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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 07.02.2020

Substanzen, die mit der Schlaf-Wach-Regulation interferieren

Verfasst von: Kai Spiegelhalder und Dieter Riemann
Legale Genussmittel wie Nikotin, Koffein oder Alkohol können einen erheblichen Einfluss auf den Schlaf haben und insomnische oder hypersomnische Beschwerden verursachen. Dasselbe gilt für illegale Drogen wie zum Beispiel Kokain oder LSD. Dementsprechend hat die Substanzanamnese bei allen schlafmedizinischen Fragestellungen eine hohe Bedeutung. Darüber hinaus haben viele ärztlich verordnete Medikamente ebenfalls ausgeprägte Wirkungen auf den Schlaf.

Synonyme

Drogen und Medikamente, die eine Wirkung auf Wachheit und Schlaf haben

Englischer Begriff

substances interfering with sleep wake regulation

Definition

Legale Genussmittel wie „Nikotin“, „Koffein“ oder Alkohol ( „Alkohol-induzierte Schlafstörung“) können einen erheblichen Einfluss auf den Schlaf haben und insomnische oder hypersomnische Beschwerden verursachen. Dasselbe gilt für illegale Drogen wie zum Beispiel Kokain oder LSD. Dementsprechend hat die Substanzanamnese bei allen schlafmedizinischen Fragestellungen eine hohe Bedeutung. Darüber hinaus haben viele ärztlich verordnete Medikamente ebenfalls ausgeprägte Wirkungen auf den Schlaf, siehe „Schlafstörende Nebenwirkungen von gebräuchlichen Medikamenten zur Therapie der Erkrankungen innerer Organe“; „Schläfrigmachende Nebenwirkungen von gebräuchlichen Medikamenten zur Therapie der Erkrankungen innerer Organe“.

Grundlagen

Substanzen können die Schlaf-Wach-Regulation auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Einerseits kann es einen akuten Effekt geben, wie zum Beispiel bei „Stimulanzien“, die zu einer Steigerung der Wachheit und in der Folge zu einer Beeinträchtigung des Nachtschlafs führen. Dasselbe gilt für sedierende oder hypnotische Substanzen, wie Alkohol oder „Hypnotika“, die initial das Einschlafen positiv beeinflussen.
Von akuten Effekten lassen sich die Effekte bei längerer Einnahme unterscheiden, da viele Substanzen zu Toleranz und Gewöhnung führen.
Zudem tritt beim Absetzen vieler Substanzen Rebound ein, d. h. ein verstärktes Auftreten der ursprünglichen Symptomatik, gegen die die Substanz ursprünglich eingenommen wurde. So können nach dem Absetzen von Hypnotika verstärkte insomnische Symptome auftreten oder nach dem Absetzen von Stimulanzien hypersomnische Symptome.
Darüber hinaus ist bekannt, dass manche Hypnotika mit langer Halbwertszeit die Vigilanz am nächsten Tag negativ beeinflussen können. Sie führen zu erhöhter Müdigkeit und Schläfrigkeit, was wiederum eine Destabilisierung des Schlaf-Wach-Rhythmus bedingen kann.
Tab. 1 zeigt einen Überblick über Substanzen und Substanzgruppen, für die bekannt ist, dass sie mit der Schlaf-Wach-Regulation interferieren.
Tab. 1
Zentralnervös wirksame Substanzen, die Insomnie verursachen
Substanzgruppe
Beispiel
β-Blocker
Asthmamedikamente
Theophyllin; Sympathikomimetika
Hormonpräparate
Thyroxin; Steroide
Gyrasehemmer
Piracetam
 
Benzodiazepine; Barbiturate (durch Rebound-Insomnie bzw. Hangover)
Antriebssteigernde Antidepressiva
MAO-Hemmer
Serotoninwiederaufnahmehemmer
 
Rauschmittel
Alkohol; Opiate
Stimulierende Substanzen
Koffein und synthetische Substanzen, z. B. Amphetamine, Ecstasy
Im Einzelfall ist ein Zusammenhang zwischen einer Medikamenteneinnahme und Schlafbeschwerden insbesondere dann naheliegend, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht. In vielen Fällen kann dann auf andere Substanzen ausgewichen werden.
Paradoxerweise können Hypnotika insomnische Symptome aufrechterhalten. Dies gilt besonders für die Benzodiazepinrezeptoragonisten. Insbesondere die „Benzodiazepine“ mit langer Halbwertszeit sind dafür bekannt, dass sie Überhangeffekte am nächsten Morgen haben, was beispielsweise zu einer reduzierten Reaktionsfähigkeit im Straßenverkehr führen kann. Bei älteren Patienten, die nicht mehr im Berufsleben stehen, hat dies oft den Effekt, dass die Patienten über den eigentlichen Aufstehzeitpunkt hinaus schlafen und vermehrt Zeit im Bett verbringen, was den natürlichen Schlafdruck am nächsten Abend reduziert und zu einer Aufrechterhaltung insomnischer Beschwerden führt. Ein weiterer Effekt, der sich negativ auf Schlafstörungen auswirkt, ist das Phänomen von Rebound- und Absetzinsomnien, das nach dem Absetzen von Hypnotika auftreten kann. Selbst die kurzfristige Einnahme dieser Substanzen kann dazu führen, dass beim abrupten Absetzen verstärkt insomnische Beschwerden auftreten. Dies hat zur Folge, dass die Patienten das Medikament wieder einnehmen und eine Abhängigkeit entwickeln können. Um dieses Risiko zu vermeiden, wird empfohlen, Benzodiazepinrezeptoragonisten langsam abzusetzen.
Darüber hinaus ist in Bezug auf psychiatrische Medikation bekannt, dass antriebssteigernde „Antidepressiva“ wie die Monoaminoxidasehemmer oder Serotoninwiederaufnahmehemmer den Schlaf negativ beeinflussen können. Diese führen typischerweise zu insomnischen Symptomen. Teilweise werden diese Substanzen mit sedierenden Antidepressiva kombiniert, um insomnische Beschwerden zu reduzieren. Darüber hinaus können einige Antidepressiva Symptome eines „Restless-Legs-Syndrom“ mit einer erhöhten Anzahl nächtlicher periodischer Beinbewegungen (PLMS) hervorrufen.
Zudem können legale und illegale Genussmittel den Schlaf stören, zum Beispiel Alkohol ( „Alkohol-induzierte Schlafstörung“) und „Koffein“. Koffein ist ein Stimulans und führt zu Wachheit, Anspannung und Erregung. Dementsprechend wird bei Insomnie empfohlen, nach dem Mittagessen kein Koffein mehr einzunehmen.
Eine Substanz, die eine jahrtausendealte Tradition im Hinblick auf die Induktion von Schlaf hat, ist der Alkohol. Die empirische Forschung hat jedoch gezeigt, dass Alkohol kein empfehlenswertes Schlafmittel ist. Dem positiven Effekt auf die Einschlaflatenz stehen negative Effekte auf das Durchschlafen und die Häufigkeit von nächtlichen Atemaussetzern entgegen. Selbst beim normalen Gebrauch von Alkohol kann es zu Durchschlafstörungen kommen, die auf Absetzeffekte des Alkohols im Verlauf der Nacht zurückzuführen sind. Alkoholkarenz ist daher eine Empfehlung innerhalb der Regeln der „Schlafhygiene“.
Bei den illegalen Drogen haben zum Beispiel Opiate und Amphetamine einen Effekt auf den Schlaf. Für die Opiate gilt analog zum Alkohol, dass sie zwar die Einschlafzeit verringern, andererseits aber zu Durchschlafstörungen führen. Darüber hinaus haben Opiate ein hohes Sucht- und Abhängigkeitspotenzial. Ebenso tritt ein atemdepressorischer Effekt auf, der zum erhöhten Auftreten von Apnoen nach Einnahme führen kann. Es ist auch bekannt, dass bei Schmerzpatienten, die mit Opiaten behandelt werden, „Zentrale Schlafapnoesyndrome“ induziert werden können.
Stimulanzien wie zum Beispiel Amphetamine werden in der Regel eingenommen, um wach zu bleiben. Viele dieser Substanzen führen zu Toleranz, sodass bei Einnahme einer konstanten Dosis nach einiger Zeit nicht mehr der gewünschte positive Effekt eintritt. Die Dosis wird dann meistens gesteigert, und es können sich Missbrauch und Abhängigkeit entwickeln. Darüber hinaus gilt, dass auch das Absetzen von Stimulanzien zu Schlafstörungen führen kann. Dies kann einerseits durch ein Auftreten von depressiven Episoden bedingt sein, beispielsweise nach dem Absetzen von Kokain, andererseits auch durch einen direkten zentralnervösen Effekt der Substanzen.
Literatur
Riemann D, Voderholzer U, Berger M (2003) Nicht-erholsamer Schlaf. Nervenarzt 74:450–469CrossRef
Schweitzer PK (2005) Drugs that disturb sleep and wakefulness. In: Kryger MH, Roth T, Dement WC (Hrsg) Principles and practice of sleep medicine. Elsevier/Saunders, Philadelphia, S 499–518CrossRef