Definition und Diagnostik
Beim
CUP (
Cancer of unknown primary)-Syndrom
handelt es sich um eine histologisch (oder auch nur zytologisch) gesicherte, metastasierte Karzinomerkrankung, deren Ursprungsort, trotz einer Reihe definierter diagnostischer Maßnahmen, nicht gefunden werden kann.
Zu diesen Maßnahmen zählen je nach histologischem und immunhistologischem Befund mindestens:
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Anamnese
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Körperliche Untersuchung (bei Frauen auch gynäkologisch), bei Plattenepithelkarzinom im Kopf-Halsbereich eine HNO-ärztliche Untersuchung
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Schnittbilddiagnostik (Computertomogramm von Thorax, Abdomen und Becken als Mindeststandard)
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Laboruntersuchung
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Obere und (bei klinischem oder immunhistologischem Verdacht auf ein
Kolonkarzinom) auch untere Endoskopie
Davon zu unterscheiden ist die sehr viel häufigere CUP-Situation, bei der die Metastase die klinische Erstmanifestation darstellt, aber im Rahmen der weiteren Diagnostik der Primarius gefunden wird.
Ziel der Diagnostik wird also zu Beginn die Lokalisation des Primarius sein.
Bei 3-5 % der Patienten (z. B. Randen et al.
2009) wird dieses Ziel nicht erreicht.
Es gilt bei dieser Gruppe auf eine wiederholte, u. U. belastende und zu umfangreiche Diagnostik zu verzichten und mithilfe der bisher gewonnenen Informationen den Patienten zu einer der therapeutisch relevanten Subgruppen zuzuordnen (s. u.)
Insbesondere gilt dies für den älteren Patienten, der typischerweise eine deutlich reduzierte funktionelle Reserve besitzt. Für ihn sind einerseits die Untersuchungen belastender (z. B. Nahrungskarenz/Kurznarkosen bei Endoskopien, Kontrastmittel-bedingte Schädigung der Nierenfunktion). Andererseits ist wegen des Zusammentreffens von vorhandener Komorbidität und tumorbedingter Schädigung das therapeutische Fenster kürzer, in dem die Erkrankung noch erfolgreich zurückgedrängt und die
Lebensqualität verbessert oder erhalten werden kann.
Pathologie
Dem (immun-)histopathologischen Befund und dem Metastasierungsmuster kommt eine fundamentale Rolle in der Zuordnung zu:
So kann nach Ausschluss einer hämatologischen, mesothelialen oder sarkomatösen Neoplasie das Malignom weiter differenziert werden in die Untergruppen: Plattenepithelkarzinom, Adenokarzinom, neuroendokrines Karzinom und
Keimzelltumore. Insbesondere immunhistochemische Muster der Cytokeratine CK 7 und CK 20 sowie weiterer
Antigene helfen dann weiter in der Unterteilung der Adenokarzinome in Untergruppen (Munding und Tannapfel
2013).
Wünschenswert und wissenschaftlich hoch interessant wäre auch eine breite und umfangreiche molekulare Diagnostik. Allerdings scheitert dies in größerem Umfang noch an der fehlenden Standardisierung, Kostenübernahme und vielfach noch nicht nachgewiesener therapeutischer Relevanz. Obwohl bereits vielversprechende Daten hierzu publiziert sind, hat diese Methode weder in die US-amerikanischen noch in die deutschen Leitlinien Eingang gefunden. Studien hierzu laufen.
In Situationen, in denen zumindest potentiell ein therapeutischer Ansatz besteht, sollten jedoch immunhistochemisch und molekulargenetisch sogenannte „
druggable“, also mit gezielt wirksamen Medikamenten angehbare Ziele bestimmt werden (z. B. Hormonrezeptoren und HER-2/neu bei einem Adeno
CUP-Syndrom bei einer Frau oder der ras-Status bei einem immunhistologisch vermuteten
Kolonkarzinom auch ohne Nachweis eines Primarius im Dickdarm).
Bildgebung
Standard ist ein Computertomogramm mit Kontrastmittel vom Thorax bis zum Becken.
Weitere Untersuchungen sind entsprechend der Arbeitshypothese oder klinischer Erwägungen sinnvoll. Die Indikation sollte restriktiv gestellt werden. Ziele sind die Primariussuche oder die Erkennung drohender Komplikationen.
Beispielsweise sollte
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Bei Tumoren im Kopf Halsbereich der Hals mit einem CT oder einer MRT untersucht werden.
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Bei V. a. ein
Mammakarzinom eine Mammographie und ggf. eine MRT der Brust erfolgen.
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Bei einer gesicherten Knochenmetastasierung, dem klinischen Verdacht auf ein Mammakarzinom oder ein
Prostatakarzinom oder bei klinischer Symptomatik ein Knochenszintigramm zum Ausschluss (weiterer) Knochenfiliae durchgeführt werden.
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Bei einem begrenzt metastasierten zervikalen Plattenepithel-CUP, bei dem eine kurative Therapiemöglichkeit aufgrund der bisherigen Staginguntersuchung und des Allgemeinzustandes nicht ausscheidet, ein PET-CT erwogen werden.
Zwar haben mehrere Studien gezeigt, dass auch beim extrazervikalen
CUP die Detektionsraten mit PET-CT der herkömmlichen Bildgebung überlegen sind (s.
Metaanalyse Kwee und Kwee
2009), aber auch hier gibt es widersprüchliche Befunde (Møller et al.
2012), die gegen den breiten Einsatz dieser Untersuchungsmethode sprechen. Die eingeschränkte Verfügbarkeit in Deutschland sowie die nicht gesicherte therapeutische Relevanz haben eine breite Anwendung dieser Form der Bildgebung beim
CUP-Syndrom in Deutschland bisher verhindert.
Einteilung
Lässt sich der Patient einer der folgenden Gruppen zuordnen, so orientiert sich die Therapie an der wahrscheinlich zugrundeliegenden Tumorerkrankung. Die Prognose ist hier deutlich besser als bei den übrigen
CUP-Syndromen, die leider einen Großteil der Fälle darstellen.
Weitere CUP-Manifestationen
Die übrigen CUP-Manifestationen werden als prognostisch ungünstige
CUP-Syndrome (im angelsächsischen Sprachgebrauch als
poor prognosis CUP) zusammengefasst und machen leider mehr als 70 % der Fälle aus.
Wiederum den größten Teil dieser Gruppe stellen Adenokarzinome und undifferenzierte Karzinomen dar.
Zur Anwendung kommen hier platinhaltige Kombinationen, wobei das in Deutschland am häufigsten verwendete Schema Carboplatin/Taxol sein dürfte. Cisplatin/Gemzitabine wird ebenfalls verwendet, wobei Carboplatin gegenüber Cisplatin bei älteren Menschen Vorteile hat: es wird nach der gemessenen Nierenfunktion dosiert und benötigt nicht die umfangreiche Hydration, die bei älteren, oft herzinsuffizienten Patienten leicht zur Dekompensation führen kann. Noch weniger toxisch ist sicherlich Gemzitabine mono.
Lymphknotenmetastasen eines Plattenepithelkarzinoms
mit anderer Lokalisation oder Organmetastasen eines Plattenepithelkarzinoms dürften größtenteils auf
Lungenkarzinome zurückzuführen sein. Sie werden, falls klinisch möglich, mit einem klassischen CUP-Schema oder mit
Platin/5-FU behandelt.
Belastbare Daten zu geriatrischen Patienten existieren wenige. Erwähnt werden muss aber, dass therapeutischer Nihilismus auch bei älteren Patienten mit dieser Erkrankung nicht gerechtfertigt ist: Löffler et al. schreiben in ihrer retrospektiven Beobachtung über die
CUP Patienten, die sich am NCT vorgestellt haben, dass sich zwar der ECOG-Status als relevanter Prognosefaktor herausgestellt hat, nicht aber das Alter per se. (Löffler et al.
2014).
Einschränkend muss aber erwähnt werden, dass die
geriatrische Komorbidität, die mit speziellen Indices gemessen werden kann (s. Kap. „Komorbiditäten unter geriatrischen Aspekten“), sehr wohl prädiktiv für CUP-Patienten ist (Seve et al.
2006)