Postnatale neonatologische Therapie
Der Geburtsmodus
hängt in der Regel von der LHR (lung-head-ratio) ab, evidenzbasierte Daten liegen jedoch nicht vor. Auch der exakte Zeitpunkt der Geburt bleibt umstritten. Ab einer LHR von 1,8 steht einer Spontangeburt nichts im Wege, als mögliche Grenze für eine Spontangeburt wird (je nach Erfahrung der Klinik) auch ein LHR >1,5 betrachtet. Liegt die LHR <1,2, so wird eine geplante Sectio nach der 37. SSW empfohlen (Reiss et al.
2010; Snoek et al.
2016a,
b); für den Bereich einer LHR zwischen 1,2 und 1,5 gilt ebenfalls, dass das Vorgehen im Ermessensbereich der Klinik liegt.
Nur bei vorzeitigen Wehen bzw. drohender
Frühgeburt vor der 34. SSW ist nach den Leitlinien der NIH (National Institutes of Health) die Applikation von Steroiden zur Induktion der Lungenreife zu empfehlen. Unmittelbar nach der Geburt erfolgt die Intubation, um die Dilatation des Magendarmtrakts infolge der Maskenbeatmung zu verhindern und einer progredienten Dyspnoe, Azidose,
pulmonalen Hypertonie und Mediastinalverlagerung entgegenzuwirken.
Für eine prophylaktische
Surfactant-Gabe gibt es keine Evidenz. Die prophylaktische Gabe von Surfactant erhöht bei Frühgeborenen die Mortalität (Reiss et al.
2010; Snoek et al.
2016a). Einer routinemäßigen Surfactant-Gabe halten evidenzbasierte Kriterien nicht stand und sie geht mit erhöhtem ECMO-Bedarf, erhöhter Rate an chronischer Lungenerkrankung sowie einer höheren Mortalität einher (Reiss et al.
2010). Der Magen sollte über eine nasogastrale Sonde entlastet werden.
Um eine
pulmonale Hypertonie aufgrund einer anhaltenden Azidose und
Hypoxie zu vermeiden, hat sich der CDH-EURO-Consortium in einer Konsensuskonferenz für die sofortige Intubation ausgesprochen (Reiss et al.
2010; Snoek et al.
2016a). Die
Beatmung richtet sich nach den Kriterien der „
gentle ventilation“ mit einer Druckbegrenzung auf 20–25 cmH
2O. Anfangs kann mit 100 % Sauerstoff beatmet werden, jedoch soll die O
2-Konzentration bald gesenkt werden. Eine permissive Hyperkapnie ist in den ersten Lebensstunden erlaubt. Ein zu hoher Beatmungsdruck hinterlässt erhebliche dauerhafte Schäden der Lungenstruktur; die Begrenzung liegt bei 25–28 cmH
2O. Der positive endexspiratorische Druck (PEEP) von 2–5 cm H
2O reicht aus, die Atemfrequenz beträgt 40–60/min (PaCO
2 45–60 mmHg). Auto-PEEP ist zu vermeiden, das Verhältnis Inspiration:Exspiration beträgt 1:2 (Reiss et al.
2010; Snoek et al.
2016a,
b).
Zentralvenöse oder auch periphervenöse Zugänge dienen der Flüssigkeitszufuhr und evtl. Zufuhr von inotropen Substanzen. Ein arterieller Zugang erlaubt die invasive Blutdrucküberwachung sowie die
Blutentnahmen. Die präduktale PaO
2-Messung spiegelt die zerebrale Oxygenierung wider; somit wählt man einen peripher gelegenen arteriellen Zugang (z. B. A. radialis). Die Umbilikalarterie misst die postduktale Sättigung und ist somit weniger geeignet.
Blutdruckmonitoring ist ebenfalls von großer Bedeutung. Bei Neugeborenen mit CDH steigt postnatal der pulmonale Gefäßwiderstand an, es kommt über den Ductus arteriosus und/oder das Foramen ovale zum Rechts-links-Shunt, mit möglicher Verstärkung der
Hypoxie und Azidose. Dies wiederum verstärkt die
pulmonale Hypertonie. Das Anheben des systemischen Blutdrucks kann den Rechts-Links-Shunt abmildern, sollte jedoch bei ausreichender präduktaler O
2-Sättigung (80–95 %) unterbleiben. Generell sollten für das Gestationsalter normale Blutdruckwerte angestrebt werden. Bei Hypotension bzw. schlechter peripherer Perfusion sollten Volumen und mitunter inotrope Substanzen bzw. Vasopressoren verabreicht werden. Die Gabe von Sedativa und
Analgetika wird ausdrücklich empfohlen
(Reiss et al.
2010; Snoek et al.
2016a).
Monitoring der Neugeborenen mit CDH ist von großer Bedeutung. Hierzu gehören die Herzfrequenz, prä- und postduktale
O2-Sättigung und Blutdruckmessung (invasiv oder nichtinvasiv). Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der intensivmedizinischen Behandlung und der frühzeitigen Stabilisierung der Neugeborenen. Eine adäquate präduktale arterielle Sättigung (85–95 %) muss unter Vermeidung eines erhöhten Atemdrucks erreicht werden, da das Risiko des pulmonalen Barotraumas und der Sauerstofftoxizität besteht (Reiss et al.
2010; Snoek et al.
2016a).
Prognostische Bedeutung hat das Monitoring der Atemzugvolumina: unter 3 ml/kg KG wird das CO
2 kaum zu eliminieren sein. Reicht diese Art der Ventilation nicht aus, gehen heute viele Zentren auf eine
Hochfrequenzoszillation (HFOV) über. Dabei wird eine Hyperkapnie bis auf ein PaCO
2 von 60 mmHg limitiert, um keine respiratorische Azidose mit pH-Werten <7,25 zu riskieren. Die Ergebnisse einer kontrollierten Studie zur primären Beatmungsform sprechen für den primären Einsatz der konventionellen
Beatmung (Snoek et al.
2016b). „Gentle ventilation“ mit den Limitierung des Beatmungsdrucks soll die Spätschäden einer Langzeitbeatmung verhindern. Nicht nur das Überleben, sondern die Qualität des Überlebens muss in den Vordergrund gerückt werden. Dazu zählt auch, dass die Inzidenz der ECMO seit Etablierung des Konsensus des CDH-EURO-Consortiums gesunken ist.
Sind die Zeichen der
pulmonalen Hypertonie vorhanden, kommt
inhalatives Stickstoffmonoxid (NO) zum Einsatz. Als potentes Relaxans der glatten Muskulatur senkt NO die
pulmonale Hypertonie in aller Regel. Weitere medikamentöse Therapieoptionen sind Prostaglandin E1 und Prostacyclin. Sildenafil (Viagra®) wird in der Regel im chronischen Stadium der pulmonalen
Hypertonie eingesetzt. In den letzten Jahren wird sogar die Akutbehandlung mit Sildenafil diskutiert (Reiss et al.
2010; Snoek et al.
2016a,
2017).
Für ein optimales Monitoring benötigt man eine prä- und postduktale
Sauerstoffsättigung sowie einen
Arterienkatheter zur kontinuierlichen Blutdruckmessung und für
Blutgasanalysen. Es hat sich bewährt, schon bei der Erstversorgung im Kreißsaal einen Nabelarterienkatheter einzuführen. Bei kritisch kranken Kindern kann zusätzlich ein präduktaler peripherer Arterienkatheter hilfreich sein. Ein sicherer
venöser Zugang ist ebenfalls schon im Kreißsaal zu legen.
Cave: Nabelvenenkatheter sind meist nicht sinnvoll, da durch die Organverlagerungen sehr häufig Fehlpositionen im intrahepatischen Ductus venosus oder in Lebervenen resultieren. Insbesondere Katecholamingaben über solche Katheter können Lebernekrosen verursachen. Für die differenzierte Kreislauftherapie wird ein
zentraler Venenkatheter benötigt.
Bei Zeichen einer beeinträchtigten Perfusion oder bei zu niedrigem Blutdruck für das Gestationsalter muss mittels Echokardiografie geklärt werden, ob ein
hypovolämischer oder kardiogener Schock vorliegt. Bei
Hypovolämie sollte isotonische Lösung infundiert (10–20 ml/kg KG NaCl 0,9 % bis zu 3-mal innerhalb von 2 h) und eine Unterstützung mit inotropen Substanzen erwogen werden. Zur Kreislaufstabilisierung sollten
Katecholamine sehr vorsichtig angewandt werden. Suprarenin ist zu favorisieren, da es den systemarteriellen Widerstand erhöht, ohne den pulmonalen Gefäßwiderstand nennenswert zu erhöhen (in geringen Dosierungen kann dieser sogar gesenkt werden).
Eine kontinuierliche
Analgosedierung mit Fentanyl (2–3 μg/kg KG/h) und Midazolam (0,05 μg/kg KG/h) kann den Sauerstoffverbrauch absenken. Ohne Analgosedierung kommt es zum Anstieg des systemischen Blutdrucks sowie des intrakraniellen Drucks, während die Herzfrequenz und die
Sauerstoffsättigung sinken. Die Notwendigkeit einer Muskelrelaxation wird kontrovers diskutiert (Reiss et al.
2010; Snoek et al.
2016a).
Lassen sich die Neugeborenen mit diesem Vorgehen stabilisieren, bleibt die präduktale
Sauerstoffsättigung mit 85–95 % stabil. Tritt in den ersten 48 h keine relevante
pulmonale Hypertonie auf, kann bei stabilem Kreislauf ohne die Notwendigkeit der Vasopressor- bzw. Katecholamintherapie die operative Zwerchfellkorrektur geplant werden. Die Verfahrenswahl (konventionell oder thorakoskopisch) hängt auch von der Lage des linken Leberlappens ab (s. unten).
Die Eintrittskriterien für die
extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) sind bei Persistenz der
pulmonalen Hypertonie trotz inhalativem NO und medikamentöser Therapie, nicht dauerhaft zu etablierendem Anstieg der präduktalen
Sauerstoffsättigung über 85 % trotz adäquater
Volumentherapie, unphysiologischem Blutdruck trotz Vasopressoren, Persistenz der Azidose (pH <7,2,
Laktat >5 mmol/l) und fehlender Oxygenierung (Gefahr der hypoxischen Hirnschädigung) erfüllt. Die exakte Indikation zum Übergang auf ECMO ist im Abschn.
7.2 beschrieben.
Nicht selten bestehen zunächst stabile Kreislauf- und Oxygenierungsverhältnisse; diese Phase wird
Honeymoon-Phase genannt. Nach 8–16 h bricht diese stabile Phase ein und es entwickelt sich eine relevante PPHN. Die Erklärung hierfür ist auch in der erschöpften Ventrikel-Pumpleistung zu suchen. Der Einsatz der ECMO entlastet das Herz und kann die PPHN umgehen. Infolgedessen kann die
Beatmung reduziert werden und die Lunge sich erholen. Die operative Korrektur des Zwerchfelldefekts erfolgt in der Regel erst nach Beendigung der ECMO (Snoek et al.
2016a).