Die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 15.06.2004 sowie vom 21.09.2004
Auf Antrag der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin wurde beraten, ob entgegen der bis dahin gültigen Richtlinie auch die sogenannte Stufe 4 der Diagnostik zu
Schlafbezogenen Atmungsstörungen, die
Polysomnographie (PSG) und die Einstellung auf eine CPAP-Therapie, in der vertragsärztlichen Versorgung erfolgen könne. Auf dem Boden der damals gültigen Richtlinie zur Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsverfahren, die sog.
BUB-Richtlinie, wurden systematische Übersichtsarbeiten,
HTA-Berichte (AHCPR von 1998 sowie DIMDI von 2003), Leitlinien und klinische Studien identifiziert, in denen die diagnostische Aussagekraft der „Polygraphie“ und der „Polysomnographie“ verglichen wird. Zudem wurden Expertenanhörungen und weitere Literaturrecherchen auf Empfehlung von Sachverständigen durchgeführt. Danach empfahl die Arbeitsebene des Bundesausschusses, der Unterausschuss Ärztliche Behandlung (
Abschlussbericht siehe
https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/146/), dem Entscheidergremium des Gemeinsamen Bundesausschusses, die bisherige Systematik der vierstufigen Diagnostik im Wesentlichen wie folgt zu modifizieren:
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Stufe 1: weiterhin Anamnese und Einsatz standardisierter Fragebögen zur
Tagesschläfrigkeit
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Stufe 2: weiterhin klinische Untersuchung u. a. im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie neurologische und psychiatrische Krankheiten
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Stufe 3: Aufwertung der Bedeutung einer erweiterten Kardiorespiratorischen Polygraphie
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Stufe 4: Einsatz der (auch ambulant leistbaren) Methode „Kardiorespiratorische Polysomnographie“, falls bis Stufe 3 die Indikation zur CPAP-Behandlung oder anderer therapeutischer Verfahren bei Verdacht auf eine Schlafbezogene Atmungsstörung nicht geklärt werden konnte; auch die Ersteinstellung sowie Erstüberprüfung einer CPAP-Behandlung erfolgt weiter durch Polysomnographie
Der Beschluss (
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=45888) des Gemeinsamen Bundesausschusses, der als Rechtsnachfolger die oben genannten Beratungsergebnisse zur Grundlage nahm, beinhaltet weiter Auflagen zur Dokumentation sowie Empfehlungen zur
Qualitätssicherung: Qualitätssicherungsvereinbarung gemäß § 35 Abs. 2 SGB V (
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=45992). Hierdurch wird zum einen geregelt, welche Parameter über eine mindestens sechsstündige Schlafphase mittels Kardiorespiratorischer Polygraphie bzw.
Polysomnographie abgeleitet werden müssen. Bezüglich der weiterführenden Anforderungen wird auf die Vereinbarung einer
Qualitätssicherungsvereinbarung gemäß § 135 Abs. 2 SGB V zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Spitzenverbänden der Krankenkassen verwiesen. Diese beinhaltet mit Stand vom 01.04.2005 Detailregelungen zur fachlichen Befähigung, zu den apparativen Voraussetzungen, im Falle der Polysomnographie zusätzlich auch zu den räumlichen und organisatorischen Voraussetzungen:
http://www.kbv.de/media/sp/Schlafapnoe.pdf, DARIS-Archivnummer 1003745210. Weiter werden Genehmigungsverfahren und Befähigungsnachweise geregelt. Beispiele: Für die Polygraphie gilt die fachliche Voraussetzung mit dem Nachweis der Zusatzbezeichnung Schlafmedizin als gegeben. Gleichberechtigt wird eine Reihe von Gebietsbezeichnungen anerkannt wie HNO-Heilkunde, Kinder- und
Jugendmedizin, Neurologie, Psychiatrie, Innere Medizin und Allgemeinmedizin; dies wird gebunden an die erfolgreiche Absolvierung eines Kurses zu relevanten schlafmedizinischen Fragen. Die Erfüllung der technischen Voraussetzungen ist gegenüber der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung nachzuweisen. Im Falle der Polysomnographie wird die Zusatzbezeichnung Schlafmedizin als Befähigungsnachweis verlangt, konkretisiert um den Nachweis von Stationen des Erwerbs der zielführenden Kompetenzen und von Mindestmengen für die selbständige Indikationsstellung und Diagnostik von Polysomnographie. Zusätzlich wird von einem anleitenden Arzt vor allem verlangt, dass er mindestens seit drei Jahren ein Schlaflabor leitet. Weiter werden konkrete räumliche Voraussetzungen für das Polysomnographie-befugte Schlaflabor formuliert. Darüber hinaus wird die Anwesenheit einer medizinischen Fachkraft während der PSG-Ableitung gefordert, ebenso die Erreichbarkeit eines Arztes während der Einstellung auf eine Überdrucktherapie. Alle Voraussetzungen sind wiederum gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung nachzuweisen. Diese sind zudem befugt, die Angaben vor Ort zu überprüfen. Die Vereinbarung enthält weitere Sonder- und Übergangsregelungen (siehe dazu auch „Diagnostik der Schlafbezogenen Atmungsstörungen“; „Ambulantes Monitoring“; „Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung“).
Gesundheitspolitisch folgt dieser Beschluss der Logik „ambulant vor stationär“, getragen von der Bewertung der zielführenden Literatur. Aussagen zu den wirtschaftlichen Folgen des Beschlusses und zur Entwicklung der Qualität in der Versorgung von Patienten mit
Schlafbezogenen Atmungsstörungen sind gegenwärtig nicht zu treffen. Die Regelungen der zitierten Qualitätssicherungsvereinbarung orientieren sich an den fachlich einschlägigen Elementen der Strukturqualität. Eine systematische Auswertung der Diagnose- und Behandlungsdaten ist nicht vorgesehen. Der Beschluss verdeutlicht pars pro toto aber auch die Problematik der sogenannten Sektorenabschottung in der medizinischen Versorgung im Kontext der für das deutsche GKV-System typischen Facharzt-Doppelstruktur. Der Einfluss der Kassenärztlichen Vereinigungen auf das Leistungsgeschehen im Bereich der Schlafmedizin ist gestärkt worden. Die wenigen verfügbaren Daten zur Entwicklung des Leistungsgeschehens seit Erlass der Richtlinie zeigen – wie so oft – erhebliche regionale Unterschiede in der Durchführung richtlinienkonformer Diagnostik, vor allem ein starkes Abweichen von der Vorgabe der Vorschaltung der Polygraphie (Schneider et al.
2015; von Stillfried und Czihal
2011). Belastbare Daten zur Schlüsselfrage einer erwartbaren Optimierung oder zur befürchteten Verschlechterung der Versorgungsqualität seit Beschluss der Richtlinie liegen momentan nicht vor. Denkbar wäre die Nutzung des neuen Innovationsfonds für derartige Versorgungsforschung.