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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 05.07.2022

Nachtschweiß

Verfasst von: Thorsten Schäfer
Schwitzen im Schlaf, das nicht durch zu hohe Umgebungstemperatur zu erklären ist, ist ein Leitsymptom bei Tuberkulose und Lymphomen sowie anderen Malignomen. Es tritt darüber hinaus bei einer Vielzahl weiterer Erkrankungen wie HIV, gastroösophagealem Reflux, Schlafbezogenen Atmungsstörungen, Hyperthyreose und Hypoglykämie, als Nebenwirkung bestimmter Medikamente, beispielsweise fiebersenkender und blutdrucksenkender Arzneimittel, und bei Einnahme von Drogen wie Alkohol oder Heroin auf. Von Bedeutung für die Differentialdiagnose ist, ob das Schwitzen ausschließlich im Schlaf auftritt oder sowohl tagsüber als auch nachts zu beobachten ist.

Synonyme

Hyperhidrosis nocturna; Schwitzen im Schlaf

Englischer Begriff

night sweats; nocturnal hyperhidrosis; excessive sweating during sleep

Definition

Schwitzen im Schlaf, das nicht durch zu hohe Umgebungstemperatur zu erklären ist, ist ein Leitsymptom bei Tuberkulose und Lymphomen sowie anderen Malignomen. Es tritt darüber hinaus bei einer Vielzahl weiterer Erkrankungen wie HIV, gastroösophagealem Reflux, Schlafbezogenen Atmungsstörungen, Hyperthyreose und Hypoglykämie, als Nebenwirkung bestimmter Medikamente, beispielsweise fiebersenkender und blutdrucksenkender Arzneimittel, und bei Einnahme von Drogen wie Alkohol oder Heroin auf. Von Bedeutung für die Differentialdiagnose ist, ob das Schwitzen ausschließlich im Schlaf auftritt oder sowohl tagsüber als auch nachts zu beobachten ist.

Grundlagen

Häufigkeit

Schwitzen im Schlaf ist ein sehr häufiges Symptom. Zahlen über das Vorkommen in der Bevölkerung liegen zwar nicht vor, Daten von Patientenbefragungen lassen aber auf eine Häufigkeit von bis zu 40 % schließen: Bei einer Umfrage aus dem Jahr 1980 (Lea und Aber 1985) an 174 zufällig ausgewählten Patienten eines Krankenhauses gaben 41 % der Befragten an, in den letzten 3 Monaten vor stationärer Aufnahme unter Nachtschweiß gelitten zu haben. Dabei variierte die Dauer von einem Tag bis zu 27 Jahren, der Schweregrad von mild bei 50 % über moderat bei 24 % bis schwerwiegend bei 26 %. Patientinnen der geburtshilflichen Abteilung berichteten mit einem Anteil von 60 % signifikant häufiger über Nachtschweiß als Patienten übriger Abteilungen mit 33 %. Ähnliche Zahlen wurden bei der Befragung von 200 konsekutiven Patienten einer gastroenterologischen Praxis berichtet (Reynolds 1989). 40 % gaben an, zumindest einmal während der letzten 12 Monate exzessives Schwitzen im Schlaf gehabt zu haben, bei 12  % der Patienten trat es wöchentlich auf.
Unterscheiden lässt sich zwischen Patienten, deren exzessives Schwitzen auf die Nacht oder den Schlaf beschränkt ist, und solchen, die auch tagsüber unter vermehrtem Schwitzen leiden. Abb. 1 gibt Ergebnisse einer Umfrage ambulanter Patienten wieder (Mold et al. 2002). Lediglich 12 % der Patienten berichteten in der Anamnese spontan über exzessives Schwitzen im Schlaf (siehe auch „Thermoregulation“). Bei Frauen nach der Menopause hängt nächtliches Schwitzen offensichtlich mit genetischen Variationen im Tachykininrezeptor-3-Lokus (TACR3) zusammen (Crandall et al. 2017).

Ursachen

Nachtschweiß ist ein Leitsymptom bei Tuberkulose und Lymphomen. Verglichen mit der hohen Prävalenz des Symptoms, liegen ihm in den meisten Fällen jedoch andere Ursachen zugrunde (Tab. 1). Genauere Zusammenhänge deckt eine Faktorenanalyse auf (Mold et al. 2002): Isolierter Nachtschweiß ist assoziiert mit Panikattacken (in der Gesamtgruppe), mit Schlafproblemen bei Männern und Älteren sowie mit Hitzewellen bei Frauen. Tag- und Nachtschweiß korreliert in der Gesamtgruppe mit Alter, Körpergewicht, Hitzewellen, chronischen Infektionen, Schlafproblemen, der Einnahme von selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern, Antidepressiva und Xanthinen, bei Männern mit Körpergewicht, Hitzewellen und Alkoholkonsum, bei Frauen mit Körpergewicht, Schlafproblemen, Hitzewellen, Serotoninwiederaufnahmehemmern, nichttrizyklischen Antidepressiva und Antihistaminika. Gefragt nach möglichen Ursachen geben weniger als ein Fünftel der Patienten mögliche Gründe an. Menopause, Stress und Nebenwirkung von Pharmaka waren die häufigsten Nennungen.
Tab. 1
Mögliche Ursachen des Nachtschweißes (Mold et al. 2002; Viera et al. 2003)
Malignome
Lymphome, Leukämie, andere Neoplasmen
Infektionen
HIV, Tuberkulose, atypische Mykobakteriose, infektiöse Mononukleose, Pilzinfektion, Histoplasmose, Kokzidioidomykose, Lungenabszess, Endokarditis, andere Infektionen
Rheumatische Erkrankungen
Endokrine Erkrankungen
Ovarialinsuffizienz, Hitzewellen, Hyperthyreose, Diabetes mellitus, endokrine Tumoren, Zustand nach Orchiektomie, Diabetes insipidus
Internistische Erkrankungen
Obstruktive Schlafapnoe, gastroösophagealer Reflux, Granulomatose, eosinophile Pneumonie, Lymphknotenhyperplasie, Prinzmetal-Angina
Psychiatrische Erkrankungen
Sogenanntes Chronic Fatigue Syndrom (CFS), Angstzustände, Panikattacken
Medikamente
Antipyretika, Salizylate, Acetaminophen, Antihypertensiva, Antihistaminika, Serotoninwiederaufnahmehemmer, trizyklische Antidepressiva, Xanthine
Drogen
Alkohol, Heroin
Besondere Konditionen
Vegetative Hyperaktivität, Schwangerschaft, Adipositas

Diagnostik

Bleiben Anamnese und körperliche Untersuchung hinsichtlich der Ursachensuche ergebnislos, werden zur weiteren Diagnostik Blutbild, Eiweißelektrophorese, Röntgen-Thorax und TSH-Test vorgeschlagen (Viera et al. 2003). Hiermit lassen sich bereits eine Vielzahl möglicher Differentialdiagnosen klären. Im nächsten Schritt folgen HIV-Test und Blutsenkungsgeschwindigkeit, die Hinweise auf eine beginnende Endokarditis oder Takayasu-Arteriitis geben kann. Letztere stellt eine chronische Entzündung der Aorta und großen Arterien dar und geht einher mit Abgeschlagenheit, Fieber, Nachtschweiß, Gelenkschmerzen und Gewichtsverlust. Bei negativem Befund ist an gastroösophagealen Reflux zu denken. Ein Protokoll oder die Messung nächtlicher Temperaturschwankungen hilft bei der Erkennung von nächtlichen Fieberschüben, die auf ein Lymphom oder eine Endokarditis hinweisen. Blutkulturen einschließlich heikler Erreger der HACEK-Gruppe bestehend aus Haemophilus, Actinobacillus, Cardiobacterium, Eikenella und Kingella sowie CT-Aufnahmen von Thorax und Abdomen und gegebenenfalls Knochenmarkpunktionen zur Abklärung neoplastischer oder granulomatöser Erkrankungen runden das diagnostische Vorgehen ab.
Bleiben alle Tests ohne pathologischen Befund, kann von einer benignen Form des nächtlichen Schwitzens etwa durch zu warme Umgebung ausgegangen werden (Viera et al. 2003). Regelmäßige Selbstbeobachtung der Lymphknoten wird angeraten.

Therapie

Im Vordergrund steht die Therapie der Grundkrankheit (siehe Tab. 1). Ferner muss die Medikation hinsichtlich ihrer Nebenwirkungen geprüft und eventuell die Schlafumgebung angepasst werden.
Literatur
Crandall CJ, Manson JE, Hohensee C et al (2017) Association of genetic variation in the tachykinin receptor 3 locus with hot flashes and night sweats in the Women’s Health Initiative Study. Menopause 24:252–261CrossRef
Lea MJ, Aber RC (1985) Descriptive epidemiology of night sweats upon admission to a university hospital. South Med J 78(9):1065–1067CrossRef
Mold JW, Mathew MK, Belgore S, DeHaven M (2002) Prevalence of night sweats in primary care patients: an OKPRN and TAFP-Net collaborative study. J Fam Pract 51(5):452–456PubMed
Reynolds WA (1989) Are night sweats a sign of esophageal reflux? [Letter]. J Clin Gastroenterol 11:590–591CrossRef
Viera AJ, Bond MM, Yates SW (2003) Diagnosing night sweats. Am Fam Physician 67(5):1019–1024PubMed