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Geriatrische Onkologie
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Publiziert am: 06.05.2017

Pleuramesotheliom beim alten und geriatrischen Patienten

Verfasst von: Martin Steins, Martin Eichhorn und Michael Thomas
Aufgrund der zumeist Jahrzehnte langen Latenzzeit von der Asbestexposition als den auslösenden Hauptrisikofaktor bis zur eigentlichen Krankheitsmanifestation sind vorzugsweise ältere Patienten im 6.–8. Lebensjahrzehnt von einem Pleuramesotheliom betroffen. Dies erfordert in der klinischen Praxis altersadaptierte Verfahren von der Diagnostik, im Weiteren über die palliative Pleuraerguss-Entlastung mittels eingelegtem Pleura-Dauerkatheter oder mit Talkum-Pleurodese bis hin zu operativen Resektionen in Form der Pleurektomie und Dekortikation. Systemtherapeutisch steht seit 2004 der Multi-Target-Enzyminhibitor Pemetrexed als Antifolat im Vordergrund der therapeutischen Bemühungen in Kombination mit Platin-Derivaten oder als Monotherapeutikum. Bei Tumorrezidiven und/oder Progredienz kann abhängig von Allgemeinzustand und Patientenwunsch auf Gemcitabine oder Vinorelbin zurückgegriffen werden.

Einleitung

Da das Pleuramesotheliom typischerweise ein Krebsleiden ist, das ätiologisch häufig erst Dekaden nach einer Asbestexposition auftritt, bewegt sich der Altersgipfel zwischen dem 6. oder 7. Lebensjahrzehnt der betroffenen Patienten (Abb. 1). In etwa 90 % der Erkrankungsfälle kann eine stattgehabte Exposition gegenüber Asbest eruiert werden, zumeist mit Rahmen einer vorherigen beruflichen Tätigkeit. Eine Meldung an die zuständige Berufsgenossenschaft ist bei Verdacht auf eine Asbest-bedingte Berufskrankheit ärztlicherseits obligat, das durch Asbest verursachte, maligne Pleuramesotheliom wird in der Liste der Berufskrankheiten unter der BK-Ziffer 4105 geführt. Die berufsgenossenschaftliche Anerkennung erfolgt mit histologischem Nachweis des Pleuramesothelioms und unabhängig vom Nachweis einer bestimmten Anzahl von Asbestfaserjahren, da bereits kurze Expositionen in der Vergangenheit eine Mesotheliomentstehung induzieren können. Auch Familienangehörige von Asbestexponierten können z. B. über die Kontamination der Arbeitskleidung erkranken. Klinisch sind für das Pleuramesotheliom Dyspnoe, vor allem aufgrund von Pleuraergüssen, und thorakale Schmerzen charakteristisch. Therapeutisch können auch bei älteren Patienten sowohl chirurgische Interventionen wie auch systemtherapeutische Maßnahmen angewandt werden, zusätzlich können vor allem zur Schmerzbehandlung lokal strahlentherapeutische Behandlungen zur Anwendung kommen. Prognostisch sind nach einer italienischen Erhebung an über 240 älteren Mesotheliom-Patienten mit einem kürzeren Überleben zum einen tumorspezifische Charakteristika assoziiert, wie nicht-epitheloide Histologie (Hazard Ratio [HR] 2,32; 95 % Confidence-Intervall [CI]: 1,66–3,23, p < 0,001), fortgeschrittenes Tumorstadium (HR 1,47, 95 % CI: 1,09–1,98, p = 0,011), zum anderen sind es patientenseitige Faktoren, und zwar höheres Alter ≥75 Jahre (HR 1,44, 95 % CI: 1,08–1,93, p = 0,014) wie auch ein erhöhter Charlson-Komorbiditätsindex ≥1 (HR 1,38, 95 % CI: 1,02–1,85, p = 0,034) (Ceresoli et al. 2014).

Chirurgische Therapieoptionen beim Pleuramesotheliom

Lokale Verfahren zur Ergussentlastung

Die chirurgischen Therapieverfahren bei alten und geriatrischen Patienten können in Eingriffe mit diagnostischer, zytoreduktiver oder palliativer Zielsetzung unterteilt werden. Insbesondere bei alten und geriatrischen Patienten müssen die möglichen chirurgischen Therapieoptionen sorgfältig abgewogen werden, die Indikationen sind unter besonderer Berücksichtigung der zu erwartenden Lebensqualität und des Patientenwunsches zu stellen. Die chirurgische Therapie von Patienten mit vermutetem oder bereits gesichertem Pleuramesotheliom sollte grundsätzlich an ausgewiesenen Zentren nach interdisziplinärer Falldiskussion erfolgen.
Trotz hohem Alter und typischen geriatrischen Komorbiditäten können moderne, meist minimalinvasive, thoraxchirurgische Techniken oftmals zur raschen primären Diagnosesicherung und symptomatischen Therapie wesentlich beitragen (Baas et al. 2015). Bei vorliegender rezidivierender Ergussproblematik kann mittels Videothorakoskopie eine vollständige Ergussentlastung erzielt werden. Gleichzeitig können repräsentative Proben der parietalen Pleura zur histologischen Diagnosesicherung entnommen werden.
Zur palliativen Behandlung des Pleuraergusses ist bei noch ausdehnungsfähiger Lunge die zeitgleiche Durchführung einer Talkumpleurodese die Therapie der Wahl.
Thorakoskopie-Aufnahmen bei Mesotheliombefall, Pleuraerguss und Talkumpleurodese, s. Abb. 2
Bei nicht ausdehnungsfähiger Lunge oder hohen Ergussfördermengen empfiehlt sich die zusätzliche Einlage einer kleinlumigen, subkutan getunnelten Silikondrainage.
Ein solches Vorgehen mittels Pleura-Dauerkatheter (s. Abb. 3).ermöglicht eine intermittierende Ergussdrainage auch ambulant im häuslichen Umfeld und kann bei sachgemäßem Gebrauch über mehrere Wochen verwendet werden. Die Einlage der getunnelten Silikondrainage kann bei reduziertem Allgemeinzustand und zu großem Risiko einer Allgemeinanästhesie auch problemlos in Lokalanästhesie erfolgen.

Chirurgische Resektionsverfahren

Ausgedehnte Eingriffe mit potentieller kurativer Zielsetzung wie die erweiterte extrapleurale Pneumonektomie (EPP) mit Zwerchfell- und Perikardresektion sind bei alten und geriatrischen Patienten aufgrund der mit der Operation assoziierten Morbiditäts- und Letalitätsraten nicht indiziert.
Bei alten Patienten mit gutem Allgemeinzustand und geringer Tumorlast kann als Eingriff mit zytoreduktiver Zielsetzung eine erweiterte Pleurektomie und Dekortikation (P/D) durchgeführt werden.
Bei diesem Eingriff erfolgt eine Pleurektomie der tumorbefallenen, parietalen Pleura sowie Dekortikation und Resektion der befallenen, viszeralen Pleura. Bei Tumorbefall des Zwerchfells oder Perikards kann der Eingriff durch eine Zwerchfellresektion und ggf. Perikardresektion mit alloplastischem Ersatz erweitert werden. Lungenparenchymresektionen werden bei der erweiterten P/D (Pleurektomie/Dekortikation) in der Regel nicht durchgeführt, so dass postoperativ keine ausgedehnte Einschränkung der Lungenfunktion und damit der Lebensqualität zu erwarten ist. Neben der makroskopisch möglichst kompletten Reduktion der Tumorlast wird durch die als Folge der ausgedehnten Pleurektomie stattfindenden Pleurodese auch eine langfristige Kontrolle symptomatischer Pleuraergüsse erzielt. Bestandteil neuer experimenteller Therapiekonzepte stellt derzeit zusätzlich auch die hypertherme intrathorakale Chemoperfusion (HITOC) dar, um die lokale Tumorkontrolle nach zytoreduktivem Eingriff weiter zu verbessern. Hierbei erfolgt nach abgeschlossener P/D eine Perfusion der Thoraxhöhle mit 42 °C warmer Cisplatin-Lösung. Bei normgerechter Nierenfunktion bestehen auch bei alten Patienten in gutem Allgemeinzustand keine grundsätzlichen Kontraindikationen gegen dieses additive lokale Therapieverfahren.

Systemtherapeutische Optionen beim Pleuramesotheliom

Medikamentöse Erstlinientherapie

Mit der Phase III-Zulassungsstudie von Pemetrexed aus dem Jahre 2003 ist der Antimetabolit und Folsäure-Antagonist für die systemische Erstlinientherapie des malignen Pleuramesothelioms in Kombination mit Cisplatin die Therapie der ersten Wahl (Vogelzang et al. 2003). In der klinischen Praxis wird allerdings in der geriatrischen Onkologie in Analogie zur Lungenkarzinom-Therapie das nebenwirkungsreichere Cisplatin zumeist gegen Carboplatin ausgetauscht, ohne dass hierbei ein signifikanter Wirkverlust befürchtet werden müsste (Santoro et al. 2008). Eine gepoolte Analyse aus zwei Phase II-Studien verglich hierzu in einem Patientenkollektiv von insgesamt 178 Mesotheliom-Patienten das Outcome der jüngeren (<70 Jahre) mit dem der älteren Subgruppe (≥70 Jahre, 27 % des Kollektivs) (Ceresoli et al. 2008). Zwar fand sich bei den Älteren mit der Carboplatin/Pemetrexed-Kombination eine etwas höhere hämatologische Grad 3/4-Toxizität (Neutropenie 25,0 % versus [vs.] 13,8 %, p = 0,11; Anämie 20,8 % vs. 6,9 %, p = 0,01), keinerlei signifikante Unterschiede ergaben sich aber bei den nicht-hämatologischen Nebenwirkungen, in der Zeit bis zur Progression (7,2 Monate für Patienten ≥70 Jahre vs. 7,5 Monate bei <70 Jahre, p = 0,42) oder im medianen Gesamtüberleben (10,7 Monate bei ≥70 Jahre vs. 13,9 Monate bei <70 Jahre, p = 0,12). Im Fall einer Platin-freien Therapienotwendigkeit bietet sich auch die Option einer Pemetrexed-Monotherapie in der üblichen Dosierung von 500 mg/m2 Körperoberfläche i.v. in 3-wöchentlichem Abstand an. Die vorab zitierte, italienische Analyse von 241 älteren Patienten ergab in diesem Zusammenhang auch, dass eine Pemetrexed-basierte Chemotherapie mit einem verlängerten Gesamtüberleben (HR 0,40; 95 % CI: 0,28–0,56, p < 0,001) einhergeht (Ceresoli et al. 2014).

Mehrlinientherapien bei Rezidiv oder Tumorprogredienz

Bei einer Tumorzunahme nach zytostatischer Erstlinientherapie kann – falls bei kürzerem zeitlichen Abstand keine Re-Exposition mit Pemetrexed in Frage kommt – je nach Allgemeinzustand, Komorbiditätsprofil und Patientenwunsch auf Vinorelbin oder Gemcitabine zurückgegriffen werden, vorzugsweise als Monotherapien. Zwar wird für die Zweit- und Drittlinientherapie mit diesen Substanzen nur über marginale Response-Raten berichtet (2 %, 95 % CI: 0–10 %), die Raten zur Krankheitsstabilisierung werden allerdings mit 46 % angegeben und mit einem Gesamtüberleben um 5 Monate korreliert (5,4 Monate für Vinorelbin, 4,9 Monate für Gemcitabine) (Zauderer et al. 2014). Die Prüfung diverser Tyrosinkinaseinhibitoren (Jakobson und Sørensen 2011) oder Histondeacetylase-Hemmstoffe wie Vorinostat (Krug et al. 2015) hat in den Studien bisher zu keiner durchgreifenden Verbesserung der Therapieresultate geführt.

Palliativmedizinische Versorgungskonzepte

Die palliativmedizinische Behandlung von Patienten mit einem Pleuramesotheliom unterscheidet sich prinzipiell nicht von der Betreuung der Lungenkarzinom-Patienten (s. Kap. Lungenkarzinom beim alten und geriatrischen Patienten). Im Vordergrund steht die Therapie der Dyspnoe sowie die Schmerzeinstellung. Diese erfolgt entsprechend der S3-Leitlinie Palliativmedizin vorrangig mittels medikamentöser Opiat-basierter Einstellung (Leitlinienprogramm Onkologie 2015). Eine lokale Radiotherapie kann bei nicht-ausreichender Opiatwirkung zudem zu einer dauerhaften Schmerzlinderung führen. Eine Phase II-Studie mit initial 40 Mesotheliom-Patienten zeigte in diesem Sinn zum gewählten primären Studienendpunkt – 5 Wochen nach Bestrahlungsende – bei 14 von 30 auswertbaren Studienteilnehmern (46,7 %, 95 % CI: 28,3–65,7) eine klinisch signifikante Verbesserung der Schmerzsituation, bei 5 dieser Patienten wird sogar von einer kompletten Response berichtet (MacLeod et al. 2015). Im palliativmedizinischen Setting deckte eine australische Publikation in den Therapieverläufen von 147 ausgewerteten Mesotheliom-Patienten auf, dass die Fortsetzung von chemotherapeutischen Behandlungsversuchen bis zum Lebensende überproportional bei denjenigen Patienten erfolgte, welche bereits in Mehrlinientherapien behandelt worden waren, im Vergleich zu den Patienten, die nur die Erstlinientherapie erhalten hatten (Kao et al. 2013). Bemerkenswert in dieser Palliativsituation ist auch – vergleichbar mit dem Phänomen in der Palliation beim Lungenkarzinom –, dass diejenigen Patienten, welche nicht bis zu ihrem Lebensende tumorspezifisch behandelt worden waren, auch länger überlebten im Unterschied zu den noch innerhalb der letzten vier Wochen vor ihrem Tode chemotherapeutisch Behandelten (12,5 Monate vs. 5,3 Monate, p = 0,01).
Fazit für die klinische Praxis beim malignen Pleuramesotheliom
  • Minimalinvasive, chirurgische Techniken, wie die videoassistierte Thorakoskopie zur Biopsieentnahme und/oder Talkumpleurodese, sowie die Anlage von Pleura-Dauerkathetern zur wiederholten Ergussentlastung bieten sich besonders auch in der geriatrischen Thoraxonkologie an.
  • Älteren Patienten in gutem Allgemeinzustand mit geringer Tumorlast kann auch eine chirurgische Tumorresektion mittels erweiterter Pleurektomie und Dekortikation angeboten werden.
  • Eine Pemetrexed-basierte Chemotherapie, vorzugsweise in Kombination mit einem Platinderivat, stellt die Basis für die Systemtherapie des Pleuramesothelioms dar.
  • Die palliativmedizinische Versorgung umfasst bei Patienten mit einem fortgeschrittenen Pleuramesotheliom vor allem die Kontrolle von Dyspnoe und Schmerzen zusammen mit der psychosozialen Begleitung.
Literatur
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Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Tumorschmerz. In: S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. Langversion 1.0, AWMF-Registernummer: 128/001OL, Stuttgart: Kohlhammer, 2015:58–88. http://​leitlinienprogra​mm-onkologie.​de/​Palliativmedizin​.​80.​0.​html
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Zauderer MG, Kass SL et al (2014) Vinorelbine and gemcitabine as second- or third-line therapy for malignant pleural mesothelioma. Lung Cancer 84:271–274CrossRefPubMedPubMedCentral