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Geriatrische Onkologie
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Publiziert am: 22.08.2017

Zervixkarzinom bei der alten und geriatrischen Patientin

Verfasst von: Atanas Ignatov und Serban-Dan Costa
Das Zervixkarzinom ist eine der häufigsten Karzinomerkrankungen der Frau. In den Entwicklungsländern ist das Zervixkarzinom nach wie vor die zweithäufigste Krebserkrankung der Frau (Jemal et al. 2011). In den entwickelten Ländern wiederum ist das Zervixkarzinom die vierthäufigste Krebserkrankung und das zweithäufigste gynäkologische Malignom der Frau. Das Zervixkarzinoms ist durch eine zweigipflige Altersverteilung charakterisiert mit Altersgipfel zwischen dem 30.–39. und 60.–69. Lebensjahr. Typisch für diese Altersgruppe ist, dass periodische Krebs-Vorsorgeuntersuchungen immer weniger in Anspruch genommen werden, was gerade beim Zervixkarzinom die Früherkennung beeinträchtigt. Folgen dieser Einstellung sind die späte Diagnose im fortgeschrittenen Krankheitsstadium. Bei einem ständigen Wachstum der Population der Frauen die 65 Jahre und älter sind, wird erwartet, dass Zervixkarzinome in dieser Altersgruppe zunehmen werden. Aktuell sind mehr als 40 % der an Zervixkarzinom gestorbenen Frauen älter als 65 Jahre.

Einleitung

Das Zervixkarzinom ist eine der häufigsten Karzinomerkrankungen der Frau. In den Entwicklungsländern ist das Zervixkarzinom nach wie vor die zweithäufigste Krebserkrankung der Frau (Jemal et al. 2011). In den entwickelten Ländern wiederum ist das Zervixkarzinom die vierthäufigste Krebserkrankung und das zweithäufigste gynäkologische Malignom der Frau. Das Zervixkarzinoms ist durch eine zweigipflige Altersverteilung charakterisiert mit Altersgipfel zwischen dem 30.– 39. und 60.–69. Lebensjahr. Typisch für diese Altersgruppe ist, dass periodische Krebs-Vorsorgeuntersuchungen immer weniger in Anspruch genommen werden, was gerade beim Zervixkarzinom die Früherkennung beeinträchtigt. Folgen dieser Einstellung sind die späte Diagnose im fortgeschrittenen Krankheitsstadium. Bei einem ständigen Wachstum der Population der Frauen die 65 Jahre und älter sind, wird erwartet, dass Zervixkarzinome in dieser Altersgruppe zunehmen werden. Aktuell sind mehr als 40 % der an Zervixkarzinom gestorbenen Frauen älter als 65 Jahre.
Obwohl die meisten altersrelevanten Änderungen ab einem Alter zwischen 65 und 70 Jahre auftreten, wird die Definition von „alt“ in der medizinischen Literatur auch in Bezug auf das Zervixkarzinom uneinheitlich angegeben (Balducci 2000). Die meisten Autoren sind sich darin einig, dass bei der Behandlung älterer Patienten mit Zervixkarzinom eine Differenzierung zwischen dem „chronologischen“ von dem „biologischen“ Alter vorgenommen werden soll.
Bei der Definition „ältere oder alte Patientin“ sind Komorbiditäten, kognitive Veränderungen, körperliche und mentale Depression, Polypharmazie, Ernährungsstatus und die soziale Abhängigkeit in Betracht zu ziehen, weil diese Faktoren die Toleranz der Patientin gegenüber der Diagnostik und Therapie beeinflussen können.
Die „Gebrechlichkeit“ der Patientinnen hat zahlreiche Ursachen und wird durch eine Reduktion der Kraft, der Belastungsausdauer und der physiologischen Funktionen charakterisiert (Cesari et al. 2016). Sie kann zu einer personellen Abhängigkeit und sogar zum Tode führen. Aktuell werden verschiedene Hilfsmittel genützt, um diese Vulnerabilität der Patienten zu bestimmen.

Symptome und Untersuchung

Die meisten Patientinnen mit einem Zervixkarzinom besuchen den Arzt wegen einer Blutungsstörung wie Menometrorrhagie, Kontaktblutungen und Postmenopausenblutungen. Bei den älteren Patientinnen ist die Postmenopausenblutung in mehr als der Hälfte der Fälle das führende Symptom (Fox et al. 2008). Weniger als 15 % der Patientinnen klagen über Bauchschmerzen, Fluor vaginalis, Flankenschmerzen (Harnstau), ein-, seltener beidseitiges Beinödem und Dysurie (Harnwegsinfektionen). In den restlichen Fällen wird die Diagnose bei der Vorsorgeuntersuchung oder sogar als Zufallsbefund gestellt (Fox et al. 2008).
Ältere Frauen suchen einen Gynäkologen auf, wenn sie Beschwerden haben. Da frühe Zervixkarzinome in der Regel asymptomatisch sind, handelt es sich dabei zumeist um Spätsymptome, d. h. einen Hinweis auf eine bereits fortgeschrittene Erkrankung. Ähnlich wie bei jüngeren Frauen korreliert auch hier die Länge des Intervalls seit der letzten Vorsorgeuntersuchung mit dem fortgeschrittenen Stadium der Tumorerkrankung (Fox et al. 2008; Ioka et al. 2005).
Die Gründe für die Spätvorstellung sind gesundheitlicher und psychosozialer Natur: z. B. bestehende vaginale Atrophie, Gelenkschmerzen, Gelenkoperationen, Schamgefühl, abnehmende oder fehlende sexuelle Aktivität, Glaube, dass „die gynäkologische Untersuchung etwas für Jüngere sei“, usw. Bei jeder vaginalen Blutung sollte man an eine Makrohämaturie denken, die in diesem Alter einer der häufigsten Differentialdiagnosen darstellt. Weiterhin sind auch gut- und bösartige Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts in Betracht zu ziehen.
Die Diagnostik beim Verdacht auf ein Zervixkarzinom sollte bei älteren Frauen in gleicher Weise wie bei jüngeren Frauen stattfinden. Als Besonderheit ist die im Alter häufig vorhandenen Atrophie und Stenose des Introitus und der Vagina zu nennen, die eine Spekulumeinstellung schmerzhaft oder gar unmöglich machen, so dass die Sicht auf die Zervix („Portio“ = portio vaginalis uteri) beeinträchtigt wird. Bei auffälligem zytologischem Abstrich oder bei suspekter Portio ist eine Probeentnahme zur histologischen Sicherung empfohlen. Bei älteren Patientinnen mit verschiedenen Komorbiditäten ist die Einnahme blutverdünnender Medikamenten relativ häufig und eine Umstellung von Cumarinderivaten auf Heparin bzw. eine Therapiepause kann notwendig sein, bevor Biopsien entnommen werden.
Cave: Vor jeder Zervixbiopsie sollte nach Einnahme von Antikoagulanzien gefragt werden, um stärkere Blutungen und Nachblutungen zu vermeiden.
Die Zystoskopie und Rektoskopie bei fortgeschrittenen Karzinomen sind indiziert, wenn Symptome wie eine Dysurie, Hämaturie, häufiger Harndrang, Harninkontinenz, neu aufgetretene Defäkationsstörungen bzw. Anzeichen für eine Fistelbildung vorliegen, um einen Tumorbefall der umgebenden Organe auszuschließen. Eine Röntgenaufnahme des Thorax ist bei älteren Patientinnen präoperativ auch bei fehlendem Verdacht auf Metastasen indiziert.

Zytologisches Screening bei älteren Frauen

Das zytologische Screening der Zervix senkt die Inzidenz des Zervixkarzinoms und die Mortalität. In den meisten Ländern mit etablierten Screening-Programmen wird eine „obere Altersgrenze“ für das Ende des zytologischen Zervix-Screenings angegeben, die bei 60, 65 oder 70 Jahren liegt. Die zugrundeliegende Vorstellung (vor allem der Krankenkassen) ist, dass entweder Zervixkarzinome insgesamt seltener werden oder dass z. B. nach drei aufeinanderfolgenden negativen Screening-Ergebnissen (z. B. HPV- und zytologisch negativen Befunden) nur wenige Zervixkarzinome beobachtet werden (Castanon et al. 2014). In ihrer Fall-Kontroll-Studie konnten Castanon et al. zeigen, dass Frauen mit mehreren negativen Screeningergebnissen im Alter zwischen 50–64 Jahren nur 1/6 des Risikos der Frauen ohne Zervix-Screening haben. Die Autoren schränken ihre Aussagen dahingehend ein, dass die allgemein zunehmende Lebenserwartung bei Frauen zu einer Zunahme der Zervixkarzinom-Inzidenz führen könnte, wenn ältere Frauen aus dem Screening-Programm ausgeschlossen werden.
Dabei treten 20 % der neuen Zervixkarzinome bei Frauen auf, die älter als 65 Jahre sind. Davon sind ca. 1/3 für die Sterblichkeit verantwortlich (Kamineni et al. 2013). Der zweite Altersgipfel beim Zervixkarzinom ist zwischen dem 60. und 69. Lebensjahr und dies bedeutet, dass diese Frauen entweder nicht gescreent wurden oder dass die Treffsicherheit der zytologischen Abstriche bei älteren Frauen geringer ist. Eines ist jedoch bewiesen, nämlich dass die höchste Inzidenz des Zervixkarzinoms bei Frauen aller Altersgruppen zu finden ist, die nicht am Screening teilgenommen haben. Die verminderte Compliance der älteren Frauen im Vergleich zu den jüngeren Frauen bezüglich des Screenings gilt seit Jahrzehnten als eine Tatsache (Elit 2014b). Weitere Faktoren, die die Genauigkeit der Abstriche bei älteren Frauen beeinflussen können, sind die vaginale Atrophie, Stenose des Zervikalkanals oder die Schwierigkeit, die Transformationszone zu erreichen (Elit 2014b).
Unabhängig davon ist die präventive Rolle des Screenings auch bei älteren Frauen belegt. Daten aus Ländern mit sehr guten Screening-Systemen zeigen, dass die Inzidenz des Zervixkarzinoms bei Frauen älter als 60 Jahre deutlich reduziert werden kann. In einer britischen Studie wurde gezeigt, dass Frauen altersunabhängig von einer regelmäßigen Krebsvorsorge profitieren (Sasieni et al. 2003). Die Autoren zeigen, dass das Screening alle 3 Jahre bei älteren Frauen genau so effektiv ist wie das jährliche Screening bei den jüngeren Frauen. In einer weiteren britischen Studie wurde ebenfalls ein positiver Effekt des Screenings gezeigt (Sasieni et al. 2009). Durch das Screening verzeichnete man eine 60 %ige Reduktion der Inzidenz des Zervixkarzinoms bei Frauen zwischen 40–42 Jahren. Bei Frauen im Alter zwischen 62–64 Jahre, lag die Inzidenzreduktion sogar bei 80 %. Ähnliche Reduktionen der Inzidenz wurden auch bei Frauen zwischen 55–79 Jahren beobachtet (Kamineni et al. 2013). In einer schwedischen Studie wurde bei Frauen über 65 Jahre eine Drittelung des Zervixkarzinom-Risikos durch das Screening beobachtet (Andrae et al. 2012). Bei Frauen über 70 Jahre wurde eine 60 %ige Risikoreduktion durch das Screening beobachtet (Elit 2014b).
Die Inzidenz des Zervixkarzinoms wird durch zytologisches Screening bei älteren Patientinnen, mindestens alle 3 Jahre, signifikant reduziert. Die Ausprägung dieses Effektes ist mindestens so groß wie bei jüngeren Frauen. Alle epidemiologischen Daten sprechen dafür, Screeningprogramme auch im höheren Alter fortzuführen.
Durch Screeninguntersuchungen kann auch bei älteren Frauen die Mortalität des Zervixkarzinoms reduziert werden. Eine US-amerikanische Studie zeigte, dass durch das Screening in den letzten 7 Jahren das Risiko, an einem Zervixkarzinom zu versterben, um 74 % reduziert werden kann (Rustagi et al. 2014). In der oben genannten schwedischen Studie wurde beobachtet, dass an Zervixkarzinom erkrankte ≥65 jährige Frauen eine 36 %ige Verbesserung des Überlebens haben, wenn das Karzinom durch das Screening entdeckt wurde und nicht durch eine klinische Untersuchung aufgrund von Beschwerden (Andrae et al. 2012). Diese Daten wurden auch durch zwei weiteren Studien bestätigt (Lonnberg et al. 2013; Vicus et al. 2014).
Das Überleben älterer Zervixkarzinom-Patientinnen wird durch das Screening deutlich positiv beeinflusst.
Eine wichtige Frage bei älteren Frauen stellt die Länge des Screeningintervalls dar. Sasieni und Kollegen haben gezeigt, dass die protektive Wirkung des Screenings bei Frauen zwischen 55 und 69 Jahren 5–6 Jahre anhält (Sasieni et al. 2003). In der Gruppe der Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahre wurde ein Intervall von 4 Jahren diskutiert (Yang et al. 2008). Der protektive Effekt des Screening bei Frauen zwischen 55 und 79 Jahre erlischt zwischen 5–7 Jahre nach dem letzten Screening (Kamineni et al. 2013). Interessanterweise verlängert sich der protektive Effekt auf 9–15 Jahre, wenn Frauen im Alter von 50.–64. Jahren 3 negative (normale) zytologische Abstriche aufwiesen (Castanon et al. 2014). In einer finnischen Studie wurde eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig das Alter der letzten Screeninguntersuchung ist. Die Studie zeigte eine Risikoreduktion zwischen 66. und 80. Lebensjahr von 46 %, 51 % und 59 %, wenn die letzte Vorsorgeuntersuchung mit Abstrichentnahme im Alter von 55, 60 oder 65 Jahren durchgeführt wurde (Lonnberg et al. 2013). In Schweden wird ein Abbruch des Screenings zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr bei 2 normalen Abstichen empfohlen (Elit 2014b). Diese Daten zeigen eindeutig, dass die Screeninguntersuchungen bei Frauen über 50 Jahre weiter durchgeführt werden sollten. Aufgrund der Datenlage ist die Empfehlung eines Alters, bei dem man das Screening unterbrechen soll, nicht möglich. Nach individueller Beratung ist eine Unterbrechung der Vorsorgeuntersuchung bei Frauen mit 65 Jahren und älter, sowie 3 aufeinander folgenden negativen Abstrichen, in Einzelfall in Erwägung zu ziehen.
Tipp
Die Fortführung der Vorsorgeuntersuchung bei Frauen mit 65 Jahren und älter, sowie 3 aufeinander folgenden negativen Abstrichen, sollte individuell mit der Patientin besprochen werden. Eine feste Beziehung, sexuelle Abstinenz und der Wunsch der Patientinnen sollten die Entscheidung maßgeblich beeinflussen.

Therapie der Primärerkrankung

Operative Therapie

Die operative Standardtherapie des frühen, operablen Zervixkarzinoms im Stadium FIGO I–II besteht aus einer radikalen Hysterektomie mit pelviner und ggf. paraaortaler Lymphonodektomie. Bei bestimmter Risikokonstellationen ist eine adjuvante Radiochemotherapie indiziert.
Obwohl randomisierte Studien mit nur älteren oder geriatrischen Patientinnen fehlen, zeigen die Literaturdaten der meisten retrospektiven und Kohortenstudien, dass die älteren Patientinnen weniger aggressiv behandelt werden als die jüngeren. Mit anderen Worten werden ältere Patientinnen weniger radikal operiert. Das Alter über 70 Jahre ist folglich ein Risikofaktor. Außerdem ist der stationäre Aufenthalt bei diesen Patienten im Mittel länger als bei Patientinnen unter 70 Jahren (Park et al. 2012; Polanczyk et al. 2001).
In einer großen retrospektiven Studie mit mehr als 28.000 Patientinnen mit einem Zervixkarzinom wurde gezeigt, dass die Rate an radikaler Hysterektomie vom Alter abhing (Sharma et al. 2012). Die radikale Hysterektomie wurde bei 82 % der Frauen unter 50 Jahren, 54,5 % der Frauen zwischen 70. und 79. Jahren und nur bei 33,2 % der Frauen über 80 Jahren durchgeführt (s. Tab. 1). In einer weiteren Studie aus den Niederlanden wurde beobachtet, dass bei über 70-jährigen Patientinnen häufiger eine alleinige Strahlentherapie ohne operative Therapie durchgeführt wird (Rijke et al. 2002). Die Lymphonodektomie wurde nur noch bei 9,1 % der Frauen über 80 Jahren durchgeführt. Obwohl aus den retrospektiven Studien nicht klar hervor geht, ob die Therapie nicht angeboten oder angeboten, aber durch die Patientinnen abgelehnt wurde. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass ältere Patientinnen, die nach Standard behandelt wurden, ein ähnliches Überleben wie die jüngeren Frauen aufwiesen (Elit 2014a). Die peri- und postoperativen Komplikationen treten bei älteren Patientinnen anscheinend in ähnlicher Häufung und Ausprägung auf wie bei den jüngeren Patientinnen (Balducci 2000; Mousavi et al. 2008; Wright et al. 2005).
Tab. 1
Operative Therapie beim Zervixkarzinom in Abhängigkeit vom Alter (nach Sharma et al. 2012)
Charakteristika
<50 Jahre
>70 Jahre
Frühstadium
  
Operative Therapie
82 %
47 %
Lymphonodektomie
67 %
22 %
Primäre Radiotherapie
16 %
43 %
Adjuvante Radiotherapie
32 %
24 %
Spätstadium
  
Primäre Radiotherapie
65 %
75 %
Adjuvante Hysterektomie
6 %
0,01 %
Die laparoskopische radikale Hysterektomie stellt eine sichere und komplikationsarme Option der operativen Therapie der Frauen mit frühem Zervixkarzinom dar. In einer retrospektiven Studie wurde gezeigt, dass die intra- und postoperativen Komplikationen einer laparoskopischen radikalen Hysterektomie bei Frauen mit einem Zervixkarzinom, die älter als 65 Jahre sind, sich von den Komplikationen bei jüngeren Frauen nicht unterscheiden (Park et al. 2013). Bei einer ähnlichen Überlebensrate war die laparoskopische radikale Hysterektomie im Vergleich zu der offenen radikalen Hysterektomie mit deutlich geringerem Blutverlust, früherer Mobilisation und Normalisierung der Darmfunktion, kürzerem Aufenthalt und weniger postoperativen Komplikationen vergesellschaftet. Die Möglichkeit bei dem laparoskopischen Zugang schneller „auf die Beine zu kommen“ dürfte bei älteren Patientinnen bedeutsamer als bei jüngeren Patientinnen sein, weil postoperative Komplikationen wie thromboembolische Ereignisse in höherem Alter gehäuft auftreten. In einigen Studien wurde aber auch gezeigt, dass viele ältere Frauen, trotz vorhandenen Komorbiditäten die radikale Hysterektomie und die Lymphonodektomie gut tolerieren können (Elit 2014a).
Die Indikation zur operativen Therapie und die Auswahl des Operationszuganges sollte bei älteren Frauen nicht nach biologischem Alter, sondern ihrer Vulnerabilität und ihrem Performance Status angepasst werden.
Tipp
Bei einer fehlenden absoluten Kontraindikation gegen die Laparoskopie, sollte man bei älteren Patientinnen den laparoskopischen Zugangsweg bevorzugen.
Verschiedene Studien, die die Morbidität und die Mortalität verschiedener chirurgischen Eingriffe untersucht haben, zeigen zweifellos den minimalen Anstieg der altersabhängigen Komplikationen und Mortalität bei der elektiven Chirurgie (Balducci 2000). Bei Notfalloperationen wiederum ist die Mortalität 2–3-fach höher bei den älteren und geriatrischen Patienten im Vergleich zu den jüngeren Personen. Das unterstreicht nochmal die Wichtigkeit der geplanten Behandlung insbesondere bei älteren und geriatrischen Patientinnen.

Radiochemotherapie

Ende der 1990er-Jahre wurde gezeigt, dass die kombinierte Radiochemotherapie einer alleinigen Radiotherapie deutlich überlegen ist (Rose et al. 1999). Wie oben erwähnt ist die adjuvante Radiochemotherapie bei Patientinnen mit zusätzlichen Risikofaktoren indiziert. Weiterhin stellt die Radiochemotherapie eine Standardtherapie bei lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom dar. Die Radiotherapie erfolgte je nach Indikation als Tele- und/oder Brachytherapie .
Die adjuvante Radiochemotherapie wird deutlich weniger bei älteren Patienten durchgeführt im Vergleich zu den jüngeren Frauen bei ähnlichem Risikoprofil. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei gegebener Indikation eine adjuvante Radiochemotherapie durchgeführt wird, sinkt proportional zum Alter der Patientin (Sharma et al. 2012). In einer niederländischen Studie konnte gezeigt werden, dass bei Patientinnen älter als 70 Jahre häufiger eine alleinige Radiotherapie anstelle einer Radiochemotherapie durchgeführt wird (Aa et al. 2009). Ähnliche Ergebnisse haben auch weitere Studien erbracht (Goodheart et al. 2008). Andererseits wurde beobachtet, dass der Effekt der kombinierten Tele- und Brachytherapie vom Alter der Patientinnen unabhängig ist (Elit 2014a). Trotzdem wird bei älteren Frauen deutlich weniger eine Brachytherapie zu der Teletherapie angeboten im Vergleich zu den jüngeren Patientinnen mit Zervixkarzinom (Mitchell et al. 1998).
Bezüglich der Nebenwirkungen der Radiochemotherapie bei älteren Patientinnen mit Zervixkarzinom sind die Daten sehr kontrovers (Elit 2014a). Ausschließlich retrospektive Daten liegen vor und die altersassoziierte Polymorbidität, die eine Rolle bei der Toxizität der Radiochemotherapie spielt, ist nicht immer nachvollziehbar bzw. angegeben (Balducci 2000). Es ist bekannt, dass die Anzahl der Begleiterkrankungen mit steigendem Alter zunimmt (Lindegaard et al. 2000; van der Aa et al. 2009). Unabhängig davon ist eine relative gute Toleranz, sogar bei sehr alten Patientinnen gegenüber der Radio- und Radiochemotherapie zu verzeichnen (Elit 2014a; Sharma et al. 2012).
Zusätzlich wird berichtet, dass bei älteren Patientinnen das Zervixkarzinom deutlich aggressiver ist. So werden Zervixkarzinome häufiger in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert (de Rijke et al. 2002; Ioka et al. 2005; van der Aa et al. 2009; Wright et al. 2005) und sie weisen häufiger einen niedrigeren Differenzierungsgrad auf (Sharma et al. 2012). Es wird vermutet, dass die Aggressivität der Erkrankung auf einer erhöhten Vulnerabilität des Gewebes und einem zunehmend defizitären Immunsystem bei älteren Frauen beruht. Insgesamt wird die Indikation für eine adjuvante Radiochemotherapie bei älteren Patientinnen häufiger gestellt als bei jüngeren Frauen (Choi et al. 2005).
Da bei älteren Patientinnen Zervixkarzinome im fortgeschritteneren Stadium diagnostiziert werden und häufiger einen niedrigeren Differenzierungsgrad aufweisen, ist eine Radiochemotherapie häufig indiziert. Die Entscheidung zur Durchführung der Radiochemotherapie ist individualisiert und unter Berücksichtigung der Prognose und der Komorbidität zu fällen.

Therapie des Zervixkarzinoms – Rezidive und Metastasen

Bei der Mehrheit der Patientinnen ist das Zervixkarzinom bei der Erstdiagnose auf die Zervix begrenzt. Nur bei einer von 5 Patientinnen werden Fernmetastasen, inklusive in den paraaortalen Lymphknoten diagnostiziert. In einem Drittel der Patientinnen wird eine regionäre Ausbreitung in die pelvinen Lymphknoten beobachtet.
Ein primär metastasiertes Zervixkarzinom (FIGO IVB) wird generell selten diagnostiziert. Vergleichsweise weisen aber ältere Patientinnen deutlich häufiger primäre Metastasen bei der Diagnose auf als jüngere Patientinnen.
Die Rezidive beim Zervixkarzinom treten am häufigsten als Lokalrezidive auf und werden in zentrale oder Beckenwandrezidive unterteilt. Zentral gelegene Rezidive (am Vaginalstumpf bzw. im Douglas´schen Raum) haben eine deutlich bessere Prognose. Etwa ein Drittel aller Zervixkarzinome rezidivieren, hiervon mehr als 2/3 in den ersten 2 Jahren nach der primären Therapie. Die Adenokarzinome und die klarzelligen Karzinome haben ein höheres Rezidivrisiko als die Plattenepithelkarzinome.
Die Prognose ist sowohl beim primär metastasierten als auch beim Rezidiv ungünstig. Nur ein Bruchteil der Patientinnen überlebt die ersten 3 Jahre nach der Diagnose. Bei rezidivierten und metastasierten Zervixkarzinom der älteren und geriatrischen Patientin handelt es sich fast ausschließlich um eine Palliativsituation und die Lebensqualität steht im Vordergrund. Oberstes Therapieziel ist die Symptomkontrolle, da die Verlängerung des Überlebens nicht möglich ist. Das Therapiekonzept sollte in jedem Fall individuell erstellt werden. Die Therapieentscheidung ist von der Lokalisation des Rezidivs und der Vortherapie abhängig.
Rezidive am Scheidenstumpf können operativ, zum Beispiel durch einen vaginalen Eingriff (z. B. in Spinalanästhesie) entfernt werden. Bei Rezidiven mit anderer Lokalisation ist die Operation selten indiziert. Wenn im Rahmen der Primärtherapie keine Bestrahlung durchgeführt worden ist, bzw. eine Multimorbidität vorliegt, sollte eine Radiotherapie bevorzugt werden. Bei bereits bestrahlten Patientinnen ist eine Chemotherapie als Symptomkontrolle zu erwägen.
Eine wichtige Rolle spielt in solchen Situationen die behutsame, einfühlsame Aufklärung, oftmals in Anwesenheit und unter Einbezug der Angehörigen. Nicht selten sind mehrere Gespräche notwendig und nicht selten werden Einwilligungen von älteren Patientinnen zurückgenommen. Erfahrungsgemäß brauchen ältere Patientinnen mehr Zeit, um die Aussagen der Ärzte zu verarbeiten, zumal sie lebenswichtige und lebensbedrohliche Situationen mit ihrer Familie besprechen. Jede Entscheidung für oder wider eine Therapie sind selbstverständlich durch die behandelnden Ärzte zu respektieren.
Wenn indiziert, sollte eine palliative Mono-Chemotherapie mit Carboplatin oder Topotecan gewählt werden. Wirkung und Verträglichkeit sind vor jedem erneuten Zyklus zu beurteilen und die Therapie sollte beendet werden, sobald Nebenwirkungen auftreten, welche die Lebensqualität der Patientin beeinträchtigen. Eine Kombinationstherapie zwischen Carboplatin und Paclitaxel oder Topotecan wurde gelegentlich mit mäßigem Erfolg eingesetzt.
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