Einleitung
Die altersstandardisierte Inzidenzrate der Gallenblasen- und Gallengangskarzinome
pro 100.000 Einwohner in Deutschland 2012 ist 3,6/100.000 für Männer und 3,4/100.000 für Frauen. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 72 Jahren für Männer und 76 Jahren für Frauen, laut Abfrage der Krebsregisterdaten vom
Robert Koch-Institut (
2017).
Die cholangiozellulären Karzinome sind damit eine seltene Entität.
Eine Heilung ist nur durch die R0-Operation möglich. Bei der initialen Präsentation können jedoch 2/3 der Patienten nicht mehr kurativ operiert werden. Hinzu kommt bei dem extrahepatischen cholangiozellulären Karzinom eine oft komplexe interventionelle Therapie als Teil der palliativen Therapie.
Damit bestehen bei dem Gallengangskarzinom zwei Herausforderungen: Die optimale chirurgische Versorgung einer seltenen Krankheit, ohne die keine Kuration erreicht werden kann, und das Vorhalten eines breiten interventionellen Armamentarium mit der entsprechenden Expertise, es strategisch einzusetzen.
Chirurgische Therapie
Entscheidend für die kurative Operation ist die R0-Resektion. Nach einer R0-Resektion liegt die 5-Jahresüberlebensrate bei 23–42 %, nach einer R1-Resektion bei 14–0 % (Wellner et al.
2017).
Spezifische Voraussetzung für die Operation ist eine hepatische Reserve bei großen Leberresektionen
und die funktionelle Operabilität. Jeder Patient mit einem Tumor ohne Fernmetastasen sollte immer mit einem routinierten Leberchirurgen besprochen werden. Durch eine präoperative Volumetrie und Kalkulation der aktuellen Leberfunktion, kann die voraussichtliche Leberfunktion postoperativ abgeschätzt werden. Ideale Voraussetzung für diese Analyse ist die Vorstellung ohne vorherige Intervention, da eine Intervention und/oder eine
Cholangitis die Beurteilung des Tumorausmaßes erschweren können.
Klassische Kriterien für die technische Inoperabilität sind die bilaterale Gallenganginfiltration, die bilaterale Kompression der Gallenwege 2. Ordnung, nicht rekonstruierbare Gefäßinfiltrationen, die Atrophie eines Leberlappens mit Beteiligung der kontralateralen V. portae oder Beteiligung der kontralateralen Gallenwege 2. Ordnung.
Das Operationsausmaß richtet sich nach der Lokalisation des Tumors.
Die distalen Gallengangskarzinome können meistens durch eine Pankreatikoduodenotomie therapiert werden. Perihiläre Gallengangskarzinome Bismuth-Corlette Typ I können mit einer Gallengang- und Gallenblasenresektion, Lymphknotendissektion und einer biliodigestiven Anastomose operiert werden.
Bismuth-Corlette Typ II, IIIa und IIIb-Karzinome benötigen eine ausgedehnte Leberresektion, meist eine erweiterte rechte Hemihepatektomie unter Mitnahme von Segment I.
Ausgedehnte Leberresektionen sind nur möglich, wenn eine ausreichende Leberreserve besteht. Ein Mindestrestvolumen von 25–30 % ohne bestehende
Leberzirrhose und >40 % bei einer bestehenden Leberzirrhose
sind notwendig. In Fällen, in denen die verbleibende Leber als zu klein für eine Operation eingeschätzt wird, gibt es die Möglichkeit mit Hilfe der gezielten Pfortaderembolisation einer Vergrößerung der gesunden Leber zu erreichen.
Es gibt wenige Daten, die Rückschlüsse auf die operative Therapie der geriatrischen Patienten zulassen. In einer großen
Metaanalyse beim distalen Gallengangskarzinom mit Daten aus 23 Kohorten-Studien und 2063 Patienten, zeigt sich, dass ein Alter >65 Jahre kein prognostischer Faktor für das 5-Jahresüberleben nach Operation ist (Wellner et al.
2017).
Eine größere Fallserie bestätigt dies für die distalen, perihilären und intrahepatischen Gallengangskarzinome (Murakami et al.
2010). Etwas differenzierter ist das Bild in einer retrospektiven multinationalen Analyse mit 584 Patienten, davon 129 Patienten >70 Jahre (Vitale et al.
2016). In der Analyse wurde der postoperative Verlauf der älteren Patienten >70 Jahre mit denen ≤70 Jahre verglichen. Das 5-Jahre-Gesamtüberleben und das krankheitsfreie Überleben unterschieden sich nicht. Ältere Patienten hatten jedoch eine höhere postoperative Komplikationsrate, eine höhere Rate an Major-Komplikationen und eine erhöhte 90 Tage-Mortalität (Vitale et al.
2016).
Zusammengenommen kann man aus den retrospektiven Analysen nur schließen, dass ältere Patienten ebenfalls gute postoperative Langzeitverläufe haben und man aufgrund des Alters den älteren Patienten die Operation nicht kategorisch verweigern sollte. Anhand der Daten kann nicht beurteilt werden, wie man die älteren Patienten am besten selektiert, damit sie nicht unter der erhöhten Morbidität und Mortalität leiden.
Damit bleibt nur die sorgfältige Selektion der Patienten mit genauer Einschätzung der Narkosefähigkeit und der hepatischen Reserve vor großen Leberresektionen.
Adjuvante Therapie
Adjuvante Therapie ist kein Standard.
Die meisten publizierten Daten zum Nutzen der adjuvanten Therapie stammen aus retrospektiven Analysen von Kohorten. Es gibt zwei ältere publizierte randomisierte Studien.
In der 2002 publizierten Studie von Takada et al. wurden operierte Patienten mit
Pankreaskarzinom,
Gallenblasenkarzinom, Gallengangskarzinom und
Papillenkarzinom randomisiert in einen Therapiearm mit anschließender Chemotherapie mit Mitomycin und 5-Fu gegen einen Beobachtungsarm. In dem Therapiearm wurde orales 5-FU bis zum Auftreten eines Rezidivs gegeben (Takada et al.
2002). Es zeigte sich nur für die Gruppe der Patienten mit Gallenblasenkarzinom
, 112 Patienten, eine besser 5-Jahresüberlebensrate von 26 % im Therapiearm gegenüber 14 % im Beobachtungsarm.
Das durchschnittliche Alter der Patienten in der Gruppe war 62,8 und 64,0, ein Einschlusskriterium war ein Alter <75 Jahren. Der Vorteil im 5-Jahresüberleben zeigte sich nur für die Patienten mit
Gallenblasenkarzinom, die nicht kurativ operiert werden konnten, in der
intention-to-treat-Analyse der Gruppe der Patienten mit Gallenblasenkarzinom zeigte sich kein Vorteil für den Therapiearm. Insgesamt ist die Studie damit keine Entscheidungshilfe bei der Frage nach einer adjuvanten Therapie beim alten und geriatrischen Patienten.
In der zweiten randomisierten Studie, der ESPAC III-periampullären Studie, wurden 428 Patienten eingeschlossen mit 297 ampullären Karzinomen, 96 Gallengangskarzinomen und 35 unspezifischen Karzinomen. Randomisiert wurde in drei Arme: Beobachtung versus infusionales 5-FU versus Gemcitabin-Therapie. In der primären Analyse zeigte sich kein Vorteil für die Therapiearme, in der multivariablen Analyse zeigte sich ein Vorteil für die Therapie mit einer HR für Chemotherapie gesamt von 0,75 (95 % CI, 057–0,98, Wald ×2 = 453; p = 0,03 und für die Gemcitabin-Gruppe von 0,70 (95 % CI, 051–0,97, Wald ×2 = 465; p = 0,03). Das mediane Alter aller Patienten war 62 Jahre mit einer IQR von 55–69 Jahren. Der Vorteil für die Chemotherapie ist gering, und ein Nutzen für ältere Patienten lässt sich nicht darlegen.
In einem Versuch aus den vorhandenen Daten eine Empfehlung abzuleiten wurde von Horgan et al.
2012 ein systematisches Review und eine
Metaanalyse publiziert (Horgan et al.
2012). In der Arbeit wurde die besprochene Studie von Takada et al. als einzige randomisierte Studie eingeschlossen, sowie 2 Registeranalysen und 17 retrospektive Kohorten-Analysen. Eingeschlossen wurden Studien mit Gallengangs- und
Gallenblasenkarzinomen, verwendete Therapiemodalitäten waren alleinige Chemotherapie, Radiochemotherapie und alleinige Radiatio. Insgesamt handelte es sich um 6712 Patienten, von denen 1797 eine adjuvante Therapie bekommen haben.
In der Analyse zeigte sich ein nicht signifikanter Trend zum besseren Gesamtüberleben nach adjuvanter Therapie, OR 0,74; 95 % CI, 055–1,01; p = 0,06. In der Analyse der Therapien zeigte sich ein signifikant besseres Überleben mit Chemotherapie OR 0,39 und Radiochemotherapie OR 0,61 und keine signifikante Verbesserung mit alleiniger Radiatio. Wurde die Analyse auf die Patienten begrenzt, bei denen die Information R1 oder N1 vorlag, zeigte sich ein signifikanter Vorteil für das Überleben, bei den N+ Patienten OR 0,49; 95 % CI, 0,30–0,80; p=0,004 und bei R1-operierten Patienten OR 0,36; 95 % CI, 0,19–0,68; p=0,002. Von den N+ Patienten wurden 77 % mit alleiniger Chemotherapie und der Rest mit kombinierter Radiochemotherapie behandelt; bei den R1-operierten Patienten wurden 63 % nur mit Radiatio behandelt.
Die Empfehlung der Autoren aufgrund der Daten bei R1-operierten Patienten und Nodal-positiven Patienten eine aktive Therapie als Standard zu sehen, ist aufgrund der zugrunde liegenden Studien nicht nachzuvollziehen, insbesondere der R1- und Nodalstatus war bei vielen der eingeschlossenen Patienten nicht klar und auch die in der
Metaanalyse durchgeführte Subgruppenanalyse für die R1- und N+ Patienten beruht nicht auf der Analyse der einzelnen
Patientendaten. So wurden Studien, bei denen die Subgruppenanalyse nicht vorlag, als N+ oder R1 gewertet, wenn ≥50 % der Patienten das Kriterium R1 oder N+ hatten. Die
Validität ist schwierig zu interpretieren, insbesondere da wir nicht wissen, warum die Patienten die adjuvante Therapie bekommen haben.
Aufgrund der fehlenden Daten, wie Alter, ECOG oder Komorbiditäten, lässt sich aus der
Metaanalyse kein direkter Rückschluss oder eine Therapieempfehlung für die älteren oder geriatrischen Patienten ziehen. Ein möglicher Mechanismus, der sich in einer anderen multizentrischen, retrospektiven Studie zeigte, ist der, dass jüngere Patienten eher eine adjuvante Therapie erhalten. In dieser Studie wurden die älteren Patienten >70 Jahre nach kurativer Leberresektion bei intrahepatischem Gallengangskarzinom analysiert, und es zeigte sich, dass signifikant mehr jüngere Patienten (<70 Jahre) eine adjuvante Chemotherapie bekommen haben (Vitale et al.
2016).
Die Ergebnisse von zwei abgeschlossenen, randomisierten Studien sind noch nicht publiziert. Die Prodige-12-Studie ist eine Phase III-Studie, in der Beobachtung mit adjuvanter Therapie mit Gem/Ox über 6 Monate bei R0- und R1-Patienten im Alter von 18–120 Jahren verglichen wird. Eingeschlossen wurden Gallengangskarzinome und
Gallenblasenkarzinome. Die BILCAP-Studie ist eine Phase III-Studie, in der Beobachtung mit einer adjuvanten Therapie mit Capecitabine 1250 mg/m
2, po 2×1–14 ad 3 Wochen über 24 Wochen bei R0- und R1-Patienten im Alter von >18 Jahren verglichen wurde.
Zusammengefasst gibt es aktuell in der publizierten Literatur keine schlüssige Empfehlung für die adjuvante Therapie. Damit sich dies ändert, sollten alle Patienten in eine klinische Studie eingeschlossen werden.
Die aktuell wichtigste adjuvante Therapiestudie ist die ACTICA (
Adjuvant chemotherapy with gemcitabine and cisplatin compared to observation after curative intent resection of cholangiocarcinoma and muscle invasive gallbladder carcinoma), eine internationale Studie aus Deutschland. Eingeschlossen werden können alle R0- und R1-resezierten Patienten mit Gallengang- oder
Gallenblasenkarzinom.