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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 31.03.2020

Einschlafen am Steuer

Verfasst von: Göran Kecklund, Torbjörn Åkerstedt und Arne Lowden
In der Literatur über Schläfrigkeit von Fahrzeugführern werden wechselnd Begriffe wie Übermüdung, Schläfrigkeit und Dösigkeit verwendet. Schläfrigkeit ist operational definiert als ein physiologischer Drang zu Schlafen. Dies ist der latente, fundamentale Typ von Schläfrigkeit, der manchmal durch begleitende Umstände maskiert werden kann und in manifeste Schläfrigkeit übergeht. Vom Gesichtspunkt des Fahrzeugführers aus kann Schläfrigkeit angesehen werden als der Verlust der Fähigkeit, aufmerksame Wachheit ohne Unterstützung aus der Umgebung beziehungsweise aus der Fahrsituation aufrechtzuerhalten.

Englischer Begriff

falling asleep when driving

Definition

In der Literatur über Schläfrigkeit von Fahrzeugführern werden wechselnd Begriffe wie Übermüdung, Schläfrigkeit und Dösigkeit verwendet. Schläfrigkeit ist operational definiert als ein physiologischer Drang zu Schlafen. Dies ist der latente, fundamentale Typ von Schläfrigkeit, der manchmal durch begleitende Umstände maskiert werden kann und in manifeste Schläfrigkeit übergeht. Vom Gesichtspunkt des Fahrzeugführers aus kann Schläfrigkeit angesehen werden als der Verlust der Fähigkeit, aufmerksame Wachheit ohne Unterstützung aus der Umgebung beziehungsweise aus der Fahrsituation aufrechtzuerhalten.
Bezüglich des Verhaltens kann man die Auswirkungen von Schläfrigkeit auf 4 Niveaus beschreiben:
1.
Vollständige Wachheit.
 
2.
Moderate Schläfrigkeit: Unter der Bedingung, dass das Zentralnervensystem zwar mit Verzögerungen arbeitet, wird eine adäquate Funktion noch prinzipiell aufrechterhalten.
 
3.
Schwere Schläfrigkeit: Das Individuum wird wiederholt von Schlafattacken überkommen, Interaktionen mit der Umgebung werden unterbrochen, Leistungen werden unregelmäßig erbracht, Fehlreaktionen häufen sich. Beim Führen eines Fahrzeugs treten dann Ausfälle in der Aufmerksamkeit des Fahrers auf. Dies charakterisiert sowohl Patienten, die an „Narkolepsie“, an schwerer Obstruktiver Schlafapnoe (OSA; siehe „Obstruktive Schlafapnoe“) oder an „Periodic Limb Movement Disorder“ leiden, als auch vollkommen Gesunde, wenn sie hochgradig übermüdet sind.
 
4.
Schlaf, der so tief ist, dass es ohne Erwachen keine Interaktion mit der Umgebung mehr gibt.
 

Grundlagen

Was bedeutet Schläfrigkeit bei Fahrzeugführern?

Studien, die auf realen Fahrsituationen in instrumentell ausgestatteten Autos mit Videokameras und Sensoren beruhen, zeigen, dass in fast 90 % der Unfälle fahrerbezogene Faktoren eine Rolle spielen.
Eine der häufigsten Ursachen für eine Beeinträchtigung des Fahrers ist Übermüdung und Schläfrigkeit (Dingus et al. 2016). Fragebogenstudien zeigen, dass Schläfrigkeit bei Fahrzeugführern weit verbreitet ist; 10–30 % der Fahrer berichten, dass sie während des letzten Jahres am Steuer eingeschlafen sind (Higgins et al. 2017). Die wirklichen Zahlen für Schläfrigkeit beim Autofahren sind viel höher. In einigen Studien berichten 60 % der Fahrer über Vorfälle mit Schläfrigkeit während des vorangegangenen Jahres. Neuere Studien, die auf realen Fahrsituationen basieren, zeigen, dass objektiv gemessene Schläfrigkeit im Straßenverkehr häufig vorkommt, besonders beim Fahren während der Nacht, und dass Schläfrigkeit ein starker Prädiktor für eingeschränkte Fahrleistung ist, wie zum Beispiel unbeabsichtigtes Verlassen der Fahrspur. Das Ziel dieses Beitrags ist es, den momentanen Kenntnisstand über Schläfrigkeit von Fahrzeugführern darzustellen und zugleich eine Abschätzung über das Vorkommen von Unfällen zu geben, die in Beziehung zu Schlaf und Übermüdung stehen. Ferner konzentrieren wir uns auf die wichtigsten Ursachen von Schläfrigkeit bei Fahrzeugführern und gehen kurz auf verschiedene Gegenmaßnahmen ein.

Messung der Schläfrigkeit von Fahrzeugführern

Die gebräuchlichsten physiologischen Indikatoren für Schläfrigkeit benötigen die Ableitung des Elektroenzephalogramms (EEG; siehe „Elektroenzephalogramm“) sowie die Registrierung der Augenbewegungen mittels Elektrookulogramm (EOG). Fortlaufende Registrierung von EEG und EOG wurden bei zahlreichen Studien zu Übermüdung und Schläfrigkeit am Steuer benutzt. Mit wachsender Schläfrigkeit wird das EEG bestimmt durch für den Schlaf charakteristische Muster: vermehrte Alpha- und Thetaaktivität trotz überwiegend geöffneter Augen sowie langsamer Lidschlag oder langsame und rollende Augenbewegungen. Vorübergehende, nur Sekunden dauernde Ereignisse dieser Art werden auch als Mikroschlaf oder Sekundenschlaf bezeichnet. In diesem Zustand kann der Fahrer der Straßenführung nicht mehr gut folgen, sondern driftet zur Seite oder zur Mittelbegrenzung hin ab. Anfangs kann es sein, dass der Fahrer noch adäquat reagiert und den Kurs korrigiert, aber mit fortschreitender Schläfrigkeit ist es wahrscheinlich, dass das Fahrzeug von der Straße abkommt.
Die wichtigste Verhaltensmessung für Schläfrigkeit ist bei Fahrstudien naturgemäß das Fahrverhalten auf der Straße. Allerdings begrenzen ethische Bedenken das Ausmaß von Schläfrigkeit, das bei Studien, die im öffentlichen Verkehr durchgeführt werden, erlaubt werden kann. Der Fahrsimulator ist dann eine Alternative. Schläfrigkeit erscheint allgemein als Schwierigkeit, konsistent die Fahrspur einzuhalten, es kommt zu breiten Abweichungen in der Position auf der Fahrspur und auch zu spontanen Variationen in der Fahrgeschwindigkeit. Der Bremsabstand kann sich ebenfalls verlängern.

Studien zur Schläfrigkeit von Fahrzeugführern

Verschiedene Studien zu physiologischen Veränderungen während Nachtfahrten haben Einflüsse von Schläfrigkeit gezeigt. Der Hauptbefund besteht darin, dass physiologische wie auch subjektive Schläfrigkeit zunehmen, was seinen Ausdruck in häufigen Ausbrüchen von Alphaaktivität trotz geöffneter Augen findet und in leichter Zunahme der Thetaaktivität gegen Ende der Nachtfahrt. Verschiedene Fallbeispiele zu Fahrzeugführern, die eingeschlafen sind, wurden dokumentiert. Es konnte auch gezeigt werden, dass Nachtfahrten im Fahrsimulator ebenfalls zu einer Vermehrung von Alpha- und Thetaaktivität führen und dass die genannten Veränderungen im EEG mit lateralen Abweichungen von der Fahrspur einhergehen. Ähnliche Folgen für das Fahrverhalten wurden nach Schlafdefizit beobachtet und bei Individuen, die unter chronischen Schlafstörungen leiden.
In der größten, ausführlichen Studie, die bis jetzt zu Schläfrigkeit am Steuer durchgeführt wurde, untersuchte man 80 Lastwagenfahrer über mehrere Tage bei ihren alltäglichen Fahrten quer durch den amerikanischen Kontinent (Mitler et al. 1997). EEG und EOG wurden registriert, und die Gesichter der Fahrer wurden gefilmt. Daten über die Fahrzeuggeschwindigkeit und die Position auf der Fahrbahnspur wurden ebenfalls registriert. Der bei weitem aussagefähigste Faktor für das Auftreten von Schläfrigkeit war die Uhrzeit. Nachtfahren drückte sich durchgängig in Schwierigkeiten aus, die Augen während der gesamten Fahrt offen zu halten, ferner zeigten sich vermehrte Seitabweichungen von der Fahrspur und im EEG die oben genannten Zeichen von Schläfrigkeit. Gemäß der Videoaufzeichnung bestanden Zeichen schwerer Schläfrigkeit über ca. 4,9 % der gesamten Fahrzeit. Demgegenüber war der Anteil der Fahrzeit, in der der Fahrer tatsächlich schlief, geringer als 0,01 %. Die Zeit, in welcher der Fahrer schläfrig war, korrelierte mit schlechterem Fahren in Gestalt von lateraler Instabilität in der Fahrspur.

Ausmaß schlafbezogener Unfälle im Straßenverkehr

Es gibt keine völlig zuverlässigen Zahlen über den Umfang der Unfälle, die mit Schlaf in Zusammenhang stehen. Im Allgemeinen geben die offiziellen Unfallberichte keine Information darüber, ob der Fahrer zur Zeit des Unfalls schläfrig war oder nicht. Das Personal, das die Berichte über Straßenunfälle erstellt, wie zum Beispiel Polizeibeamte, sind in der Regel nicht darin ausgebildet, die Rolle von Schläfrigkeit bei einem Unfall zu ermitteln und haben keine Instruktionen, wie man diesbezügliche Äußerungen erfragt. Unter dem Aspekt der Forensik wird der Fahrer in der Regel nicht zugeben, dass bei einem Unfall Übermüdung im Spiel war, da dies im Allgemeinen eine größere juristische Verantwortung für die Verursachung des Unfalls mit sich bringt. In vielen Ländern sind die rechtlichen Folgen von schlafbezogenen Unfällen nicht unähnlich denjenigen für Trunkenheit am Steuer. In Fällen, in denen die offiziellen Statistiken Einschlafen oder Übermüdung als die Ursache des Unfalls ermittelt haben, war diese Ursache kaum zu übersehen. Das ist typischerweise dann der Fall, wenn nur ein einzelnes Fahrzeug verunglückte, üblicherweise zur Nachtzeit, und wenn keine Bremsspur oder Spuren von Ausweichmanövern vorhanden sind.
Es wurden jedoch in den letzten Jahren einige aussagefähige Studien durchgeführt, die zeigen, dass, obwohl die Zahl schlafbezogener Unfälle in den offiziellen Statistiken bei mindestens 3 % liegt (wobei sie bei Unfällen mit tödlichem Ausgang geringfügig höher ist), diese Zahlen aller Wahrscheinlichkeit nach noch eine grobe Unterschätzung darstellen. Die Schätzungen, die sich aus den genannten Studien zu Unfallstatistiken ergeben, haben zu dem Schluss geführt, dass 10–20 % sämtlicher Straßenunfälle mit Einschlafen zusammenhängen. Darüber hinaus spielt Einschlafen am Steuer bei folgenschweren Unfällen häufiger eine Rolle. Schlafbezogene Unfälle sind größtenteils Einzelunfälle, aber auch Frontalzusammenstöße und Auffahrunfälle können durch Schlaf verursacht sein.
Die Informationen über Unfälle mit schweren Lastwagen sind etwas genauer als für andere Verkehrsarten. Eine Untersuchungsserie des National Transportation Safety Board (NTSB) in den USA hat die bedeutsame Rolle der Schläfrigkeit bei Unfällen im Schwerlastverkehr herausgearbeitet. 1995 kam das NTSB zu dem Schluss, dass 52 % von 107 untersuchten Unfällen mit Einzelfahrzeugen in Gestalt von schweren Lastwagen durch Schläfrigkeit verursacht waren. In 17,6 % der Fälle hatte der Fahrer zugegeben, dass er eingeschlafen war. Das NTSB hatte bereits 1990 Schläfrigkeit mit 31 % als häufigste Ursache für Unfälle mit schweren Lastwagen und tödlichem Ausgang für den Fahrer ermittelt. Der Umfang tödlicher, mit Schlaf zusammenhängender Unfälle wird im Allgemeinen mit ungefähr 30 % angegeben.
Eine der aufwendigsten Studien zu Unfallberichten wurde in Großbritannien durchgeführt und 1995 durch Horne und Reyner publiziert. Sie fanden, dass bei 16 % der Straßenunfälle Schlaf eine Rolle spielte. In derselben Studie wurde gefunden, dass der Anteil von schlafbedingten Unfällen auf Autobahnen bei 23 % lag. Das ist wahrscheinlich die erste Studie, in der systematische Kriterien für den Begriff „Unfälle durch Einschlafen“ benutzt wurden. Die Kriterien bestanden im Einzelnen in:
1.
Blutalkoholspiegel unterhalb des gesetzlich für Fahrzeugführer erlaubten Spiegels, gemessen mittels Atem- und Bluttests
 
2.
Unfälle von Einzelfahrzeugen oder Auffahrunfälle
 
3.
Das Fehlen von Bremsspuren oder anderen Zeichen für Ausweichmanöver
 
4.
Kein technischer oder mechanischer Defekt am Fahrzeug, Reifenplattfahren eingeschlossen
 
5.
Gutes Wetter und gute Sicht
 
6.
Kein Rasen oder dichtes Auffahren
 
7.
Verdächtige Anzeichen für Übermüdung oder Schläfrigkeit zum Zeitpunkt des Eintreffens der Polizei
 
8.
Freie Einsehbarkeit über die Unfallstrecke
 
Selbstverständlich werden diese engen Kriterien eher zu einer Unterschätzung der tatsächlichen Verhältnisse führen. Es ist offensichtlich, dass Schläfrigkeit auch eine Unfallursache sein kann, wenn das Wetter schlecht ist, wenn die Sicht schlecht ist oder wenn es zu Frontalzusammenstößen kommt.
Es gibt auch einige ausführliche Untersuchungen von Straßenunfällen, die Schläfrigkeit als einen Risikofaktor fokussieren. In einer bedeutsamen Studie (Connor et al. 2002) wurden 571 Fahrzeugführer untersucht, die in einen Unfall verwickelt waren. Diese Fahrer wurden ins Krankenhaus eingeliefert oder starben und ihre Fälle wurden mit 588 Kontrollpersonen verglichen. Die Fahrzeugführer der Kontrollgruppe wurden beim Fahren auf öffentlichen Straßen rekrutiert. Die Ergebnisse zeigten eine starke Assoziation der Indikatoren für akute Schläfrigkeit mit dem Risiko von Unfällen mit Verletzungsfolge. Die Indikatoren waren „schläfrig sein“, gemessen mit einer subjektiven Ratingskala, die Angabe einer vorangegangenen Schlafdauer von weniger als 5 Stunden und die Angabe des Fahrens spät in der Nacht. Die adjustierten Odds-Ratios und das 95 % Konfidenzintervall sind in Abb. 1 dargestellt. Auf die Bevölkerung hochgerechnet ergab sich eine Wahrscheinlichkeit von 19 % für das Fahren mit mindestens einem der Risikofaktoren für akute Schläfrigkeit. Dies bedeutet, dass eine beträchtliche Verringerung der Verletzungen im Straßenverkehr erreicht werden könnte, wenn sich weniger Leute ans Steuer setzten, die schläfrig sind oder unter Schlafmangel leiden, oder wenn weniger Leute spät in der Nacht fahren würden (siehe auch „Schlafentzug“; „Schlafdauer“). Die Ergebnisse der Studie von Connor et al. wurden kürzlich durch eine französische Studie bestätigt, die auf einem Fall-Kontroll-Design basiert (Philip et al. 2014). Bei Einschlafen am Steuer bestand demnach ein zehnfach erhöhtes Unfallrisiko, während chronisch bestehende Schläfrigkeit – gemessen mit der „Epworth Schläfrigkeitsskala“ (ESS) – nicht mit einem Unfallrisiko assoziiert war. Weiterhin erhöhten chronischer Schlafmangel und anhaltender nicht erholsamer Schlaf das Risiko, in einen Verkehrsunfall verwickelt zu werden.

Tageszeit und schlafbezogene Unfälle

Eine besonders in Auge fallende Ursache für schlafbezogene Unfälle ist offensichtlich das Fahren in der Nacht. Ein wiederkehrendes Muster besteht darin, dass die maximale Unfallhäufigkeit zwischen 2 und 5 Uhr in der Nacht liegt und es zusätzlich einen zweiten, aber deutlich niedrigeren Spitzenwert zwischen 3 und 4 Uhr nachmittags gibt (Abb. 2). Die Spitzenwerte für die Nacht liegen häufig um einen Faktor 10 und mehr über den Tageswerten. Es muss jedoch betont werden, dass die Definition von „schlafbezogen“ in vielen Untersuchungen äußerst unscharf war und dass sie im Allgemeinen von Polizisten gemacht wurde, die nicht darin trainiert waren und von denen auch nicht verlangt wurde, schlafbezogenen Aspekte überhaupt in Betracht zu ziehen. Die Studie aus Großbritannien (Horne und Reyner 1995) benutzte indes präzise Definitionen und schloss darüber hinaus in einer Teilstudie speziell trainierte Autobahnpolizei sowie den Gebrauch von Checklisten zur Datenerfassung ein.
Eine anderer Weg, um Informationen über schlafbezogene Unfälle zu erlangen, ist das Vermeiden subjektiver Erfassungsmethoden und stattdessen das Vorkommen von Einzelunfällen zu untersuchen. Für relativ viele Unfälle, in die nur ein Fahrzeug verwickelt ist, wird angenommen, dass sie ursächlich in Bezug zu Schläfrigkeit stehen. Wir untersuchten stundenweise die Gesamtzahl der Unfälle auf den größten Autobahnen in Schweden; mit Alkohol in Zusammenhang stehende Unfälle schlossen wir aus der Untersuchung aus (Åkerstedt et al. 2001). In dieser Studie berücksichtigten wir die Verkehrsdichte und errechneten daraus für jede Stunde Risikowerte. Wir fanden, dass das Risiko, einen Unfall, welcher Art auch immer, zu haben, für 4:00 Uhr in der Nacht und für die Stunde davor, wie auch für die Stunde danach um das Fünffache höher war und dass dies unabhängig von der Art des Unfalls war (Abb. 3). Das Risiko für einen Unfall mit nur einem Fahrzeug war gegenüber dem Durchschnitt zwölffach erhöht, und das für einen tödlichen Unfall war zehnfach erhöht.

Geschlecht und Alter

Die meisten Studien über Straßenunfälle und Schläfrigkeit untersuchen Geschlecht und Alter der Fahrer. In diesen Studien wurde durchgängig gefunden, dass Männer bei weitem häufiger in schlafbezogene Unfälle verwickelt sind als Frauen. Darüber hinaus haben sie gezeigt, dass junge Fahrzeugführer in Unfälle, die sich spät in der Nacht ereignen, viel häufiger verwickelt sind als ältere Personen (siehe auch „Lebensalter“). Horne und Reyner (1995) beobachteten, dass Fahrzeugführer mit einem Alter unter 30 Jahren für 45 % der schlafbezogenen Unfälle verantwortlich waren. Die Vergleichszahl für Fahrer über 60 Jahre war 11 %. Die Zahlen für schlafbezogene Unfälle auf Autobahnen zeigten einen noch ausgeprägteren Altersunterschied. Allerdings waren die Daten nicht vollständig altersbereinigt bezüglich des altersbezogenen Fahrverhaltens.
In unserer eigenen Studie, worin wir Fahrverhalten aus einer ganzen Reihe von Studien zu Reisegewohnheiten erfassten, zeigte sich, dass das Risiko für einen jungen Fahrzeugführer im Verlauf der Nacht erheblich zunimmt, speziell gegen 4 Uhr früh, und dass Männer dem Risiko stärker ausgesetzt sind als Frauen (Åkerstedt et al. 2001). Die Ursache für das höhere Risiko der jungen Leute mag darin liegen, häufiger unter Schlafmangel zu leiden und empfindlicher auf Schlafdefizit infolge von langem abendlichen Wachbleiben und von Wachsein zum Zeitpunkt des zirkadianen Nadirs zu reagieren („Chronobiologie“). Das alles fördert die Einschlafneigung, aber die Betroffenen scheinen die Gefahr schlecht wahrzunehmen. Weitere Faktoren für das hohe Risiko junger Individuen in den Unfallstatistiken sind übermäßige Selbstsicherheit, Risikobereitschaft, häufigeres Nachtfahren, Imponiergehabe gegenüber den Altersgenossen und höherer Alkoholkonsum.

Was begünstigt Schläfrigkeit bei Fahrzeugführern?

Schlaf-Wach-Regulation

Es ist aufgrund der obigen Ausführungen evident, dass die Tageszeit, fehlender Schlaf und lange Wachzeiten wichtige Faktoren sind, die Schläfrigkeit am Steuer begünstigen. Es sind die gleichen Faktoren, die auch das Grundniveau der Wachheit eines jeden Menschen bestimmen. Das Hauptproblem beim nächtlichen Fahren besteht darin, dass es der zirkadianen Rhythmik zuwiderläuft. Die Innere Uhr aktiviert den Körper tagsüber, vor allem durch erhöhte Stoffwechselleistung, und setzt nachts das Aktivitätsniveau herunter und optimiert die Erholungsfunktionen. Dies begründet die Schwierigkeiten, tagsüber zu schlafen und den Zustand verminderter Wachheit und Reaktionsfähigkeit während der Nacht. Siehe auch „Schlafregulation“; „Wachheit und Schlaf“; „Autonomes Nervensystem“; „Endokrinium“.
Der nächste Faktor ist der Schlaf selbst, dessen Dauer und Qualität einen direkten Effekt haben auf das Niveau der Wachsamkeit und die Fähigkeit, ein Fahrzeug sicher zu führen. Mit dem Auto früh morgens loszufahren bedeutet beispielsweise, dass eine Person beim Fahren das zirkadian-rhythmische Leistungstief mit einer erheblich verkürzten Schlafperiode kombiniert. Fragmentierter Schlaf, wie er im Zusammenhang mit „Obstruktive Schlafapnoe“ vorkommt, kann bei fortgeschrittener Erkrankung seine Erholungsfunktion völlig verlieren, was einhergeht mit einem hohen Risiko, am Steuer einzuschlafen. Es sind nicht nur zu kurze Schlafperioden, die schläfrig machen. Verlängerte Wachperioden verursachen Schläfrigkeit sogar in noch stärkerem Maße. Je länger eine Person die Wachperiode ausdehnt, desto tiefer sinkt das Niveau der Wachheit.

„Chronische“ Schlafstörungen

Die zweite Gruppe von Ursachen für Straßenverkehrsunfälle hängt mit chronischen Störungen des Schlafs und der Wachsamkeit zusammen. Es ist evident, dass vorübergehende Schlafstörungen eine zentrale Ursache für schlafbezogene Unfälle sind. Chronische Schlafstörungen stellen indes ebenfalls ein bedeutsames Risiko dar. Narkolepsie ist eine seltene, chronische schlafmedizinische Erkrankung, die mit verminderter Wachheit am Tage einhergeht, woraus eine gegenüber Gesunden vielfach erhöhte Neigung zu Verkehrsunfällen resultiert. Im Folgenden werden wir auf Insomnie und Schlafapnoe näher eingehen.
Insomnie
Der Zusammenhang zwischen „Insomnien“ und dem Risiko von Straßenverkehrsunfällen ist nicht besonders gut dokumentiert. Einige Fall-Kontroll-Studien zeigen jedoch, dass chronische schlechte Schlafqualität assoziiert ist mit einer vermehrten Verwicklung in Verkehrsunfälle (Philip et al. 2014). Eine amerikanische Umfrage des Gallup-Instituts zeigte, dass 5 % der Personen, die als an Insomnie leidend gelten, auch in einen Autounfall verwickelt waren, dessen Ursache Übermüdung beziehungsweise Schläfrigkeit war. Demgegenüber steht eine Unfallrate infolge Schläfrigkeit bei nur 2 % der Individuen ohne Insomnie.
Obstruktive Schlafapnoe
Eine Metaanalyse zeigt, dass Personen mit Obstruktiver Schlafapnoe (OSA; siehe „Obstruktive Schlafapnoe“) ein mindestens zweifach erhöhtes Unfallrisiko haben im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen (Tregear et al. 2010). Die Therapie der OSA modifiziert das Risiko; für Betroffene mit Adhärenz zu einer Therapie wie „CPAP“ ergab sich eine Reduktion des Unfallrisikos, verglichen mit einer Gruppe OSA-Patienten ohne Adhärenz (Burks et al. 2016). Siehe dazu auch „Tagesschläfrigkeit und Unfälle bei Obstruktiver Schlafapnoe“.

Fahrdauer

Einige Studien informieren über den Einfluss der Dauer einer Fahrt. Die meisten Studien zeigen, dass es ungefähr 9–10 Stunden Fahrzeit bedarf, bevor die Unfallneigung anzusteigen beginnt. Ein methodisches Problem bei derartigen Untersuchungen ist aber, dass der Einfluss der Fahrdauer praktisch immer beeinflusst ist durch andere Größen wie die Tageszeit, manchmal auch durch die Dauer des Wachseins oder durch ein vorausgegangenes Schlafdefizit. Von daher wundert es nicht, dass die Ergebnisse der Studien zu eher unsicheren Ergebnissen führen.
Entsprechend der oben genannten ausgedehnten amerikanischen Studie zur Schläfrigkeit bei Lastwagenfahrern (Mitler et al. 1997), gab es tagsüber keine Auswirkungen der Länge der Fahrzeit, auch nicht im Bereich zwischen 10 und 13 Stunden. Das Fahren in der Nacht konnte aus methodischen Gründen in der Studie nicht im Hinblick auf die Dauer der Fahrzeit analysiert werden. Eine Feldstudie zeigt schlechteres Fahrverhalten und vermehrte subjektive Schläfrigkeit, wenn die Fahrdauer in der Nacht ausgedehnt wurde (Sagaspe et al. 2008). Siehe auch „Leistungs-, Schläfrigkeits- und Vigilanzmessung“.

Maßnahmen zur Vorbeugung von schlafbezogenen Straßenverkehrsunfällen

Um Einschlafen am Steuer zu verhindern, ist es offensichtlich die beste Methode, nicht zu fahren, wenn man sich schläfrig fühlt. Andere Herangehensweisen orientieren sich an dem, was eingangs zu den Mechanismen der Entstehung von Schlaf am Steuer gesagt wurde und berücksichtigen daher besonders Maßnahmen der „Schlafhygiene“ und den angemessenen zeitlichen Wechsel von Schlafen und Wachen. In anderen Fällen kann es ausreichen, anregende Substanzen wie Kaffee zu sich zu nehmen. Neuerdings werden auch hochentwickelte Sensoren eingesetzt, um die Wachheit zu messen.

Schlafpausen und Kaffee

Studien mit dem Ziel, geeignete Gegenstrategien zu finden, zeigen, dass das einzige Mittel gegen die Übermüdung der Schlaf ist, selbst wenn er in nicht mehr als einer relativ kurzen Schlafpause (siehe „Schlafpausen“) besteht. Es zeigt sich, dass Schlafpausen, selbst wenn sie nur 15 Minuten dauern, die Wachheit verbessern. Das Einlegen einer Pause wurde als wirksames Mittel vorgeschlagen, aber es scheint, dass es nur einen sehr kurzen Effekt hat. Direkt nach einer Pause nimmt die Schläfrigkeit wieder zu und ist innerhalb von 15 Minuten auf dem alten Niveau. Pausen müssten daher unrealistisch häufig sein, wenn sie so etwas wie eine Garantie gegen das Einschlafen bieten sollten.
Allerdings sind die Auswirkungen einer Schlafpause nicht bezüglich des Auftretens von Unfällen evaluiert. Es existieren lediglich experimentelle Studien zur allgemeinen Leistungsfähigkeit und zum simulierten Führen eines Fahrzeugs (Horne und Reyner 1996). Am meisten lässt sich offenbar erreichen durch die Kombination einer kurzen Schlafpause mit anschließender Koffeinaufnahme. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass 100–200 mg „Koffein“, entsprechend 2–3 Tassen Kaffee, durchweg die Wachheit von schläfrigen Versuchspersonen verbessern.

Frische Luft, Musik und Aktivität

Frische Luft, das Autoradio oder aufgezeichnete Musik gehören zu den gemeinhin benutzten Strategien, die Schläfrigkeit von Fahrzeugführern zu bekämpfen, aber es scheint nicht, dass sie irgendwelche anhaltend positiven Effekte auf Wachheit und Fahrleistung haben. Körperliche Betätigung während einer Arbeit hält wach. Allerdings gibt es keinen Beleg dafür, dass sich körperliche Betätigung während einer Fahrtpause nachhaltig positiv auf das anschließende Fahren auswirkt.

Warnsysteme vor Erschöpfung und Schläfrigkeit

Ein Lösungsweg, der zunehmend diskutiert wird, besteht in den sogenannten Schläfrigkeitsalarmsystemen. Zahlreiche potenzielle Alarmsysteme versuchen heutzutage ihren Weg in den Markt zu finden. Manche wurden konstruiert auf der Grundlage von Messungen der Kopfbewegungen, andere benutzen Informationen aus der Variabilität der Herzfrequenz oder aus Bewegungen des Lenkrads oder aus der Schläfrigkeitsanalyse mittels Elektroenzephalogramm und Elektrookulogramm. Wieder andere nutzen die Information aus den Mustern des Lidschlusses. Entweder werden die Muster über Bildanalyseverfahren ermittelt oder von Sensoren, die auf die Augenlider geklebt werden, aufgezeichnet.
Wenn auch bisher noch keine Methode dahingehend validiert ist, dass sie klare Rückschlüsse erlaubt, gibt es potenziell nutzbare technologische Ansätze, die das Risiko von Unfällen durch Schläfrigkeit reduzieren könnten. Doch selbst mit präziseren Messmethoden dürfte das Problem bestehen bleiben, dass die Warnung erst erfolgen kann, wenn der Schlaf bereits eingetreten ist, und dann ist es in der Regel zu spät. Ein anderes häufig erwähntes Problem besteht darin, dass der Gebrauch von derartigen Alarmgeräten gegen Schläfrigkeit zu deren Missbrauch führen kann, indem gefahren wird, bis eine Warnung erfolgt. Das kann zu spät sein, wenn das Unfallgeschehen schon vor Einsetzen der Warnung seinen Lauf genommen hat oder wenn der Schlaf schon eine Tiefe erreicht hat, die ein adäquates Reagieren auf die Warnung verunmöglicht.

Information und Schulung

Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, scheinen fehlender Schlaf, lange Wachperioden, Nachtfahrten und chronische Schlafstörungen zu den häufigsten Ursachen von schlafbezogenen Straßenverkehrsunfällen zu gehören. Eine der wichtigsten Maßnahmen ist die Aufklärung der Bevölkerung und die Verbreitung der Erkenntnisse durch Informationskampagnen, zum Beispiel in Form von Broschüren und von einfach gehaltenen Checklisten für Fahrer. In vielen Ländern sind Trainingsprogramme entwickelt worden, mit deren Hilfe im Speditionsgewerbe systematisch die Fahrer darin trainiert werden, mit dem Problem Schläfrigkeit besser umzugehen, während die Effektivität derartiger Maßnahmen erst durch wenige Studien evaluiert wurde.
Literatur
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