Chemische und mechanische Schädigungen des Ösophagus
Chemische Schädigungen der Speiseröhre sind meist das Ergebnis einer akzidentellen Laugen- oder Säureingestion des Kleinkindes und selten einer Ingestion von Chemikalien bei Jugendlichen in suizidaler Absicht. In der Regel handelt es sich um flüssige, laugenhaltige Reinigungsmittel, die in Abhängigkeit von der Kontaktzeit, der Art der Chemikalie und der Viskosität der Flüssigkeit eine langstreckige Schädigung des Organs hervorrufen und zu einer schweren Schädigung des Ösophagusepithels mit verflüssigten Nekrosen führt. Ist die gesamte Ösophaguswand betroffen, kann es zur Perforation kommen. Säureingestionen verursachen dagegen Koagulationsnekrosen, die meist die inneren Wandschichten des Ösophagus betreffen oder den Ösophagus aussparen und erst im Magen zur Schädigung führen.
Trockensubstanzen schädigen eher den Mund, Rachen und oberen Ösophagus. Batterien können nach Laugenaustritt lokal begrenzte Befunde verursachen, passieren jedoch in der Regel den Ösophagus, ohne dort Schäden zu verursachen. Eine lokalisierte mechanische Schädigung des Ösophagus wird typischerweise durch retinierte Fremdkörper wie Münzen oder Spielzeugteile verursacht. Prädilektionsstellen der fremdkörperbedingten Schädigung sind die natürlichen Engen des Ösophagus.
Die Laugeningestion ist im Vergleich zur Säureingestion häufiger und geht mit einer schwereren Schädigung der gesamten Ösophaguswand einher.
Cave: Eine initial fehlende Symptomatik und fehlende oropharyngeale Läsionen schließen eine schwere chemische Ösophagusschädigung nicht aus.
Die Ingestion von Fremdkörpern führt zur Dysphagie mit Nahrungsverweigerung und zum „Speicheln“ als typischem Symptom. Ist der Fremdkörper bekannt und röntgendicht, kann mittels einer Röntgenübersichtsaufnahme der Verhalt im Ösophgaus gesichert werden. Jeder Fremdkörper im Ösophagus ist unverzüglich zu entfernen, sodass bei radiologischem Fremdkörpernachweis und bei jeglichem Verdacht auf die Ingestion eines nicht röntgendichten Fremdkörpers eine Endoskopie zu erfolgen hat. Alternativ kann bei Verdacht auf den Verhalt eines nicht röntgendichten Fremdkörpers eine Röntgenkontrastdarstellung der Speiseröhre durchgeführt werden.
Cave: Das Auslösen von Erbrechen und die Gabe pH-neutralisierender Lösungen sind nach Säure- oder Laugeningestion kontraindiziert.
Die intravenöse Flüssigkeitssubstitution zur Schockprophylaxe oder -therapie und die intravenöse Applikation von Analgetika gehören zum Standardvorgehen. Bei Patienten mit Grad-I-Läsionen kann rasch mit dem oralen Nahrungsaufbau begonnen werden, sodass weitere Maßnahmen nicht erforderlich sind. Bei Grad-II- und Grad-III-Verletzungen kann eine systemische Steroidtherapie, z. B. mit Prednison 2 mg/kg KG/24 h eingeleitet werden. Hinsichtlich der Verminderung des Auftretens von Strikturen besteht jedoch kaum Evidenz.
Bei Nekrosenbildung und Motilitätsverlust erfolgt die enterale Ernährung entweder über eine nasal eingebrachte Magensonde oder in schweren Fällen über eine Gastrostomie, die vorzugsweise laparoskopisch assistiert angelegt wird. Zudem ist eine Therapie mit Protonenpumpenhemmern oder H2-Blockern einzuleiten.
Die gefürchtete Frühkomplikation der Ösophagusverätzung
ist die
Ösophagusperforation mit konsekutiver
Mediastinitis, Beteiligung des Tracheobronchialsystems oder Penetration in die Aorta. Insbesondere nach Ingestionsverletzungen in suizidaler Absicht können aufgrund der Menge der aufgenommenen Chemikalien und einer ausgedehnten Gewebeschädigung rasche chirurgische Maßnahmen bis zur Ösophagektomie und Gastrektomie erforderlich werden.
Ösophagusstriktur
Cave: Gefürchtete Komplikationen der Ösophagusläsion durch Laugen- oder Säureingestion: Ösophagusperforation,
Mediastinitis, Penetration in das Tracheobronchialsystem oder die Aorta.
Ösophagusperforation und -ruptur
Als Ursachen der Ösophagusperforation kommen iatrogene Manipulationen und intraluminale Fremdkörper in Betracht. Iatrogene Faktoren sind die Fehlintubation, die Fehlplatzierung einer Magensonde und insbesondere die Endoskopie mit oder ohne Probenentnahme oder Bougierung. Traumatische Rupturen können zudem durch Fremdkörperpenetration von außen, chemische Verletzung oder durch ein stumpfes Thorax- oder Halstrauma entstehen. Selten kann bei Neugeborenen, Säuglingen oder Kleinkindern heftiges Erbrechen zu einer Ösophagusruptur führen (Boerhaave-Syndrom).
Bei Verdacht auf eine Ösophagusperforation erfolgt eine Röntgenuntersuchung des Thorax in 2 Ebenen und eine Kontrastmitteldarstellung des Ösophagus.
Die frühe Diagnosestellung hat bei der Ösophagusruptur entscheidende prognostische Bedeutung.