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Geriatrische Onkologie
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Publiziert am: 10.04.2017

Spezielle Aspekte der Strahlentherapie bei älteren Patienten

Verfasst von: Frederik Wenz
Die Strahlentherapie ist eine Behandlungsmodalität bei Tumorerkrankungen, welche aufgrund ihrer limitierten systemischen Toxizität eine ausgezeichnete Option für ältere Patienten darstellt. Die Radiotherapie als lokoregionäre Krebstherapieform kann effektiv eingesetzt werden für kurative, prophylaktische, (neo-)adjuvante oder palliative Zwecke. 60 % aller Krebspatienten werden im Laufe ihrer Behandlung einer strahlentherapeutischen Behandlung unterzogen. Obwohl die Strahlentherapie häufig zum Einsatz kommt, gibt es vergleichsweise wenige strahlentherapeutische Studien, welche speziell ältere Patienten einschließen. Dies erklärt teilweise, dass ältere Patienten mit möglicherweise wenig wirksamen, nicht standardisierten Behandlungsschemata behandelt werden.

Allgemeine Überlegungen zur Strahlentherapie bei geriatrischen Patienten

Die Strahlentherapie ist eine Behandlungsmodalität bei Tumorerkrankungen, welche aufgrund ihrer limitierten systemischen Toxizität eine ausgezeichnete Option für ältere Patienten darstellt. Die Radiotherapie als lokoregionäre Krebstherapieform kann effektiv eingesetzt werden für kurative, prophylaktische, (neo-)adjuvante oder palliative Zwecke. 60 % aller Krebspatienten werden im Laufe ihrer Behandlung einer strahlentherapeutischen Behandlung unterzogen. Obwohl die Strahlentherapie häufig zum Einsatz kommt, gibt es vergleichsweise wenige strahlentherapeutische Studien, welche speziell ältere Patienten einschließen. Dies erklärt teilweise, dass ältere Patienten mit möglicherweise wenig wirksamen, nicht standardisierten Behandlungsschemata behandelt werden.
Obwohl daher unbedingt mehr gründliche Studien mit älteren Patienten notwendig sind, gibt es auch Gründe warum aus medizinischer Sicht ältere Patienten generell als schwierig für die strahlentherapeutische Behandlung angesehen werden. Auf der einen Seite ist es schwierig in den Tumorboards einen Konsens über die Behandlungsstrategie zu finden, wenn ausreichend klinische Evidenz fehlt, da die meisten wissenschaftlichen Studien auf jüngere bzw. mittelalte Patienten fokussieren und daher insgesamt eine andere Ausgangssituation mit entsprechender Lebenserwartung und weniger Komorbiditäten vorliegt. Daher gibt es auch einen relativen Mangel an Leitlinien, basierend auf wissenschaftlichen Daten und Fakten, welche auf einer älteren Population beruhen. Auf der anderen Seite ist ein wichtiger Bias dadurch bedingt, dass der menschliche Organismus progredienten physiologischen Veränderungen mit dem Alterungsprozess unterliegt, die man üblicherweise als Seneszenz zusammenfasst. Daher kann es in bestimmten Situationen mit ausgeprägten Komorbiditäten sogar sinnvoll sein eine klar indizierte kurative Behandlung zu unterlassen. Aber es ist auch ein häufig angetroffener konzeptioneller Fehler das Alter direkt mit einer eingeschränkten Toleranz der Patienten gegenüber einer Bestrahlung zu korrelieren, da das biologische Alter doch deutlich vom kalendarischen Alter abweichen kann. Weiterhin gilt es zu berücksichtigen, dass in der älteren Population die Tumorerkrankungen typischerweise weniger aggressiv verlaufen und daher eine strahlentherapeutische Behandlung selbst bei metastasierten Patienten durchaus sinnvoll sein kann.
Die Strahlentherapie nutzt hochenergetische Wellen oder Partikel wie Röntgenstrahlen, Gamma-Strahlen, Elektronen, Protonen oder andere Partikel, um Krebszellen zu schädigen oder zu zerstören, so dass keine weitere Zellteilung oder Ausbreitung möglich ist. Die wesentliche Zielstruktur für die strahlentherapeutischen Behandlung von Tumorerkrankungen ist die zelluläre DNA. Durch Schädigung der DNA entweder durch direkte Wechselwirkung mit der Strahlung oder durch die Radiolyse von Wasser und die hierüber vermittelte indirekte Wechselwirkung mit der DNA können Zellen in ihrem weiteren Teilungsverhalten gestört werden, eine unilimitierte Teilung ist nicht mehr möglich und es erfolgt der mitotische Zelltod. Im Wesentlichen kommen in der konventionellen Strahlentherapie Photonen entweder als Röntgenstrahlen oder als Gamma-Strahlen zum Einsatz. Die Applikation am Patienten erfolgt dann entweder als Teletherapie von außen oder als Brachytherapie indem die Strahlenquellen nahe (griechisch: brachy) an die Zielstruktur heran gebracht werden. Bei der Teletherapie erfolgt die Behandlung typischerweise fraktioniert mit dem Linearbeschleuniger, d. h. dass die Patienten über mehrere Wochen jeweils Montag bis Freitag 1x/Tag bestrahlt werden. Die Brachytherapie kann entweder interstitiell oder intrakavitär, d. h. in präformierten Körperöffnungen oder Körperhöhlen appliziert werden. Die radioaktiven Quellen können bei der Brachytherapie entweder temporär oder permanent vor Ort bleiben. Die optimale Wahl der Behandlungsmodalität hängt vom Tumortyp, der Größe und der Lage ab (Abb. 1 und 2).
Wie jede onkologische Behandlung hat auch die Strahlentherapie ihre speziellen Vorteile. Da es sich um eine lokoregionäre Therapieform mit dem Ziel der lokoregionären Kontrolle handelt, sind die Nebenwirkungen typischerweise lokal limitiert und nur selten systemisch. Schon allein aus diesem Grund ist die Strahlentherapie eine exzellente Behandlungsoption für ältere Patienten. Die meisten älteren Patienten sind während des Aufklärungsgespräches bereits erleichtert, wenn sie darüber informiert werden, dass es nicht zwingend zu Übelkeit, Erbrechen oder Haarverlust kommen muss. Obwohl man bei den modernen strahlentherapeutischen Behandlungsverfahren nur noch selten akute und chronische Nebenwirkungen findet, können auch diese bei älteren Patienten beobachtet werden. Aufgrund der streng limitierten lokalen Ausdehnung des bestrahlten gesunden Gewebes sind die strahlentherapeutischen Nebenwirkungen jedoch typischerweise gut beherrschbar. Mit den neuen Bestrahlungstechniken wie der dreidimensionalen konformalen Bestrahlung, der Intensitäts-modulierten Strahlentherapie (IMRT) sowie der Bild-gestützten Strahlentherapie (IGRT) können kritische Organe typischerweise ausgespart werden und dadurch kann deren Funktion besser erhalten bleiben. Darüber hinaus haben neue Medikamente zu einer besseren Kontrolle der akuten Nebenwirkungssymptome geführt. Teilweise sind Medikamente zugelassen, welche als Radiosensitizer oder als Radioprotektoren wirken.
Die Strahlentherapie hat auch potenzielle Nachteile. Der Hauptnachteil der Strahlentherapie sind die langen Behandlungsserien; speziell bei kurativer Intention kann sich die Behandlungsserie über 6–8 Wochen hinziehen. Speziell bei älteren Patienten kann dadurch eine schwere Fatigue Symptomatik induziert werden. Weil die physiologischen Reserven mit dem Alter abnehmen, kann die posttherapeutische Erholung in der geriatrischen Population verzögert seien. Abhängig von dem Behandlungsvolumen können assoziierte Toxizitäten in der älteren Population teilweise verstärkt auftreten und dadurch die Lebensqualität negativ beeinflussen. Behandlungspausen, eine zusätzliche medikamentöse Therapie oder chirurgische Interventionen gegebenenfalls mit Hospitalisationen können die Folge sein. Als häufigstes Beispiel wird hier die Ganzhirnbestrahlung bei älteren Patienten angeführt, wo die Angst vor neurologischen und kognitiven Folgen bis hin zur Demenz in der Bevölkerung ausgeprägt ist.

Aktuelle Entwicklungen in der Strahlentherapie bei älteren Patienten

Zahlreiche aktuelle Entwicklungen in der Strahlentherapie, der Computerwissenschaft und in der Medizintechnik haben verschiedenste Therapieoptionen speziell für ältere Patienten in die klinische Routine gebracht. Hierbei wird vor allem berücksichtigt, dass die Aggressivität der Behandlung risiko-adaptiert reduziert werden kann, die Normalgewebstoleranz berücksichtigt werden muss und vor allem auch logistische Aspekte für die älteren Patienten durchaus wesentliche Bedeutung für die Therapieentscheidung haben können. Diese Neuentwicklungen in der Strahlentherapie haben ähnlich wie minimal-invasive Operationsverfahren zu einer Reduktion möglicher Nebenwirkungen auf das gesunde Gewebe geführt. Hierdurch können effektive Behandlungsformen speziell bzgl. der Höhe der Bestrahlungsdosis auch in kritischen Körperregionen zum Einsatz kommen. Darüber hinaus wurde Wert darauf gelegt die Behandlungsserien – wenn möglich – zu verkürzen, um speziell die logistischen und sozioökonomischen Herausforderungen für ältere Patienten im Blick zu haben. Im Folgenden sollen anhand einiger repräsentativer Beispiele die Möglichkeiten der modernen Strahlentherapie bei häufigen Tumorerkrankungen älterer Patienten beleuchtet werden.

Intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT)

Die IMRT wurde zu Beginn der 2000er-Jahre in die klinische Routine eingeführt. Durch die inverse Bestrahlungsplanung, die Erhöhung der Einstrahlwinkel sowie die Einstrahlung inhomogener Fluenzen kann eine engere Konformierung der Isodosen an das Zielvolumen und eine Vermeidung von Hotspots erfolgen. Hierdurch kann die Bestrahlungsdosis auf das umliegende Normalgewebe gesenkt werden und dadurch das Nebenwirkungsrisiko (NTCP – normal tissue complication probability) minimiert werden. Für die ältere Patientengruppe ist der Einsatz der IMRT vor allem für die häufigen Tumoren der weiblichen Brust bzw. der männlichen Prostata wichtig. Hier konnte jeweils in großen randomisierten Studien eine signifikante Reduktion der akuten und chronischen Toxizitäten bei exzellenten Tumorkontrollraten gezeigt werden. Mit den modernen Rotations-IMRT Verfahren (z. B. VMAT, rapid arc) konnte auch eine Verkürzung der täglichen Behandlungsdauer auf einige wenige Minuten erreicht werden, was den Patientenkomfort deutlich erhöht (Abb. 3 und 4).
Die bessere Anpassung der Isodosen und damit die Schonung des Normalgewebes erlaubt die Applikation höherer täglicher Einzeldosen und damit ist dies die Basis für verkürzte Behandlungsschemata. Speziell für die älteren Patienten sind verkürzte Behandlungsserien aus logistischen und sozioökonomischen Gründen von fundamentaler Bedeutung und werden häufig in ihrer Tragweite unterschätzt. Die neuen Bestrahlungstechniken, die eine einzige oder einige wenige Applikationen beinhalten (bis zu 5–6 Bestrahlungen) sind geeignete Alternativen für Patienten mit speziellen Tumorerkrankungen z. B. des Gehirns, der Lunge und der Leber. Diese Techniken, die auch als Radiochirurgie, fraktionierte stereotaktische Radiotherapie (FSRT) oder Körperstereotaxie (SBRT – stereotactic body radiotherapy, SABR – stereotactic ablative radiotherapy) bekannt sind, sind speziell für ältere Patienten geeignete Therapiealternativen. Psychosoziale oder kognitive Defizite können die Patientenkooperation über längere Behandlungsserie beeinträchtigen, so dass kurze Serien speziell in dieser Situation vorteilhaft sind.

Verkürzte Behandlungsserien

Beim Mammakarzinom der Frau konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass verkürzte Behandlungsserien zu exzellenten Tumorkontrollraten führen können. Randomisierte Studien aus England und Kanada (z. B. START A und B – STAndardisation of RadioTherapy) applizierten 15–16 Bestrahlungsfraktionen über 3 Wochen auf die gesamte weibliche Brust im Gegensatz zu 30–35 Fraktionen in der Standard-Therapie. Die Langzeitergebnisse über 10 Jahre zeigten Lokalrezidivraten von weniger als 5 %. Die extreme Verkürzung der Radiotherapie beim Brustkrebs ist die intraoperative Radiotherapie (IORT) bei der eine einzige hohe Bestrahlungsdose von ca. 20 Gy schon während der brusterhaltenden Operation in die Resektionshöhle hinein gegeben wird. Verschiedene randomisierte Studien (z. B. TARGIT, ELIOT) konnten den Stellenwert der IORT beim Mammakarzinom untermauern. Die Lebensqualität speziell bei älteren Patientinnen ist exzellent bei exzellentem kosmetischem Ergebnis.
Beim Prostatakarzinom des Mannes liegen die ersten Ergebnisse der Hypofraktionierungsstudien vor. Man untersuchte hier eine Verkürzung der Behandlungsserie von ca. 7 Wochen auf 3–5 Wochen mit etwas höheren täglichen Bestrahlungsdosen. Eine abschließende Beurteilung ist hier im Gegensatz zum Brustkrebs noch nicht möglich. Die ersten Auswertungen deuten möglicherweise auf ein geringgradig erhöhtes Nebenwirkungsrisiko der verkürzten Behandlungsserien hin. Weitere Auswertungen mit längerer Nachsorgezeit sind zur abschließenden Beurteilung sicherlich noch notwendig. Auch beim Prostatakarzinom steht eine Therapieoptionen mit einmaliger Bestrahlung zur Verfügung. Die Implantation von radioaktiven Seeds (Jod-125 oder Palladium-103). Die kleinen radioaktiven Stäbchen werden Ultraschall-gestützt über einen transperinealen Zugang mit langen Hohlnadeln in die Prostata eingebracht, verbleiben dauerhaft in der Prostata und geben die Bestrahlungsdosis mit niedriger Dosisrate über mehrere Monate ab. Das Nebenwirkungsprofil ist sehr günstig und die Patienten können nach einem kurzstationären Aufenthalt wieder in die häusliche Umgebung entlassen werden.
Die Körperstereotaxie (SBRT) mit 3–5 Bestrahlungssitzungen kommt beim Lungenkrebs oder Lungenmetastasen (s. Abb. 3), speziell bei geriatrischen Patienten zunehmend zum Einsatz. Handelt es sich nach Staging mit FDG PET-CT um eine lokalisierte Erkrankung, dann stellt die SBRT eine gute Therapiealternative zur Operation speziell bei Patienten mit kardio-pulmonalen Komorbiditäten dar. Das Therapieprinzip beruht darauf, dass in Atemanhaltetechnik gearbeitet werden kann und dadurch Sicherheitssäume deutlich verringert werden können. Bereits das Bestrahlungsplanung-CT erfolgt unter kontrolliertem Atemanhalt. Die Bestrahlungsplanung berücksichtigt einen minimalen Sicherheitssaum aufgrund der fehlenden, „eingefrorenen“ Organbeweglichkeit. Ein scharfer Dosisabfall um das Zielvolumen herum führt zur Schonung des gesunden Lungengewebes. Die Bestrahlung erfolgt dann am speziell ausgerüsteten Linearbeschleuniger mit Cone-Beam CT erneut in Atemanhaltetechnik. Zunächst wird der Patient gelagert und in Atemanhaltetechnik ein Cone-Beam CT in Bestrahlungsposition unmittelbar vor der Bestrahlung akquiriert. Dieses CT stellt die „Ist“-Position des Tumors dar, welche mit der „Soll“-Position aus der Bestrahlungsplanung überlagert wird. Mögliche Fehlpositionen oder Verschiebungen können mit Millimeter-Präzision korrigiert werden, bevor dann die Bestrahlung erneut in Atemanhaltetechnik appliziert wird. Hierbei werden sowohl Bildgebung als auch Strahlapplikation in 15 sec Atemanhalteblöcke unterteilt, da selbst ältere Patienten mit pulmonalen Komorbiditäten problemlos 15 sec den Atem anhalten können. Diese nichtinvasive, ambulant durchführbare Technik führt in über 90 % zur lokalen Kontrolle des bestrahlten Lungentumors.

Physiologische Aspekte älterer Patienten und deren Einfluss auf die Bestrahlung

Systematische Studien und überzeugende translationale Daten zu den speziellen physiologischen Aspekten der Seneszenz und deren Bedeutung für die strahlentherapeutische Behandlung liegen leider nicht vor. Vieles was im Folgenden diskutiert wird beruht daher auf Überlegungen, theoretischen Konzepten, Analogieschlüssen und Einzelfallberichten.
Die limitierten Reserven des kardiovaskulären Systems stellen eine besondere Herausforderung für die älteren Tumorpatienten dar. Klinisch relevante kardiovaskuläre Komorbiditäten werden mit zunehmendem Alter häufiger und speziell die häufig eingesetzten chemotherapeutischen Medikamente (z. B. Anthrazykline) oder monoklonale Antikörper (z. B. Herceptin) können spezielle kardiotoxische Wirkungen entfalten. Literaturdaten zu den Bestrahlungseffekten auf das Herz stammen vor allem von alten Brustkrebs- oder M. Hodgkin Serien. Hier konnte gezeigt werden, dass bei Überschreiten der Toleranzdosis am Herzen Herzrhythmusstörungen, coronare Herzkrankheiten oder Kardiomyopathien beobachtet werden können. Mit modernen Behandlungstechniken lassen sich die Bestrahlungsdosen für das Herz deutlich absenken, so dass in den aktuelleren Behandlungsserien z. B. beim Brustkrebs keine messbare Kardiotoxizität mehr beobachtet wurde. Interessanterweise ist die wichtigste Zielstruktur für die bestrahlungsinduzierte Kardiotoxizität weiterhin unklar, so dass die derzeitige Empfehlung dahingehend lautet, sowohl die größeren Äste der Herzkranzgefäße als auch den Herzmuskel weitestgehend zu schonen.
Zunehmend beobachten wir Patienten mit Herzschrittmachern oder implantierten Defibrillatoren/Cardiovertern (ICD), die zur strahlentherapeutischen Behandlung vorgestellt werden. Die Exposition solcher Geräte mit ionisierender Strahlung und/oder die Wirkung der elektromagnetischen Felder des Linearbeschleunigers können mit der Funktion interferieren und dadurch Gesundheitsrisiken für den Patienten erzeugen. Den Empfehlungen der Hersteller sowie den Leitlinien der Fachgesellschaften (z. B. DEGRO) ist unbedingt Folge zu leisten, da ansonsten plötzlich und unerwartete Fehlfunktionen auftreten können. Eine direkte Exposition der implantierten Geräte ist immer zu vermeiden und wenn möglich sollte die Bestrahlungsenergie so niedrig wie möglich gewählt werden. Weiterhin gilt es bestimmte zusätzliche Überwachungsmöglichkeiten für die Patienten sowohl während als auch nach der Therapie zu etablieren.
Für den Gastrointestinaltrakt gilt, dass funktionelle Änderungen in den Schleimhautprotektionsmechanismen, die älteren Patienten einer geringeren Toleranz gegenüber der Strahlentherapie unterwerfen, mit einer höheren Suszeptibilität für Mukositis Episoden und deren negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität. Starke und stärkste Schleimhautreaktionen in der Mundhöhle und dem oberen Gastrointestinaltrakt werden häufig bei Bestrahlung von Kopf-Hals-Tumoren beobachtet. Schmerzen und Schluckbeschwerden können zu Schwierigkeiten bei der Ernährung mit Gewichtsverlust führen, so dass frühzeitig supportive Maßnahmen bis hin zur PEG Anlage diskutiert werden sollten. Ungeplante Therapiepausen gilt es unbedingt zu vermeiden. Neben den Basismaßnahmen wie Mundhygiene, Vermeidung von Irritationen (z. B. Alkohol, Rauchen, Zahnprothesen) und einer spezialisierten Zahnpflege mit regelmäßiger Fluoridierung, kann mit entsprechenden Bestrahlungstechniken wie z. B. der IMRT eine Speicheldrüsenschonung in Betracht gezogen werden, um die Xerostomie zu reduzieren (Abb. 5). Die Begrenzung der Bestrahlungsfelder auf den makroskopischen Tumor ist vor allem im Bereich des oberen und unteren Abdomens relevant zur Begrenzung der gastrointestinalen Nebenwirkungen. Hier kann auch z. B. durch den Einsatz der Strahlentherapie vor der Operation d. h. im neoadjuvanten Setting eine Reduktion der Bestrahlungsfolgen typischerweise erreicht werden.
Bzgl. der Lunge und der Atemwege kann es schwierig sein die normalen altersbedingten Veränderungen, welche teilweise physiologisch und teilweise bedingt durch chronische Exposition gegenüber Noxen, wie z. B. Tabakrauch, Abgase, Umweltverschmutzung oder infektiösen Agentien hervorgerufen werden, ätiologisch auseinander zu halten. Nichts desto trotz ist es eine Tatsache, dass durch den Alterungsprozess eine Vielzahl von physiologischen Veränderungen stattfindet, welche im Wesentlichen zu einer erniedrigten Toleranz älterer Patienten gegenüber zusätzlichen Belastungen wie Infektionen, zytotoxischen Medikamenten und ionisierender Strahlung führt. Solche physiologischen Veränderungen beinhalten sowohl strukturelle Änderungen der Brustkorbgeometrie und -mechanik sowie funktionelle Änderungen der Regulationsmechanismen der Respiration. Darüber hinaus finden sich Veränderungen der lokalen Abwehrmechanismen, welche mit den typischen Alterserkrankungen wie chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) und mit typischen Effekten der Bestrahlung wie posttherapeutische Pneumonitis oder Fibrose assoziiert sein können. Speziell die akuten und chronischen Strahlenfolgen können in Verbindung mit den vorbestehenden Einschränkungen der pulmonalen Reserve zu einer klinischen Dekompensation der älteren Patienten führen. Es gilt daher bei der Planung einer strahlentherapeutischen Behandlung streng die Lungen-Toleranzdosen und -Toleranzvolumina im Blick zu halten. Mit modernen Bestrahlungstechniken, die es erlauben in Atemanhaltetechnik verringerte Sicherheitsabstände einzuplanen, kann jedoch häufig auch bei älteren komorbiden Patienten eine kurative Strahlendosis appliziert werden und diesen Patienten mit hohem Operationsrisiko eine gute Therapieoption zur Verfügung gestellt werden.
Die alternden Nieren werden charakterisiert durch morphologische Veränderungen wie Abnahme des Organgewichts und des Organvolumens, einer Abnahme der Dicke der Nierenrinde mit Arteriosklerose und Intimaverdickung der intrarenalen Gefäße, einer Glomerulosklerose und einer interstitiellen Fibrose mit lokaler Gewebsinfiltration durch Entzündungszellen. Diese physiologischen Veränderungen führen typischerweise zu einer Reduktion der tubulären Funktion, der glomerulären Filtrationsrate und der Aktivität des Renin-Angiotensin-Systems. All diese Veränderungen führen zu einer zunehmenden Schwierigkeit des älteren Patienten Flüssigkeitsvolumina und Elektrolyte zu regulieren, erhöhen das Risiko der Intoleranz gegenüber onkologischen Behandlungen, speziell zu einer erhöhten Toxizität der Chemotherapie. In Bezug auf die Radiotherapie gilt es speziell in Kombination mit nephrotoxischen Medikamenten wie z. B. Cisplatin die bestrahlten Nierenvolumina so niedrig wie möglich zu halten (Abb. 5).
Die Strahlentherapie spielt eine wichtige Rolle in der Behandlung primärer und sekundärer Hirntumore sowohl in kurativer als auch in palliativer Intention. Unglücklicherweise zeigt sich die Mehrzahl der ZNS Neoplasien mit einem hohen Aggressivitätspotenzial, schweren klinischen Ausfallserscheinungen und falls nicht tödlich verlaufend so jedoch häufig assoziiert mit einem hohen Risiko für neurologische oder neurokognitive Defizite. Es ist allgemein bekannt, dass zusätzlich zu den deletären Auswirkungen der Erkrankung selbst, die Radiotherapie als ein Risikofaktor für Komplikationen gilt. Allerdings gilt es auch zu berücksichtigen, dass die Chemotherapie, sowie auch viele der neueren gezielten Medikamente, schlecht bis gar nicht durch die Bluthirnschranke penetrieren, so dass die strahlentherapeutische Behandlung einen hohen Stellenwert hat. In ausgewählten Patientengruppen, wie z. B. Patienten mit primärem ZNS Lymphomen, vermutet man eine erhöhte intrinsische Empfindlichkeit gegenüber der Entwicklung von Strahlenfolgen. Neben der Erkrankung und der Radiotherapie gelten speziell noch weitere Frakturen als Auslöser für neurokognitive Defizite bei älteren Patienten, wie z. B. die Operation am Gehirn, Chemotherapie und Komedikation z. B. Steroide, klinische Komorbiditäten, wie z. B. Diabetes mellitus und Hypertonus sowie vieles andere mehr. Häufig ist es daher schwierig eine differenzialdiagnostische Unterscheidung bzgl. der Ätiologie zu treffen. Physiologische Veränderungen, die im Alter beobachtet werden können wie z. B. eine Verminderung des zerebralen Blutflusses und des zerebralen Metabolismus sowie eine reduzierte Perfusionsreserve, neuronale Atrophie und dementielle Erkrankungsbilder prädisponierenden zu einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber zusätzlichen Belastungen durch onkologische Therapieformen.
Die Strahlenfolgen am ZNS werden eingeteilt in akute, subakute und chronische Strahlenfolgen. Die akuten Strahlenfolgen manifestieren sich noch während der Behandlungsserie mit den Symptomen eines verstärkten perifokalen Ödems und werdend entsprechend der typischen Hirndrucktherapie antiödematös behandelt. Subakute Strahlenfolgen treten typischerweise 6–8 Wochen nach Radiotherapie auf und können sich in einer diffusen Verlangsamung, einer verstärkten Fatigue bis hin zu stuporös, komatösen Krankheitsbildern entwickeln. Die chronischen Strahlenfolgen können entweder als diffuse Leukenzephalopathie oder als fokale Radionekrose mit den entsprechenden unspezifischen kognitiven oder fokalen neurologischen Ausfällen manifestieren. Es gilt daher vor allem bei der Bestrahlung am zentralen Nervensystem die Dosisvolumen-Restriktionen zur Vermeidung von Strahlenspätfolgen bei der Bestrahlungsplanung zu berücksichtigen (Abb. 7).
Dem muskulo-skelettalen System wird häufig im Rahmen der onkologischen Behandlung wenig Bedeutung zugemessen. Gerade die Muskeln, Knochen und Gelenke zeigen jedoch starke altersabhängige Veränderungen. Die Abnahme der Muskelmasse und -kraft sowie die Zunahme des Fettgewebes sind typische Konsequenzen der Alterung, ebenso wie der Verlust an Knochenmasse mit einer höheren Inzidenz der Osteoporose vor allem bei Frauen ab der Menopause. Erschwerend findet man bei älteren Patienten die typische Verschlechterung des Gleichgewichtssystems sowohl des vestibulären, des zerebellären und des propriozeptive Anteils. Dies ist assoziiert mit einer erhöhten Fallneigung und der entsprechenden Frakturhäufigkeit. Obwohl es keine direkte Korrelation zwischen der Bestrahlungsbehandlung mit typischerweise genutzten Dosen und dem Risiko von muskulo-skelettalen Komplikationen gibt, gilt es bei bestimmten Patientengruppen eine erhöhte Aufmerksamkeit diesem Organsystem zu widmen. So sollte bei einer Bestrahlung des Prostatakarzinoms oder des Zervixkarzinoms die Dosis an den Hüftgelenken und den proximalen Femora limitiert werden, zumal die antihormonelle Therapie sowohl bei Mann als auch bei der Frau zu einem beschleunigten Knochenmineralverlust mit erhöhtem Frakturrisiko führen kann. Dies kann zumindest theoretisch durch eine Bestrahlung verstärkt werden.
Die funktionellen Defizite im hämatopoetischen und Immunsystem haben bei Gesunden älteren Menschen praktisch kaum physiologische Bedeutung. Die Abnahme im Hämoglobinspiegel, der Knochenmarkszellularität, sowie der Funktionalität von Lymphozyten und Monozyten hat für die Lebensqualität im täglichen Leben kaum Auswirkungen bei gesunden älteren Mitmenschen. Allerdings muss man berücksichtigen, dass gerade die eingeschränkte Knochenmarksreserve ältere Patienten, die eine tumorspezifische Therapie wie Radiochemotherapie erhalten ein erhöhter Risikofaktor darstellt. Schwere Myelotoxizität mit Panzytopenie sowie dem Risiko für Infektionen und Blutungen bis hin zur Sepsis und zum Tod sind keine Seltenheit. Weiterhin kann eine Anämie mit niedrigem Hämoglobinspiegel die Wirksamkeit einer onkologischen Therapie negativ beeinflussen und sollte daher gegebenenfalls prätherapeutisch kompensiert werden.
Zusammenfassung
Im Hinblick auf die globale demographische Entwicklung mit Alterung der Bevölkerung – speziell der Kohorte an Patienten mit Tumorerkrankungen – sollte Strahlentherapie als hochgradige Herausforderung für das Gesundheitssystem erkannt werden. Es wird sowohl zu einer vermehrten Nachfrage nach Behandlung in quantitativen Aspekten kommen, als auch eine erhöhte Qualität der Behandlung aufgrund der speziellen physiologischen Einschränkungen bedingt durch die Alterungsprozesse gefordert werden. Die neuen fokussierten Präzisionsbestrahlungstechniken mit erniedrigter Dosis am Normalgewebe, sowie die verkürzten Behandlungsserien stellen eine optimale lokoregionäre Behandlungsoption für ältere Patienten mit Tumorerkrankungen dar, speziell wenn aufgrund von Komorbiditäten operative Behandlungen ausscheiden.