Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Verfasst von:
Tina Steitz und Hans-Günter Weeß
Publiziert am: 21.01.2022

Strukturiertes Interview für Schlafstörungen nach DSM-III-R

Das Strukturierte Interview für Schlafstörungen nach DSM-III-R (SIS-D) ermöglicht eine standardisierte Erfassung und Diagnosestellung bei Schlafstörungen.

Synonyme

SIS-D

Englischer Begriff

structured interview for sleep disorders according to DSM-III-R

Definition

Das Strukturierte Interview für Schlafstörungen nach DSM-III-R (SIS-D) ermöglicht eine standardisierte Erfassung und Diagnosestellung bei Schlafstörungen.

Messverfahren

Das Strukturierte Interview für Schlafstörungen nach dem DSM-III-R von Schramm, Hohagen und Berger (1991) in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Klinischer Schlafzentren (AKS) stellt ein standardisiertes Verfahren zur Erfassung von Schlafstörungen dar. Das SIS-D basiert auf dem von der American Psychiatric Association (1987) entwickelten Diagnostischen und Statistischen Manual psychischer Störungen in seiner revidierten Form (DSM-III-R). Die deutsche Ausgabe wurde von Wittchen, Sass, Zaudig und Köhler (1989) bearbeitet. Das SIS-D wurde ergänzend zu dem Strukturierten Klinischen Interview für DSM-III-R (SKID) entwickelt. Beide Verfahren können gemeinsam angewendet werden. Liegt der Fokus ausschließlich auf den Schlafstörungen, kann das SIS-D auch einzeln angewendet werden. Das SIS-D unterscheidet zwischen organisch und psychisch bedingten Schlafstörungen mit einer Mindestdauer von 4 Wochen (Schramm et al. 1991). Erfasst werden „Insomnien“ und Hypersomnien (siehe „Hypersomnie“) unterschiedlicher Ätiologie (hier noch als „Dyssomnien“ bezeichnet), sowie Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus und „Parasomnien“. Weiterhin werden organisch bedingte Schlafstörungen wie „Schlafbezogene Atmungsstörungen“, das Schlafbezogene nichtobstruktive alveoläre Hypoventilationssyndrom, Atmungsstörungen während des Schlafs bei neuromuskulären Erkrankungen („Schlafbezogene Hypoventilationssyndrome“), Periodische Extremitätenbewegungen im Schlaf (PLMS; siehe „Periodische Beinbewegungen“), „Narkolepsie“, Schlafstörungen bei Schmerzsyndromen („Schmerz“) und das seltene Kleine-Levin-Syndrom (Rezidivierende Hypersomnie) erfasst. Zur Unterscheidung zwischen primären und sekundären Schlafstörungen werden neben den typischen Symptomen von Schlafstörungen auch körperliche Erkrankungen, Medikamenten- und Drogenkonsum in Form eines offenen Interviews erfasst. Auf dem SIS-D basierende Diagnosen können hinsichtlich der Schwere und des Verlaufs der Schlafstörung beurteilt werden. Der Verlauf der Schlafstörung wird über den Grad der Remission und über ein eventuell episodisches Auftreten der Schlafstörung beschrieben.
Im strukturierten Hauptteil des SIS-D ermöglicht eine Sprungregel ein ökonomisches Vorgehen während des Interviews. Nachgeordnete Symptome und Beschwerden einzelner Störungsbilder werden bei Ausschluss der Hauptsymptome ausgelassen. Dieses Vorgehen gewährleistet, dass von den insgesamt 64 Fragen nur die jeweils relevanten Items zur Anwendung kommen. Alle Items sind nach demselben standardisierten Muster aufgebaut und erlauben auch schlafmedizinisch ungeübten Anwendern eine reliable und valide Diagnosestellung nach DSM-III-R. Es stehen vorformulierte Fragestellungen zu den jeweiligen Items zur Verfügung. Das Antwortverhalten der Patienten kann anhand der Darstellung der zur Frage korrespondierenden DSM-III-R-Kriterien überprüft und durch die explizite Darstellung von Schweregradkriterien für die jeweilige Symptomausprägung kategorisiert werden. Nach Durchführung des Interviews werden die Ergebnisse in einer Diagnoseübersicht dargestellt, wobei auch Mehrfachdiagnosen möglich sind und der Sicherheitsgrad der Diagnosestellung ermittelt wird.

Auswerteverfahren, Bewertung

Für die Durchführung und Auswertung des Interviews sind Kenntnisse über das DSM-III-R-Manual und das SIS-D-Manual sowie klinische Erfahrungen in der Beurteilung psychopathologischer Symptome Voraussetzung. Die Verfahrenskonstruktion orientiert sich an den Kriterien der klassischen Testtheorie, weitere Angaben liegen nicht vor. Schramm et al. (1991) weisen darauf hin, dass dem Strukturierten Interview für Schlafstörungen nach DSM-III-R ähnliche Konstruktionsprinzipien zugrunde liegen wie dem Strukturierten Klinischen Interview DSM-III-R, SKID (Wittchen et al. 1989).
Die Objektivität der Durchführung des Interviews ist bedingt gegeben. Die Beurteilerübereinstimmung wurde in Verbindung mit der Retest-Reliabilität überprüft (Schramm et al. 1991). Die Ergebnisse der Reliabilitäts- und Validitätsstudie sind als gut zu bezeichnen. Die Korrelation mit polysomnographischen Befunden, die keine falsch-negative Diagnose des SIS-D aufzeigte, weist das Interview als zuverlässiges Screeninginstrument für Schlafstörungen aus. Die Test-Retest-Reliabilität erwies sich laut Schramm et al. als befriedigend (Werte bis r = 0,91).

Indikationen

Das SIS-D ist für die Diagnosestellung chronisch verlaufender Schlafstörungen ebenso wie für wissenschaftliche Fragestellungen geeignet. Das Verfahren wurde für Erwachsene entwickelt und eignet sich nicht für Gruppenuntersuchungen. Die Durchführungszeit beträgt 30 Minuten, wobei 10 Minuten für das Einleitungsgespräch verwendet werden sollten.

Grenzen der Methode

Eine Normierung liegt nicht vor. Auch wurde bisher keine an das DSM-IV angepasste Version des Interviews entwickelt. Das DSM-III-R stellt im Vergleich zur Internationalen Klassifikation der Schlafstörungen (ICSD-2 2005) ein einfaches und weniger dezidiertes Diagnosemanual für Schlafstörungen dar. Aktuelle diagnostische Erkenntnisse der Schlafmedizin bleiben beim SIS-D aufgrund der fehlenden Aktualisierung bei relativ weit zurückliegendem Erscheinungsdatum unberücksichtigt.
Literatur
American Psychiatric Association (1987) Diagnostic and statistical manual of mental disorders, 3rd rev. Aufl. APA, Washington, DC
Schramm E, Hohagen F, Grasshoff U, Berger M, in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Klinischer Schlafzentren (AKS) (1991) Strukturiertes Interview für Schlafstörungen nach DSM-III-R. Weinheim, Beltz
Schramm E, Hohagen F, Grasshof U et al (1993) Test-retest reliability and validity of the structured interview for sleep disorders according to DSM-III-R. Am J Psychiatry 150(6):867–872CrossRef
Wittchen HU, Sass H, Zaudig M, Koehler K (1989) Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen. DSM-III-R. Übersetzt nach der Revision der dritten Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders der American Psychiatric Association. Beltz, Weinheim