Die Thematik der kutanen
Vaskulitiden und/oder
Vaskulopathien ist eine äußerst vielgestaltige. Dies begründet sich in einer bunten Fülle an distinkten Entitäten auf der einen und einem begrenzten morphologischen Reaktionsmuster der Haut auf der anderen Seite. Ebenso vielfältig sind die klinischen Verläufe der kutanen Vaskulitiden, mit benignen, selbstlimitierenden Erkrankungen eines einzelnen Organs bis zu Multisystembeteiligungen mit schweren Verläufen und fatalem Ausgang. Hinzukommt eine nomenklatorische Unschärfe bzgl. der Differenzierung einer Vaskulitis von Vaskulopathien und vice versa. Während die Vaskulitis eine Entzündung der Gefäße mit allen unten aufgeführten Kriterien darstellt, ist der Begriff der Vaskulopathie historischerweise definiert als Gefäßerkrankung mit partieller oder totaler Okklusion des Gefäßlumens ohne primär zugrunde liegenden entzündlichen Prozess (z. B. Koagulopathien). Da aber sekundär auch bei initial non-inflammatorischen Vaskulopathien entzündliche Veränderungen auftreten können, erscheint diese Differenzierung insbesondere in der dermatopathologischen Diagnostik nicht zielführend. Der Begriff der Vaskulopathien sollte daher als Oberbegriff für alle Formen der Gefäßerkrankungen (Vaskulitiden, Malformationen, Hyperplasien etc.) verwendet und im Sinne eines morphologischen Spektrums betrachtet werden.
Auch die Nomenklatur der
Vaskulitiden sensu strictu ist heute noch recht uneinheitlich und abhängig von den Gewohnheiten und Lehrmeinungen der verschiedenen beteiligten Fachrichtungen. Hinzu kommen Überlappungen klinischer und histopathologischer Merkmale bei gleichzeitig mangelhafter ätiologischer Klärung der allermeisten Vaskulitiden.
Es existieren verschiedene Klassifizierungen der
Vaskulitiden nach histologischen Kriterien:
-
Klassifikation nach der Größe des betroffenen Gefäßes
-
Klassifikation nach der Ausdehnung in der Dermis und/oder Subkutis
-
Klassifikation nach Art und Zusammensetzung des entzündlichen Infiltrates und dominierenden Entzündungszelltyps
Da nur die wenigsten
Vaskulitiden pathognomonische klinische, radiologische oder laborchemische Charakteristika aufweisen, muss die Diagnose einer Vaskulitis auf Basis der Histologie als
Goldstandard gestellt werden. Zur groben Orientierung und im klinischen Alltag als praktikable Grobeinteilung bewährt, wurde 2012 in der Chapel-Hill-Konsensuskonferenz
der aktuellste Versuch unternommen, ein System in die vielgestaltige Nomenklatur der Vaskulitiden auf Basis der Größe des betroffenen Gefäßes zu bringen. Es wird unterteilt in die Groß- und Kleingefäßvaskulitiden sowie die Vaskulitiden mittelgroßer Gefäße. Weiterhin werden Vaskulitiden variabler Gefäßgrößen von Vaskulitiden einzelner solitärer Organe abgegrenzt. Hierzu gehört auch die kutane leukozytoklastische Vaskulitis. Zuletzt bleiben Vaskulitiden bei systemischen Erkrankungen sowie Vaskulitiden mit „wahrscheinlicher Ätiologie“ zu nennen (Tab.
1).
Tab. 1
Einteilung der Vaskulitiden, modifiziert nach der revidierten International Chapel-Hill-Consensus-Conference-2012-Nomenklatur
Großgefäßvaskulitiden
| | |
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Vaskulitiden mittelgroßer Gefäße
| Polyarteriitis nodosa |
Kawasaki Erkrankung |
Kleingefäßvaskulitiden
| ANCA-assoziierte Vaskulitis | |
Immunkomplex-Kleingefäßvaskulitis - hypokomplementämische Urtikariavaskulitis | |
Vaskulitis variabler Gefäßgrößen
| Behçet-Erkrankung | |
Cogan´s Syndrom |
Vaskulitis einzelner Organe
| Primäre Angiitis des ZNS | |
Kutane leukozytoklastische Vaskulitis |
Vaskulitis bei systemischen Erkrankungen
| | |
Lupusvaskulitis |
Sarkoidale Vaskulitis |
Andere |
Vaskulitis mit wahrscheinlicher Ätiologie
| Hepatitis-assoziierte Vaskulitis | ∎ |
Lues-assoziierte Vaskulitis |
Andere |
Diese Chapel-Hill-Nomenklatur 2012 dient der reinen nomenklatorischen Ordnung der verschiedenen
Vaskulitiden, wird hierdurch aber definitionsgemäß den ätiomorphologischen Anforderungen der
Dermatopathologie nicht gerecht. Hier müssen Kriterien definiert werden, die die Morphologie einer Vaskulitis als Basis jedweder Nomenklatur, Diagnostik und Therapie charakterisieren. Die korrekte histologische Beschreibung und Diagnose einschließlich der supplementären Verfahren wie Immunfluoreszenz und gelegentlich
Immunhistochemie bildet die Grundlage der abschließenden klassifikatorischen Einordnung der Vaskulitiden in das System der Chapel-Hill-Nomenklatur 2012.
An die Biopsie sind strikte Anforderungen bzgl. der Entnahmetechnik zu stellen: es sind zunächst ausreichend große und tiefe Biopsien (bevorzugt Exzisionsbiopsien, bzw. größere Stanzbiopsien) erforderlich, um die Lage und Größe der betroffenen Gefäße korrekt einordnen zu können. Dies ist die unbedingte Anforderung an den klinischen Behandler. Shavebiopsien sind nicht geeignet, die Diagnose einer Vaskulitis zu stellen. Zudem spielen die Auswahl der Biopsiestelle und der Zeitpunkt der Biopsie eine große Rolle. Optimalerweise wird die Biopsie aus einer frischen Läsion entnommen, die nicht älter als 48 h ist und keine Zeichen sekundärer Veränderungen aufweist. Das Vorhandensein von
Immunkomplexen und Komplementfaktoren ist umgekehrt proportional zum Alter der Läsion. Fast 100 % aller Biopsien weisen Immunkomplexe und/oder Komplementfaktoren innerhalb der ersten 48 h nach Entstehen der Hautläsion auf.
Additive Angaben auf dem Einsendeformular über Art und Ausmaß der Hautveränderungen, die Begleiterkrankungen, den Allgemeinzustand oder evtl. eine vorhandene B-Symptomatik erlauben zudem die weitere Einordnung den histologischen Befunde. Abschließend bleibt es jedoch der klinisch-pathologischen Korrelation vorbehalten, die Erkrankung in die korrekte „Schublade“ zu sortieren und dem Patienten damit die bestmögliche Therapie zukommen lassen zu können.
Die Vaskulitis definiert sich auf morphologischer Basis durch diverse feingewebliche Kriterien, die in variabler Ausprägung und in Abhängigkeit vom Alter der biopsierten Läsion („life of lesion“) bei allen
Vaskulitiden zu finden sind (Tab.
2).
Tab. 2
Allgemeine morphologische Diagnosekriterien der Vaskulitis. Mod. nach Carlson 2010
- Angiozentrische und/oder angioinvasive entzündliche Infiltrate - Destruktion der Gefäßwand durch das Entzündungsinfiltrat - intramurale und/oder intraluminale Fibrindepositionen (sog. fibrinoide Nekrose) - in größeren dermal-subkutan lokalisierten Gefäßen Infiltration der Gefäßwand durch Entzündungszellen | Erythrozytenextravasation/Hämorrhagie - perivaskulärer Kernstaub, sog. Leukozytoklasie - Endothelzellschwellung/-nekrose - Nekrosen der ekkrinen Drüsenepithelien - Ulzeration - Nekrose/Infarzierung | - Perivaskuläre zwiebelschalenartige Fibrose bzw. Fibrosierung der Gefäßwände - luminale Obliterationen - Verlust der Lamina elastica interna in größeren und mittelgroßen Gefäßen assoziiert mit Fibroplasie - reaktive Angioendothelioma-tose - Neovaskularisation der Adventitia | - Lamelläre oder storiforme Fibrose - Gewebsneutrophilie - Gewebseosinophilie - Palisadengranulome/neutrophile Granulome - Zeichen der Interfacedermatitis - pustulöse Bilder mit Neutrophilenabszessen |
Wenngleich die abschließende Diagnose nur im Gesamtkontext des klinischen Befundes mit allen supportiven diagnostischen Möglichkeiten gestellt werden kann, so ermöglicht doch die korrekte Anwendung dieser morphologischen Kriterien in nahezu allen Fällen einer Vaskulitis die stimmige erste Einordnung der Vaskulitis in die entsprechende Kategorie und die differentialdiagnostische Abgrenzung von den meisten Vaskulitis-Simulatoren (sog. Pseudovaskulitiden).
Leukozytoklastische Vaskulitis
Synonyme: kutane leukozytoklastische Angiitis, Hypersensitivitätsvaskulitis/-angiitis, allergische Vaskulitis, nekrotisierende Vaskulitis, Immunkomplexvaskulitis
Granuloma (eosinophilicum) faciale und Erythema elevatum et diutinum
Granulomatose mit Polyangiitis (Morbus Wegener)
Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis
Disseminierte intravasale Koagulation
Synonym: Verbrauchskoagulopathie, disseminierte intravasale Coagulopathie/Gerinnung (DIC/DIG)
Reaktive Angioendotheliomatose
Arterio-/Arteriolosklerose
Embolia cutis medicamentosa