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Kinderchirurgie
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Publiziert am: 04.06.2018

Pädiatrische Intensivmedizin in der perioperativen Betreuung

Verfasst von: Thomas Nicolai
Die pädiatrische Intensivmedizin ermöglicht gegenüber der Versorgung auf einer Normalstation erheblich intensivere klinische Überwachungs- und Therapieverfahren. Hierzu gehören u. a. die Beatmung, invasive Kreislauftherapie, aber auch Nierenersatzverfahren, ECMO, Leberdialyse, Plasmapherese, kardiale „assist devices“ etc. Durch intensivmedizinische Maßnahmen und die dadurch erreichbare Stabilisierung des Patienten wird das Risiko großer chirurgischer Eingriffe entscheidend gesenkt. Die postoperative Intensivtherapie hat viele Eingriffe auch im Kindesalter überhaupt erst möglich gemacht. Im vorliegenden Kapitel werden wesentliche intensivmedizinische Maßnahmen wie künstliche Beatmung oder differenzierte Kreislauftherapie beim Schock dargestellt.
Die pädiatrische Intensivmedizin ermöglicht gegenüber der Versorgung auf einer Normalstation erheblich intensivere klinische Überwachungs- und Therapieverfahren. Hierzu gehören u. a. die Beatmung, invasive Kreislauftherapie, aber auch Nierenersatzverfahren, ECMO, Leberdialyse, Plasmapherese, kardiale „assist devices“ etc. Durch intensivmedizinische Maßnahmen und die dadurch erreichbare Stabilisierung des Patienten wird das Risiko großer chirurgischer Eingriffe entscheidend gesenkt. Die postoperative Intensivtherapie hat viele Eingriffe auch im Kindesalter überhaupt erst möglich gemacht. Im vorliegenden Kapitel werden wesentliche intensivmedizinische Maßnahmen wie künstliche Beatmung oder differenzierte Kreislauftherapie beim Schock dargestellt.

Prinzipien der pädiatrischen Intensivmedizin

Die grundlegende Funktion der pädiatrischen Intensivmedizin besteht in der Bereitstellung von im Vergleich zur Versorgung auf einer Normalstation erheblich intensivierter klinischer Überwachungsmöglichkeiten einschließlich besonderer apparativer Verfahren. Hierdurch wird es möglich, lebensbedrohliche Entwicklungen und Komplikationen rechtzeitig zu erkennen. Ihre Behandlung erfolgt dann unter Einschluss von Verfahren, die auf einer Normalstation nicht zum Einsatz kommen können:
  • Die Anwendung hochpotenter Kreislaufmedikamente aus der Gruppe der Adrenergika, der Nachlastsenker etc., deren Einsatz nur unter strengster klinischer und auch invasiver Überwachung erlaubt ist.
  • Die künstliche Beatmung, die in vielen Fällen das wesentliche Kriterium der Intensivpflichtigkeit eines Kindes sein wird, ist die zweite Säule der Intensivmedizin.
  • Verschiedene organersetzende Verfahren sind im Akuteinsatz ebenfalls nur in der intensivmedizinischen Umgebung möglich. Hierzu gehören u. a. die Nierenersatzverfahren, ECMO, Leberdialyse, Plasmapherese, kardiale „assist devices“ etc.
Der Einsatz dieser Maßnahmen ermöglicht es, z. B. bei schweren chirurgischen Erkrankungen einschließlich Polytraumen, genügend Zeit zu gewinnen, um eine problemzentrierte Diagnostik so weit voranzutreiben, dass die Entscheidung für oder gegen einen bestimmten chirurgischen Eingriff gefällt werden kann. Gleichzeitig wird durch intensivmedizinische Maßnahmen und Stabilisierung des Patienten das Risiko großer chirurgischer Eingriffe entscheidend gesenkt (z. B. bei Gerinnungsstörungen, Kreislaufinsuffizienz, septischen Zuständen).
Die zweite wesentliche Rolle der Intensivmedizin für die Kinderchirurgie besteht in der postoperativen Aufrechterhaltung der Homöostase und damit häufig der Übernahme von vitalen Funktionen.
Die besonderen Anforderungen der pädiatrischen Intensivmedizin im kinderchirurgischen Kontext bestehen in der engen Kooperation zwischen dem Intensivteam (Ärzte und Pflegepersonal) und dem verantwortlichen Chirurgen sowie den für diagnostische Maßnahmen jeweils erforderlichen zusätzlichen Abteilungen (Radiologie, Organspezialisten etc.). Wegen der Breite des in der Kinderchirurgie möglichen Krankheitsspektrums ist es in diesem Rahmen nicht möglich, hier auf alle für einzelne Krankheitsbilder jeweils spezifisch zugeschnittenen intensivmedizinische Abläufe und Maßnahmen einzugehen. Insbesondere die präoperative diagnostische Abklärung und Einschätzung des Patienten erfordert viel Erfahrung und kann nicht in schematischer Weise erfolgen. Ebenso wird die Erkennung von Komplikationen bei postoperativen Patienten davon abhängen, dass einerseits Vitalparameter und andere Messwerte breit und systematisch überwacht, andererseits aber auch die jeweils operationsspezifischen Gefährdungen und Probleme antizipiert werden.
Im vorliegenden Kapitel werden wesentliche intensivmedizinische Maßnahmen wie künstliche Beatmung oder differenzierte Kreislauftherapie beim Schock dargestellt. Bezüglich spezifischer Krankheitsbilder mit teilweise sehr komplizierten und speziellen Therapieabläufen muss auf die entsprechende Spezialliteratur verwiesen werden (z. B. Flüssigkeitstherapie bei Schwerverbrannten; Nicolai 2015). Auf die im Bereich der Intensivmedizin außerordentlich wichtige Thematik der Analgosedierung wird hier nicht eingegangen (Kap. „Grundlagen der Kinderanästhesie“).

Monitoring

Durch die höhere Personaldichte und apparative Ausstattung lässt sich ein intensives Monitoring auf Intensivstationen durchführen. Insbesondere invasive Verfahren, wie eine arterielle Blutdruck- und Blutgaskontrolle, wiederholte Messungen des Herz-Zeit-Volumens sowie des Lungenwassers lassen sich mit speziellen Kathetern und Monitoren auch bei kleinen Kindern durchführen. Die Beatmung kann durch endexspiratorische CO2-Messung, Pulsoxymetrie oder kontinuierliche Blutgasanalyse über einen liegenden arteriellen Spezialkatheter überwacht werden.
Die physiologischen und pathophysiologischen Grenzen der Methoden müssen jedoch in Betracht gezogen und durch eigene Erfahrung im Kontext bewertet werden. So ist z B. eine nichtinvasive Herz-Zeit-Volumenmessung bei Vorliegen eines Vitium cordis mit Rezirkulation oder Shunt ebenso problematisch zu bewerten wie bei schweren Allgemeinerkrankungen, z. B. bei septischem Schock. Therapeutische Entscheidungen dürfen nicht an einem einzelnen Messwert oder an einer einzelnen Methodik festgemacht werden. Die Beurteilung der Validität einzelner gemessener Werte stellt eine der wesentlichen Leistungen der pädiatrischen Intensivmedizin dar und hängt von der Erfahrung der Ärzte ab.
Andere Monitoringverfahren, wie z. B. das kontinuierliche EEG mit einer Auswertung der Sedierungstiefe, sind prinzipiell zwar auch im Kindesalter installierbar; häufig fehlt jedoch eine Validierung der Messergebnisse für Kinder, insbesondere unter den spezifischen intensivmedizinischen Bedingungen und bei einzelnen Krankheitsbildern. Auch hier kann keine schematische Interpretation gemessener Einzelwerte erfolgen, ohne zu falschen Entscheidungen zu kommen.

Organersatzverfahren

Intensivmedizin stellt per se kein heilendes Verfahren dar, sondern zielt auf den Gewinn wertvoller Zeit ab. Dies erlaubt es, spontane Heilungsprozesse des Patienten zur Wirkung kommen zu lassen oder durch chirurgische bzw. medikamentöse Interventionen pathologische Prozesse zu bessern, während die gestörten Organfunktionen durch intensivmedizinische Maßnahmen ganz oder teilweise ersetzt werden.
Typische Verfahren der Intensivtherapie umfassen die medikamentöse Behandlung der Kreislaufinsuffizienz, die oft schwierige genaue Titrierung der Volumenzufuhr für den individuellen und zeitlich variierenden Bedarf des schwerstkranken Patienten sowie spezifische Organunterstützungen oder Ersatzverfahren. Hier stehen die Beatmung (einschließlich nichtinvasiver Verfahren zur Atemunterstützung) sowie der Ersatz von Nieren- und teilweise der Leberfunktion, die Stützung oder Manipulation des Gerinnungssystems sowie die parenterale Energiezufuhr im Mittelpunkt.
Im Folgenden sollen einige wesentliche Prinzipien der intensivmedizinisch am häufigsten angewandten Maßnahmen (insbesondere der Kreislaufunterstützung und der Beatmung) in einer pathophysiologisch orientierten Darstellungsweise abgehandelt werden.

Beatmung

Indikationen

Die Indikation zu einer künstlichen Beatmung kann aus ganz verschiedenen Gründen gegeben sein (Abb. 1; Nicolai 2006) (s. Übersicht).
Indikationen zur künstlichen Beatmung
  • Verminderte Bewusstseinslage: Sie führt zum Verlust der Schutzreflexe (Schutz vor Aspiration).
  • Versagen der Thoraxpumpe bei normaler Lunge: Dies kann einerseits durch einen inadäquaten Atemantrieb, z. B. bei Schädel-Hirn-Trauma, Sepsis oder als Folge von Sedierung und Schmerztherapie verursacht sein. Andererseits kann bei multiplen Rippenfrakturen, Zwerchfellhernien, Zwerchfellrupturen sowie pleuralen Schmerzen nach Verletzungen und Operationen die mechanische Integrität oder Funktion des Thorax gestört sein.
  • Lungenerkrankungen: Eine Beatmungsindikation stellen Lungenerkrankungen dar, die trotz im Prinzip intakter Thoraxpumpe und intakter neurologischer Atemkontrolle eine ausreichende Spontanatmung mit erfolgreicher Oxygenierung und CO2-Elimination nicht zulassen. Hierzu zählen einerseits die primären Lungenerkrankungen, wie z. B. Pneumonien, obstruktive Lungenerkrankungen und traumatische Lungenschädigungen, andererseits jedoch auch sekundäre Lungenschädigungen, wie z. B. nach einem Kreislaufschock (ARDS), nach intrathorakalen Eingriffen sowie ein kardiogenes Lungenödem (Chang 2005).
  • Atemwegsobstruktion: Eine weitere Patientengruppe benötigt eine künstliche Atemhilfe, weil die oberen oder unteren Atemwege obstruiert sind. Hierzu gehören Kinder mit Schädel- und Halsweichteilverletzungen, aber auch solche mit postoperativen Schwellungszuständen nach Eingriffen im Kopf- und Halsbereich. In den tiefen Atemwegen kommen Traumafolgen oder (z. B. bei rekonstruktiven Eingriffen an den tiefen Atemwegen) eine postoperative Ödemphase in Betracht.
  • Intrakranieller Druckanstieg: Eine vom Zustand der Lunge und der Thoraxpumpe unabhängige Indikation besteht beim intrakraniellen Druckanstieg zur gezielten Hyperventilation, z. B. bei akuter Hirnstammeinklemmung. Hier liegt jedoch wegen des begleitenden tiefen Komas ohnehin eine Indikation zumindest zur Intubation vor (GCS <8).
Gelingt eine Beatmung trotz des Einsatzes der in der Folge dargestellten Verfahren nicht, kann eine Indikation zur extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) gegeben sein, die bei reifen Neugeborenen und älteren Kindern möglich ist (Abb. 2; Gupta 2012).

Praktische Durchführung

Beatmungstrategien
Die Beatmung kann im Prinzip invasiv oder nichtinvasiv erfolgen. In den letzten Jahren ist der Wert nichtinvasiver Beatmungsformen erkannt worden, insbesondere auch zur chronischen Atemunterstützung, zur Intubationsvermeidung und beim Weaning. Dennoch wird die Beatmung in vielen akuten Situationen zunächst invasiv erfolgen müssen. Die nichtinvasive Beatmung kann mittels Masken (Abb. 3), „nasal prongs“ oder auch Unterdruck wie bei der eisernen Lunge oder dem Kürass erfolgen. Bei Kindern hat sich insbesondere im Neugeborenen- und Säuglingsalter auch die Rachenbeatmung über einen nicht nach endotracheal vorgeschobenen Tubus bewährt, über den zumindest ein positiver Blähdruck oder sogar eine Beatmung angeboten werden kann. Die genaue Titrierung erfordert erhebliche Erfahrung, um nicht Sekundärschäden in Kauf zu nehmen (z. B. durch gastrale Blähung bei zu hohen Spitzendrucken, Hypoventilation bei unzureichender Überwachung und schlechter Synchronisation oder obstruktive Zwischenfälle bei nicht ausreichender Pflege eines Rachentubus). Die viel häufiger angewandte invasive Beatmung erfordert die Intubation oder ggf. die Tracheotomie.
Die künstliche Beatmung kinderchirurgischer Patienten dient oft dazu, die Zeit bis zum Wiedereinsetzen der Spontanatmung zu überbrücken, sei es postoperativ, nach einem Polytrauma oder einer anderen schweren Erkrankung. Wenn Thoraxskelett und Lunge normal sind, so können die Beatmungseinstellungen so gewählt werden, dass sie einen natürlichen Atemrhythmus nachbilden. Sind jedoch Lunge oder Thoraxwand pathologisch verändert, müssen manchmal Atemmuster gewählt werden, die unter natürlichen Bedingungen beim Menschen nicht vorkommen. Im Extremfall werden hier auch Sonderformen wie die oszillatorische zum Einsatz gebracht.
Die Steuerung der Beatmung erfolgt über zwei grundsätzliche Mechanismen:
  • Die CO2-Elimination wird durch die Einstellung des Atemminutenvolumens reguliert; ein etwaiger Anstieg des pCO2 wird also mit eine Erhöhung der Frequenz oder/und des Tidalvolumens beantwortet.
  • Davon praktisch unabhängig wird die Oxygenierung durch die Einstellung des mittleren Atemwegsdrucks (der vom PEEP stärker beeinflusst wird als vom Spitzendruck) sowie der fraktionellen Sauerstoffkonzentration in der Atemluft bestimmt.
Druckkontrollierte Beatmung
In den meisten Fällen wird nicht nur in der Pädiatrie, sondern auch bei Erwachsenen eine druckkontrollierte Beatmung eingesetzt. Vorteil ist, dass der eingestellte Maximaldruck nicht überschritten werden kann, so dass eine Druckschädigung der Lunge limitiert werden kann. Schwierigkeiten können entstehen, wenn z. B. beim wachen Patienten und bei assistierter druckkontrollierter Beatmung keine ausreichende Koordination zwischen den Eigenanstrengungen des Patienten und den maschinengesteuerten Atemzügen besteht und dadurch eine Unter- oder Überbeatmung entsteht.
Eine genaue Adaptation der Triggerschwelle für die Auslösung von Atemzügen an die gegebenen physiologischen Verhältnisse ist erforderlich und kann im Einzelfall erhebliche Erfahrung erfordern. Wird dies nicht beachtet, kann durch eine Aufschaukelung der Beatmung mit folgender Überblähung am Ende der Exspiration eine bedrohliche Situation entstehen, obwohl durch die druckbegrenzte Beatmung der Spitzendruck nicht unkontrolliert ansteigen kann.
Allerdings kann ein zu geringes Atemminutenvolumen resultieren, wenn bei an sich ausreichend hohem Beatmungsdruck durch entgegen gerichtete Atemanstrengungen des Patienten kein ausreichendes Tidalvolumen zustande kommt.
Volumenkontrollierte Beatmung
Hier wird ein festes Tidalvolumen vorgegeben. Es ist immer erforderlich, gleichzeitig eine Druckgrenze einzustellen, um Schäden durch einen zu hohen Spitzendruck zu vermeiden. Der Vorteil dieser Beatmungsform liegt in dem garantierten Tidal- und damit Minutenvolumen bei entsprechender Frequenzeinstellung. Dies kann z. B. bei wechselnden Obstruktionen durch Sekret oder bei Patienten mit hoher Querschnittlähmung sinnvoll sein. Ansonsten ist diese Beatmungsform in letzter Zeit in den Hintergrund getreten.
Assistierte Beatmungsformen
Wo immer möglich, wird eine assistierte Beatmungsform gewählt. Im Minimalfall werden nur ein fest voreingestellter endexspiratorischer Druck sowie eine nach Anforderung des Patienten variierte inspiratorische Atemluftzufuhr angeboten. Diese Einstellung entspricht dem sog. CPAP (continuous positive airway pressure) und erlaubt eine vollständig freie Variation der Atmung durch den Patienten. Sollte diese Atemunterstützung nicht ausreichen, kann bei der assistierten Beatmung z. B. eine feste Anzahl von mindestens zu assistierenden Atemzügen vorgegeben werden. Löst der Patient selbst einen Atemzug aus, wird er mit der voreingestellten Druckunterstützung assistiert. Bei fehlender Eigenanstrengung werden dann die eingestellten Atemzüge zwangsweise von der Maschine appliziert. Eine assistierte Beatmungsform ist nicht sinnvoll, wenn der Patient keine Eigenanstrengungen zur Atmung unternimmt oder unternehmen kann.
Besondere Beatmungsformen
Besondere Beatmungsformen bieten sich an, wenn der Patient aufgrund einer pulmonalen oder thorakalen pathophysiologischen Veränderung mit normalen Atemmustern nicht beatmet werden kann; d. h., wenn kein ausreichender Gasaustausch stattfindet, obwohl die Beatmungsparameter bis an die Grenze des noch Sicheren erhöht worden sind. Typisches kinderchirurgisches Problem ist hier die Entwicklung einer Schocklunge, entweder nach einem Trauma, hämorrhagischem Schock, Aspiration von Magensäure oder einer systemischen Sepsis. Hier hat sich die Prognose entscheidend verbessert durch die sog. lungenschonende oder „Low-tidal-volume“-Beatmung, die die Vermeidung eines Volumentraumas erlaubt.
Der Mechanismus hinter diesem therapeutischen Konzept besteht darin, dass bei einer Schocklunge eine inhomogene Lungenschädigung vorliegt, bei der eine gewisse Menge an Restalveolen für eine Ventilation weiter zur Verfügung steht, während andere Lungenanteile nicht am Gasaustausch teilnehmen. Um diese sozusagen in der kranken Lunge versteckte, kleine gesunde Restlunge nicht zu zerstören, dürfen keine übermäßig großen Tidalvolumina angewendet werden, da sonst insbesondere an den Grenzen zwischen gesundem und erkranktem Lungengewebe extrem hohe Scherkräfte auftreten, die eine zerstörende Wirkung auf das an sich noch gesund gebliebene Gewebe haben.
Diese Beatmung mit besonders niedrigen Tidalvolumina erfordert oft eine permissive Hyperkapnie. Unter diesem Begriff ist das Prinzip zu verstehen, dass die Beatmungsdrucke und v. a. die Tidalvolumina nicht über ein Maß von 5–6 ml/kg hinaus gesteigert werden, auch wenn in der Folge das arterielle CO2 ansteigt. Dieser CO2-Anstieg führt zu einer höheren Differenz zwischen pulmonalarteriellem und alveolärem CO2 (wobei letzteres im Wesentlichen wie in Raumluft 0 beträgt), sodass bei gleichem Atemminutenvolumen (AMV) eine höhere Anzahl von CO2-Molekülen pro Lungenoberfläche eliminiert werden können. Dies erlaubt die Abatmung der im Rahmen der Stoffwechselaktivität des Patienten pro Minute generierten CO2-Moleküle im Sinne eines „steady state“ trotz niedrigerem AMV (und Tidalvolumen). Möglicherweise ist auch die entstehende Azidose protektiv für die Lunge.
Durch diese Methode (lungenschonende Beatmung unter Inkaufnahme höherer CO2-Werte) ist es gelungen, die Mortalität der Schocklunge entscheidend zu senken. Das Verfahren setzt jedoch eine sehr engmaschige Kontrolle des Patienten voraus, da sich die Tidalvolumina meist am Rande der Totraumventilation befinden und bereits kleine Änderungen der klinischen Situation zu raschen weiteren CO2-Anstiege in unakzeptable Höhen führen können. Atelektasen müssen durch das gleichzeitig anzuwendende Prinzip der „offenen Lunge“ mit manchmal extrem hohen PEEP-Werten vermieden werden. Bei letzterem wiederum ist eine kontinuierliche genaue Kontrolle dieser hohen intrathorakalen Drücke und ihrer Wirkung auf den Kreislauf nötig. Die Parameter müssen dem sich ändernden klinischen Zustand des Patienten jeweils rasch angepasst werden.
Reicht diese Beatmungsform nicht aus, kommen eine Beatmung mit NO sowie verschiedene Hochfrequenz-Beatmungsverfahren in Betracht. Bei all diesen Techniken ist in Studien keine eindeutige Verbesserung des Überlebens nachgewiesen. Dennoch können sie in der Hand des Erfahrenen im Einzelfall die Rettung eines Patienten ermöglichen.
Weitere Aspekte bei der Beatmung betreffen die Lagerung des Patienten. Insbesondere die Bauchlage führt zu einer wesentlich verbesserten Ventilation der dorsalen kaudalen Lungenabschnitte, die beim gesunden, spontan atmenden Patienten die am meisten genutzten Lungenanteile sind. Diese Lungenabschnitte werden in Rückenlage durch die davor liegenden abdominellen Organe und die Thoraxorgane komprimiert, sodass sie zur Atmung nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Die Anwendung der Bauchlagerung ist insbesondere bei schwer kranken oder frisch operierten Patienten ein nicht ungefährliches Manöver. Für dieses Lagerungsverfahren ist mittlerweile ein statistisch signifikanter Effekt auf das Überleben bei Erwachsenen nachgewiesen.
Adjunkte Maßnahmen
Entscheidend für das Überleben von Patienten mit schweren Lungenschäden unter Beatmung ist, dass die sonstige Intensivtherapie (Wasserhaushalt, Hämodynamik, parenterale Ernährung, Infektionskontrolle und Pflege) bis ins Detail hinein auf den Patienten zugeschnitten ist. Fehler in einem der genannten Gebiete können entscheidender für das Überleben oder das Outcome des Patienten sein als etwa die Beatmungsform.
Die Indikation zur Beatmung muss fortlaufend überprüft werden, da die zu ihrer Durchführung notwendige Intubation und die für invasive Blutgas- und sonstiges Monitoring verwendeten Katheter und Geräte einerseits eine zusätzliche Gefährdung durch Infektionen, Fehlbedienung etc. implizieren. Andererseits ist eine zu frühe Entwöhnung von der Beatmung unter Umständen außerordentlich schädlich, wenn dadurch ein erneutes Aufflammen des Lungenversagens provoziert wird.

Schocktherapie, differenzierte Kreislauftherapie

Grundlagen

Gerade Patienten nach Polytraumen, aber auch solche mit nosokomialen Infektionen und septischem Verlauf können einen Kreislaufschock erleiden. Seine rasche Erkennung erfordert eine intensive Überwachung des Patienten und ausreichende Erfahrung des Behandelnden. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass als Indikator weniger der Blutdruck als andere Zeichen einer verminderten Perfusion herangezogen werden sollen. Hierzu gehört z. B. eine anders nicht erklärbare Verwirrtheit, schlechte Rekapillarisierungszeit, verminderte Diurese. Der arterielle Blutdruck ist oft ein später Indikator einer eingetretenen Kreislaufinsuffizienz. Die Dauer der Kreislaufinsuffizienz korreliert direkt mit der Mortalität, sodass eine rasche Durchbrechung unbedingt angestrebt werden muss. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass eine aggressive und nach dem Erfolg (d. h. der Wiederherstellung einer guten Perfusion) gesteuerte Volumentherapie zu einer entscheidenden Besserung nicht nur des primär hypovolämen, sondern auch des septischen Schocks geführt hat (Bindl und Nicolai 2005).
Bei Kapillarundichtigkeit im Rahmen eines allgemeinen Schockzustandes oder einer Sepsis können hier durchaus in kürzester Zeit Volumina zwischen 20–160 ml/kg KG erforderlich sein. Bei der Therapiesteuerung muss stets zwischen Intravasalvolumen und extravasalen Volumeneffekten unterschieden werden. Beim Patienten mit Schocklunge kann einerseits eine übermäßige Hydrierung fatal sein. Beim Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma und Hirnödem kann andererseits eine zu zurückhaltende Volumengabe aus Sorge um eine Verschlimmerung des Hirnödems zu einem schlechteren Outcome führen, wenn dadurch der mittlere arterielle Druck und damit der zerebrale Perfusionsdruck in suboptimale Bereiche fällt.
Es gibt jedoch Schockformen, in denen eine aggressive Volumensubstitution besonders schwierig zu titrieren ist. Hierzu gehören myokardiale Funktionsstörungen, die jedoch im kinderchirurgischen Bereich nicht allzu häufig vorkommen – typisches Beispiel wäre die besonders bei Säuglingen gelegentlich auftretende myokardiale Depression bei schweren Verbrennungen. Dennoch ist gerade bei der Behandlung von Schwerbrandverletzten eine ausreichende Volumenzufuhr die entscheidende Therapie. Hier erlaubt nur die korrekte Beurteilung des Intravasalvolumens die Steuerung der Volumentherapie. Wie in der pädiatrischen Intensivmedizin häufig, kann die Therapieentscheidung nicht von einem einzelnen Parameter der Kreislaufüberwachung oder der Klinik abhängig gemacht werden, sondern es muss unter Zusammenschau aller verfügbaren Informationen eine Bewertung der Situation vorgenommen werden.

Differenzierte Pharmakotherapie der Kreislaufinsuffizienz

Volumenresistente Kreislaufschocks treten oft dadurch auf, dass es zu einer Paralyse des arteriolären Gefäßtonus gekommen ist. Dieser kann durch die Gabe von Vasokonstriktoren wie etwa Noradrenalin begegnet werden. Besteht gleichzeitig eine myokardiale Funktionsstörung im Sinne einer verminderten Kontraktilität, kann die Gabe von Adrenalin sowohl alpha- wie auch beta-mimetisch wirken. In weniger kritischen Situationen kann eine kardiale Funktionsunterstützung durch Dobutamin erfolgen. Hierbei ist jedoch nicht selten ein Abfall des Blutdrucks durch periphere Vasodilatation zu beobachten, sodass ein Vasopressor, wie Dopamin oder Noradrenalin zusätzlich erforderlich werden kann. Der Volumenstatus muss ständig überprüft und adjustiert werden, damit nicht ein hypovolämischer Schock mit Adrenergika therapiert wird, die zwar scheinbar zu einer Verbesserung des Blutdrucks führen, in Wirklichkeit jedoch die klinische Situation verschleiern und die Gewebshypoxie verstärken. Stets ist in Betracht zu ziehen, ob die Kreislaufsituation nicht auch durch einen relativen Steroidmangel hervorgerufen sein könnte.
Im Einzelfall kann auch die Senkung der Nachlast durch Medikamente wie Milrinon und möglicherweise Kalzium-Sensitizer sinnvoll sein, die zu einer besseren Kontraktilität führen und gleichzeitig den peripheren Widerstand senken. Typische Indikation wäre ein volumenrefraktärer und adrenalinrefraktärer Kreislaufschock mit niedrigem „cardiac output“, hohem peripherem Widerstand und schlechter Kapillarperfusion trotz relativ normalem Blutdruck. Gegebenenfalls werden hier zusätzlich Volumenboli erforderlich, um das durch die Senkung des peripheren Widerstandes größer gewordene Gefäßgebiet ausreichend aufzufüllen.
Die differenzierte Kreislauftherapie ist nicht ungefährlich und bedarf einer ständigen Überwachung und Korrektur. Hierzu sollen möglichst vorher Zielblutdrucke oder Ausscheidungsvolumina festgelegt werden, um entsprechend die Therapie modifizieren zu können. Ein invasives Monitoring ist häufig erforderlich.

Versagen anderer Organe

Im Gefolge einer Kreislaufinsuffizienz, aber auch unabhängig davon, kann es zum Versagen verschiedener Organsysteme kommen. Am häufigsten trifft dies für die Niere zu, obwohl dieses Problem seltener auftritt als bei erwachsenen Intensivpatienten, zumindest wenn eine intravasale Hypovolämie und längere Hypotoniephasen vermieden werden können (Moghal et al. 1998).

Nierenversagen: Dialyse, Hämofiltration

Das Standardverfahren zur vorübergehenden (auch längerfristigen) Überbrückung einer Niereninsuffizienz beim Säugling und Kleinkind ist die Peritonealdialyse. Hier wird in der Regel ein chirurgisch gelegter Tenckhoff-Katheter verwendet, der zu einer wesentlichen Reduktion von Leckagen und peritonealen Infektionen beigetragen hat. Die Dialyse wird meist in manuell durchgeführten Zyklen begonnen, die sehr personalaufwendig sind, jedoch eine besonders gute Steuerbarkeit erlauben. Bei länger dauernden Dialysen kommen auch automatisierte Geräte zum Einsatz. Die Zusammensetzung der Dialyseflüssigkeit wird je nach erforderlichem Effekt (Wasserentzug, Elektrolytkorrektur) verändert, eine genaue Bilanzierung des gesamten Flüssigkeitshaushalts ist erforderlich.
Eine Peritonealdialyse ist manchmal jedoch nicht möglich (nach abdominellen Operationen, bei Peritonitis) oder zur Entgiftung bei bestimmten Substanzen nicht geeignet. Mithilfe neuer Kathetertypen und sehr fein steuerbarer Blutpumpen ist dann die Durchführung der Hämofiltration, Hämodiafiltration oder Hämodialyse auch bei kleinen Kindern gut möglich. Wegen der Invasivität, des Risikos rascher Volumen- oder Elektrolytverschiebungen sowie der erforderlichen Antikoagulation ist die Durchführung jedoch an eine genaue Überwachung aller Vitalparameter sowie des apparativen Aufbaus während der Blutwäsche gebunden. Kleine Kinder müssen evtl. sediert werden, um eine gefährliche Dislokation der zentralen Gefäßkatheter zu vermeiden. Wegen der geringen Größe der Katheter können sich besondere Schwierigkeiten in der Durchführung ergeben (Ansaugen des venösen Schenkels, Gerinnselbildung im System bei zu niedrigen Blutflüssen). Eine genaue Geräteeinweisung und -beherrschung einschließlich des Managements von Komplikationen und akuten technischen Problemen ist erforderlich; eine Person muss in der Nähe des Kindes präsent sein.

Leberversagen

Das zum Glück seltene Leberversagen stellt außerordentlich hohe Anforderungen an das intensivmedizinische Monitoring und die Therapie der verschiedenen Sekundärprobleme. Fast alle anderen Organe können beim schweren Leberversagen mitbetroffen sein (Lungenversagen, Hypoxie durch Shunt-Entwicklung, Nierenversagen, pulmonale Hypertonie, Hirnödem, Blutungsneigung etc.). Mittels spezieller, an die Hämofiltration angelehnter Entgiftungsverfahren (MARS etc.; Abb. 4) hofft man, vorübergehend oder als Brücke zur Lebertransplantation die Sekundärschäden so weit zu vermindern, dass ein Überleben möglich wird. Diese Verfahren sind auch beim Kind einsetzbar, der letzte Beweis der Nützlichkeit dieser Methoden steht jedoch bisher aus. Die Indikationsstellung und Durchführung stellt wie generell die Behandlung des Kindes mit Leberversagen hohe Anforderungen an das behandelnde Team.

Mangelnde enterale Ernährbarkeit

Ein sehr häufiges Problem stellt das postoperative oder z. B. posttraumatische Versagen des Verdauungssystems dar. Eine Heilung und Konsolidierung des Operationsergebnisses erfordert oft Reparationsvorgänge, für die eine anabole Stoffwechsellage und die Bereitstellung ausreichender Nährstoffe notwendig sind. Beim Kind mit seinen stark vom Körpergewicht, Reifealter und ggf. Begleiterkrankungen abhängigen Bedarf an Kalorien, Eiweiß, Fett, Kohlenhydraten, Wasser und Spurenelementen sowie Vitaminen ist die Durchführung einer ganz oder teilweise parenteralen Ernährung eine anspruchsvolle Detailarbeit (Kap. „Spezielle parenterale Ernährung bei Kindern und Jugendlichen“). Einen Sonderfall stellen Kinder mit Vorerkrankungen wie z. B. Mukoviszidose, entzündlichen Darmerkrankungen oder Kurzdarmsyndrom nach nekrotisierender Enterokolitis dar. Hier muss oft konsiliarischer Rat der Organspezialisten eingeholt werden.

Therapie von Begleiterkrankungen und -problemen

Frühgeburtlichkeit

Bei der Diagnostik und Therapie dieser besonderen Patientengruppe sind erfahrene, das gesamte Spektrum der Neonatologie beherrschende Behandler erforderlich, um chirurgische Eingriffe in diesem Lebensalter zu ermöglichen. Da die chirurgischen Eingriffe in der Regel entweder durch angeborene Fehlbildungen notwendig (Herzfehler, Darmanomalien und andere lebensbedrohliche Fehlbildungen) oder zur Therapie sekundärer Probleme im Rahmen der Frühgeburtlichkeit (nekrotisierende Enterokolitis mit Perforation) erforderlich werden, erfolgt in vielen Kliniken die prä- und postoperative Pflege durch die Neonatologen, während der Kinderchirurg die notwendigen chirurgische Maßnahmen festlegt. Diese Aufgabenteilung hat sich wegen der extremen Spezialisierung der modernen Neonatologie in vielen Kinderkliniken bewährt.

Fehlbildungssyndrome

Manche Kinder mit angeborenen Fehlbildungssyndromen oder z. B. Stoffwechselerkrankungen bedürfen nicht nur einer chirurgischen Versorgung, sondern auch medizinischer Maßnahmen zum Überleben. Die Kooperation zwischen Kinderintensivmedizinern und Kinderchirurgen zum Management hat sich sehr bewährt. Anders als in der Erwachsenenmedizin sind diese Kinder nur schwer rein unter den Gesichtspunkten z. B. des anästhesiologischen postoperativen Managements ausreichend zu therapieren. Häufig muss das gesamte Spektrum der pädiatrischen Diagnostik und Therapie (einschließlich endoskopischer Verfahren) mit herangezogen werden, um den komplexen Problemen gerecht zu werden.

Pädiatrische Grunderkrankungen, die zu chirurgischen Interventionen Anlass geben

Hier sind onkologische Erkrankungen zu nennen, aber auch respiratorische Erkrankungen wie z. B. die zystische Fibrose. Wiederum ist die interdisziplinäre Kinder-Intensivmedizin erforderlich, um eine gute prä- und postoperative Betreuung zu ermöglichen. Insbesondere sind eine enge Abstimmung mit der Infektiologie und eine Antizipation der möglichen Komplikationen der jeweiligen Grunderkrankungen für die perioperative Phase entscheidend.
Literatur
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Nicolai T (2015) Pädiatrische Intensiv- und Notfallmedizin, 5. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York