Anamnese
Für die Einordnung der verschiedenen Enuresistypen sind anamnestische Angaben wegweisend. Sie betreffen: Häufigkeit, Menge des Harnverlusts, Dauer und Veränderung der Symptomatik, Miktionsfrequenz (<5 oder >7 Miktionen pro Tag), Auftreten während des Schlafs und schwere Erweckbarkeit, Haltemanöver wie Aneinanderpressen der Oberschenkel, von einem Bein auf das andere hüpfen oder Hockstellung, Drangsymptome wie plötzlicher Harndrang, der nicht aufgeschoben werden kann, Pressen zu Beginn der Miktion, Dysurie, Hinweise auf Harnwegsinfektion oder urologische Erkrankungen, „Epilepsie“ oder andere neurologische Erkrankungen,
Diabetes mellitus oder andere internistische Erkrankungen oder
schlafmedizinische Erkrankungen wie „Obstruktive Schlafapnoe“.
Bei Kindern sind weiterhin Angaben zur Entwicklung zu erheben, wie Beginn des Sauberkeitstrainings, erstmalige Trockenheit nachts/tags, Sauberkeit nachts/tags und bisherige Untersuchungen. Von Interesse ist die Effektivität von bereits unternommenen Therapieversuchen sowie Angaben zu Leidensdruck und Attribution von Kind/Eltern. Weiterhin sind Hinweise auf psychische Auffälligkeiten zu erfragen, wie beispielsweise
Störungen des Sozialverhaltens oder eine hyperkinetische Störung.
Für die Einordnung der verschiedenen Inkontinenztypen sind anamnestische Angaben hinsichtlich Schwangerschaften, Geburten,
Harnwegsinfektionen, Prostatahypertrophie, Deszensus, Genitalprolaps,
Adipositas,
Obstipation,
Rückenschmerzen, chronische Atemwegsinfektionen oder
Herzinsuffizienz wegweisend. Besonders für die Stressinkontinenz, also einem Harnabgang unter körperlicher Anstrengung wie Heben, Bücken oder Laufen, ist die Anamnese ausschlaggebend. Fragebögen wie der International Consultation on Incontinence ICIQ-SF-Fragebogen können zum Screening auf das Vorliegen einer Inkontinenz hilfreich sein. Sie enthalten folgende Fragen: Wie häufig verlieren Sie Urin? Wie viel
Urin verlieren Sie? Wie sehr beeinträchtigt generell der Urinverlust Ihren Alltag? Verlieren Sie Urin beim
Husten oder Niesen, während des Schlafs, bei körperlicher Belastung oder sportlicher Aktivität, nach dem regulären Wasserlassen, unwillkürlich ohne erkennbare Ursache?
Die
Medikamentenanamnese sollte Fragen nach
Betablockern oder cholinerg wirksamen Medikamenten enthalten, sie können die Entwicklung einer Dranginkontinenz begünstigen. Weiterhin sollte nach Alphablockern, nach Baclofen oder Dantrolen oder nach zentralen Muskelrelaxantien wie Diazepam gefragt werden, da sie die Entwicklung einer Stressinkontinenz begünstigen können. Auch anticholinerg wirksame Medikamente wie manche Anti-Parkinson-Medikamente,
Antidepressiva oder Phenothiazin-Neuroleptika können zur Entwicklung einer Harnretention mit Überlaufblase beitragen.
Weiterführende Untersuchungen
Für die Abklärung einer
Enuresis sind hilfreich: ein 24-Stunden Miktionsprotokoll, Inspektion des Genitals auf das Vorliegen einer Fehlbildung wie
Epispadie, eines Maldeszensus testis, von Vulvitis oder Hautmazerationen, Untersuchung der Anal- und Skrotalreflexe im Hinblick auf neurogene Störungen, Inspektion der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten zum Nachweis von
Spina bifida occulta, Reflexdifferenzen, Umfangs- oder Längendifferenzen und insbesondere ein
Urinstatus (Streifentest) zum Nachweis einer Harnwegsinfektion oder eines
Diabetes mellitus. Eine
Sonographie von Nieren und Harntrakt ist empfohlen zum Nachweis von strukturellen Fehlbildungen, Restharn oder Blasenwandverdickung. Eine Uroflowmetrie mit Beckenboden-EMG soll bei Hinweisen auf Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination durchgeführt werden. Bei Hinweisen auf vesikourethralen Reflux oder subvesikale Abflussbehinderung ist eine Miktionscystourographie (MCU) notwendig.
Für die Abklärung einer Inkontinenz soll ein Miktionsprotokoll über 2 Tage mit Dokumentation von Trinkmenge, Miktionsvolumen sowie Inkontinenzepisoden vom Patienten geführt werden. Eine gynäkologische Untersuchung einschließlich der Bestimmung der Beckenbodenkontraktionskraft nach Oxford-Schema beziehungsweise eine rektale und sonographische Untersuchung der Prostata sollen durchgeführt werden. Die Bestimmung von Serumnatrium bei älteren, pflegebedürftigen Patienten mit Inkontinenz erscheint sinnvoll, da eine
Hyponatriämie infolge einer Verminderung der renalen Urinkonzentration nicht selten vorkommt. Auslösend dafür können sein: zirkadian-rhythmische Verschiebungen in der Sekretion von antidiuretischem Hormon (ADH), die verminderte Sekretion von Renin-Angiotensin-Aldosteron und die gesteigerte Sekretion des atrialen natriuretischen Peptids (ANP). Siehe dazu auch „Mineralstoffwechsel und Volumenregulation“. Zum Nachweis einer Harnwegsinfektion ist eine Urinuntersuchung mittels
Teststreifen sinnvoll, insbesondere bei Vorliegen von irritativen Symptomen wie Brennen beim Wasserlassen. Der Nachweis von
Glukose im Urin mittels Teststreifen kann einerseits auf einen
Diabetes mellitus mit dem Leitsymptom
Polyurie und andererseits auf eine
diabetische Neuropathie mit dem Leitsymptom Blasenentleerungsstörung hinweisen. Bei Mikrohämaturie sind weitere diagnostische Maßnahmen einschließlich
Sonographie der Niere und Ausschluss einer urologischen Blutungsquelle oder Neoplasie notwendig.