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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 22.01.2022

Umgebungsbedingte Schlafstörung

Verfasst von: Hans-Günter Weeß und Marcus Schweitzer
Die Umgebungsbedingte Schlafstörung ist eine Schlafstörung, die durch einen umgebungsbezogenen Faktor verursacht wird, der den Schlaf unterbricht und entweder zu einem Beschwerdebild der Insomnie oder exzessiver Tagesschläfrigkeit führt. Die schlafstörenden Stimuli können unterschiedlicher Natur sein. Physikalische Stimuli können z. B. Lärm- oder Lichtexposition darstellen oder auch eine inadäquate Raumtemperatur, weiterhin z. B. Schnarchen oder Bewegungen des Bettpartners.

Synonyme

Umweltbedingte Insomnie

Englischer Begriff

environmental sleep disorder

Definition

Die Umgebungsbedingte Schlafstörung ist eine Schlafstörung, die durch einen umgebungsbezogenen Faktor verursacht wird, der den Schlaf unterbricht und entweder zu einem Beschwerdebild der Insomnie oder exzessiver Tagesschläfrigkeit führt (Thorpy 2005).
Die schlafstörenden Stimuli können unterschiedlicher Natur sein. Physikalische Stimuli können z. B. Lärm- oder Lichtexposition darstellen oder auch eine inadäquate Raumtemperatur, weiterhin z. B. Schnarchen oder Bewegungen des Bettpartners.
Aufgrund der Ätiologie der Störung wurde die Umgebungsbedingte Schlafstörung in der ICSD-R (1997) in der Gruppe der „Dyssomnien“ unter den extrinsischen Schlafstörungen subsummiert. Die ICSD-2 führte die Diagnose Umgebungsbedingte Schlafstörung in der Gruppe der „Anderen Schlafstörungen“ auf. Im klinischen Alltag wird die Diagnose selten gestellt, und es wird kontrovers diskutiert, ob eine umgebungsbedingte Störung des Schlafs eine klinisch relevante Störung per se repräsentiert. Die „ICSD-3“ empfiehlt daher, die Diagnose „Andere Schlafstörung“ zu stellen, wenn ein umweltbezogener Faktor als ursächlich für einen gestörten Schlaf ausgemacht werden kann.

Genetik, Geschlechterwendigkeit

In der Literatur finden sich keine Hinweise auf familiäre oder geschlechtsspezifische Komponenten.

Epidemiologie und Risikofaktoren

Epidemiologische Daten liegen nicht vor. Steinberg et al. (2000) nehmen aufgrund der Art der Störung und der Häufigkeit schlafstörender Stimuli in der Umgebung eine nicht zu vernachlässigende Häufigkeit in einer Größenordnung von bis zu 5 % der Bevölkerung als Einjahresprävalenz an. In einer repräsentativen Umfrage von Meier (2004) in Deutschland wurde nächtlicher Lärm als dritthäufigste Ursache von Schlafstörungen angegeben („Lärmbedingte Schlafstörungen“). Betroffen sind insbesondere Personen im Einzugsgebiet von Flughäfen, Autobahnen oder anderweitiger lauter Umgebung. Auch scheint vor allem nächtlicher Lärm hinsichtlich der Genese von kardiovaskulären Erkrankungen eine Rolle zu spielen, wobei Kausalzusammenhänge offenbar noch nicht hinreichend belegt werden können (Hume et al. 2012) Auch Bettpartner von schnarchenden Personen können betroffen sein. Wohnverhältnisse mit fehlender Klimatisierung in übermäßig kalten oder heißen Regionen können zur Ausbildung umgebungsbedingter Schlafstörungen beitragen. Ältere Personen mit altersbedingt oberflächlicherem Schlaf und erhöhter Irritierbarkeit des Schlafes scheinen eine höhere Neigung für die Entwicklung einer Umgebungsbedingten Insomnie aufzuweisen.

Pathophysiologie, Psychophysiologie

Als Ursache für die Erstmanifestation der Umgebungsbedingten Schlafstörung steht an erster Stelle die objektive Natur des Störreizes mit seinen negativen Auswirkungen auf den Schlaf. Dauer und Verlauf der Schlafstörung stehen in direkter Beziehung zur Exposition gegenüber dem externen Störfaktor. Im Nachtverlauf kann eine Sensitivitätssteigerung gegenüber Störreizen gegen Morgen hin festgestellt werden. Aber auch subjektive Bewertungen des Individuums haben einen wesentlichen Einfluss darauf, ob ein potenziell aversiver Reiz als schlafstörend wahrgenommen wird oder nicht.
Nicht zu vernachlässigen ist der Einfluss der Umgebungstemperatur im Schlafraum („Thermoregulation“) und der einer unbequemen Bettstatt. Der Einfluss elektromagnetischer Felder wird als Quelle für Umgebungsbedingte Schlafstörungen nach wie vor kontrovers diskutiert (Danker-Hopfe und Dorn 2005; Danker-Hopfe et al. 2015).

Symptomatik

Die Schwere der Ein- und Durchschlafstörung ist von der Stärke des Störreizes und der Dauer der Exposition abhängig. In der Folge können die typischen Auswirkungen auf Verhalten, Erleben und Leistungsvermögen am Tag beobachtet werden. Diese können Tagesschläfrigkeit, Aufmerksamkeitsstörungen, Leistungsbeeinträchtigungen am Arbeitsplatz oder in anderen sozialen Anforderungssituationen umfassen („Einschlafen am Arbeitsplatz“; „Einschlafen am Steuer“). Weiterhin wird nicht selten über vermehrte Irritierbarkeit, Gereiztheit, Ängstlichkeit und eine erhöhte Grübelneigung berichtet. Auch psychosomatische Beschwerden, wie muskuläre Verspannungen und Magen-Darm-Beschwerden, werden berichtet.

Diagnostik

Unabhängig von der Entwicklung der Schlafstörung haben sich die Betroffenen häufig an den störenden Reiz adaptiert und sind sich seines negativen Einflusses auf den Schlaf nicht immer bewusst. Aus diesem Grunde ist eine gezielte Exploration der schlafstörenden Stimuli in der Schlafanamnese unumgänglich (Hajak und Rüther 1995). Eine polysomnographische Diagnostik ist nur zum Ausschluss schlafmedizinischer Erkrankungen indiziert. Sollte eine Verifikation des negativen Einflusses des Störreizes auf den Schlaf notwendig sein, kann auch im Einzelfall eine ambulante „Polysomnographie“ in der gewohnten Schlafumgebung stattfinden.
Diagnostische Kriterien nach ICSD-3
Beschwerdebild einer Insomnie oder exzessiver Tagesschläfrigkeit. Die Beschwerden sind zeitlich gebunden an das Auftreten eines physikalisch messbaren Stimulus oder an Umgebungsbedingungen, die den Schlaf stören. Die physikalischen Eigenschaften des Stimulus sind für die Schlafstörung verantwortlich, nicht dessen psychologische Bedeutung. In Abwesenheit des Stimulus ist der Schlaf normal.

Differentialdiagnostik

Differentialdiagnostisch müssen vor allem die Schlafstörungen und schlafmedizinischen Erkrankungen ausgeschlossen werden, die mit Insomnie und/oder Hypersomnie einhergehen, wie:

Prävention

Meidung schlafstörender Stimuli.

Therapie

An erster Stelle der therapeutischen Maßnahmen sollte eine Beseitigung der auslösenden Stimuli stehen, worauf eine Remission der Insomnie zu erwarten ist. Eine Unterrichtung in schlafhygienischen Maßnahmen kann erforderlich sein. Bei schon eingetretener Chronifizierung der Störung kann die Teilnahme an einer Schlaftherapiegruppe sinnvoll sein. Grundsätzlich sollte dem Patient die Unerlässlichkeit seiner aktiven Mitarbeit verdeutlicht werden. Falls es nicht im Einflussbereich des Patienten liegt, die schlafstörenden Stimuli zu beseitigen, kann eine verhaltenstherapeutische Intervention („Kognitive Verhaltenstherapie“) mit dem Ziel einer Änderung der inneren Einstellung gegenüber dem Störfaktor (kognitive Umstrukturierung) einen Therapieansatz darstellen (Lund und Clarenbach 1992). Bei zeitlich begrenzten Störungen, wie es etwa im Rahmen von Krankenhaus- oder Hotelaufenthalten der Fall sein mag, kann der Einsatz eines Hypnotikums oder Sedativums versucht werden.

Zusammenfassung, Bewertung

Bei der umgebungsbedingten Schlafstörung handelt es sich um eine Schlafstörung, die durch externe Stimuli verursacht wird. Die Prävalenz der Erkrankung ist nicht bekannt, dürfte aber in Ballungszentren häufiger sein als in ländlichen Regionen. Die medizinischen Auswirkungen derartiger Störungen wurden wissenschaftlich noch nicht ausreichend erfasst. Neuere Studien beschäftigen sich mit den Auswirkungen von Verkehrslärm, Fluglärm und dem Einfluss von elektromagnetischen Strahlungen auf Organismus und Schlaf. Siehe auch „Lärmbedingte Schlafstörungen“.
Literatur
Danker-Hopfe H, Dorn H (2005) Biological effects of electromagnetic fields at mobile phone frequencies on sleep: current state of knowledge from laboratory studies. Somnologie 9:192–198CrossRef
Danker-Hopfe H, Dorn H, Bolz T, Peter A, Hansen ML, Eggert T, Sauter C (2015) Effects of mobile phone exposure (GSM 900 and WCDMA/UMTS) on polysomnography based sleep quality: an intra- and inter-individual perspective. Environ Res 145:50–60. https://​doi.​org/​10.​1016/​j.​envres.​2015.​11.​011CrossRefPubMed
Hajak G, Rüther E (1995) Insomnie – Schlaflosigkeit – Ursachen, Symptomatik und Therapie. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Hume KI, Brink M, Basner M (2012) Effects of environmental noise on sleep. Noise Health 14(61):297–302CrossRef
Lund R, Clarenbach P (1992) Schlafstörungen. Klassifikation und Therapie. Arcis Verlag GmbH, München
Steinberg R, Weeß HG, Landwehr R (2000) Schlafmedizin. Grundlagen und Praxis. UNI-Med Verlag AG, Bremen/London/Boston
Thorpy MJ (2005) Classifikation of sleep disorders. In: Kryger MH, Roth T, Dement WC (Hrsg) Principles and practice of sleep medicine. Elsevier Saunders, Philadelphia, S 615–625CrossRef