Hierunter werden v. a. die anorektalen
Abszesse, Fisteln und
Analfissuren zusammengefasst, die meist Säuglinge oder Kleinkinder betreffen. Treten sie später auf, sollte immer an eine mögliche Assoziation mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, insbesondere einem
Morbus Crohn, gedacht werden. Erkrankungen wie
Hämorrhoiden, Analhaut-/Rektumproplaps und Verletzungen sind im Kindesalter selten.
Perianale und perirektale Abszesse und Fisteln
Analabszess
Mit ca. 75 % treten perianale
Abszesse im
Kindesalter am häufigsten im Säuglingsalter auf. Die Lokalisation ist dabei in der Hälfte der Fälle bei 3 oder 9 Uhr in Steinschnittlage. Die Ätiologie der perianalen Abszesse
im
Jugendlichen- und Erwachsenalter ist eine Infektion der Proktodealdrüsen mit daraus entstehenden Circulus vitiosus: Entzündung –
Schmerz – Analsphinkterspasmus – Abflussbehinderung der Proktodealdrüsen – Abzsessbildung – Schmerz. Aufgrund der anatomischen Lage der Proktodealdrüsen entsteht der primäre intersphinktärer Abszess meist im Bereich der hinteren Analkommissur. Oft ist dies mit einer chronischen
Obstipation,
Analfissuren oder
Hämorrhoiden assoziiert, da diese einen erhöhten Analsphinktertonus mit resultierendem Sekretstau zur Folge haben.
Beim
Säugling und
Kleinkind besteht selten eine derartige Vorerkrankung. Die
Abszesse sind meist subkutan gelegen. Daher scheint die Ätiologie der perianalen Abszesse beim Säugling und Kleinkind anders zu sein. Es wird eine infizierte abnorme Morgagni-Krypte diskutiert, aber auch die Hypothese, dass es zu einer dermalen bzw. subdermalen Infektion oder einer Infektion versprengter Zellen des Sinus urogenitalis kommt (Serour et al.
2005). Die männliche Dominanz der perianalen Abszesse im Säuglingsalter mit einer Verteilung von 30:1 im Vergleich zu 3:1 im Alter von 3–16 Jahren lässt einen hormonell getriggerten Entstehungsmechanismus vermuten. Morgagni-Krypten liegen zwischen den Analpapillen und sind bei Kindern mit
Analabszessen typischerweise vertieft, wodurch sich ein Sekretstau mit anschließender Abszedierung erklären lässt.
Analfistel
Perianale Fisteln
treten im
Säuglings- und Kleinkindesalter am häufigsten im 1. Lebenshalbjahr auf und liegen meist nur subkutan. Ätiologisch ist unklar, ob sich aus einer abszedierenden Entzündung ein Fistelkanal
bildet oder ob sich eine vorbestehende, kongenitale Fistel aus versprengten Zellen des Sinus urogenitalis sekundär infiziert. Untermauert wird die zweite These dadurch, dass sich im Säuglingsalter teils schon früh komplexe Fistelgänge zeigen bzw. diese mit einem Epithel ausgekleidet sind (Serour et al.
2006). Im Säuglings- und Kleinkindesalter ist davon auszugehen, dass in ca. 20 % ein perianaler
Abszess mit einer Fistel assoziiert ist (Meyer et al.
2006).
Bei
älteren Kindern und
Jugendlichen kommt es durch eine Entzündung einer Proktodealdrüse
mit Abszedierung und Ausbreitung des Pus in den verschiedenen Schließmuskelanteilen zur
Analfistel. Hier kann eine komplette Fistel mit durchgehender Verbindung oder eine inkomplette innere bzw. äußere Fistel vorliegen. Die Einteilung erfolgt in Bezug auf den M. sphincter ani externus:
-
Intersphinktäre Fistel: Submuköse Fistel im Spatium intersphincterium.
-
Transsphinktäre Fistel: Sie verläuft durch die Mm. sphincter ani externus und internus unterhalb der Puborektalisschlinge.
-
Suprasphinktäre Fistel: Bei dieser seltenen Form verläuft die Fistel über die Puborektalisschlinge hinaus und durchbricht evtl. auch die Levatorplatte.
-
Extrasphinktäre Fistel: Diese sehr selten Form durchbricht den Sphinkter und die Levatorplatte mit Mündung in das Rektum.
Der klinische Befund des
Analabszesses zeigt sich meist in einer druckdolenten, indurierten Rötung und Schwellung perianal.
Cave: Wenn der Fistelgang mit einem Epithel ausgekleidet ist, muss eine vollständige Entfernung erfolgen. Ansonsten besteht eine hohe Rezidivrate. Hierbei ist darauf zu achten, dass es zu keiner Läsion des Schließmuskels kommt.
Bei einer Fistel mit einer kleinen Muskelbrücke kann ebenfalls eine Spaltung über die gesamte Fistellänge durchgeführt werden, da hier bei normalem Sphinkter keine Gefahr eines Kontinenzverlusts besteht. Die Wunde wird anschließend offen behandelt mit regelmäßigen Ausspülen/-duschen. Handelt es sich um höhere Analfisteln, muss eine Fistulektomie mit Herausschälen des Fistelgangs und der entzündeten Proktodealdrüse ohne wesentliche Schädigung des Schließmuskels erfolgen. Der Wundkanal im Muskel wird vernäht und mit einem Schleimhautlappen abgedeckt. Die Prognose ist bei vollständiger Darstellung und Spaltung bzw. Entfernung des Fistelgangs gut und Rezidive sind nach korrekten Maßnahmen selten.
Hämorrhoiden
Hämorrhoiden sind im Kindesalter extrem selten. Treten sie gelegentlich auf, dann als sog.
Analrandthrombosen mit einem thrombosierten Hämorrhoidalknoten. Ursächlich ist meist ein erhöhter Schließmuskeltonus. Allerdings stellt sich oft bei der Untersuchung des Kindes mit Verdacht auf Hämorrhoiden eine Schleimhautektropie oder evtl. ein
Analprolaps heraus. Bei echten Hämorrhoiden im Kindesalter sollte auf jeden Fall eine
portale Hypertension abgeklärt werden. Die Therapie der Hämorrhoiden besteht in stuhlregulierenden Maßnahmen und topischen Behandlungen (Abschn.
1.2). Bei akuten, starken
Schmerzen aufgrund einer Thrombosierung kann eine Inzision mit Entfernung des Thrombus in Narkose notwendig sein. Im Rahmen der Narkose sollte dann auch eine Rektoskopie erfolgen.
Analhaut- und Rektumprolaps
Beim starken Pressen während der Stuhlentleerung kann es bei Kindern durch eine nur lockere Verbindung der Analhaut
mit der Muskularis und einem im Vergleich zum Erwachsenen weitgehend geraden Verlauf des Sakrums zu einem Analhautprolaps kommen. In 20 % der Fälle kann ein
Analprolaps das erste Symptom einer
zystischen Fibrose sein, sodass diese in jedem Fall ausgeschlossen werden sollte. Das Austreten der Rektumwand
wird in 4
Schweregrade eingeteilt
(Antao et al.
2005):
-
Grad I: innere Einstülpung
-
Grad II: sichtbarer Prolaps mit spontaner Remission
-
Grad III: sichtbarer Prolaps mit notwendiger manuellen Reposition
-
Grad IV: keine Reposition des Prolaps möglich
Rektales Trauma
Anorektale Verletzungen sind bei Kindern selten. Zugrunde liegende Unfallmechanismen sind meist stumpfe oder penetrierende Traumata im Rahmen von Verkehrsunfällen. Bei gleichzeitiger Beckenfraktur bestehen oft begleitend Verletzungen des Harntrakts. Es kann zu rektalen Einrissen, Avulsionen oder Perforationen kommen, die extra- oder intraperitoneal liegen.