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Kinderchirurgie
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Publiziert am: 01.10.2018

Entzündliche Erkrankungen des Halses bei Kindern

Verfasst von: Jochen Hubertus und Rainer Grantzow
Entzündliche Veränderungen betreffen überwiegend Lymphknoten; hier sei insbesondere auf den Befall mit atypischen Mykobakterien hingewiesen.
Entzündliche Veränderungen betreffen überwiegend Lymphknoten; hier sei insbesondere auf den Befall mit atypischen Mykobakterien hingewiesen.
Entzündliche Erkrankungen des Halses betreffen die in dieser Region zahlreichen Lymphknoten, die den entsprechenden Abflusswegen und ersten Filterstationen aus dem Gesichts- und Mundbereich zuzuordnen sind. Da hier besonders häufig entzündliche Lymphknotenschwellungen im Rahmen von banalen Infekten beobachtet werden, kommt es gehäuft zu Lymphknotenabszessen. Schwierig kann gelegentlich die Abgrenzung eines entzündlich vergrößerten von einem maligne veränderten Lymphknoten sein.
Ferner kann durch die Gabe von Antibiotika ein entzündlicher Verlauf prolongiert sein. Aber auch unter einer Antibiotikatherapie kann es zu einer entzündlichen Einschmelzung kommen, die eine Spaltung und Abszessdrainage notwendig macht. Eine solche Einschmelzung kann im Ultraschall problemlos gesehen werden, auch wenn es sich um tief liegende Lymphknoten handelt, die palpatorisch schwer zu beurteilen sind. Liegen Lymphknotenabszesse in der submentalen und submandibulären Region vor, ist bei der Spaltung auf den Verlauf des Ramus marginalis des N. facialis zu achten. Nach der Spaltung des Lymphknotenabszesses, Entnahme eines Abstrichs zur mikrobiologischen Untersuchung, Spülung und Lascheneinlage ist eine komplikationslose Abheilung die Regel. Bei diesen „unkomplizierten Abszessen“ sind meist Staphylokokken und Streptokokken ursächlich.
Einen deutlich komplizierteren Verlauf nehmen Lymphknotenabszesse, deren Ursache atypische Mykobakterien (MOTT) sind. Hier ist der Erreger meist das Mycobacterium avium. Aber auch andere Stämme werden gesehen (Abb. 1). Daher ist v. a. bei Lymphknotenabzessen, die bei der Spaltung eine verkäsende Nekrose aufweisen, an eine MOTT zu denken und eine entsprechende Diagnostik einzuleiten. Hierzu sollten an dem entnommenen Präparat eine PCR auf Mykobakterien und ein mikroskopischer Bakteriennachweis erfolgen. Zwar können die Erreger auch auf dem Löwenstein-Jensen-Medium bebrütet werden, da es sich aber um sehr langsam wachsende Organismen handelt, ist so eine Diagnose nicht zeitgerecht zu stellen. Außerdem empfiehlt es sich, eine Probe an das nationale Referenzzentrum für die Diagnostik und Behandlung der MOTT, das Forschungszentrum Borstel, zu versenden.
Eine komplette Sanierung der atypischen Mykobakterien ausschließlich mit Antibiotika und Tuberkulostatika ist wenig erfolgreich. Die bloße Kürettage oder Abszessspaltung führt zu einer erhöhten Rate von Rezidivoperationen (Flint et al. 2000). Zumeist ist eine primäre Resektion nicht möglich, da das Ausmaß der Entzündungsreaktion das umliegende Gewebe stark involviert und eine ausgedehnte Lymphknotenresektion im akuten Entzündungszustand nicht durchführbar ist. In diesen Fällen empfiehlt sich zunächst mit Tuberkulostatika die Inflammation in den Griff zu bekommen. Da in der Regel durch die MOTT lediglich eine Lymphknotenstation betroffen ist, ist dann im entzündungsfreien Intervall die komplette Exstirpation anzustreben.
Die differenzialdiagnostisch in Erwägung zu ziehende echte Tuberkulose hat in den letzten Jahren durch die zunehmende Migration wieder etwas an Bedeutung gewonnen. Zwar sind extrapulmonale Befunde lediglich in 20 % der Fälle nachweisbar, dann bilden aber die Lymphknoten das Organ, das am häufigsten betroffen ist. Jährlich werden in Deutschland ca. 230 Neuerkrankungen bei Kindern <15 Jahren gemeldet. Daher ist v. a. bei Patienten mit Migrationshintergrund die Tuberkulose als Ursache für die Lymphknotenschwellung zu denken.
Literatur
Flint D, Mahadevan M, Barber C (2000) Cervical adenitis due to non-tuberculous bacteria: surgical treatment and review. Int J Pediatr Otorhinolaryngol 53:187–194CrossRef