Einleitung
Das
Zervixkarzinom ist eine der häufigsten Karzinomerkrankungen der Frau. In den Entwicklungsländern ist das Zervixkarzinom nach wie vor die zweithäufigste Krebserkrankung der Frau (Jemal et al.
2011). In den entwickelten Ländern wiederum ist das Zervixkarzinom die vierthäufigste Krebserkrankung und das zweithäufigste gynäkologische Malignom der Frau. Das Zervixkarzinoms ist durch eine zweigipflige Altersverteilung charakterisiert mit Altersgipfel zwischen dem 30.– 39. und 60.–69. Lebensjahr. Typisch für diese Altersgruppe ist, dass periodische Krebs-Vorsorgeuntersuchungen immer weniger in Anspruch genommen werden, was gerade beim Zervixkarzinom die Früherkennung beeinträchtigt. Folgen dieser Einstellung sind die späte Diagnose im fortgeschrittenen Krankheitsstadium. Bei einem ständigen Wachstum der Population der Frauen die 65 Jahre und älter sind, wird erwartet, dass Zervixkarzinome in dieser Altersgruppe zunehmen werden. Aktuell sind mehr als 40 % der an Zervixkarzinom gestorbenen Frauen älter als 65 Jahre.
Obwohl die meisten altersrelevanten Änderungen ab einem Alter zwischen 65 und 70 Jahre auftreten, wird die Definition von „alt“ in der medizinischen Literatur auch in Bezug auf das
Zervixkarzinom uneinheitlich angegeben (Balducci
2000). Die meisten Autoren sind sich darin einig, dass bei der Behandlung älterer Patienten mit Zervixkarzinom eine Differenzierung zwischen dem „chronologischen“ von dem „biologischen“ Alter vorgenommen werden soll.
Bei der Definition „ältere oder alte Patientin“ sind Komorbiditäten, kognitive Veränderungen, körperliche und mentale Depression, Polypharmazie, Ernährungsstatus und die soziale Abhängigkeit in Betracht zu ziehen, weil diese Faktoren die
Toleranz der Patientin gegenüber der Diagnostik und Therapie beeinflussen können.
Die „Gebrechlichkeit“ der Patientinnen hat zahlreiche Ursachen und wird durch eine Reduktion der Kraft, der Belastungsausdauer und der physiologischen Funktionen charakterisiert (Cesari et al.
2016). Sie kann zu einer personellen Abhängigkeit und sogar zum Tode führen. Aktuell werden verschiedene Hilfsmittel genützt, um diese Vulnerabilität der Patienten zu bestimmen.
Symptome und Untersuchung
Die meisten Patientinnen mit einem
Zervixkarzinom besuchen den Arzt wegen einer Blutungsstörung wie Menometrorrhagie
, Kontaktblutungen und Postmenopausenblutungen. Bei den älteren Patientinnen ist die Postmenopausenblutung in mehr als der Hälfte der Fälle das führende Symptom (Fox et al.
2008). Weniger als 15 % der Patientinnen klagen über
Bauchschmerzen,
Fluor vaginalis, Flankenschmerzen (Harnstau), ein-, seltener beidseitiges Beinödem und Dysurie (
Harnwegsinfektionen). In den restlichen Fällen wird die Diagnose bei der Vorsorgeuntersuchung oder sogar als Zufallsbefund gestellt (Fox et al.
2008).
Ältere Frauen suchen einen Gynäkologen auf, wenn sie Beschwerden haben. Da frühe
Zervixkarzinome in der Regel asymptomatisch sind, handelt es sich dabei zumeist um Spätsymptome, d. h. einen Hinweis auf eine bereits fortgeschrittene Erkrankung. Ähnlich wie bei jüngeren Frauen korreliert auch hier die Länge des Intervalls seit der letzten Vorsorgeuntersuchung mit dem fortgeschrittenen Stadium der Tumorerkrankung (Fox et al.
2008; Ioka et al.
2005).
Die Gründe für die Spätvorstellung sind gesundheitlicher und psychosozialer Natur: z. B. bestehende vaginale Atrophie,
Gelenkschmerzen, Gelenkoperationen, Schamgefühl, abnehmende oder fehlende sexuelle Aktivität, Glaube, dass „die gynäkologische Untersuchung etwas für Jüngere sei“, usw. Bei jeder vaginalen Blutung sollte man an eine Makrohämaturie denken, die in diesem Alter einer der häufigsten Differentialdiagnosen darstellt. Weiterhin sind auch gut- und bösartige Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts in Betracht zu ziehen.
Die Diagnostik beim Verdacht auf ein
Zervixkarzinom sollte bei älteren Frauen in gleicher Weise wie bei jüngeren Frauen stattfinden. Als Besonderheit ist die im Alter häufig vorhandenen Atrophie und Stenose des Introitus und der Vagina zu nennen, die eine Spekulumeinstellung schmerzhaft oder gar unmöglich machen, so dass die Sicht auf die Zervix („Portio“ = portio vaginalis uteri) beeinträchtigt wird. Bei auffälligem zytologischem
Abstrich oder bei suspekter Portio ist eine Probeentnahme zur histologischen Sicherung empfohlen. Bei älteren Patientinnen mit verschiedenen Komorbiditäten ist die Einnahme blutverdünnender Medikamenten relativ häufig und eine Umstellung von Cumarinderivaten auf Heparin bzw. eine Therapiepause kann notwendig sein, bevor Biopsien entnommen werden.
Cave: Vor jeder Zervixbiopsie sollte nach Einnahme von Antikoagulanzien gefragt werden, um stärkere Blutungen und Nachblutungen zu vermeiden.
Die Zystoskopie und Rektoskopie bei fortgeschrittenen Karzinomen sind indiziert, wenn Symptome wie eine Dysurie, Hämaturie, häufiger Harndrang, Harninkontinenz, neu aufgetretene Defäkationsstörungen bzw. Anzeichen für eine Fistelbildung vorliegen, um einen Tumorbefall der umgebenden Organe auszuschließen. Eine Röntgenaufnahme des Thorax ist bei älteren Patientinnen präoperativ auch bei fehlendem Verdacht auf Metastasen indiziert.
Zytologisches Screening bei älteren Frauen
Das zytologische Screening
der Zervix senkt die Inzidenz des
Zervixkarzinoms und die Mortalität. In den meisten Ländern mit etablierten Screening-Programmen wird eine „obere Altersgrenze“ für das Ende des zytologischen Zervix-Screenings angegeben, die bei 60, 65 oder 70 Jahren liegt. Die zugrundeliegende Vorstellung (vor allem der Krankenkassen) ist, dass entweder Zervixkarzinome insgesamt seltener werden oder dass z. B. nach drei aufeinanderfolgenden negativen Screening-Ergebnissen (z. B. HPV- und zytologisch negativen Befunden) nur wenige Zervixkarzinome beobachtet werden (Castanon et al.
2014). In ihrer Fall-Kontroll-Studie konnten Castanon et al. zeigen, dass Frauen mit mehreren negativen Screeningergebnissen im Alter zwischen 50–64 Jahren nur 1/6 des Risikos der Frauen ohne Zervix-Screening haben. Die Autoren schränken ihre Aussagen dahingehend ein, dass die allgemein zunehmende Lebenserwartung bei Frauen zu einer Zunahme der Zervixkarzinom-Inzidenz führen könnte, wenn ältere Frauen aus dem Screening-Programm ausgeschlossen werden.
Dabei treten 20 % der neuen
Zervixkarzinome bei Frauen auf, die älter als 65 Jahre sind. Davon sind ca. 1/3 für die Sterblichkeit verantwortlich (Kamineni et al.
2013). Der zweite Altersgipfel beim Zervixkarzinom ist zwischen dem 60. und 69. Lebensjahr und dies bedeutet, dass diese Frauen entweder nicht gescreent wurden oder dass die Treffsicherheit der zytologischen
Abstriche bei älteren Frauen geringer ist. Eines ist jedoch bewiesen, nämlich dass die höchste Inzidenz des Zervixkarzinoms bei Frauen aller Altersgruppen zu finden ist, die nicht am Screening teilgenommen haben. Die verminderte
Compliance der älteren Frauen im Vergleich zu den jüngeren Frauen bezüglich des Screenings gilt seit Jahrzehnten als eine Tatsache (Elit
2014b). Weitere Faktoren, die die Genauigkeit der Abstriche bei älteren Frauen beeinflussen können, sind die vaginale Atrophie, Stenose des Zervikalkanals oder die Schwierigkeit, die Transformationszone zu erreichen (Elit
2014b).
Unabhängig davon ist die präventive Rolle des Screenings auch bei älteren Frauen belegt. Daten aus Ländern mit sehr guten Screening-Systemen zeigen, dass die Inzidenz des
Zervixkarzinoms bei Frauen älter als 60 Jahre deutlich reduziert werden kann. In einer britischen Studie wurde gezeigt, dass Frauen altersunabhängig von einer regelmäßigen Krebsvorsorge profitieren (Sasieni et al.
2003). Die Autoren zeigen, dass das Screening alle 3 Jahre bei älteren Frauen genau so effektiv ist wie das jährliche Screening bei den jüngeren Frauen. In einer weiteren britischen Studie wurde ebenfalls ein positiver Effekt des Screenings gezeigt (Sasieni et al.
2009). Durch das Screening verzeichnete man eine 60 %ige Reduktion der Inzidenz des Zervixkarzinoms bei Frauen zwischen 40–42 Jahren. Bei Frauen im Alter zwischen 62–64 Jahre, lag die Inzidenzreduktion sogar bei 80 %. Ähnliche Reduktionen der Inzidenz wurden auch bei Frauen zwischen 55–79 Jahren beobachtet (Kamineni et al.
2013). In einer schwedischen Studie wurde bei Frauen über 65 Jahre eine Drittelung des Zervixkarzinom-Risikos durch das Screening beobachtet (Andrae et al.
2012). Bei Frauen über 70 Jahre wurde eine 60 %ige Risikoreduktion durch das Screening beobachtet (Elit
2014b).
Die Inzidenz des
Zervixkarzinoms wird durch zytologisches Screening bei älteren Patientinnen, mindestens alle 3 Jahre, signifikant reduziert. Die Ausprägung dieses Effektes ist mindestens so groß wie bei jüngeren Frauen. Alle epidemiologischen Daten sprechen dafür, Screeningprogramme auch im höheren Alter fortzuführen.
Durch Screeninguntersuchungen kann auch bei älteren Frauen die Mortalität des
Zervixkarzinoms reduziert werden. Eine US-amerikanische Studie zeigte, dass durch das Screening in den letzten 7 Jahren das Risiko, an einem Zervixkarzinom zu versterben, um 74 % reduziert werden kann (Rustagi et al.
2014). In der oben genannten schwedischen Studie wurde beobachtet, dass an Zervixkarzinom erkrankte ≥65 jährige Frauen eine 36 %ige Verbesserung des Überlebens haben, wenn das Karzinom durch das Screening entdeckt wurde und nicht durch eine klinische Untersuchung aufgrund von Beschwerden (Andrae et al.
2012). Diese Daten wurden auch durch zwei weiteren Studien bestätigt (Lonnberg et al.
2013; Vicus et al.
2014).
Das Überleben älterer Zervixkarzinom-Patientinnen wird durch das Screening deutlich positiv beeinflusst.
Eine wichtige Frage bei älteren Frauen stellt die Länge des Screeningintervalls dar. Sasieni und Kollegen haben gezeigt, dass die protektive Wirkung des Screenings bei Frauen zwischen 55 und 69 Jahren 5–6 Jahre anhält (Sasieni et al.
2003). In der Gruppe der Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahre wurde ein Intervall von 4 Jahren diskutiert (Yang et al.
2008). Der protektive Effekt des Screening bei Frauen zwischen 55 und 79 Jahre erlischt zwischen 5–7 Jahre nach dem letzten Screening (Kamineni et al.
2013). Interessanterweise verlängert sich der protektive Effekt auf 9–15 Jahre, wenn Frauen im Alter von 50.–64. Jahren 3 negative (normale) zytologische
Abstriche aufwiesen (Castanon et al.
2014). In einer finnischen Studie wurde eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig das Alter der letzten Screeninguntersuchung ist. Die Studie zeigte eine Risikoreduktion zwischen 66. und 80. Lebensjahr von 46 %, 51 % und 59 %, wenn die letzte Vorsorgeuntersuchung mit Abstrichentnahme im Alter von 55, 60 oder 65 Jahren durchgeführt wurde (Lonnberg et al.
2013). In Schweden wird ein Abbruch des Screenings zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr bei 2 normalen Abstichen empfohlen (Elit
2014b). Diese Daten zeigen eindeutig, dass die Screeninguntersuchungen bei Frauen über 50 Jahre weiter durchgeführt werden sollten. Aufgrund der Datenlage ist die Empfehlung eines Alters, bei dem man das Screening unterbrechen soll, nicht möglich. Nach individueller Beratung ist eine Unterbrechung der Vorsorgeuntersuchung bei Frauen mit 65 Jahren und älter, sowie 3 aufeinander folgenden negativen Abstrichen, in Einzelfall in Erwägung zu ziehen.
Therapie des Zervixkarzinoms – Rezidive und Metastasen
Bei der Mehrheit der Patientinnen ist das
Zervixkarzinom bei der Erstdiagnose auf die Zervix begrenzt. Nur bei einer von 5 Patientinnen werden Fernmetastasen, inklusive in den paraaortalen Lymphknoten diagnostiziert. In einem Drittel der Patientinnen wird eine regionäre Ausbreitung in die pelvinen Lymphknoten beobachtet.
Ein primär metastasiertes
Zervixkarzinom (FIGO IVB) wird generell selten diagnostiziert. Vergleichsweise weisen aber ältere Patientinnen deutlich häufiger primäre Metastasen
bei der Diagnose auf als jüngere Patientinnen.
Die Rezidive
beim
Zervixkarzinom treten am häufigsten als Lokalrezidive auf und werden in zentrale oder Beckenwandrezidive unterteilt. Zentral gelegene Rezidive (am Vaginalstumpf bzw. im Douglas´schen Raum) haben eine deutlich bessere Prognose. Etwa ein Drittel aller Zervixkarzinome rezidivieren, hiervon mehr als 2/3 in den ersten 2 Jahren nach der primären Therapie. Die Adenokarzinome
und die klarzelligen Karzinome haben ein höheres Rezidivrisiko als die Plattenepithelkarzinome
.
Die Prognose ist sowohl beim primär metastasierten als auch beim Rezidiv ungünstig. Nur ein Bruchteil der Patientinnen überlebt die ersten 3 Jahre nach der Diagnose. Bei rezidivierten und metastasierten
Zervixkarzinom der älteren und geriatrischen Patientin handelt es sich fast ausschließlich um eine Palliativsituation und die
Lebensqualität steht im Vordergrund. Oberstes Therapieziel ist die Symptomkontrolle, da die Verlängerung des Überlebens nicht möglich ist. Das Therapiekonzept sollte in jedem Fall individuell erstellt werden. Die Therapieentscheidung ist von der Lokalisation des Rezidivs und der Vortherapie abhängig.
Rezidive am Scheidenstumpf können operativ, zum Beispiel durch einen vaginalen Eingriff (z. B. in
Spinalanästhesie) entfernt werden. Bei Rezidiven mit anderer Lokalisation ist die Operation selten indiziert. Wenn im Rahmen der Primärtherapie keine Bestrahlung durchgeführt worden ist, bzw. eine Multimorbidität vorliegt, sollte eine Radiotherapie bevorzugt werden. Bei bereits bestrahlten Patientinnen ist eine Chemotherapie als Symptomkontrolle zu erwägen.
Eine wichtige Rolle spielt in solchen Situationen die behutsame, einfühlsame Aufklärung, oftmals in Anwesenheit und unter Einbezug der Angehörigen. Nicht selten sind mehrere Gespräche notwendig und nicht selten werden
Einwilligungen von älteren Patientinnen zurückgenommen. Erfahrungsgemäß brauchen ältere Patientinnen mehr Zeit, um die Aussagen der Ärzte zu verarbeiten, zumal sie lebenswichtige und lebensbedrohliche Situationen mit ihrer Familie besprechen. Jede Entscheidung für oder wider eine Therapie sind selbstverständlich durch die behandelnden Ärzte zu respektieren.
Wenn indiziert, sollte eine palliative Mono-Chemotherapie mit Carboplatin oder Topotecan gewählt werden. Wirkung und Verträglichkeit sind vor jedem erneuten Zyklus zu beurteilen und die Therapie sollte beendet werden, sobald Nebenwirkungen auftreten, welche die
Lebensqualität der Patientin beeinträchtigen. Eine Kombinationstherapie zwischen Carboplatin und Paclitaxel oder Topotecan wurde gelegentlich mit mäßigem Erfolg eingesetzt.