Einleitung
Für die medizinische Onkologie ist der Einsatz von Zytostatika ein zentraler Ansatz im Rahmen kurativer oder palliativer Therapien.
Zu den Zytostatika im weiteren Sinne gehören:
Zytostatika werden als Mono- oder Polytherapeutika eingesetzt, entweder allein, oder im Rahmen multimodaler Therapieansätze, beispielsweise in Kombination mit einer Operation oder Bestrahlung. Auch die gleichzeitige Anwendung unterschiedlicher Wirkstoffgruppen, z. B. Chemotherapeutika und
Antikörper, ist ein gängiger Ansatz (z. B. beim Colorektal- oder
Mammakarzinom). Zudem kommen Zytostatika (in erster Linie Chemotherapeutika) bei regionalen Therapieverfahren zum Einsatz, v. a. bei Lebertumoren. Bei einigen Tumorerkrankungen bzw. Behandlungssituationen ist die systemische Anwendung bestimmter Zytostatika wegen limitierter Wirksamkeit nicht indiziert (z. B. Chemotherapeutika beim hepatozellulären Karzinom oder
Nierenzellkarzinom).
Die Bedeutung von zielgerichteten Therapien, in erster Linie mit Kinaseinhibitoren und
Antikörpern, hat in den letzten Jahren bei vielen Tumorerkrankungen deutlich zugenommen und führt zu komplexen Toxizitätsprofilen
bei älteren Patienten. Antikörper werden zunehmend auch im Rahmen von immuntherapeutischen Ansätzen verwendet (u. a. Immuncheckpoint-Inhibitoren).
Der Einsatz von zielgerichteten Substanzen in der geriatrischen Onkologie nimmt stetig zu und ist hinsichtlich des Nebenwirkungsmanagements eine Herausforderung für das onkologische Behandlungsteam.
In zahlreichen Studien konnte belegt werden, dass auch ältere Patienten von einer Zytostatikatherapie profitieren können, so z. B. hinsichtlich der Verlängerung des Gesamtüberlebens bei verschiedenen hämatologischen Krebserkrankungen (Sant et al.
2014). Ein sorgfältiges Abwägen der Effektivität von Zytostatika mit der potentiellen Toxizität ist in jedem Fall notwendig. Beim älteren Patienten sind v. a. Erhalt der
Lebensqualität und Selbständigkeit wichtige Therapieziele. Heilung oder Lebensverlängerung treten demgegenüber in der Entscheidungsfindung häufig mehr in den Hintergrund. Ältere Patienten nehmen Toxizitäten häufig subjektiv anders wahr als jüngere.
Stehen in einer Behandlungssituation besonders effektive Wirkstoffe zur Verfügung (z. B. Tyrosinkinaseinhibitoren bei der chronisch myeloischen Leukämie), oder besteht eine Chance auf Kuration, wird eine erhöhte Toxizität eher in Kauf genommen, zumal ein Therapieabbruch jederzeit möglich ist und Toxizitäten in der Regel reversibel sind.
Zytostatikatoxizität: Besonderheiten beim älteren Patienten
Ältere Patienten weisen eine Reihe von Besonderheiten auf, die für die Toxizität von Zytostatikatherapien von Bedeutung sind (s. Übersicht). Die physiologischen Organfunktionen und der funktionelle Gesamtzustand verändern sich mit zunehmendem Alter, die Rate an Komorbiditäten mit entsprechendem Einfluss auf das Toxizitätsprofil von Zytostatika nimmt zu. Dabei kann das kalendarische und biologische Alter deutlich differieren.
Als Ursache für eine mögliche altersabhängig erhöhte Toxizität
einzelner Wirkstoffe kommt grundsätzlich in Frage (gemäß Wedding
2002):
-
Eine erhöhte Vulnerabilität des Patienten und/oder
-
Eine verminderte Regenerationsfähigkeit der betroffenen Organe und/oder
-
Eine eingeschränkte Elimination (renal oder hepatisch) mit daraus resultierenden erhöhten Plasmaspiegeln.
Da nur in seltenen Fällen ein Monitoring der Plasmaspiegel von Zytostatika erfolgt (z. B. bei einer Hochdosis-Methotrexat-Therapie), ist es schwierig zu beurteilen, inwiefern Toxizitäten bei älteren Patienten durch veränderte Plasmaspiegel bedingt sind.
Die Veränderung von Organfunktionen im Alter beeinflusst prinzipiell die
Pharmakokinetik und -dynamik von Zytostatika (s. Kap. Pharmakologie, Pharmakokinetik und
Pharmakodynamik des geriatrischen Patienten). Die pharmakokinetischen Parameter Absorption, Verteilung, Stoffwechsel und Elimination unterliegen altersabhängigen Veränderungen, die je nach betrachtetem Zytostatikum relevant für dessen Toxizität sind. Besonders zu beachten sind u. a. Einschränkungen der Leber- und Nierenfunktion, die zu entsprechend erhöhten Toxizitäten hepatisch bzw. renal eliminierter Wirkstoffe führen. Ein verminderter Albumingehalt im
Plasma führt z. B. zu einem höheren Anteil von Eiweiß-ungebundenen Zytostatika-Molekülen. So liegt beispielsweise Cisplatin im
Serum zu einem großen Anteil an
Albumin gebunden vor.
Pharmakodynamische Parameter unterliegen ebenfalls altersabhängigen Effekten, so z. B. Veränderungen in der Rezeptordichte oder
-affinität sowie Modulationen in Signaltransduktionswegen.
Die Anpassung von Zytostatikadosen an eingeschränkte Organfunktionen sollte prinzipiell unabhängig vom Alter erfolgen. Im klinischen Alltag ist das Patientenalter allein jedoch häufig ein Grund für a) eine Dosisreduktion, b) verlängerte Therapieintervalle, oder c) den Verzicht auf eine Zytostatikatherapie, auch wenn keine für das betreffende Zytostatikum relevante Einschränkung von Organfunktionen fass- bzw. messbar ist. Beeinflusst wird die Therapieentscheidung in dieser Situation möglicherweise auch durch einen vor dem Kontext des höheren Alters veränderten Patientenwunsch (Ablehnung einer intensiven Zytostatikatherapie, z. B. aufgrund der individuellen Lebenserfahrung) oder durch verminderte Mobilität oder Einschränkungen im sozialen Umfeld.
Unterschieden werden sollte bei der wissenschaftlichen Betrachtung zwischen einer erhöhten Toxizität aufgrund des Patientenalters und solcher aufgrund von definierten Einschränkungen funktioneller bzw. organischer Reserven.
Die Zusammenhänge von Zytostatikatoxizität, kalendarischem und biologischen Alter sind noch wenig wissenschaftlich untersucht. Dies gilt besonders auch für moderne zielgerichtete Therapien. Der Nachweis einer erhöhten altersspezifischen Toxizität von Zytostatika ist dabei schwierig zu führen (gemäß Wedding
2002):
-
Zytostatika werden bei älteren Patienten eher zurückhaltend eingesetzt
-
Es gibt nur wenige systematische Analysen in der Versorgungssituation
-
Kovariablen für erhöhte Toxizität werden häufig nicht kontrolliert erfasst
Somit bleibt auch in Zukunft für verschiedene Zytostatikaprotokolle zu klären, ob das kalendarische Patientenalter einen von Organfunktionen und Komorbiditäten unabhängigen Risikofaktor für die Toxizität von Zytostatika darstellt.
Studienlage zur Zytostatikatoxizität
Während in zahlreichen prospektiv-randomisierten Studien
eine Effektivität von Zytostatika bei älteren Patienten mit diversen hämatologischen und onkologischen Erkrankungen nachgewiesen werden konnte, so ist die Studienlage für die Interpretation altersspezifischer Toxizitäten limitiert, da in Studien häufig eine systematische Erfassung geriatrisch relevanter Parameter fehlt. Darüber hinaus sind ältere Patienten in den meisten klinischen Studien in der Onkologie unterrepräsentiert: Zum großen Teil sind bei großen klinischen Studien nur wenige oder keine Patienten bei Studieneinschluss über 75 Jahre alt. Diejenigen älteren Patienten, die in Studien behandelt werden, sind oft ein hochselektioniertes Kollektiv, das eng gefasste Ein- und Ausschlusskriterien erfüllt und somit nur bedingt repräsentativ für das Gesamtkollektiv geriatrischer Patienten ist (Balducci und Corcoran
2000; Zulman et al.
2011). Dies führt in einigen Studien zu der Schlussfolgerung, dass kein altersabhängiger Anstieg der Toxizitätsrate zytostatischer Behandlungen auftritt (u. a. Monfardini et al.
1995). Diese Schlussfolgerung ist aber mit Vorsicht zu betrachten. Stattdessen ist von einer vermehrten Toxizität von Zytostatika im Vergleich zu jüngeren Patienten bei einer Reihe von Therapieprotokollen anzunehmen, auch wenn keine wesentlichen, fassbaren Einschränkungen der Organfunktionen bestehen (u. a. Engert et al.
2005; Extermann et al.
2012).
Eine wichtige Erkenntnis aus jüngeren Studien ist die Tatsache, dass
geriatrisches Assessment (CGA,
comprehensive geriatric assessment) mit Erfassung von Komorbiditäten und des funktionellen sowie kognitiven Status prädiktiv für das Auftreten von Toxizitäten ist (z. B. beim multiplen Myelom, Palumbo et al.
2015). Zunehmend werden auch in Studien, beispielsweise der
European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC), Screening-Tests
als verkürzte Assessment-Verfahren verwendet, um Patienten mit „Gebrechlichkeit“ (
„Frailty“) zu identifizieren, bei denen ein erhöhtes Risiko für Zytostatikatoxizität zu erwarten ist (Petit-Monéger et al.
2016). Auch ein IADL-Test, der Charlson-Score und die Klärung der sozialen Patientensituation gehören in EORTC-Studien zum Repertoire für ein Basisassessment.
Zytostatikatoxizität: Aspekte für die klinische Praxis
Das höhere Lebensalter ist per se kein klinisch relevantes Risiko für die Durchführung einer Zytostatikatherapie. Somit ist eine grundsätzliche Nichtbehandlung bei älteren Patienten nicht gerechtfertigt. Jedoch nehmen die physiologischen Reserven der Organsysteme mit steigendem Alter in unterschiedlichem Ausmaß ab. Besonders relevant für den Einsatz von Chemotherapeutika, z. T. aber auch von zielgerichteten Substanzen, können eine Abnahme der Knochenmarksreserven sowie der Nieren- und Leberfunktion im höheren Alter sein. Die funktionellen Einschränkungen sind allerdings individuell sehr unterschiedlich.
Für die Wahl der Zytostatikatherapie einschließlich ihrer Dosierung ist nicht das Lebensalter, sondern vielmehr die Organfunktionen sowie weitere individuelle Parameter entscheidend.
Für die klinische Praxis ist die Identifikation von Patienten mit einen erhöhten Risiko für eine in Frage kommende Zytostatikatherapie von zentraler Bedeutung. Auf diese Weise können Therapieschemata individuell modifiziert oder alternative Therapieverfahren diskutiert werden. Einschränkungen der Organfunktionen haben je nach eingesetztem Zytostatikaprotokoll beträchtliche oder keine Konsequenzen hinsichtlich der Protokollwahl.
Für die Einschätzung des Risikos spielen, neben physiologischen Aspekten, u. a. mentaler und emotionaler Status, Ernährungsstatus, Komorbiditäten, sozioökonomische Lebensumstände und die Fähigkeit, die Aktivitäten des täglichen Lebens selbst verrichten zu können, eine Rolle bei der Auswahl eines entsprechenden Therapieschemas.
Mit einem Blick in die Krankenakte und auf die Komedikation sowie nach einer körperlichen Untersuchung und Bestimmung basaler Laborparameter ist dem klinisch erfahrenen Behandler meist vorab eine grobe Einteilung des älteren Patienten in 3 verschiedene Gruppen möglich:
-
Gruppe 1: Unabhängiger Patient ohne schwere Begleiterkrankung, bei dem eine Zytostatikatherapie ohne wesentliche Dosisreduktion mit adäquaten Supportivmaßnahmen durchgeführt werden kann („fit“).
-
Gruppe 2: Gebrechlicher Patient ohne Organreserven, der eher keine Zytostatikatherapie und nur einer alleinigen symptomatischen Behandlung zugeführt werden sollte („no go/unfit“).
-
Gruppe 3: Patient mit gewissen körperlichen und mentalen Einschränkungen, für den eine Zytostatikatherapie in angepasster Intensität und Dosierung mit optimierten Supportivmaßnahmen durchgeführt werden kann („slow go“).
Für die Gruppe 1 gilt gemäß verschiedener Leitlinien primär die vom Alter unabhängige Standardtherapieempfehlung, so z. B. bei der Therapie älterer Mammakarzinom-Patientinnen, gemäß Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologischen Onkologie (AGO-Leitlinie
2016), oder bei der Behandlung von Patienten mit metastasiertem colorektalen Karzinom (ESMO-Leitlinie, von Van Cutsem et al.
2016). In vielen Studien, so z. B. bei diffus-großzelligen B-Zell-Lymphomen (DLBCL), erweist sich im höheren Alter die Zuordnung zu einer der 3 Gruppen als signifikanter prognostischer Faktor (Spina et al.
2012).
Die Einteilung in 3 Gruppen ist jedoch nur ein Anhaltspunkt für die Therapieentscheidung
. Studien zeigen z. T. sogar bei nicht fitten Patienten einen Benefit für eine intensive Chemotherapie hinsichtlich der mittleren Überlebenszeit, so z. B. beim diffus großzelligen B-Zell-Lymphom (Yoshida et al.
2016).
Geriatrisches Assessment unterstützt die Entscheidungsfindung für eine Zytostatikatherapie und wird u. a. von der International
Society for Geriatric Oncology und dem
National Comprehensive Cancer Network für alle Krebspatienten empfohlen (Wildiers et al.
2014; Hurria et al.
2014).
Geriatrisches Assessment unterstützt die Vorhersage schwerer Toxizitäten und damit die Planung einer medikamentösen onkologischen Therapie.
Um Patienten zu identifizieren, die ein umfangreiches Assessment benötigen, kann zunächst z. B. der G8-Score zur Erfassung des Ernährungs- und Gesundheitszustandes als Screening herangezogen werden. Ist die kritische Punktzahl von 14 unterschritten, z. B. aufgrund eines zu geringen BMI oder neuropsychologischer Probleme, sollte das Screening erweitert werden (s. Kap. Geriatrisches Assessment). Ein modifizierter G8-Screening-Test
mit 6 unabhängigen Prädiktoren und höherer Spezifität für die Erfassung des Bedarfs für ein erweitertes Assessment wurde entwickelt (Martinez-Tapia et al.
2016). Weitere Screening-Tools stehen zur Verfügung, u. a. der VES-13 (
„Vulnerable Elders-13 Survey“). Legt ein
Screeningtest nahe, dass eine Gebrechlichkeit vorliegt, sollte ein ausführliches Assessment angeschlossen werden. Die verschiedenen Assessmentverfahren sind u. a. in einer Stellungnahme der SIOG zusammengefasst (Wildiers et al.
2014; Decoster et al.
2015).
Ein Beispiel für die unmittelbare Beurteilung einer potentiellen Zytostatikatoxizität mittels eines Scores, der verschiedene Faktoren im Rahmen eines Assessments mit einbezieht, ist der
„Chemotherapy Risk assessment scale for high-age patients“ (CRASH)-Score. Er wurde zur Prädiktion von Grad 4 hämatologischen, bzw. Grad 3–4 nicht-hämatologischen Toxizitäten entwickelt (Extermann et al.
2012).
Der CRASH-Score
berücksichtigt:
-
Für die Prädiktion der hämatologischen Toxizität (H-Score)
-
Diastolischer Blutdruck: ≤72: 0 P., >72: 1 P.
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Instrumental Activities of Daily Living (IADL): 26–29: 0 P., 10–25: 1 P.
-
Lactat-Dehydrogenase-Spiegel im
Serum: 9–459 U/L: 0 P., >459: 2 P. (bei ULN 618U/l, ansonsten 0,74/L*ULN)
-
Spezifische Chemotoxizität: 0–0,44: 0 P., 0,45–0,57: 1 P., >0,57: 2 P. (z. B. FOLFIRI 1 P., ECF 1 P., CHOP: 2 P.)
-
Für die Prädiktion der nicht-hämatologischen Toxizität (NH-Score)
-
Eastern Cooperative Oncology Group (ECOG)-Performance Status: 0: 0 P., 1–2: 1 P., 3–4: 2 P.
-
Mini-Mental Status score (MMS): 30: 0 P., <30: 2 P.
-
Mini-Nutritional Assessment (MNA): 28–30: 0 P., <28: 2 P.
-
Spezifische Chemotoxizität: wie oben
-
Für die kombinierte Prädiktion
-
H-Score + NH-Score (Chemotoxizität zählt nur einmalig): Risiko niedrig: 0–3 P., niedrig-mittel: 4–6 P., mittel-hoch: 7–9 P., hoch: >9 P.
Um eine Vergleichbarkeit des Toxizitätsrisikos unterschiedlicher Zytostatika zu erreichen, ohne dass patientenbezogene Faktoren herangezogen werden, wird u. a. der MAX2-Index
herangezogen. Dieser Index wird für Patienten im Alter von >70 Jahren mittels Literaturrecherche aus publizierten klinischen Studien herausgefiltert und ist ein Maß für die Wahrscheinlichkeit höhergradiger hämatologischer (Grad 4) und nicht-hämatologischer (Grad 3–4) Toxizitäten (Extermann et al.
2004).
Eine Therapieentscheidung wird nicht nur durch Vorhersage von Toxizität, sondern auch wesentlich durch die Betrachtung der möglichen Auswirkungen auf die
Lebensqualität beim individuellen Patienten beeinflusst.
Der Grad einer Toxizität kann individuell sehr unterschiedliche Effekte auf die
Lebensqualität haben. Dies sollte beim älteren Patienten bei der Therapieentscheidung mit berücksichtigt werden.
Andere Faktoren fließen mit in die Therapieentscheidung ein, die in erster Linie durch die Tumorerkrankung selbst bedingt sind. Die Frage ist zum Einen, ob die geplanten Zytostatika eine hohe potentielle Effektivität aufweisen (insbesondere hohe Remissionsraten in klinischen Studien). Liegt ein kurativer Therapieansatz vor, wird eine höhere Toxizität eines Zytostatikums eher in Kauf genommen. Das gilt auch für Patienten mit drohenden tumorbedingten Symptomen (z. B. Stenosierung bei abdominellen Tumoren). Auch spielt die Verfügbarkeit alternativer Therapieverfahren eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung (z. B. lokale Therapieverfahren als Alternative zu Zytostatika für die Tumorkontrolle).
Wichtig für die Indikationsstellung einer Zytostatikatherapie beim älteren Patienten ist darüber hinaus die Frage, ob supportive Therapien in ausreichendem Masse eingesetzt werden können (s. Kap. Supportive Therapie in der geriatrischen Onkologie). Bei älteren Patienten kann z. B. durch die Einschränkung kognitiver Fähigkeiten oder der Mobilität eine Unterversorgung mit supportiven Medikamenten entstehen, die für den Behandler möglicherweise nicht unmittelbar erkennbar ist und die die Toxizität von Zytostatika erheblich verstärken kann.
Hinzu kommt für die Einschätzung von Toxizitäten die Beachtung von
Arzneimittelinteraktionen. Ältere Patienten nehmen aufgrund von Komorbiditäten häufig mehrere Medikamente ein. Da viele Zytostatika eine geringe therapeutische Breite aufweisen, sind fremdstoffinduzierte Hemmungen oder Steigerungen ihres metabolischen Abbaus besonders relevant. Dabei beruhen viele potenzielle Interaktionen auf einer Beeinflussung von Cytochrom-P450-Isoenzymen. Andere Zytostatika wiederum werden Cytochrom-P450-unabhängig abgebaut (z. B. die Antimetaboliten 5-Fluorouracil und 6-Mercaptopurin).
Manchmal ist die Abgrenzbarkeit von tumorbedingten Symptomen von alters- und komorbiditätsbedingten Beeinträchtigungen schwierig, so dass in einigen Situationen der „First cycle-Effekt“ abgewartet werden muss, so z. B. bei der Einleitung einer zytoreduktiven Therapie bei ausgedehnten B-Zell-Lymphomen.
Spezielle Toxizitäten von Zytostatika beim älteren Patienten
Zytostatika können Beeinträchtigungen an einer Reihe von Organsystemen auslösen. Grundsätzlich steigt das Risiko einer Zytostatika-induzierten Organtoxizität mit dem Ausmaß der Vorschädigung durch Begleiterkrankungen.
Bei der zunehmenden Komplexität hämatologischer und onkologischer Therapieansätze (insbesondere aufgrund der Zunahme verfügbarer Substanzen und Protokolle) können im Folgenden nur beispielhaft Aspekte aufgegriffen und in den Kontext der Versorgung geriatrischer Patienten gestellt werden.
Verschiedene Maßnahmen werden zur Prophylaxe einer Chemotherapie-induzierten Nephrotoxizität diskutiert. Dazu gehören am Beispiel von Cisplatin:
Für Hochdosis-Methotrexat (definiert als eine Dosis ab 1000 mg/m
2) ist besondere Vorsicht geboten. Die Urinausscheidung und der Urin-pH sollten regelmäßig überprüft werden; für eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und eine Alkalisierung des
Urins ist zu sorgen.
Auch zielgerichtete Therapeutika haben potentielle nephrotoxische Effekte, die im Einzelnen nicht sämtlich dargestellt werden können (Übersicht u. a. Launay-Vacher et al.
2015). Hemmer des VEGF-Signalweges führen beispielsweise regelhaft zu einer Proteinurie; v. a. bei vorbestehender Nierenschädigung sollte die Proteinausscheidung im
Urin und die Nierenfunktion engmaschig kontrolliert werden, um die Therapie ggf. rechtzeitig abzusetzen. Auch neu zugelassene
Antikörper wie z. B.
Checkpoint-Inhibitoren haben potentiell nephrotoxische Effekte und können beispielsweise eine interstitielle Nephritis und ein
akutes Nierenversagen auslösen (Cortazar et al.
2016). Ein altersbedingt erhöhtes Risiko ist allerdings bisher nicht erwiesen.