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Kinderchirurgie
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Verfasst von:
Maximilian Stehr
Publiziert am: 05.09.2018

Akutes Skrotum

Bei einem akuten Skrotum handelt es sich um einen Symptomenkomplex bestehend aus einer Rötung, Schmerz und Schwellung einer oder beider Skrotalhälften. Das akute Skrotum ist immer als Notfall zu betrachten, da eine Hodentorsion als mögliche Ursache unverzüglich operativer Therapie bedarf. Dennoch kommt diese in lediglich 10–30 % der Fälle vor. Herausforderung bei der Behandlung des akuten Skrotums ist also nach wie vor das Erkennen der richtigen Differenzialdiagnose, ohne zu häufig operativ explorieren zu müssen. Klinisch bewährt hat sich der sog. TWIST-Score (Testicular Workup for Ischemia and Suspected Torsion) mit einem hohen Vorhersagewert für oder gegen das Vorliegen einer Hodentorsion. Dabei werden die klinischen Zeichen bzw. Befunde wie Hodenschwellung, harte Konsistenz, fehlender Kremasterreflex, hohe Skrotallage sowie begleitende Übelkeit oder Erbrechen beurteilt. Die Doppler-Ultraschalluntersuchung der Hoden als zusätzliche apparative Untersuchungstechnik gehört heute zum klinischen Alltag in der Differenzialdiagnostik.
Bei einem akuten Skrotum handelt es sich um einen Symptomenkomplex bestehend aus einer Rötung, Schmerz und Schwellung einer oder beider Skrotalhälften. Das akute Skrotum ist immer als Notfall zu betrachten, da eine Hodentorsion als mögliche Ursache unverzüglich operativer Therapie bedarf. Dennoch kommt diese in lediglich 10–30 % der Fälle vor. Herausforderung bei der Behandlung des akuten Skrotums ist also nach wie vor das Erkennen der richtigen Differenzialdiagnose, ohne zu häufig operativ explorieren zu müssen. Klinisch bewährt hat sich der sog. TWIST-Score (Testicular Workup for Ischemia and Suspected Torsion) mit einem hohen Vorhersagewert für oder gegen das Vorliegen einer Hodentorsion. Dabei werden die klinischen Zeichen bzw. Befunde wie Hodenschwellung, harte Konsistenz, fehlender Kremasterreflex, hohe Skrotallage sowie begleitende Übelkeit oder Erbrechen beurteilt. Die Doppler-Ultraschalluntersuchung der Hoden als zusätzliche apparative Untersuchungstechnik gehört heute zum klinischen Alltag in der Differenzialdiagnostik.

Definition

Das akute Skrotum beschreibt ein Krankheitsbild mit den Symptomen Rötung, Schmerz und Schwellung einer oder beider Skrotalhälften (Abb. 1).
Cave: Wegen der Möglichkeit einer Hodentorsion gilt das akute Skrotum immer als Notfall.

Ätiologie und Inzidenz

Hinter einem akuten Skrotum können sich ganz unterschiedliche Differenzialdiagnosen verbergen (Tab. 1). In keinem Fall darf dabei eine Hodentorsion übersehen werden, da diese unmittelbar einer chirurgischen Behandlung bedarf, um den betreffenden Hoden erhalten zu können. Eine Hodentorsion ist in 10–30 % der Fälle Ursache eines akuten Skrotums. Am häufigsten bedingen entzündliche Prozesse wie die Epididymitis, gefolgt von der Hydatidentorsion im Kindesalter ein akutes Skrotum (Stehr und Boehm 2003; Sachwitz et al. 2012). Gelegentlich gelingt eine sichere Diagnose nicht, und im Zweifel bzw. bei nicht sicher möglichem Ausschluss einer vorliegenden Hodentorsion muss die operative Exploration erfolgen. Bis heute ist es für den behandelnden Arzt eine Herausforderung, die richtige Differenzialdiagnose zu stellen und eine dementsprechende Therapie einzuleiten. Er muss Patienten mit einer Hodentorsion rasch identifizieren, ohne den anderen Patienten den primär möglichen konservativen Therapieansatz zu verwehren.
Tab. 1
Differenzialdiagnose des akuten Skrotums und Differenzialtherapie
Differenzialdiagnose
Differenzialtherapie
Hodentorsion
Operativ möglichst innerhalb 6 h
Hydatidentorsion
Operativ, bei blander Klinik konservativ
Konservativ antibiotisch, in Ausnahmen operativ
Orchitis
Konservativ
Leistenhernie (inkarzeriert)
Reposition, elektive Herniotomie; ggf. akut operativ
Hydrozele – Hämatozele
Konservativ
Spermatozele
Ggf. elektiv operativ
Trauma
Konservativ (operativ z. B. bei Ruptur)
Insektenstich, -biss
Konservativ
Tumor
Elektiv operativ
Idiopathisches Skrotalödem
Konservativ
Postinflammatorisch reaktiv (z. B. Mittelmehrfieber)
Konservativ

Hodentorsion

Die Ätiologie der Hodentorsion ist letztlich unklar. Diskutiert werden heftige Kremasterkontraktionen während des Schlafs. Häufig finden sich in der Anamnese geringfügige Traumen, die der Torsion vorausgegangen sind. Begünstigend wirken sich eine mangelhafte Obliteration der Tunica vaginalis im Bereich den Nebenhodens und des Samenstrangs aus. Dadurch erreicht der Hoden eine hohe Beweglichkeit innerhalb der Hodenhüllen (sog. „Bell-clapper“-Deformität). Eine Torsion ereignet sich dann intravaginal. Eine extra- oder supravaginale Torsion wird dagegen eher durch eine mangelnde Fixation des Hodens durch das Gubernakulum begünstigt. Sehr selten findet sich eine isolierte Hodentorsion gegen den Nebenhoden bei ausgeprägter Hoden-Nebenhoden-Dissoziation (Abb. 2). Bei inkompletter Torsion kommt es zunächst zur Drosselung des venösen Abstroms mit konsekutiver Schwellung und schließlich hämorrhagischen Infarzierung. Bei kompletter Torsion (>360°) kommt es durch die plötzliche Unterbrechung der Blutzufuhr zum ischämischen Infarkt.

Epididymitis

Die Epididymitis ist meist bakteriell und kanalikulär aszendierend verursacht. Hierbei kommt es zur Entzündung durch Influx des Harns in den Ductus deferens (sog. deferentialer Influx). Ein Keimnachweis gelingt allerdings nur selten. Subvesikale Obstruktion z. B. bei hinteren Harnröhrenklappen oder spastischem Sphinkter bei neurogener Blasenentleerungsstörung begünstigen einen deferentialen Influx und damit eine Epididymitis. Bei rezidivierenden Epididymitiden sollte daher im Intervall dahingehend abgeklärt werden. Die isolierte Orchitis ist hingegen meist hämatogen viral bedingt (z. B. Mumps-Orchitis). Entzündliche Geschehen sind mit >50 % die häufigste Ursache eines akuten Skrotums (Stehr und Boehm 2003; Ciftci et al. 2004).

Hydatidentorsion

Eine Hydatide oder Appendix testis entspricht dem Rest der zurückgebildeten Müller-Gänge und imponiert dem Nebenhoden direkt benachbart meist am Hodenoberpol. Bei Torsion kommt es zur Infarzierung.

Klinik

Die Klinik ist geprägt von der akuten Schmerzsymptomatik. Die Art des Einsetzens des Schmerzes wie die Schmerzeinschätzung selbst sind hier von Bedeutung: Ein in wenigen Minuten rasch einsetzender Schmerz mit bis zu stärkster Intensität deutet möglicherweise auf ein akutes ischämisches Geschehen hin. Nicht selten, v. a. bei Vorliegen einer Hodentorsion, kommt es auch zum Erbrechen. Diese Patienten suchen in aller Regel rasch ärztliche Hilfe. In einer retrospektiven Analyse hatten 69 % der Patienten eine Hodentorsion, wenn sie innerhalb der ersten 12 h nach Einsetzen der Schmerzen ärztlich untersucht wurden. Erfolgte die ärztliche Vorstellung und Untersuchung erst danach, waren es nur noch zwischen 8 und 15 % (Kadish und Bolte 1998).
Dennoch kann die Klinik in hohem Maße variieren! So können entzündliche Prozesse gelegentlich durchaus klinisch stärker imponieren als eine Hodentorsion. Im weiteren Verlauf kommen zunehmende Schwellung und Rötung des gesamten Skrotums hinzu, wodurch die klinische Untersuchung erschwert wird. Beim sog. idiopathischen Skrotalödem steht die Hautsymptomatik dagegen von vornherein im Vordergrund. Bei diesem Krankheitsbild handelt es sich um eine akut einsetzende starke Schwellung einer oder beider Skrotalhälften, wobei eine ausgeprägte Dolenz der Haut und weniger des Hodens auffällt. Als Ursache kommt am ehesten ein lokales allergisches Phänomen infrage, die Hoden selbst sind nicht betroffen. Das Ödem klingt meist spontan innerhalb von 2–3 Tagen wieder ab.
Bei einem akuten Skrotum beim Neugeborenen ist die Symptomatik häufig unspezifisch und weniger eindrücklich. Bei entzündlicher Genese fallen neben dem geröteten und geschwollenen Lokalbefund Allgemeinsymptome wie Fieber und eine Erhöhung der Entzündungsparameter auf. In mehr als der Hälfte der Fälle liegt eine Hodentorsion vor, die wiederum in mehr als der Hälfte der Fälle bereits intrauterin stattgefunden hat (Whitaker 1982). Die Klinik ist dann häufig nicht sehr ausgeprägt, der Lokalbefund zeigt im Wesentlichen eine wenig schmerzhafte, derbe Schwellung des Hodens. Diese wird dann nicht selten erst in den nächsten Tagen nach der Geburt bemerkt.

Diagnostik

Ein akutes Skrotum ist immer als Notfall anzusehen. Die Diagnostik muss unverzüglich eingeleitet werden. Nach wie vor ist neben der Erhebung der Anamnese die klinische Untersuchung von größter Bedeutung. Eine apparative Untersuchung mittels Doppler-Sonografie (seltener Hodenszintigrafie, ggf. MR nur ohne Zeitverlust) sollte immer durchgeführt werden, um die Durchblutungssituation beurteilen zu können (Aganovic und Cassidy 2012). Ein hohes Maß an Erfahrung, aber auch eine moderne apparative Ausstattung sind gerade bei der Sonografie Voraussetzung für die Beurteilung der verschiedenen Differenzialdiagnosen. Im Zweifel muss, wie oben erwähnt, der Hoden freigelegt werden.

Anamnese

Die Anamnese kann Hinweise auf die verschiedenen Differenzialdiagnosen liefern. Die Hodentorsion hat zwei typische Altersgipfel: in der Neugeborenperiode und peripubertär (Kadish und Bolte 1998). Die Hodentorsion ereignet sich häufig in den frühen Morgenstunden mit akut einsetzender Symptomatik. Typischerweise steigert sich dabei der Schmerz im weiteren Verlauf, nicht selten kommt es zum Erbrechen. Dabei ist das Symptom Erbrechen bei akutem Skrotum ein signifikanter klinischer Parameter für das Vorliegen einer Hodentorsion mit einem positivem Vorhersagewert von 74 % (bei Vorliegen einer Torsion der Appendix testis nur 18 %, bei einer Epididymitis lediglich 9 %, Ciftci et al. 2004). Ein schleichender, subakuter Beginn über mehrere Tage spricht hingegen eher für ein entzündliches Geschehen, auch werden hier oft intermittierende Schmerzen angegeben.
Cave: Allerdings ist auch eine intermittierende Hodentorsion mit spontaner Detorsion bekannt und mit in die Differenzialdiagnose einzubeziehen.

Klinische Untersuchung

An erster Stelle steht die Beurteilung der Hodenlage (Brunnel-Zeichen): Bei einer Hodentorsion ist der Hoden hochskrotal, oft quer liegend zu tasten. Der Kremasterreflex ist typischerweise aufgehoben. Ein hochskrotal quer zu tastender Hoden ohne auslösbaren Kremasterreflex ist bei akutem Skrotum mit einem positivem Vorhersagewert von > 80 % verbunden (Ciftci et al. 2004). Eine orthotope Lage mit intaktem Kremasterreflex spricht eher gegen eine Hodentorsion, allerdings sind die Untersuchungsbedingungen oft bei hoher Schmerzhaftigkeit und fortgeschrittener Schwellung eingeschränkt. Ebenso eingeschränkt beurteilbar ist das sog. Prehn-Zeichen: Hierbei werden die Schmerzen im Falle einer Epididymitis bei Anheben des Hodens gelindert, bei einer Torsion bleiben sie unverändert bestehen. Bei Vorliegen einer stielgedrehten Hydatide kann man bei nicht zu starker Schwellung der Skrotalhaut diese schwarz und infarziert hindurch schimmern sehen (sog. „Blue-dot“-Zeichen).
Folgende klinische Untersuchungsbefunde haben sich in der Praxis zur Beurteilung eines akuten Skrotums bewährt und werden im sog. TWIST-Score (Testicular Workup for Ischemia and Suspected Torsion) zusammengefasst:
  • Testikuläre Schwellung (2 Punkte) und harte Konsistenz (2 Punkte),
  • fehlender Kremasterreflex (1 Punkt),
  • Übelkeit und Erbrechen (1 Punkt),
  • hohe Skrotallage (1 Punkt).
Ein Wert < 2 Punkte bedeutet dabei ein niedriges Risiko, >5 Punkte ein hohes Risiko für das Vorliegen einer Hodentorsion (Barbosa et al. 2013). Dabei liegt der negative Vorhersagewert in der Niedrigrisikogruppe bei 96,61 %, der positive Vorhersagewert dagegen in der Hochrisikogruppe bei 92,86 % (Manohar et al. 2018). Damit ist dieser Score auch ohne zusätzliche apparative Untersuchung (z. B. wenn keine Doppler-Sonografie verfügbar ist) von großem klinischem Wert und kann ebenso auch von nicht klinischem Personal (z. B. Sanitäter, Pflegepersonal in der kinderchirurgischen Ambulanz) mit gleicher Genauigkeit angewendet werden (Seth et al. 2016).
Bei hochgradigem Verdacht auf Vorliegen einer Hodentorsion kann eine manuelle Detorsion (nach lateral, da der Hoden meist nach medial torquiert) insbesondere bei älteren Patienten versucht werden. Auch bei Erfolg mit akuter Schmerzlinderung ist die unverzüglich anschließende operative Freilegung obligat.
Wenn auch die Anamnese wie die körperliche Untersuchung die wichtigsten diagnostischen Schritte sind, gelingt hierdurch allerdings eine korrekte Diagnose bei vorliegender Hodentorsion nur in etwa 88 %, d. h. 12 % werden klinisch fehldiagnostiziert. Hydatidentorsionen oder Epididymitiden sind rein klinisch noch schwieriger zu diagnostizieren (Mushtaq et al. 2003). Um eine explorative Hodenfreilegung möglichst zu vermeiden, sollte das akute Skrotum daher zusätzlich insbesondere in der intermediären Risikogruppe (TWIST-Score 2–5) apparativ untersucht werden.

Sonografie

Die Sonografie steht im Rahmen der apparativen Untersuchungen des akuten Skrotums an erster Stelle. Moderne Technik mit gepulstem Doppler-Modus, ein Linearschallkopf mit mindestens 10 MHz mit dementsprechend hoher Auflösung sowie große Erfahrung seitens des Untersuchers sind hierbei Voraussetzung. Im B-Mode lassen sich der Hoden und Nebenhoden auf die Größe und Echotextur gut untersuchen, eine stielgedrehte Hydatide kann oft dargestellt werden (Abb. 3). Der Hoden selbst muss auf etwaige Tumoren oder Infiltrate (z. B. leukämisch) hin untersucht werden. In der Duplex-Sonografie wird die Perfusion im Nebenhoden und im Hodenparenchym beurteilt. Bei entzündlichen Geschehen wie einer Epididymitis zeigt sich eine deutliche Hyperperfusion des Nebenhodens wie auch eine als reaktiv zu bezeichnende Hyperperfusion des Hodens selbst (Abb. 4).
Es sollten nicht nur die perfundierten Gefäße selbst dargestellt, sondern die Blutflussgeschwindigkeiten exakt systolisch (Vmax) und enddiastolisch (Vdiast) gemessen werden. Aus diesen Werten lässt sich der Resistive-Index (RI) errechnen, der ein Maß für den Gewebewiderstand und damit für eine suffiziente Perfusion darstellt. Werte <0,7 gelten als normal, darüber als pathologisch. Bei Werten >0,7 wird der Gewebewiderstand z. B. ödembedingt so hoch bzw. die enddiastolische Blutflussgeschwindigkeit so niedrig, dass hier lediglich nur noch eine insuffiziente „Pendelperfusion“ vorliegt. Ebenso muss der Untersucher darauf achten, Gefäße möglichst zentral im Hodenparenchym zu messen. Gefäße am Hodenrand entsprechen oft Arterien der Hodenhüllen, die auch bei vorliegender Hodentorsion eine Perfusion aufweisen können (Abb. 5). Ebenso dürfen Reperfusionsphänomene, die nach lange bestehender Hodentorsion (>24 h) beobachtet werden können, nicht zu einem falsch-positiven Befund führen. Mit einer Sensitivität von etwa 92 % und einer Spezifität von etwa 98 % kann sonografisch und dopplersonografisch eine Hodentorsion als ischämische Ursache des akuten Skrotums diagnostiziert bzw. ausgeschlossen werden (Stehr und Boehm 2003).
Cave: Wegen der Möglichkeit eines falsch-positiven Ultraschallbefundes (falsch dargestellte Perfusion bei vorliegender Ischämie) darf das Ergebnis der Ultraschalluntersuchung nicht alleine ausschlaggebend sein für die Entscheidung, weiter konservativ oder operativ vorzugehen.
Vielmehr muss die Sonografie mit dem klinischen Eindruck übereinstimmen:
  • Besteht klinisch der Verdacht auf Hodentorsion und zeigt sich dopplersonografisch keine Perfusion, ist die sofortige Hodenfreilegung sicher indiziert.
  • Besteht klinisch allerdings der Verdacht, dass es sich eher nicht um eine Hodentorsion handelt und zeigt sich dopplersonografisch eine gut darstellbare Perfusion des Hodens, kann konservativ z. B. durch Antibiotikagabe bei Verdacht auf Epididymitis vorgegangen werden.
Schon aus forensischen Gründen sind vor der Ära dieser zusätzlichen Untersuchungsmöglichkeit wesentlich mehr Hodenfreilegungen (bis nahe 100 %) bei akutem Skrotum durchgeführt worden, worin der eigentliche Wert dieser Untersuchungsmethode erkennbar wird.

Szintigrafie

Die Hodenszintigrafie ist hinsichtlich der Aussagekraft über die Perfusionssituation der Hoden prinzipiell sicher gleichwertig zur Sonografie anzusehen. Aufgrund der höheren Invasivität, des größeren apparativen Aufwandes und einer schlechteren Verfügbarkeit hat diese Untersuchungsmethode heute weitgehend an Bedeutung verloren.

Weiterführende Diagnostik

Bei entzündlicher Ätiologie kann das Blutbild dementsprechend verändert sein. Meist ist es aber unspezifisch. Eine Epididymitis ist ggf. mit einer Harnwegsinfektion vergesellschaftet. Eine Urinkultur sollte vor Therapiebeginn gewonnen werden. Ein Keimnachweis gelingt dabei allerdings nur selten.
Bei rezidivierenden Epididymitiden sollte zum Ausschluss einer Harnröhrenpathologie eine Röntgen-Miktionszysturethrografie (MCU) durchgeführt werden. Auch kann ein Zystomanometrie (CMM) in Fällen neurogener oder nichtneurogener Blasenentleerungsstörung wertvolle Hinweise liefern.

Therapie

Die Therapie richtet sich nach der Ätiologie (Tab. 1). Oberstes Gebot ist es, eine Hodentorsion nicht zu übersehen und so rasch wie möglich operativ freizulegen. Dem inguinalen Zugang ist gegenüber dem skrotalen der Vorzug zu geben. Die Übersicht ist wesentlich besser, und ein gleichzeitig nicht obliterierter Processus vaginalis kann mit versorgt werden. Nach Freilegung und Detorquierung wird intraoperativ die Erholung des Hodens beurteilt (Abb. 6). Manchmal ist es sinnvoll, die Hodenkapsel und das Parenchym zu inzidieren. Nach einiger Zeit kann ggf. eine Blutung aus dem Parenchym als Zeichen der Reperfusion gesehen werden (Abb. 7).
Bei sichtbarer Erholung erfolgt die Orchidopexie, bei kompletter Infarzierung die Ablatio testis. Die Entscheidung hierbei ist oft nicht einfach. Gegen einen zu großzügig indizierten Erhaltungsversuch sprechen die Gefahr der Abszedierung und die Möglichkeit der sog. sympathischen Orchidopathie (s. unten). Für den Erhalt auch teilgeschädigter Hoden spricht die Tatsache, dass die Leydig-Zwischenzellen wesentlich robuster sind und eine Hormonproduktion später noch erwartet werden kann. Bei einer Hodentorsion muss zudem die Gegenseite prophylaktisch pexiert werden, bei starker begleitentzündlicher Reaktion des Skrotums spätestens im Intervall nach etwa 4 Wochen.
Obwohl bei geringsten Zweifeln an der Diagnose (Ausschluss Hodentorsion) die Hodenfreilegung durchzuführen ist, darf dennoch an dieser Stelle der unkritischen Operation nicht das Wort geredet werden. Bei dementsprechender Erfahrung, Untersuchung und apparativer Diagnostik müssen etwa 30 % aller Fälle eines akuten Skrotums operiert werden. 70 % der Fälle können also konservativ behandelt werden. Hierbei kommen lokale Maßnahmen wie Umschläge und Hodenbänkchen, ggf. Antibiotika und nichtsteroidale Antiphlogistika zum Einsatz. Die Epididymitis spricht in aller Regel gut auf eine intravenöse Antibiotikatherapie an. Bei präpubertären Knaben finden sich ganz überwiegend Enterobacteriaceae als auslösende Erreger, bei Jugendlichen seltener auch Chlamydia trachomatis oder Neisseria gonorrhoeae. Eine Epididymitis kann auch postinfektiös reaktiv inflammatorisch bedingt sein. Als typisches Beispiel wäre hier das Mittelmehrfieber zu nennen und bei betroffenen Knaben aus diesen Ländern sollte daran gedacht werden. Analgetika und Antiphlogistika sind in diesen Fällen ausreichend. Bei den bakteriell bedingten Epididymitiden sind Cephalosporine (z. B. Cephalexin) oder Amoxicillin/Clavulansäure Mittel der ersten Wahl, bei Jugendlichen ab der Pubertät auch Gyrasehemmer. Wegen der Gram-negativen Lücke sollte Clindamycin nicht verabreicht werden.
Dabei kann es aber durchaus sinnvoll sein, auch eine Epididymitis bei drohender Abszessbildung freizulegen und zu spülen. Der Krankheitsverlauf wird günstig beeinflusst und abgekürzt. Prinzipiell Gleiches gilt für die Hydatidentorsion: Bei dementsprechender Klinik sollte nicht konservativ vorgegangen werden, sondern die stielgedrehte Hydatide abgetragen werden. Die Kinder sind dann tags darauf oftmals wieder beschwerdefrei.

Prognose

Bei einer Hodentorsion sind histologische Veränderungen bereits nach etwa 2 h Ischämiezeit nachzuweisen. In der Folge ist meist eine teilweise Hodenatrophie zu beobachten. Die Spermiogenese ist dabei als erste betroffen, die Hormonproduktion bleibt länger erhalten. Dennoch sind bei Patienten nach Hodentorsion im Langzeitverlauf in bis zu zwei Drittel der Fälle abnorme Werte für LH/FSH und Testosteron nachweisbar (Chiang et al. 2007). Während bei einer bis zu 5 h andauernden Ischämiezeit der Hoden bei 80 % der Fälle erhalten werden kann, gelingt dies nach 10 h nur noch bei 20 % (Melchior und Müller 2000). Eine Hodenatrophie ist sichere Folge, und möglicherweise auch eine sympathische Orchidopathie der Gegenseite, bei der der gesunde Hoden durch zirkulierende Antikörper auf humoralem Weg geschädigt wird. Bei mehr als der Hälfte der Patienten nach Hodentorsion lassen sich auch Antikörper gegen körpereigene Spermien nachweisen (Chiang et al. 2007). Nach 6 h Ischämiezeit erscheint heute ein Organerhalt nicht mehr sinnvoll.
Trotz möglicherweise pathologischer Hormonwerte oder auch pathologischem Spermiogramm ist die spätere Fertilität nach einseitiger Hodentorsion (mit oder ohne Organerhalt) klinisch nicht eingeschränkt. Ernst nehmen muss man die Epididymitis hinsichtlich der Ausbildung späterer Sterilität. Bei rezidivierenden Entzündungsprozessen muss mit einer Vernarbung des Nebenhodens und des Ductus deferens gerechnet werden.
Literatur
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Ciftci AO, Senocak ME, Tanyel FC, Büyükpamukçu N (2004) Clinical predictors for differential diagnosis of acute scrotum. Eur J Pediatr Surg 14(5):333–338CrossRef
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