafapnoe infolge periodischer Atmung in großer Höhe
Zentrale Schlafapnoe durch Medikamente oder Substanzen
Primäre zentrale Schlafapnoe
Zentrale Schlafapnoe unter Therapie
Beschwerde entfällt
Primäre zentrale Schlafapnoe im Säuglingsalter
Primäre zentrale Schlafapnoe bei Frühgeborenen
Tagesschläfrigkeit, selten Insomnie
-Obstruktive Schlafapnoe des Erwachsenen
-Obstruktive Schlafapnoe im Kindesalter
Tagesschläfrigkeit oder Insomnie
„Schlafbezogene Hypoventilationssyndrome“ und „Schlafbezogene Hypoxämie“
Spätmanifestierende zentrale
Hypoventilation mit hypothalamischer
Dysfunktion
Idiopathische zentral-alveoläre Hypoventilation
Medikamente und Substanzen
Schlafbezogene Hypoventilation durch
körperliche Erkrankung
Schlafbezogene Hypoxämie
Beschwerde entfällt
Kongenitales zentral-alveoläres
Hypoventilationssyndrom
Beiträge zur Übersicht und zur Ergänzung:
„Atmung“
„Schlafbezogene Atmungsstörungen“
„Schnarchen“
Bei der Mehrzahl der Patienten mit Schlafbezogenen Atmungsstörungen steht die Symptomatik der Tagesschläfrigkeit im Vordergrund. Bei manchen Patienten kann allerdings auch die Beschwerde der Insomnie überwiegen. Manche Patienten weisen objektiv die Symptome der Erkrankungen auf, negieren sie aber subjektiv.
Beim begründeten Verdacht auf das Vorliegen von Schlafbezogenen Atmungsstörungen bzw. in der Differentialdiagnostik der schweren Tagesschläfrigkeit muss die Indikation zur Messung im Schlaflabor gestellt werden. Dort können Mittels KRPSG und anhand definierter Mindestkriterien alle Schlafbezogenen Atmungsstörungen differenziert werden. Zur Indikationsstellung für die „Messung im Schlaflabor“ sind die Anamnese und klinische Kriterien maßgeblich. Hinweise können sich ergeben aus genetischen bzw. familiären sowie aus alters- und geschlechtsabhängigen prädisponierenden Faktoren, aus der Selbstbeobachtung während des Einschlafens oder während des Aufwachens oder durch Fremdbeobachtung im Schlaf. Ferner ergeben sie sich aus der Selbst- und Fremdbeobachtung des Zustands in der Wach- und Leistungsphase und schließlich noch aus dem Vorhandensein von Folgeschäden bzw. von assoziierten Erkrankungen. Die Aspekte sollen im Folgenden dargestellt und kommentiert werden.
Prädisponierende Faktoren für SBAS:
  • Genetische Faktoren
  • Alters- und geschlechtsabhängige Faktoren
  • Anatomische Faktoren, in erster Linie:
    • Das ZNS im Bereich der an der Atemregulation beteiligten Strukturen
    • Der Schädel, insbesondere Gesichtsschädel und Schädelbasis
    • Die Weichteile im Bereich von Oropharynx und Nase
    • Der knöcherne Thorax und die Wirbelsäule
    • Die an der Atmung beteiligte Muskulatur
    • Übergewicht und Fettverteilung am Bauch und im Halsbereich
    • Die Lunge, das Bronchialsystem und die Lungengefäße
  • Vorerkrankungen wie:
  • Äußere Faktoren wie:
  • Medikamente oder Substanzen wie:
Physiologische Veränderungen des Schlafs im Laufe des Lebens begünstigen das Auftreten von Schlafstörungen in bestimmten Altersstufen. Daneben gibt es spezifische Risiken, die mit einzelnen Altersstufen assoziiert sind („Lebensalter“; „Kindesalter“). Auf Geschlechterwendigkeit wird in den einzelnen Krankheitsessays eingegangen. Generell haben Männer häufiger SBAS. Speziell bei Obstruktiver Schlafapnoe (OSA) wird die Prävalenz bei Frauen aber häufig unterschätzt (Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2005). Einige der hier genannten Vorerkrankungen wurden auch schon weiter oben im Beitrag genannt unter Schlafstörungen bei körperlichen Erkrankungen. Sie können im Einzelfall sowohl Ursache für eine symptomatische Insomnie sein als auch zur Entstehung von SBAS prädisponieren.
Selbst- oder Fremdbeobachtung während des Einschlafens, Aufwachens oder im Schlaf und am Tage:
  • Atemstillstände
  • Aufwachen mit Luftnot
  • Rasche flache Atmung
  • Paradoxe Atmung
  • Inspiratorische Einziehung der unteren Thoraxapertur bzw. des Sternums
  • Blässe, Zyanose oder Muskelhypotonie beim Säugling
  • Insomnie, Aufwachen mit Luftnot
  • Schwitzen
Schnarchen ist sehr weit verbreitet; es nimmt mit dem Alter zu, und ab 60 Jahren schnarcht mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Wie im Beitrag „Schnarchen“ ausgeführt, bleibt das Schnarchen bei den meisten Betroffenen ohne Folgen für die Blutgase und den Schlaf, da sie einen im Liegen und Schlafen erhöhten Widerstand der oberen Atemwege durch längerdauernde oder durch tiefere Atemzüge voll kompensieren können. Einen diagnostischen Hinweis auf Obstruktive Schlafapnoe kann das laute, zwischen den Atemstillständen intermittierte Schnarchen geben. Die fremdanamnestische Angabe von beobachteten Atemstillständen ist aber unzuverlässig, da sie wesentlich von der Aufmerksamkeit beziehungsweise von der Besorgtheit der Bettpartner abhängt. Auch der Gesunde hat im REM-Schlaf oder beim Einschlafen Apnoen, andererseits bleiben selbst extrem gehäufte und eine Minute und länger dauernde Atemstillstände der Schlafenden von deren Partnern oftmals unbemerkt. Analoges trifft zu für Hypoventilationsphasen, paradoxe Atemexkursionen oder für die Einziehung von Sternum und unterer Thoraxapertur; letztere ist vor allem bei normalgewichtigen Kindern mit Obstruktiver Schlafapnoe gut zu erkennen. Bei der perinatalen Überwachung spielen die zuletzt genannten Beobachtungen im Schlaf eine wichtige Rolle, zusätzliche Hinweise bei Säuglingen sind plötzlich auftretende Blässe, Zyanose oder Muskelhypotonie.
Aufwachen mit Luftnot begründet bei Patienten, die nicht an Asthma bronchiale leiden, immer den Verdacht auf das Vorliegen von SBAS. Es wird am ehesten von Patienten mit Schlafbezogenen Hypoventilationssyndromen oder mit Zentralen Schlafapnoesyndromen geklagt. Die Beschwerde kommt aber auch ohne das Vorhandensein von Schlafbezogenen Atmungsstörungen vor, beispielsweise bei Patienten mit Panikstörungen oder bei Patienten mit restriktiven und obstruktiven Lungenerkrankungen oder mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, vor allem Herzinsuffizienz.
Mittelgradige und schwergradige Tagesschläfrigkeit bei Schlafbezogenen Atmungsstörungen manifestiert sich in imperativem Schlafzwang, in Schlafattacken und in „Unbeabsichtigtes Einschlafen“, selbst bei körperlicher Betätigung oder bei beruflichen und sozialen Aktivitäten, die mit Einschlafen nicht zu vereinbaren sind. Auch Fehlleistungen bzw. „Einschlafen am Arbeitsplatz“ und „Einschlafen am Steuer“ kennzeichnen die schwere Tagesschläfrigkeit. Sie wird gehäuft bei Patienten mit fortgeschrittener Obstruktiver Schlafapnoe (OSA) oder Zentralem Schlafapnoesyndrom (ZSAS) gefunden. Die Symptomatik bei Kindern mit OSA kann derjenigen bei „Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung“ (ADHS) ähneln bzw. ein solches verstärken. Frauen mit OSA und Erwachsene beiderlei Geschlechts mit leicht ausgeprägter OSA haben häufig Insomnie als Hauptbeschwerde. Schwitzen wird gehäuft von Patienten mit SBAS geklagt, ist aber ein unspezifisches Phänomen (Siehe auch <Nachtschweiß).
Folgeschäden bei SBAS und den mit SBAS assoziierten Erkrankungen
Erwachsene Patienten mit Obstruktiver Schlafapnoe (OSA) leiden gehäuft unter
Obstruktive Schlafapnoe ist mittlerweile durch epidemiologische Studien hoher Evidenzgrade belegt als unabhängiger Risikofaktor für „Bluthochdruck“; „Atherosklerose und Obstruktive Schlafapnoe“, Myokardinfarkt, Apoplektischen Insult und Alleinunfälle mit schweren Folgen (Marin et al. 2005). Die Hälfte der unbehandelten Männer mit OSA weist eine erektile Dysfunktion auf („Erektionsstörungen und nächtliche penile Tumeszenz (NPT)“).
Patienten mit fortschreitenden Schlafbezogenen Hypoventilations- und Hypoxämiesyndromen infolge einer anderen Grunderkrankung entwickeln im Wachzustand
Die Blutgasveränderungen und die hämodynamischen Veränderungen lassen sich bei ihnen typischerweise nicht in erster Linie auf einen Progress der Grunderkrankung zurückführen. Sie sind vielmehr durch die vom REM-Schlaf ausgehenden Hypoventilationsphasen gefährdet, die sich mit fortschreitender Erkrankung über den NREM-Schlaf ausdehnen und schließlich auch zu fortschreitender Hypoxämie und Hyperkapnie im Wachzustand führen.
Entscheidungsfindung
Die vielfältigen prädisponierenden Faktoren und klinischen Merkmale betreffen weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Für sich allein können sie damit naturgemäß keine Indikation für eine Untersuchung im Schlaflabor ergeben, sondern die einzelnen Items müssen priorisiert werden, und es müssen die Kombinationen von Items ermittelt werden, die das Vorliegen einer SBAS wahrscheinlich machen. Am einfachsten ist die Entscheidung, wenn gleichzeitig eine beeinträchtigende Tagesschläfrigkeit besteht. Wenn in diesem Fall wie beim Vorgehen gemäß dem „Algorithmus Nicht erholsamer Schlaf“ eine andere Ursache für die Tagesschläfrigkeit ausgeschlossen werden kann, ist die Indikation zur Untersuchung im Schlaflabor gegeben. Auch beim nicht erholsamen Schlaf infolge von Insomnie, speziell bei Durchschlafstörungen mit Luftnot ist die Indikation für die KRPSG gegeben, sofern andere Ursachen dafür mittels kardiopulmonaler Diagnostik beziehungsweise gemäß dem Algorithmus Nicht erholsamer Schlaf ausgeschlossen wurden.
Bei Patienten mit Zustand nach Apoplex, mit Herzinsuffizienz oder Niereninsuffizienz besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Zentraler Schlafapnoe, auch im Zusammenhang mit Cheyne-Stokes-Atmung („Herzinsuffizienz und Schlafbezogene Atmungsstörungen“). Hier muss auf weitere Beschwerden und Befunde geachtet werden, die auf das Vorhandensein von Zentraler Schlafapnoe (ZSA) hinweisen. Gegebenenfalls ergibt sich die Indikation für die ambulante Voruntersuchung mittels Polygraphie mit dem Ziel der Erhöhung der Pretestwahrscheinlichkeit für eine Untersuchung im Schlaflabor („Diagnostik der Schlafbezogenen Atmungsstörungen“).
Im Rahmen der Differenzialdiagnostik ergibt sich unter Umständen die Indikation für eine nichtinvasive Beatmung, die bei einem beachtlichen Teil der Betroffenen nicht nur zur Linderung der Beschwerden in der Nacht führt, sondern auch die Herzinsuffizienz bessert („Nasale Ventilation zur Behandlung der Cheyne-Stokes-Atmung bei Herzinsuffizienz“).
Auch schon bei leichten oder mittelgradigen Beschwerden des nicht erholsamen Schlafs ergibt sich der Verdacht auf OSA und die Indikation zur Schlaflabormessung, wenn prädisponierende anatomische Faktoren im Bereich der oberen Atemwege, wie Mikrognathie, dolichofazialer Gesichtstyp oder hyperplastische Tonsillen oder eine ausgeprägte Adipositas, vorliegen und wenn andere Ursachen für Tagesschläfrigkeit gemäß dem Algorithmus Nicht erholsamer Schlaf ausgeschlossen worden sind. Beim Vorhandensein von potenziellen „Kardiovaskuläre Folgen der Obstruktiven Schlafapnoe“ wie arterielle Hypertonie und überwiegend nächtliche Herzrhythmusstörungen gilt das analoge Vorgehen, wie es bezüglich der prädisponierenden Faktoren bereits dargestellt wurde. Auch beim Vorhandensein von Erkrankungen und Befunden, die mit Obstruktiver Schlafapnoe bekanntermaßen assoziiert sind, ohne dass aber beim Betroffenen eine spezifische schlafmedizinische Beschwerde beklagt wird, können polygraphische Verfahren eingesetzt werden zur Erhöhung der Pretestwahrscheinlichkeit für den Nachweis von OSA mittels KRPSG. Das ist insbesondere zutreffend, wenn ein hohes Verdachtsmoment auf subjektives Negieren der Symptomatik einer Tagesschläfrigkeit besteht bzw. bei objektiver Gefährdung des Betroffenen durch Schädigung der kardiopulmonalen Funktionen.
Der Verdacht auf das Vorliegen der seltenen Idiopathischen zentral-alveolären Hypoventilation ergibt sich, wenn bei Patienten mit gesunder Lunge und ohne Anhalt für eine kardiale oder pulmonal-vaskuläre Ursache eine progrediente Hypoxämie und Hyperkapnie auftreten und wenn sich im Verlauf der Erkrankung das klinische Bild eines Cor pulmonale einstellt. Dann besteht die Indikation zur KRPSG auch ohne das Vorhandensein von spezifischen schlafmedizinischen Beschwerden, und es kann auf der Basis der Messergebnisse eine unter Umständen lebensrettende nichtinvasive Beatmung eingeleitet werden. Der Verdacht auf das Vorliegen des sehr seltenen Kongenitalen zentral-alveolären Hypoventilationssyndroms ergibt sich im Rahmen der perinatalen Überwachung beim Vorliegen von Phasen der Hyperkapnie und Hypoxämie, die abhängig vom Wachheitsgrad stark wechseln können und die keine zugrunde liegende kardiopulmonale Ursache haben. Beim Auftreten einer Hyperkapnie im Wachzustand muss grundsätzlich die Möglichkeit differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden, dass die Ursachen dafür im (REM-)Schlaf liegen können.
Die Diagnose Schlafbezogene Hypoventilation bei körperlicher Erkrankung oder Schlafbezogene Hypoxämie trifft zu für Patienten mit Erkrankungen des Lungenparenchyms oder der Lungengefäße, Erkrankungen mit bronchialer Obstruktion oder neuromuskulären Erkrankungen sowie bei Thoraxdeformitäten. Patienten, die an einer der Krankheiten leiden und die zusätzliche, ggf. auch nur gering- oder mittelgradige Beschwerden des nicht erholsamen Schlafs zeigen, für die es keine andere Erklärung gibt, müssen im Schlaflabor untersucht werden. Die Indikation zur Einleitung einer nasalen Ventilationstherapie ist besonders dringend gegeben, wenn die Patienten eine progrediente Hypoxämie bzw. Hyperkapnie und ggf. klinische Zeichen des Rechtspräkordialstaus bzw. des Cor pulmonale zeigen, für die sich bei fehlendem Progress der Grunderkrankung keine anderweitige Erklärung ableiten lässt.
Zentrale Störungen mit exzessiver Tagesschläfrigkeit
Die Zentralen Störungen mit exzessiverTagesschläfrigkeit werden aufgrund der Anamnese und mittels der KRPSG nachgewiesen (Tab. 7). Die Indikation für die Untersuchung im Schlaflabor ergibt sich in der Regel aus dem Schweregrad der schlafmedizinischen Beschwerden nach dem Durchlaufen des Algorithmus Nicht erholsamer Schlaf. Zusätzliche anamnestische Daten können gegebenenfalls bei erst mittelgradig ausgeprägter Tagesschläfrigkeit die Indikation zur Untersuchung mittels KRPSG untermauern. Dazu gehören bei „Narkolepsie“ das Auftreten von affektivem Tonusverlust in Gestalt von „Kataplexien“, das Auftreten von „Schlafbezogene Halluzinationen“ und von „Schlaflähmung“, ferner „Automatisches Verhalten“ und „Unbeabsichtigtes Einschlafen“. Bezüglich der Verdachtsdiagnose auf „Kleine-Levin-Syndrom“ bzw. „Idiopathische Hypersomnie“ ist zwingend eine breite Ausschlussdiagnostik geboten, nicht nur bezüglich anderer schlafmedizinischer Erkrankungen mit Leitsymptom „Tagesschläfrigkeit“, sondern auch bezüglich möglicher organischer oder psychischer Ursachen.
Tab. 7
Zentrale Störungen mit Tagesschläfrigkeit (nach ICSD-3). Diagnosen mit schlafbezogener Hauptbeschwerde
Schlafbezogene Hauptbeschwerde
Diagnosen
Tagesschläfrigkeit
Narkolepsie Typ 2
Schlafmangelsyndrom
Hypersomnie assoziiert mit psychischer Erkrankung
Siehe Tab. 3 und 4
Hypersomnie durch körperlicher Erkrankung
Siehe Tab. 1
Hypersomnie durch Medikamente oder Substanzen
Beiträge zur Übersicht und zur Ergänzung:
„Entzündliche Erkrankungen des Zentralnervensystems“
„Epilepsie“
„Schlafmangelsyndrom“
Zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen
Die Zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen beruhen auf einer Diskrepanz zwischen der durch die Innere Uhr gesteuerten Schlaf-Wach-Rhythmik und dem äußeren physikalischen Hell-Dunkel-Wechsel oder vorgegebenen sozialen Anforderungen (Tab. 8). Es gibt für die einzelnen Diagnosearten sehr unterschiedliche Ursachen, die sich in der Regel leicht anamnestisch eruieren lassen. Die vorherrschende Beschwerde kann Insomnie, am häufigsten in Form von Einschlafstörungen, und Tagesschläfrigkeit, am häufigsten mit sehr schwerer Erweckbarkeit, oder die Kombination aus beidem sein. Zu Diagnostik und Therapie siehe „Zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen“.
Tab. 8
Zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen (nach ICSD-3). Diagnosen mit schlafbezogener Hauptbeschwerde
Schlafbezogene Hauptbeschwerde
Diagnosen
Insomnie und/oder Tagesschläfrigkeit
Verzögerte Schlafphase
Vorverlagerte Schlafphase
„Jetlag-Störung ohne Verweis. Der Verweis zu Kapitel Jetlag steht 7 Zeilen tiefer“
Schichtarbeitstörung
Beiträge zur Übersicht und zur Ergänzung:
„Chronobiologie“
„Melatonin und zirkadianer Rhythmus“
„Schlafregulation“
„Wachheit und Schlaf“
„Nachtarbeit und Schichtarbeit“
„Jetlag“
Schlafbezogene Bewegungsstörungen (Tab. 9)
Eine Abnahme des Muskeltonus und damit einhergehende vereinzelte Zuckungen der Extremitäten kommen beim Einschlafen als sogenannte Einschlafzuckungen (engl. hypnic jerks) vor und haben keinen Krankheitswert. Ebenso sind sporadische und nicht rhythmisch verteilte Bewegungen Teil des normalen Schlafs. Schlafstörend wirkt sich demgegenüber die Symptomatik des „Restless-Legs-Syndrom“ (RLS) aus, mit Missempfindungen und Bewegungsdrang in den Beinen und in manchen Fällen auch in den Armen. Zunächst ist das entspannte Einschlafen behindert, bei fortgeschrittenem RLS entwickeln die Patienten infolge des andauernden Schlafdefizits das Leitsymptom Tagesschläfrigkeit. Zusätzlich zur Beschwerde der Rastlosigkeit in den Beinen weisen 80 % der Patienten mit RLS auch periodische Bewegungen der Extremitäten (PLMS) auf, insbesondere der Beine und Zehen.
Tab. 9
Schlafbezogene Bewegungsstörungen (nach ICSD-3). Diagnosen mit schlafbezogener Hauptbeschwerde
Schlafbezogene Hauptbeschwerde
Diagnosen
Insomnie, im fortgeschrittenen Krankheitsstadium auch Tagesschläfrigkeit
„Restless-Legs-Syndrom“ (RLS)
Tagesschläfrigkeit
„Periodic Limb Movement Disorder“ (PLMD)
Insomnie
„Schlafbezogene Beinmuskelkrämpfe“ (Crampi)
Schlafbezogener „Bruxismus“
„Schlafbezogene rhythmische Bewegungsstörung“
Siehe Tab. 1
Schlafbezogene Bewegungsstörung durch Medikamente oder Substanzen
Beiträge zur Übersicht und zur Ergänzung:
„Motorik“
Eine verbreitete Schlafbezogene Bewegungsstörung mit dem Leitsymptom Tagesschläfrigkeit ist die „Periodic Limb Movement Disorder“ (PLMD). Meist sind beide Beine gleichzeitig betroffen in Gestalt von kurzfristigen Beugebewegungen im Hüft- und Kniegelenk mit gleichzeitiger Streckung des Fußes und Dorsalflexion der Großzehe. Die Störung sollte bei der Differenzialdiagnose des nicht erholsamen Schlafs immer berücksichtigt werden und wird mittels KRPSG im Schlaflabor verifiziert. Das PLMD ist neben der OSA die am häufigsten gefundene schlafmedizinische Erkrankung als Ursache für Tagesschläfrigkeit aus intrinsischer Ursache. Allerdings finden sich periodische Extremitätenbewegungen im Schlaf auch bei einem großen Teil der asymptomatischen Bevölkerung. Daher ist eine Differenzierung zwischen PLM mit Arousal und PLM ohne Arousal und eine Überprüfung der Schlafstruktur in der KRPSG indiziert („Gestörter Schlaf, seine Muster in der Kardiorespiratorischen Polysomnographie“). Die Beobachtung der periodischen Extremitätenbewegungen im Schlaf kommt auch bei Patienten mit OSA gehäuft vor und kann dort eine Ursache für eine Tagesschläfrigkeit sein, die trotz einer optimalen CPAP-Einstellung persistiert und die deshalb gesondert behandelt werden muss. Zuvor ist eine optimale CPAP-Therapie ohne residuale Atemflusslimitationen mit Arousals (RERAs) sicherzustellen, welche ihrerseits periodische Extremitätenbewegungen auslösen können.
„Schlafbezogene Beinmuskelkrämpfe“ können Durchschlafstörungen verursachen und kommen sporadisch bei einem Drittel der Bevölkerung im Alter von 60 und mehr Jahren vor. Allnächtlich treten sie bei 6 % der Bevölkerung auf, und gehäuft sind sie in Kombination mit OSA, Hypoventilationssyndromen oder PLMD anzutreffen.
Im Schlaf bzw. beim Einschlafen kommt es bei Kindern, seltener auch bei Erwachsenen, zu repetitiven stereotypen Bewegungen wie Kopfschlagen, Körperwiegen oder Körperrollen. In der Regel haben „Schlafbezogene rhythmische Bewegungsstörung“ keinen Krankheitswert, in manchen Fällen beeinträchtigen sie aber die Erholungsfunktion des Schlafs oder führen zu Selbstverletzungen und erfüllen damit die Kriterien einer Schlafbezogenen rhythmischen Bewegungsstörung. In diesen Fällen kann die Untersuchung im Schlaflabor mittels KRPSG ebenso angezeigt sein, wie der Ausschluss einer Epilepsie mittels entsprechender Funktionsdiagnostik. Habituelles Zähneknirschen oder Bruxismus ist unter Kindern und unter Erwachsenen verbreitet. „Bruxismus“ kann infolge der mahlenden Kieferbewegungen zu einer erheblichen Destruktion des Gebisses führen. Bruxismus kann Durchschlafstörungen infolge von Verspannungen der Kau- und Nackenmuskulatur verursachen, ebenso kann er ursächlich für morgendlichen Kopfschmerz sein.
Parasomnien
Parasomnien manifestieren sich als komplexe Verhaltensweisen, die beim Einschlafen, beim Aufwachen oder aus bestimmten Schlafstadien heraus auftreten (Tab. 10). Die Aktivitäten fallen Personen in der Umgebung der Schlafenden auf, ohne dass sie der Betroffene selbst bewusst erlebt. Die Erholsamkeit des Schlafs erleben Patienten mit Parasomnien in der Regel nicht als eingeschränkt, und weder Insomnie noch Tagesschläfrigkeit stehen anamnestisch im Vordergrund.
Tab. 10
Parasomnien (nach ICSD-3). Diagnosen mit schlafbezogener Hauptbeschwerde
Schlafbezogene Hauptbeschwerde
Diagnosen
Fremdanamnestisch komplexe Bewegungen und autonome Entäußerungen
„Verwirrtes Erwachen“
„Schlafwandeln“
„Pavor nocturnus“ (Schlafterror)
„Schlafbezogene Essstörung“
„REM-Schlaf-Verhaltensstörung“
„Schlaflähmung“
„Albträume“
„Exploding-Head-Syndrom“
„Schlafbezogene Halluzinationen“
„Schlafenuresis“
Siehe Tab. 1
Parasomnie durch Medikamente oder Substanzen
Siehe Tab. 3 und 4
Parasomnie durch körperliche Erkrankung
Beiträge zur Übersicht und zur Ergänzung:
„Epilepsie“; „Psychosen“; „Motorik“; „Kopfschmerz“; „Enuresis und Harninkontinenz“
Die Parasomnien können episodisch durch Schlafentzug, Alkoholkonsum, unter Fieber und nach der Aufnahme von Medikamenten oder toxischen Substanzen ausgelöst sein oder durch organische Erkrankungen des Zentralnervensystems. Am häufigsten handelt es sich jedoch um ein chronisches Problem, das spontan ohne spezifische Auslöser auftritt. Schlafmedizinische Diagnostik kann im Hinblick auf forensische Fragestellungen erforderlich werden bei Personen mit gewaltsamen oder sexuell gefärbten Verhaltensweisen, die während der Schlafperiode vorkommen und für welche die Betroffenen ein bewusstes Erleben negieren. Differenzialdiagnostisch kommen auch Epilepsien, Psychosen, Medikamentenwirkungen oder Medikamentennebenwirkungen als Ursachen in Betracht.
Literatur
American Academy of Sleep Medicine (2014) International classification of sleep disorders, 3. Aufl. American Academy of Sleep Medicine, Darien
American Sleep Disorders Association (1997) International classification of sleep disorders, revised: diagnostic and coding manual. ASDA, Rochester
Gesundheitsberichterstattung des Bundes (2005) Schlafstörungen, Heft 27. Robert-Koch-Institut, Berlin
Kushida CA, Littner MR, Morgenthaler T et al (2005) Practice parameters for the indications for polysomnography and related procedures: an update for 2005. Sleep 28:499–521CrossRef
Marin JM, Carizo SJ, Vicente E, Agusti AGN (2005) Long-term cardiovascular outcomes in men with obstructive sleep apnea-hypopnea with or without treatment with continuous positive airway pressure: an observational study. Lancet 365:1046–1054CrossRef