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Geriatrische Onkologie
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Verfasst von:
Christian Lorentz
Publiziert am: 08.09.2017

CUP-Syndrom: Besondere Aspekte bei der Therapie alter und geriatrischer Patienten

Beim CUP (Cancer of unknown primary)-Syndrom handelt es sich um eine histologisch (oder auch nur zytologisch) gesicherte, metastasierte Karzinomerkrankung, deren Ursprungsort, trotz einer Reihe definierter diagnostischer Maßnahmen, nicht gefunden werden kann. Zu diesen Maßnahmen zählen je nach histologischem und immunhistologischem Befund mindestens: die Anamnese, die körperliche Untersuchung (bei Frauen auch gynäkologisch), bei Plattenepithelkarzinom im Kopf-Halsbereich eine HNO-ärztliche Untersuchung, Schnittbilddiagnostik (Computertomogramm von Thorax, Abdomen und Becken als Mindeststandard), eine Laboruntersuchung, eine obere und (bei klinischem oder immunhistologischem Verdacht auf ein Kolonkarzinom) auch) eine untere Endoskopie. Davon zu unterscheiden ist die sehr viel häufigere CUP-Situation, bei der die Metastase die klinische Erstmanifestation darstellt, aber im Rahmen der weiteren Diagnostik der Primarius gefunden wird. Ziel der Diagnostik wird also zu Beginn die Lokalisation des Primarius sein.

Definition und Diagnostik

Beim CUP (Cancer of unknown primary)-Syndrom handelt es sich um eine histologisch (oder auch nur zytologisch) gesicherte, metastasierte Karzinomerkrankung, deren Ursprungsort, trotz einer Reihe definierter diagnostischer Maßnahmen, nicht gefunden werden kann.
Zu diesen Maßnahmen zählen je nach histologischem und immunhistologischem Befund mindestens:
  • Anamnese
  • Körperliche Untersuchung (bei Frauen auch gynäkologisch), bei Plattenepithelkarzinom im Kopf-Halsbereich eine HNO-ärztliche Untersuchung
  • Schnittbilddiagnostik (Computertomogramm von Thorax, Abdomen und Becken als Mindeststandard)
  • Laboruntersuchung
  • Obere und (bei klinischem oder immunhistologischem Verdacht auf ein Kolonkarzinom) auch untere Endoskopie
Davon zu unterscheiden ist die sehr viel häufigere CUP-Situation, bei der die Metastase die klinische Erstmanifestation darstellt, aber im Rahmen der weiteren Diagnostik der Primarius gefunden wird.
Ziel der Diagnostik wird also zu Beginn die Lokalisation des Primarius sein.
Bei 3-5 % der Patienten (z. B. Randen et al. 2009) wird dieses Ziel nicht erreicht.
Es gilt bei dieser Gruppe auf eine wiederholte, u. U. belastende und zu umfangreiche Diagnostik zu verzichten und mithilfe der bisher gewonnenen Informationen den Patienten zu einer der therapeutisch relevanten Subgruppen zuzuordnen (s. u.)
Insbesondere gilt dies für den älteren Patienten, der typischerweise eine deutlich reduzierte funktionelle Reserve besitzt. Für ihn sind einerseits die Untersuchungen belastender (z. B. Nahrungskarenz/Kurznarkosen bei Endoskopien, Kontrastmittel-bedingte Schädigung der Nierenfunktion). Andererseits ist wegen des Zusammentreffens von vorhandener Komorbidität und tumorbedingter Schädigung das therapeutische Fenster kürzer, in dem die Erkrankung noch erfolgreich zurückgedrängt und die Lebensqualität verbessert oder erhalten werden kann.

Pathologie

Dem (immun-)histopathologischen Befund und dem Metastasierungsmuster kommt eine fundamentale Rolle in der Zuordnung zu:
So kann nach Ausschluss einer hämatologischen, mesothelialen oder sarkomatösen Neoplasie das Malignom weiter differenziert werden in die Untergruppen: Plattenepithelkarzinom, Adenokarzinom, neuroendokrines Karzinom und Keimzelltumore. Insbesondere immunhistochemische Muster der Cytokeratine CK 7 und CK 20 sowie weiterer Antigene helfen dann weiter in der Unterteilung der Adenokarzinome in Untergruppen (Munding und Tannapfel 2013).
Wünschenswert und wissenschaftlich hoch interessant wäre auch eine breite und umfangreiche molekulare Diagnostik. Allerdings scheitert dies in größerem Umfang noch an der fehlenden Standardisierung, Kostenübernahme und vielfach noch nicht nachgewiesener therapeutischer Relevanz. Obwohl bereits vielversprechende Daten hierzu publiziert sind, hat diese Methode weder in die US-amerikanischen noch in die deutschen Leitlinien Eingang gefunden. Studien hierzu laufen.
In Situationen, in denen zumindest potentiell ein therapeutischer Ansatz besteht, sollten jedoch immunhistochemisch und molekulargenetisch sogenannte „druggable“, also mit gezielt wirksamen Medikamenten angehbare Ziele bestimmt werden (z. B. Hormonrezeptoren und HER-2/neu bei einem Adeno CUP-Syndrom bei einer Frau oder der ras-Status bei einem immunhistologisch vermuteten Kolonkarzinom auch ohne Nachweis eines Primarius im Dickdarm).

Bildgebung

Standard ist ein Computertomogramm mit Kontrastmittel vom Thorax bis zum Becken.
Weitere Untersuchungen sind entsprechend der Arbeitshypothese oder klinischer Erwägungen sinnvoll. Die Indikation sollte restriktiv gestellt werden. Ziele sind die Primariussuche oder die Erkennung drohender Komplikationen.
Beispielsweise sollte
  • Bei Tumoren im Kopf Halsbereich der Hals mit einem CT oder einer MRT untersucht werden.
  • Bei V. a. ein Mammakarzinom eine Mammographie und ggf. eine MRT der Brust erfolgen.
  • Bei einer gesicherten Knochenmetastasierung, dem klinischen Verdacht auf ein Mammakarzinom oder ein Prostatakarzinom oder bei klinischer Symptomatik ein Knochenszintigramm zum Ausschluss (weiterer) Knochenfiliae durchgeführt werden.
  • Bei einem begrenzt metastasierten zervikalen Plattenepithel-CUP, bei dem eine kurative Therapiemöglichkeit aufgrund der bisherigen Staginguntersuchung und des Allgemeinzustandes nicht ausscheidet, ein PET-CT erwogen werden.
Zwar haben mehrere Studien gezeigt, dass auch beim extrazervikalen CUP die Detektionsraten mit PET-CT der herkömmlichen Bildgebung überlegen sind (s. Metaanalyse Kwee und Kwee 2009), aber auch hier gibt es widersprüchliche Befunde (Møller et al. 2012), die gegen den breiten Einsatz dieser Untersuchungsmethode sprechen. Die eingeschränkte Verfügbarkeit in Deutschland sowie die nicht gesicherte therapeutische Relevanz haben eine breite Anwendung dieser Form der Bildgebung beim CUP-Syndrom in Deutschland bisher verhindert.

Einteilung

Lässt sich der Patient einer der folgenden Gruppen zuordnen, so orientiert sich die Therapie an der wahrscheinlich zugrundeliegenden Tumorerkrankung. Die Prognose ist hier deutlich besser als bei den übrigen CUP-Syndromen, die leider einen Großteil der Fälle darstellen.

Plattenepithelkarzinom

Mit isolierter Lymphknotenmetastasierung im oberen bis mittleren Drittel des Halses.
Der Primarius wird hier im Kopf-Hals Bereich liegen, weswegen die Erkrankung auch so behandelt wird. Sofern die hier indizierte kombinierte Strahlen-Chemotherapie (ggf. nach erfolgter neck dissection) durchgeführt werden kann, handelt es sich um eine Subgruppe mit vergleichsweise guter Prognose, da hier tatsächlich Langzeitüberleben gesehen wird. Allerdings sollten nach gründlichem Assessment des ECOG Scores und der Komorbiditäten ein passendes Protokoll gewählt werden, und konsequente supportive Maßnahmen erfolgen (s. auch Kap. „Kopf-Hals-Tumoren beim alten und geriatrischen Patienten“). Zu diesen gehört insbesondere die Sicherung einer ausreichenden Ernährung bei zu erwartender Mukositis mit häufig ausgeprägten Schluckstörungen.
Mit dominanter hoch/mittel-zervikaler Lymphknotenmetastasierung und Fernmetastasen
Auch hier orientiert man sich an den Protokollen für Kopf-Hals Tumore, kann aber, bei fehlendem kurativen Ansatz, auf die Operation sowie die hoch dosierte und toxische Strahlentherapie verzichten. Zur Anwendung kommt ein Platinderivat, ggf. in Kombination mit einem Taxan oder 5-FU. Für diese beiden Subgruppen kann auch auf Cetuximab zurückgegriffen werden, wobei dies streng genommen einen „off-label-use“ darstellt, da diese Substanz für Kopf-Hals Tumore und nicht für das CUP-Syndrom zugelassen ist. Daten hierzu fehlen, der Analogieschluss erscheint aber klinisch gerechtfertigt. Der Vorteil liegt hier insbesondere in der fehlenden Nephro- und Ototoxizität.
Mit isolierter inguinaler Metastasierung.
Hier ist nach einem Primarius im Bereich des Anus bzw. des männlichen (Peniskarzinom) oder des weiblichen Genitales (Zervikal-, Vaginal- bzw. Vulvakarzinom) zu fahnden. Sollte sich hier kein Primarius finden, so erscheint auch in dieser Situation eine Strahlen-, ggf. auch Radiochemotherapie sinnvoll und kann zu Langzeitüberleben führen (Guarischi et al. 1987).

Adenokarzinom

Axilläre Lymphknotenmetastasen eines Adenokarzinoms.
Sie werden bei der Frau (und, was sehr selten vorkommt, auch beim Mann) bei passender Histologie wie ein Mammakarzinom im Stadium II behandelt (s. Kap. „Mammakarzinom beim alten und geriatrischen Patienten“).
Retroperitoneale Lymphknotenmetastasen oder eine Peritonealkarzinose eines (serösen) Adenokarzinoms
Sie werden bei der Frau wie ein Ovarialkarzinom behandelt (s. Kap. „Ovarialkarzinom bei der alten und geriatrischen Patientin“), was ggf. die OP mit dem Ziel des Debulking und eine Chemotherapie einschließt.
Kolontypisches Adenokarzinom
Ein kolontypisches Adenokarzinom (CK7-/CK20+/CDX2+) wird wie ein Stadium IV Kolonkarzinom mit den üblichen Protokollen behandelt (s. Kap. „Kolonkarzinome“).
Metastasiertes Adenokarzinom
Männer mit metastasiertem Adenokarzinom und erhöhtem PSA im Serum oder PSA-Expression im Tumorgewebe werden wie ein Prostatakarzinom behandelt (s. Kap. „Prostatakarzinom beim alten und geriatrischen Patienten“). Die hierbei primär verwendeten antihormonellen Therapien können auch beim geriatrischen Patienten meist gut verträglich eingesetzt werden
Resektable, solitäre Metastasen
Sie sollten reseziert werden.

Neuroendokriner Tumor

Gut differenzierte neuroendokrine Karzinome
Zur Anwendung kommen in der 1. Linie Somatostatin-Analoga, die aufgrund ihrer insgesamt guten Verträglichkeit auch bei geriatrischen Patienten in Frage kommen und einerseits häufig Symptome lindern, die durch die Sekretion von Peptidhormonen entstehen, andererseits auch Wachstum und Prognose verbessern (Arnold et al. 1993). Bei diesen Tumoren kann im Rahmen der Primariussuche ein DOTATOC-PET eingesetzt werden. Sollten hier die Tumore anreichern, kann auch beim alten Menschen eine DOTATOC-Therapie versucht werden: DOTATOC, das an den Somatostatinrezeptor auf den Tumorzellen bindet, ist hier mit 90Yttrium, einem ß-Strahler, gekoppelt. Voraussetzung ist eine ausreichende Knochenmarkreserve und Nierenfunktion. In weiteren Therapielinien kann bei gutem Allgemeinzustand auch Sunitinib und der mTOR-Inhibitor Everolimus eingesetzt werden (s. auch Kap. „Seltene Tumoren des Gastrointestinaltraktes beim alten und geriatrischen Patienten (NET, GIST)“).
Wenig differenzierte neuroendokrine Karzinome
Diese Tumore, zu denen auch die Merkelzellkarzinome gerechnet werden, verhalten sich wie kleinzellige Bronchialkarzinome und werden auch so behandelt (s. Kap. „Lungenkarzinom beim alten und geriatrischen Patienten“): Die Therapie besteht aus einem Platinpräparat, (wobei bei geriatrischen Patienten Carboplatin der Vorzug gegeben werden sollte) in Kombination mit Etoposid. Da mit diesem Protokoll vergleichsweise hohe Remissionsraten erzielt werden, die die Lebensqualität, aber auch die Lebensdauer deutlich verbessern können, sollte die Therapieindikation eher großzügig gestellt werden.

Keimzelltumor

Extragonadale Keimzelltumore/Keimzell-CUP
Sie sind selten und treten typischerweise eher bei jüngeren Patienten auf (was sich auch im Fehlen eines entsprechenden Kapitels [Hodentumore] in der Sektion Urologie in diesem Buch widerspiegelt). Cisplatin- und Etoposid-haltige Protokolle wie PEB und PEI werden hier mit sehr guten Ansprechraten eingesetzt, sind aber auch so toxisch, dass, sie beim geriatrischen Patienten nicht in der Standarddosierung eingesetzt werden sollten.

Weitere CUP-Manifestationen

Die übrigen CUP-Manifestationen werden als prognostisch ungünstige CUP-Syndrome (im angelsächsischen Sprachgebrauch als poor prognosis CUP) zusammengefasst und machen leider mehr als 70 % der Fälle aus.
Wiederum den größten Teil dieser Gruppe stellen Adenokarzinome und undifferenzierte Karzinomen dar.
Zur Anwendung kommen hier platinhaltige Kombinationen, wobei das in Deutschland am häufigsten verwendete Schema Carboplatin/Taxol sein dürfte. Cisplatin/Gemzitabine wird ebenfalls verwendet, wobei Carboplatin gegenüber Cisplatin bei älteren Menschen Vorteile hat: es wird nach der gemessenen Nierenfunktion dosiert und benötigt nicht die umfangreiche Hydration, die bei älteren, oft herzinsuffizienten Patienten leicht zur Dekompensation führen kann. Noch weniger toxisch ist sicherlich Gemzitabine mono.
Lymphknotenmetastasen eines Plattenepithelkarzinoms mit anderer Lokalisation oder Organmetastasen eines Plattenepithelkarzinoms dürften größtenteils auf Lungenkarzinome zurückzuführen sein. Sie werden, falls klinisch möglich, mit einem klassischen CUP-Schema oder mit Platin/5-FU behandelt.
Belastbare Daten zu geriatrischen Patienten existieren wenige. Erwähnt werden muss aber, dass therapeutischer Nihilismus auch bei älteren Patienten mit dieser Erkrankung nicht gerechtfertigt ist: Löffler et al. schreiben in ihrer retrospektiven Beobachtung über die CUP Patienten, die sich am NCT vorgestellt haben, dass sich zwar der ECOG-Status als relevanter Prognosefaktor herausgestellt hat, nicht aber das Alter per se. (Löffler et al. 2014).
Einschränkend muss aber erwähnt werden, dass die geriatrische Komorbidität, die mit speziellen Indices gemessen werden kann (s. Kap. „Komorbiditäten unter geriatrischen Aspekten“), sehr wohl prädiktiv für CUP-Patienten ist (Seve et al. 2006)
Literatur
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Löffler H, Puthenparambil J, Hielscher T, Neben K, Krämer A (2014) Patients with cancer of unknown primary. A retrospective analysis of 223 patients with adenocarcinoma or undifferentiated carcinoma. Dtsch Arztebl Int 111(27–28):481–487. https://​doi.​org/​10.​3238/​arztebl.​2014.​0481 PubMedPubMedCentral
Møller AK, Loft A, Berthelsen AK, Pedersen KD, Graff J, Christensen CB, Costa JC, Skovgaard LT, Perell K, Petersen BL, Daugaard G (2012) A prospective comparison of 18F-FDG PET/CT and CT as diagnostic tools to identify the primary tumor site in patients with extracervical carcinoma of unknown primary site. Oncologist 17(9):1146–1154, Epub 18.06.2012CrossRefPubMedPubMedCentral
Munding J, Tannapfel A (2013) Pathologie des CUP-Syndroms. Onkologe 19:15–21
Randen M, Rutquist LE, Johansson (2009) Cancer patients without a known primary: incidence and survival trends in Sweden 1960–2007. Acta Oncol 48:915–920CrossRefPubMed
Seve P, Sawyer M, Hanson J, Broussolle C, Dumontet C, Mackey JR (2006) The influence of comorbidities, age, and performance status on the prognosis and treatment of patients with metastatic carcinomas of unknown primary site: a population-based study. Cancer 106(9):2058–2066CrossRefPubMed