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Kinderchirurgie
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Publiziert am: 14.05.2018

Schädel-Hirn-Trauma bei Kindern und Jugendlichen

Verfasst von: Steffen Berger und Andreas Bartenstein
Das Schädel-Hirn-Trauma ist im Kindesalter die häufigste zu einem Krankenhausaufenthalt führende Verletzung. Für die häufigen leichten Verletzungen genügen meist eine Überwachung und eine anschließende kontrollierte Rückführung in die normale Aktivität. Trotz guter Prognose sind hier Verläufe mit lang anhaltenden funktionellen Beschwerden häufiger als bisher angenommen. Die Indikation zur Bildgebung ist beim leichten SHT zurückhaltend zu stellen. Beim seltenen schweren SHT ist die Prognose mit einer Mortalität von ca. 25 % und einer hohen Langzeitmorbidität gravierend. Die Diagnostik und Therapie sollte anhand von etablierten Guidelines erfolgen. Diese müssen sich oft auf schwache Evidenzen abstützen. So sind zwar effektive Maßnahmen zur Hirndrucksenkung bekannt, diese haben aber kaum nachweisbare Effekte auf das Langzeit-Outcome der Patienten. Nicht einzelne Maßnahmen, sondern die Befolgung der Guidelines insgesamt verbessert das Ergebnis nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma.
Das Schädel-Hirn-Trauma ist im Kindesalter die häufigste zu einem Krankenhausaufenthalt führende Verletzung. Für die häufigen leichten Verletzungen genügen meist eine Überwachung und eine anschließende kontrollierte Rückführung in die normale Aktivität. Trotz guter Prognose sind hier Verläufe mit lang anhaltenden funktionellen Beschwerden häufiger als bisher angenommen. Die Indikation zur Bildgebung ist beim leichten SHT zurückhaltend zu stellen. Beim seltenen schweren SHT ist die Prognose mit einer Mortalität von ca. 25 % und einer hohen Langzeitmorbidität gravierend. Die Diagnostik und Therapie sollte anhand von etablierten Guidelines erfolgen. Diese müssen sich oft auf schwache Evidenzen abstützen. So sind zwar effektive Maßnahmen zur Hirndrucksenkung bekannt, diese haben aber kaum nachweisbare Effekte auf das Langzeit-Outcome der Patienten. Nicht einzelne Maßnahmen, sondern die Befolgung der Guidelines insgesamt verbessert das Ergebnis nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma.

Definition

Als Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist eine Verletzung definiert, die im Gegensatz zu einer reinen Schädelverletzung (Prellung, Fraktur) auch Symptome zeigt, die Hinweise sind auf eine Beteiligung des Gehirns. Sofern eine Bildgebung erfolgt, lassen sich dort evtl. strukturelle Verletzungen des Gehirns oder Hämatome darstellen. Der fehlende Bildnachweis seiner solchen Verletzung schließt eine traumabedingte Funktionsstörung des Gehirns aber nicht aus. Der deutsche Begriff Schädel-Hirn-Trauma entspricht dem englischen Begriff head injury, der durch den spezifischeren Begriff traumatic brain injury abgelöst wurde.

Pathophysiologie

Das Gesamtvolumen der Schädelkapsel ist konstant (Monro-Kellie-Doktrin) und enthält die 3 Kompartimente Hirngewebe (85 %), Blut (ca. 10 %) und Liquor (ca. 5 %). Das zerebrale Blutvolumen ist abhängig von dem zerebralen Blutfluss und dem zerebrovaskulären Widerstand. Bei intakter zerebraler Autoregulation wird die Perfusion des Hirngewebes über einen weiten Bereich des arteriellen Blutdrucks konstant gehalten und deckt damit den Sauerstoffbedarf des Gewebes. Ist die Autoregulation posttraumatisch gestört, wird die Gewebsperfusion linear abhängig vom Blutdruck. Bereits bei tief-normalen bis normalen Blutdruckwerten kann es dann zu einer Unterversorgung des Gewebes kommen. Eine posttraumatische Hypotension hat deshalb einen profunden Einfluss auf die Entstehung des Sekundärschadens und verschlechtert das Outcome des Patienten markant.
Nimmt das Hirnvolumen durch ein Hirnödem zu, geht dies zunächst zulasten des Liquorvolumens, das teilweise in den Spinalkanal verschoben werden kann. Ist dieser Reserveraum aufgebraucht, geht die Volumenexpansion des Gehirns zulasten des Blutvolumens, es kommt zur Ischämie. Es kann dann ein cushing-response auftreten, d. h. der Körper versucht, mit hohem Blutdruck das unter hohem Gewebsdruck stehende Gehirn mit Sauerstoff zu versorgen.

Einteilung der Schweregrade

Die Beurteilung der Bewusstseinsstörung erfolgt nach der Punktzahl in den 3 Kategorien der Glasgow-Coma-Scale (GCS, Tab. 1, Teasdale und Jennett 1974). Hierfür wird bei Kleinkindern eine leicht angepasste Version benutzt (Tab. 2), die v. a. die eingeschränkte Beurteilbarkeit der verbalen Antwort in dieser Altersgruppe berücksichtigt. Die klassische Einteilung der Schweregrade des SHT in leicht, mittel und schwer erfolgt anschließend nach der Summe der Punktzahl (Tab. 3): Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Original GCS das leichte SHT mit einem Punktwert von 13–15 klassifiziert, in Arbeiten zu Kindern jedoch meist ein GCS-Wert von 14–15 als leichtes SHT angesehen wird. Der Zeitpunkt, der für die Schweregradeinteilung benutzt werden sollte, ist nicht ein prähospitaler Befund oder der schlechteste dokumentierte GCS-Wert, sondern das „post-resuscitation“ Bewusstseinsniveau, d. h. nach Ankunft in der Klinik und Erstversorgung des Patienten.
Tab. 1
Glasgow-Coma-Scale für ältere Kinder und Erwachsene
Punkte
Augenöffnen
Verbale Antwort
Motorische Antwort
6
Befolgt Aufforderungen
5
Konversationsfähig, orientiert
Gezielte Schmerzabwehr
4
Spontan
Konversationsfähig, desorientiert
Ungezielte Schmerzabwehr
3
Auf Ansprache
Unzusammenhängende Worte
Beugeabwehr auf Schmerzreiz (Dekortikation)
2
Unverständliche Laute
Strecksynergismen auf Schmerzreiz (Dezerebration)
1
Kein
Keine verbale Antwort
Keine Reaktion auf Schmerzreiz
Tab. 2
Glasgow-Coma-Scale für Kleinkinder
Punkte
Augenöffnen
Verbale Antwort
Motorische Antwort
6
Spontan, gezielt
5
Lächelt, reagiert auf Töne, verfolgt Objekte, interagiert
Wegziehen bei Berührung
4
Spontan
Weint, kann beruhigt werden, keine adäquate Interaktion
Wegziehen bei Schmerz
3
Auf Ansprache
Teilweise nicht zu beruhigen, jammernd
Flektion bei Schmerzreiz (Dekortikation)
2
Auf Schmerz
Nicht zu beruhigen, agitiert
Extension bei Schmerzreiz (Dezerebration)
1
Kein
Keine Antwort
Keine Bewegung
Tab. 3
Schweregrade des SHT nach Punktzahl in der Glasgow-Coma-Scale und Häufigkeitsverteilung bei Kindern
Schweregrad
Punktzahl GCS
Häufigkeit
Leichtes SHT
15–14
ca. 90–95 %
Mittelschweres SHT
13–9
ca. 3–5 %
Schweres SHT
8–3
ca. 2 %
Eine zusätzliche Einteilung der Schweregrade des leichten SHT in Grad 1–3 hat sich durchgesetzt. Da sich >90 % der Kinder mit einem SHT in dieser Gruppe befinden, ist eine solche Einteilung auch für die Planung der Überwachungsdauer und Nachsorge sinnvoll. Hierfür existieren mehrere Klassifikationen; es wurde die in Tab. 4 dargestellte Klassifikation ausgewählt, die in der klinischen Verwendung die beste Anwendbarkeit in einem Entscheidungsalgorithmus bietet.
Tab. 4
Schweregrade des leichten SHT nach Art und Dauer der Symptome. (Aus: Cantu 2001)
Grad
Bewusstseinsverlust
Amnesie
Symptome
Grad 1
Nach 30 min normal
Nach 30 min normal
Grad 2
<1 min
Nach 24 h normal
Nach 24 h normal
Grad 3
>1 min
>24 h
>7 Tage

Epidemiologie

Einschätzungen der Inzidenz und Schweregradverteilung der Schädel-Hirn-Traumen im Kindesalter stützen sich auf Krankenhausdaten. Die Dunkelziffer der nicht in Notfallstationen vorgestellten leichten SHT ist beträchtlich und landesspezifisch. Die Inzidenz für das kindliche SHT wird in den USA mit 200–300/100.000 geschätzt, in Deutschland liegt die stationäre Behandlungsrate deutlich höher bei etwa 700/100.000/Jahr und ist damit auch mehr als doppelt so hoch wie in der erwachsenen Bevölkerung. Die deutlich niedrigere Mortalität in dieser Altersgruppe reflektiert, dass zwar mehr Kinder mit leichtem SHT in der Klinik vorgestellt werden, bei diesen aber andere, meist weniger gravierende Unfallmechanismen vorliegen (mehr Flach-Stürze, weniger Verkehrsunfälle).

Klinik

Anamnese

Bei der Erstuntersuchung eines Kindes mit Verdacht auf SHT sind der genaue Unfallmechanismus und Zeitpunkt zu erfragen und ob der Unfall beobachtet wurde. Zu dokumentieren ist, ob nach dem Unfall eine Bewusstlosigkeit (mit Angabe der Dauer), Desorientiertheit, Amnesie, Schwindel, Erbrechen, Übelkeit, Sehstörungen, ein Krampfanfall oder sonstige neurologische Symptome aufgetreten sind. Früher bereits erlittene SHT, das Vorliegen einer Gerinnungsstörung und andere, v. a. neurologische Grund- oder Vorerkrankungen sind zu erfassen.
Ein früh nach dem Trauma auftretender kurzer Krampfanfall ist bei Kindern häufig, hat eine gute Prognose und stellt per se keine Indikation zur CT- oder EEG-Untersuchung dar; auch die prophylaktische Gabe von Antiepilektika wird in dieser Situation nicht empfohlen. Die nach dem Anfall häufig beobachtete postiktale Müdigkeit kann jedoch einen niedrigen initialen GCS-Wert generieren, was zur Annahme eines höheren Schweregrades des SHT und entsprechender Schnittbilddiagnostik (CCT) führen kann.

Körperliche Untersuchung

Die Erstuntersuchung folgt dem ABCDE des ATLS (Advanced Trauma Life Support). Die HWS ist beim A (airway) zu stabilisieren, sofern Schmerzen in diesem Bereich oder eine Bewusstlosigkeit vorliegen. Die Stabilisierung von B (breathing) und C (circulation) hat Vorrang vor apparativer Diagnostik des Kopfs im Rahmen von D (disability). Diagnose und Therapie eines möglichen Volumenmangelschocks sind für die Prognose des Patienten mit schwerem SHT entscheidend. Das eFAST (extended focused assessment with sonography in trauma) im Schockraum ist daher oft bereits Bestandteil des primary survey zum Nachweis einer Blutung in Thorax, oder Abdomen. Blutdruck, Herzfrequenz und die peripheren Perfusionsparameter (Sauerstoffsättigung, Hautkolorit, Rekapillarisationszeit) erlauben die Beurteilung der Kreislaufsituation. Vor allem bei kleinen Kindern können allein aufgrund des schweren SHT Zeichen eines Volumenmangelschocks vorliegen, obwohl kein Blutverlust stattgefunden hat. Die neurologische Untersuchung mit Beurteilung von Weite und Reaktion der Pupillen, Reflexstatus, Muskeltonus, klinischer Hirnnervenfunktion, Prüfung von peripherer Motorik und Sensibilität erfolgt dann. Spezifische Verletzungsmuster wie Hämatome im Kopfbereich, Flüssigkeitsaustritt aus Nase und Ohr sind ebenso zu suchen wie mögliche Begleitverletzungen (Frakturen, Wunden).

Diagnostik

Diagnostik für intrakranielle Verletzungen

Während das eFAST bei allen bewusstlosen Patienten und solchen mit Auslösung eines Schockraumprotokolls erfolgt, sollten Verfahren mit Röntgenstrahlen gezielt und mit klarer Indikation eingesetzt werden. Beim mehrfachverletzten, bewusstlosen und fraglich kreislaufstabilen oder instabilen Patienten wird großzügig ein Spiral-CT von Kopf bis Becken durchgeführt, weil dieses die schnellste und sicherste Beurteilung einer lebensgefährlichen Situation erlaubt. Beim wachen, kreislaufstabilen Patienten ist dagegen meist keine CT-Schnittbilddiagnostik nötig oder ein Ersatz durch MRT möglich.
„Clinical decision rules“ zur Vermeidung unnötiger CT-Untersuchungen wurden in den letzten 10 Jahren erstellt und validiert (PECARN-Studie, Kuppermann et al. 2009). Hiernach ist ein Schädel-CT indiziert
  • bei einem GCS-Wert <14,
  • bei Vorliegen eines fokalen neurologischen Ausfalls sowie
  • bei offenen Schädelfrakturen und
  • bei Verdacht auf Schädelbasisfraktur, ausgedehnteren Impressionsfrakturen und schweren Mittelgesichtsverletzungen.
Die Standard-CT-Diagnostik des SHT ist die Nativ-Untersuchung. Nur bei Verdacht auf Sinusvenenthrombose ist eine Kontrast-CT-Untersuchung sinnvoll, allerdings auch mit höherer Strahlendosis verbunden. Wird ein kranielles CT beim bewusstlosen Patienten durchgeführt, sollte die Halswirbelsäule miteinbezogen werden, da diese klinisch nicht beurteilt werden kann. Die Strahlendosis einer CT-Untersuchung ist sehr stark auch von der auf Kinder angepassten korrekten Einstellung des Geräts abhängig.
Bei Patienten mit einem GCS-Punktwert von 14–15 ist die Indikation zum CT grundsätzlich eng zu stellen. Bei kleinen Kindern und wahrscheinlich postiktaler Müdigkeit nach einem posttraumatischen Krampfanfall ist evtl. eine kurze Überwachungsphase vor Durchführung des CT sinnvoll. Ein rasches Aufklaren des Patienten in dieser Zeit kann die Untersuchung entfallen lassen. Die Strahlenbelastung durch ein Schädel-CT ist gerade für kleine Kinder wesentlich und erhöht das Risiko für Malignome (Brenner und Hall 2007).
Im Verlauf der Behandlung eines schweren SHT werden oft Schnittbildgebungen benötigt, wenn etwa der GCS-Wert absinkt, neurologische Symptome auftreten oder eine Verbesserung ausbleibt. Kontusionsherde, Blutungen und Ausmaß des Hirnödems können im Verlauf deutlich zunehmen und dann eine Operationsindikation darstellen. Gerade für Verlaufsbildgebungen sollte immer zur Minimierung der kumulierten Strahlendosis geprüft werden, ob nicht auch eine MRT-Diagnostik möglich ist.
Bei kleinen Kindern mit offener Fontanelle kann eine Ultraschalluntersuchung das CT bei leichten SHT ersetzen, wenngleich die Beurteilung der hinteren Schädelgrube hier eingeschränkt ist. Schwere SHT in dieser Altersgruppe sind in einem großen Prozentsatz Folge von Kindesmisshandlungen, hier ist eine Ultraschalluntersuchung nicht ausreichend. Allerdings liefert hier das MRT eine bessere Einschätzung des Alters von Blutungen und sollte deshalb gegenüber dem CT bevorzugt eingesetzt werden.

Diagnostik für Schädelfrakturen

Die Notwendigkeit der Durchführung von Röntgenbildern zum Nachweis einer Schädelkalottenfraktur ist umstritten. Wahrscheinlich weisen Kinder mit einer Schädelfraktur ein leicht erhöhtes Risiko für eine intrakranielle, meist epidurale Blutung auf. Wenn die Folge eines Frakturnachweises nur eine längere Beobachtungszeit im Krankenhaus ist, kann dieser Nachweis oft auch mit einer Ultraschalluntersuchung des Schädels erfolgen. Eine Verlaufsdiagnostik einer Schädelfraktur ist bei asymptomatischen Patienten definitiv unnötig.
Nicht dislozierte lineare Schädelkalottenfrakturen können bei neurologisch unauffälligen Kindern nach einer kurzen Überwachungsphase meist ambulant und konservativ behandelt werden (Arrey et al. 2015). Während diese Patienten oft noch mehrere Tage stationär überwacht werden, zeigen aktuelle Studien, dass dieses Vorgehen unnötig sein könnte. Die Mehrzahl der hierzu erschienenen Arbeiten stammt allerdings aus den USA, wo die Diagnose einer solchen Fraktur fast ausnahmslos per CT gestellt wurde. Diese Diagnostik bedeutet, dass hier recht sicher eine relevante intrakranielle Verletzung ausgeschlossen wurde. Deren etwas erhöhte Inzidenz bei Kindern mit Schädelfrakturnachweis stellt natürlich den eigentlichen Grund für die verlängerte Überwachung ohne CT dar.
Bei klinischem Verdacht auf eine Schädelbasisfraktur (Blutung aus dem Ohr, Liquor aus der Nase, Monokelhämatom) oder auf das Vorliegen einer ausgedehnteren Impressionsfraktur, erfolgt die Diagnose per CT; zusätzliche Nativ-Röntgenaufnahmen des Schädels können daher entfallen. Die CT-Diagnostik ist hier indiziert, da sich in ca. 50 % der Patienten mit Schädelbasisfraktur weitere intrakranielle Verletzungen im CT zeigen (Tunik et al. 2016). Die Meningitisrate ist bei ca. 0,5 % zu erwarten und die Häufigkeit von Liquorlecks liegt bei 2 % in einer Serie von >3000 Kindern mit Schädelbasisfrakturen (McCutcheon et al. 2013). Die meisten anfänglichen Liquorlecks dichten sich spontan ab, ein Schneuzverbot und Bettruhe mit erhöhtem Kopfteil sollten verordnet werden. Ein Gehörgang, aus dem es geblutet hat, wird steril abgedeckt. Die prophylaktische Gabe von Antibiotika ist umstritten, bei Erwachsenen gibt es hierfür keine positive Evidenz (Ratilal et al. 2015).
Wachsende Schädelfrakturen nach klaffenden Kalottenfrakturen mit Interposition von Dura sind ausgesprochen selten und können durch eine klinische Nachkontrolle erfasst werden. Fällt hier ein zunehmendes Liquorkissen auf, ist eine MRT-Untersuchung angezeigt.

Diagnostik für Begleitverletzungen

Die häufigste Begleitverletzung eines Kindes mit schwerem SHT sind Extremitätenfrakturen, die schwersten Begleitverletzungen sind hingegen die von Abdomen, Becken und Wirbelsäule. Während die vital bedrohlichen Verletzungen mit einem Spiral-CT bei kreislaufinstabilen Patienten rasch gefunden werden, kann die Diagnostik der knöchernen Verletzungen am Rumpf und Extremitäten bei stabilen Patienten entweder mit Röntgenaufnahmen nach einem Schockraumprotokoll (Thorax-, Becken-Übersicht und Wirbelsäule in 2 Ebenen sowie Extremitäten nach Befund) gesucht werden oder, falls verfügbar, auch in kurzer Zeit und strahlenschonend mit einem Lodox-Ganzkörperscan erfasst werden.
Leichte SHT treten in der Mehrzahl isoliert auf. Je nach Unfallmechanismus sind hier natürlich alle Begleitverletzungen möglich. Bei wachen und stabilen Patienten kann hier die fokussierte Diagnostik anhand der Beschwerden ausgerichtet werden.

SHT im Rahmen einer Kindesmisshandlung

An ein durch eine Misshandlung entstandenes SHT muss v. a. bei Kindern <2 Jahren gedacht werden, und wenn diese ein schweres SHT erleiden. Bei dieser Konstellation ist ein Unfall sogar die unwahrscheinlichere Ursache. Hinweisend sind neben Begleitverletzungen klaffende und ausgedehnte Schädelfrakturen, Blutungen am Augenhintergrund, subdurale Blutungen und intrakranielle Einblutungen unterschiedlichen Alters im MRT. Ausgeschlossen werden müssen als Differenzialdiagnosen v. a. Gerinnungsstörungen und Stoffwechselstörungen wie eine Glutarazidurie.

Therapie

Initiale Therapie, Guidelines bei leichtem SHT

Die eigentliche Behandlung besteht beim leichten SHT aus anfänglicher Bettruhe und Vermeidung von körperlich und kognitiv anstrengenden Tätigkeiten, bis die Funktionsstörung des Gehirns abklingt. In diesem Zeitraum kann die Gabe leichterer Schmerzmittel sinnvoll sein. Bei anfänglich rezidivierendem Erbrechen kann die Gabe von Antiemetika und intravenöser Flüssigkeit dem Kind die Beschwerden erträglicher machen. Nachfolgend sollte die Aktivität langsam unter Berücksichtigung von Schwere und Dauer der Symptome wieder zur Normalität geführt werden.
Zur Diagnostik und Überwachung von Kindern mit leichtem SHT sind einige „clinical decision rules“ (CDR, Pickering et al. 2011) und Guidelines (Astrand et al. 2016) erschienen. Während sich amerikanische CDR auf die Vermeidung unnötiger CT-Untersuchungen fokussieren und evidenzbasiert gut abgesichert sind, ist die Compliance amerikanischer Kliniken mit diesen CDR recht gering. Die auf einer systematischen Beurteilung der Literatur und einem anschließenden systematischen Konsensusverfahren beruhenden skandinavischen Guidelines berücksichtigen besser die europäischen Gegebenheiten, hier rückt nach Stratifizierung der Patienten in 3 Risikogruppen die klinische Überwachung in den Vordergrund (Abb. 1).
Am Arbeitsort der Autoren ist nach einer Konsensuskonferenz von 2007 ein ebenfalls auf 3 Risikokategorien basierender Algorithmus im klinischen Gebrauch (Abb. 2, Vernet et al. 2004). Dieser unterscheidet zusätzlich in die Altersgruppen </>2 Jahre und wurde zuletzt mit einem Staging der leichten SHT und Empfehlungen für die entsprechende Dauer der Schul- und Sportkarenz ergänzt.
Umfangreiche Untersuchungen zur Dauer der Rekonvaleszenz und Wiederaufnahme der Tätigkeiten wurden in den USA durchgeführt bei Kindern nach Schädel-Hirn-Traumen beim Sport (sports related concussion, SRC). Diese Resultate sind in Form mehrerer Consensus Statements veröffentlicht, zuletzt 2017 (McCrory et al. 2017). Neben Instrumenten zur Erfassung des Schweregrades der Verletzung bereits am Spielfeld (SCAT 5 Assessment tool) wurden hier Entscheidungskriterien erarbeitet, wann und wie die sportliche Tätigkeit wieder fortgesetzt werden kann.

Return to School/Sports Guidelines

Die Patienten werden idealerweise anhand ihrer Beschwerdesymptomatik bei einem abgestuften Wiedereinstieg in die Schule (return to school, Tab. 5) und in den Sport (return to sport, Tab. 6) begleitet. Obwohl diese Strategien für sportbedingte Verletzungen entwickelt wurden, können sie auch bei anders verursachtem leichtem SHT im Kindesalter benutzt werden. Die Anzahl der Patienten, die zwar keinen strukturell fassbaren Hirnschaden erlitten haben, aber trotzdem eine teils Monate andauernde Leistungseinschränkung durch das Trauma erfahren, ist nicht klein. Den Kindern und ihren Eltern helfen klare Regeln für einen graduellen Wiedereinstieg. Das nächste Stadium wird jeweils erst versucht, wenn das vorhergehende mindestens 24 h beschwerdefrei toleriert wurde.
Tab. 5
„Return to school“-Strategie. (Aus: McCrory et al. 2017)
Stadium
Art der Aktivität
Aktivität
Ziel
1
Alltag zuhause
Alltägliche Aktivität, langsam steigern
Tätigkeiten des Alltags
2
Schulische Aufgaben zuhause
Hausarbeiten, Lesen
Toleranz für kognitive Tätigkeit erhöhen
3
Schule Teilzeit
Teilpensum, mehr Pausen
Steigerung schulischer Aktivität
4
Schule Vollzeit
Steigerung bis ganztätig
Volle Schulaktivität, Verpasstes nachholen
Tab. 6
„Return to sport“-Strategie. (Aus: McCrory et al. 2017)
Stadium
Art der Aktivität
Aktivität
Ziel
1
Symptomlimitierte Aktivität
Alltägliche Aktivität
Schulbesuch
2
Leichte aerobe Übungen
Gehen, langsames Radfahren
Erhöhte Herzfrequenz
3
Sportspezifische Übungen
Laufen
Zusätzliche Bewegung
4
Non-Kontakt-Training
Härteres Training
Körperliches und kognitive Belastung, Koordination
5
Voll-Kontakt-Training
Normales Training
Selbstvertrauen, Beurteilung durch Trainer
6
Wiederaufnahme Sport
Wettkampf
 

Komplikationen beim leichten SHT

Bei einer protrahierten Dauer der Symptome von >4 Wochen spricht man von einem persistierenden postconcussion Syndrom (PPCS). Die anhaltenden Beschwerden sind unspezifisch: Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Konzentrationsstörungen. Bei ungenügender Erholung besteht die Gefahr einer Chronifizierung dieser Symptomatik. Eine genaue neuropsychologische Untersuchung kann den Verlauf besser einordnen.
Während früher die Rate des PPCS mit 10–15 % der Betroffenen angenommen wurde, geht man aktuell davon aus, dass dieses deutlich öfter auftritt (bei ca. 30 %). Frühe kontrollierte körperliche Aktivität während der ersten 7 Tage nach Trauma könnte helfen, die Rate zu verringern (Grool et al. 2016). Häufiger tritt ein PPCS bei bestimmten Konstellationen auf: weibliches Geschlecht, Alter >13 Jahre, Migräne-Anamnese, vorhergehender Gehirnerschütterung mit Symptomdauer >1 Woche und einigen weiteren Symptomen (Zemek et al. 2016). Die Durchblutung des Gehirns scheint in dieser Phase des PPCS deutlich höher zu sein als bei Kindern, die in den ersten Wochen nach Trauma bereits beschwerdefrei werden (Barlow et al. 2017).

Initiale Therapie, Guidelines bei schwerem SHT

Im Gegensatz zu den lange Zeit eher vernachlässigten leichten SHT existieren für die Behandlung des schweren SHT im Kindesalter bereits seit 2003 evidenzbasierte Guidelines (www.braintrauma.org, Zugegriffen am 11.04.2018) (Kochanek et al. 2012). Die beim Unfall selbst erlittene Hirnschädigung kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die Behandlung des Patienten mit einem schweren SHT zielt daher auf die Vermeidung sekundärer Hirnschäden. Hierfür erfolgen zunächst die Therapieschritte der ersten Wahl in einer geplanten Eskalation (Abb. 3). Ist dies erfolglos, kommen die invasiveren, risikoreicheren und weniger evidenzbasierten Maßnahmen der zweiten Wahl (Abb. 4) zum Einsatz, in Abhängigkeit von der beim einzelnen Patienten vorliegenden Pathophysiologie.

Monitoring

Die Parameter, die zur Beurteilung des Patienten im Verlauf verwendet werden können, sind neben repetitiver Bildgebung v. a. der zerebrale Perfusionsdruck (CPP) bestimmt durch gleichzeitige Messung des intrakraniellen Drucks (ICP) und des arteriellen Mitteldrucks (MAP) (CPP = MAP-ICP) sowie die Entwicklung der Komatiefe, gemessen durch den GCS. Ein Hirndruck <3–5 mmHg bei Säuglingen, <7 mmHg bei Kleinkindern und <10 mmHg bei älteren Kindern wird als normal angesehen. Entsprechend sollte ein zerebraler Perfusionsdruck von >40 mmHg bei Säuglingen, >50 mmHg bei Kleinkindern und >50–60 mmHg bei älteren Kindern erhalten werden (Allen et al. 2014). Wird dieser Grenzwert spontan nicht erreicht, kann entweder der ICP gesenkt oder der MAP angehoben werden. Die Messung der intraparenchymatösen Sauerstoffsättigung ist ebenfalls möglich, ihr Wert jedoch nicht eindeutig belegt. Einen Näherungswert für die globale Sauerstoffversorgung des Gehirns liefert auch die Messung der venösen Sauerstoffsättigung über einen Katheter im Bulbus venae jugularis.

Therapiemaßnahmen der 1. Wahl

Hirndruckmessung/Ventrikelkatheter
Die Messung des Hirndrucks kann mit Parenchymsonden oder Ventrikelkathetern erfolgen. Die Einlage der Parenchymsonden ist technisch einfacher und diese sind auch dünner. Ventrikelkatheter erlauben jedoch die Drainage von Liquor zur schnellen Hirndrucksenkung bei ICP-Spitzen. Die Indikation zur Hirndruckmessung sehen die meisten Kliniken gegeben bei Verdacht auf das Vorliegen eines erhöhten Hirndrucks und damit der verbundenen Notwendigkeit hirndrucksenkender Maßnahmen. Die Hirndruckmessung ist auch oft indiziert bei Patienten, die aufgrund der Atemwegssicherung bei niedrigem GCS intubiert oder wegen Agitation sediert werden müssen und damit nicht mehr ausreichend sicher neurologisch überwacht werden können.
Wissenschaftlich belegt ist ein positiver Effekt einer ICP-Messung allerdings nur bei Patienten mit einem GCS-Punktwert von 3 (Alkhoury und Kyriakides 2014). Hirndrucksenkung ohne Hirndruckmessung ist wegen der Nebenwirkungen der hirndrucksenkenden Maßnahmen (s. unten) nicht sinnvoll. Eine invasive Blutdruckmessung ist in dieser Situation ebenfalls angezeigt, da nicht der ICP, sondern der CPP die Zielgröße der Behandlung darstellt.
Lagerung, Sedation, Analgesie, Relaxation
Vor der Durchführung spezifischer hirndrucksenkender Maßnahmen (Osmotika, Liquordrainage, Dekompression) wird zunächst versucht, mit allgemeinen Maßnahmen wie korrekter Lagerung mit 30° erhöhtem Oberkörper, Kopf in Mittelstellung, Sedation des Patienten und ausreichender Analgesie den Hirndruck zu normalisieren. Hat der Patient einen Ventrikelkatheter, wäre die nächste Eskalation die Drainage von Liquor hieraus. Hiernach kommt die Relaxation bei beatmeten Patienten in Betracht, die Intubation und Beatmung ist bei einem GCS-Punktwert <9 allein wegen der dann fehlenden Atemschutzreflexe normalerweise angezeigt. Sind diese Maßnahmen nicht erfolgreich, ist der nächste Schritt die Gabe von Osmotika.
Osmotika: Mannitol und hypertone NaCl-Lösung
Das Grundprinzip aller Osmotika ist, dass diese die Bluthirnschranke nicht oder nur wenig penetrieren und sich deshalb ein Konzentrationsgradient zwischen dem Plasma und dem Hirngewebe aufbauen lässt, der dem Hirngewebe Wasser entzieht und so das Hirnödem verringert. Je mehr von einem Osmotikum durch die Bluthirnschranke hindurchtritt, umso kürzer wird dessen Wirkdauer sein, v. a. bei repetitiven Gaben kann der Gradient irgendwann nicht mehr aufgebaut werden oder nur noch mit stark erhöhter Dosierung. NaCl hat hierbei den idealen Reflektionskoeffizienten von 1,0 an der Bluthirnschranke, es tritt also praktisch nichts in das Gewebe über. Dieser Koeffizient liegt für Mannitol hingegen nur bei 0,9, also akkumuliert bei jeder Gabe eine kleine Menge im Gewebe. Nach längerem Therapieverlauf kann diese Ansammlung im Gewebe den Gradienten umkehren und so zu einem Reboundeffekt führen. Aus dieser Überlegung leitet sich auch ab, dass Osmotika als Bolus gegeben werden sollten, Dauerinfusionen erzeugen bei über die Zeit relativ hohen Osmotikadosen doch nur schwache Gradienten. Müssen Osmotika in immer höherer Dosierung gegeben werden, können kritische Gesamtosmolaritäten im Serum überschritten werden, die mit dem Auftreten einer Niereninsuffizienz verknüpft sein können. Dies spricht ebenfalls gegen die Dauerinfusion. Mannitol wirkt stärker diuretisch und erhöht durch diesen Effekt die Serumosmolarität zusätzlich. Deshalb haben in den letzten Jahren in der Klinik, aber auch in den Guidelines, die Bolusgaben von hypertonen NaCl-Lösungen, die Bolusgaben von Mannitol und auch die Dauerinfusionen hypertoner NaCl-Lösungen weitgehend abgelöst. Nicht selten werden NaCl und Mannitol alternierend gegeben. Die NaCl-basierten Osmotika werden in den in Tab. 7 genannten Dosierungen verabreicht.
Tab. 7
Isoosmolare Dosierungen für verschieden konzentrierte NaCl-Lösungen
Konzentration NaCl
Zu verabreichendes Volumen/kg KG
3 %
2,13 (–5,33) ml
6 %
1,07 (–2,67) ml
7,5 %
0,85 (–2,13) ml
20 %
0,32 (–0,8) ml
Mit verschiedenen konzentrierten Lösungen können bei korrekter Dosisberechnung isoosmolare Dosen gegeben werden. In Tab. 7 beträgt die Dosis für jede Konzentration etwa 2 mosmol/kg. In Tab. 8 sind die Osmolaritäten der verschiedenen Osmotika (und zum Vergleich auch von 0,9 %iger NaCl- sowie Ringer-Laktatlösung) und deren jeweiliger Elektrolytgehalt angegeben. Mannitol wird in der Regel als Bolusinfusion in einer Konzentration von 20 % und mit einer Dosierung von 1–2,5 (–5) ml/kg (entsprechend 1,1–2,75 mmol Mannitol/kg KG) gegeben.
Tab. 8
Osmolaritäten und Elektrolyte in klinisch gebräuchlichen Osmotika
Substanz
20 % Mannitol
1098 mmol/l
Ringer Laktat
277 mmol/l
130 mmol/l
112 mmol/l
0,9 % NaCl
309 mmol/l
154 mmol/l
154 mmol/l
3 % NaCl
1030 mmol/l
515 mmol/l
515 mmol/l
6 % NaCl
2059 mmol/l
1029 mmol/l
1029 mmol/l
7,5 % NaCl
2745 mmol/l
1372 mmol/l
1372 mmol/l
20 % NaCl
6800 mmol/l
3400 mmol/l
3400 mmol/l
Leichte Hyperventilation
Hyperventilation führt zu Hypokapnie und diese zu einer Konstriktion der Arteriolen im Hirngewebe und damit Reduktion des zerebrovaskulären Volumens. Da das Blut neben dem Hirngewebe und Liquor das dritte, und am schnellsten variable Volumen im intrakraniellen Kompartiment darstellt, kann durch eine Reduktion der Durchblutung der ICP schnell gesenkt werden. Dieser Mechanismus funktioniert nur in Arealen mit einer intakten zerebralen Autoregulation. Unter einer leichten Hyperventilation versteht man eine Senkung des arteriellen pCO2 auf 30–35 mmHg. Bei diesen Werten ist noch keine ausgedehntere Minderperfusion des Gehirns zu erwarten, was bei einer forcierten Hyperventilation auf Werte <30 mmHg durchaus der Fall sein kann. Eine unkontrollierte Hyperventilation ist daher unbedingt zu vermeiden.
Bei unter allen Maßnahmen der ersten Wahl therapierefraktären Hirndruckanstiegen sollte vor einer Eskalation zu einer der Therapiemaßnahmen der zweiten Wahl eine Verlaufsbildgebung erfolgen, um eine chirurgisch entlastbare Situation (Hämatom) auszuschließen.

Therapiemaßnahmen der 2. Wahl

Dekomprimierende Kraniektomie
Die frühzeitige dekomprimierende Kraniektomie ist zwar sehr invasiv, kann aber den Hirndruck bei anders nicht kontrollierbaren Hirndruckanstiegen maßgeblich reduzieren. Der positive Effekt auf den Hirndruck tritt sofort ein, eine weitere Hirnödemzunahme ist im Verlauf jedoch möglich. Solche sekundären Hirndruckanstiege lassen sich dann aber oft medikamentös auffangen. Wenn sich bereits ein ausgedehnter sekundärer Hirnschaden eingestellt hat, ist der Einsatz der dekomprimierenden Kraniektomie als „ultima ratio“ wahrscheinlich nicht mehr sinnvoll. Kontraindikationen sind längere Phasen einer globalen Hirnischämie sowie Gerinnungsstörungen. Die Operation kann als einseitige oder beidseitige meist frontal/temporal/parietale Kraniektomie in der Regel mit Duraplastik erfolgen. Bei Kindern sind hierzu erst einige retrospektive Studien mit relativ kleinen Fallzahlen durchgeführt worden (Appelboom et al. 2011), bei Erwachsenen lässt sich zwar eine Reduktion des intrakraniellen Drucks und der Mortalität zeigen, andererseits aber auch eine vermehrte Rate an Langzeitüberleben mit schlechtem Resultat (Zhang et al. 2017).
Die Komplikationsrate der Dekompressionsoperation ist beträchtlich. Insbesondere ein starker Blutverlust, posttraumatischer Hydrozephalus und subdurale Hämatome, sowie Infektionen und Schwierigkeiten bei der späteren Knochendeckung sind beschrieben. Diese Folgen müssen jedoch gegen die sonst drohenden Komplikationen eines unkontrollierbaren Hirndruckanstiegs mit sekundärem Hirnschaden abgewogen werden. Abgenommene Knochendeckel können bis zur Reimplantation eingefroren oder in die Subkutis des Oberschenkels implantiert werden.
Hypothermie
Unter den Therapien der 2. Wahl kommt die Hypothermie v. a. bei Vorliegen einer zerebralen Ischämie infrage. Angriffspunkt der Hypothermie ist die in tierexperimentellen Studien gezeigte Reduktion des zerebralen Metabolismus und Blutflusses um 5–7 % je Grad Temperaturreduktion.
Die Hypothermie wird durch einige randomisierte Studien bei Kindern zunehmend infrage gestellt. Zwar ist die Vermeidung einer Hyperthermie ein Therapieziel, da diese das Outcome verschlechtern kann und die Einstellung einer Hypothermie kann den Hirndruck bei Kindern senken (Biswas et al. 2012). Verschiedene Grade der Hypothermie werden unterschieden, wobei nur die leichte (33–36 °C) und moderate (28–32 °C) klinisch gebräuchlich sind. Eine kontrollierte Hypothermie bedeutet meist das Einstellen einer Körpertemperatur von 32–33 °C für 48–72 h gefolgt von einer langsamen Aufwärmphase von ca. 24 h. Bisher konnten insgesamt 8 kontrollierte randomisierte Studien bei Kindern mit insgesamt ca. 250 Patienten pro Therapiearm jedoch keinen Vorteil der Hypothermie gegenüber einer Normothermie auf das Outcome nach SHT nachweisen (Crompton et al. 2017). Bei Erwachsenen ist die Evidenzlage allerdings anders, hier zeigt die Hypothermie nach schwerem SHT einen Benefit.
Forcierte Hyperventilation
Eine forcierte Hyperventilation weist das Risiko einer Zunahme von Perfusionsstörungen auf, vor allem in ohnehin schon minderperfundierten Hirnarealen. Vor Beginn dieser Maßnahme sollte daher eine zerebrale Ischämie ausgeschlossen werden und die zerebrale Autoregulation überwiegend intakt sein. Die beste Indikation für eine forcierte Hyperventilation ist bei Vorliegen einer zerebralen Hyperämie gegeben. Ein Monitoring der zerebralen Durchblutung unter dieser Therapie ist deshalb sinnvoll, beispielsweise durch Kontrolle der zerebrovenösen Sättigung im Bulbus venae jugularis, intraparenchymatöse pO2-Messung und Verfahren zur Bestimmung des zerebralen Blutflusses (NIRS usw.).
Lumbale Drainage
Die Einlage einer lumbalen Liquordrainage bietet die Möglichkeit, ähnlich wie bei der Ventrikulostomie kontrolliert Liquor abzulassen und damit den ICP zu senken. Voraussetzung hierfür sind jedoch offene basale Zisternen, da sonst eine Herniation in der hinteren Schädelgrube droht (Levy et al. 1995). Dieses Verfahren ist im pädiatrischen Bereich wenig verbreitet.
Hochdosierte Barbiturate
Ähnlich wie die Hypothermie können hoch dosierte Barbiturate den Hirnstoffwechsel senken (um bis zu 50 %), um damit Hirndurchblutung und Hirndruck zu reduzieren. Pentobarbital wird hierfür meist mit 3–5 mg/kg KG/h verabreicht, bis zum Erreichen einer burst suppression im EEG. Wenn diese erreicht ist, können auch höheren Dosen den Stoffwechsel nicht weiter reduzieren. Bei etwa einem Drittel der so behandelten Kinder kann mit Barbituraten eine Kontrolle des ICP erreicht werden (Mellion et al. 2013). Die wichtigste Nebenwirkung der Barbiturate ist eine Blutdrucksenkung, was den Perfusionsdruck des Gehirns (CPP) beeinträchtigen kann und dann eine Katecholamingabe zur Kreislaufunterstützung benötigt. Eine behandlungsbedürftige Hypotension entsteht bei 25 % der Erwachsenen, die ein Barbituratkoma erhalten. Wie bei Kindern, kann bei einem Teil der erwachsenen Patienten der intrakranielle Druck reduziert werden, ein verbessertes Langzeit-Outcome ist hierdurch jedoch nicht belegt (Roberts und Sydenham 2012).

Komplikationen beim schweren SHT

Hirnödem
Die häufigste und gefürchtete Komplikation nach einer primären Substanzschädigung des Gehirns (primäre Nekrose) sind das posttraumatische Hirnödem und der damit verbundene Hirndruckanstieg. Dieser führt über eine zunächst lokale und dann globale Verschlechterung der Hirndurchblutung zu einem sekundären Hirnschaden. Im Rahmen dieses Prozesses werden zunächst perifokale Areale, in denen die Perfusion bereits vermindert (Penumbra) ist, irreversibel geschädigt (sekundäre Nekrosezone). Später werden auch entferntere Areale minderperfundiert, die nachfolgende diffuse Ödementwicklung kann zur Einklemmung des Gehirns am Tentoriumschlitz oder Foramen magnum führen. Bei Kindern kann ein diffuses Hirnödem wesentlich rascher auftreten als bei Erwachsenen, nämlich bereits wenige Stunden nach dem Trauma.
Blutung
Epi- oder subdurale sowie Kontusionsblutungen können im Verlauf deutlich an Größe zunehmen und dann einen raumfordernden Effekt mit entsprechendem Hirndruckanstieg bedingen.
Sinusvenenthrombose
Liegen Frakturen, Kontusionsareale oder Blutungen in der Nähe der venösen Sinus, so kann dies zu einer Kompression der Blutgefäße und damit zum Auftreten von Sinusvenenthrombosen führen. Die dann eigentlich notwendige Gabe von Antikoagulanzien muss gegen die Blutungsgefahr abgewogen werden.
Krampfanfälle
Früh oder spät nach dem Trauma können Krampfanfälle auftreten, die initial eine therapeutische Phenytoingabe oder im weiteren Verlauf eine antiepileptische Dauerbehandlung erforderlich machen können.

Prognose

Die Prognose eines SHT hängt v. a. von dessen Schweregrad und Begleitverletzungen ab. Schwere SHT haben eine Mortalität von ca. 25 % bei Kindern, mit etwas schlechteren Ergebnissen bei Säuglingen und Kleinkindern und etwas besseren Ergebnissen bei jüngeren Schulkindern im Vergleich zu Erwachsenen. Deutlich schlechter ist das Outcome bei Fällen von Kindesmisshandlung, aufgrund der oft verzögerten Vorstellung und meist mehrfachen Traumen. Ist ein schweres SHT assoziiert mit einem Polytrauma und v. a. mit dem Auftreten einer arteriellen Hypotension, so ist die Mortalität deutlich erhöht.
Zur Bewertung des Outcome nach schwerem SHT hat sich der Glasgow-Outcome-Score durchgesetzt (GOS), dieser erlaubt allerdings nur eine sehr grobe Klassifikation der Behandlungsergebnisse (Tab. 9).
Tab. 9
Glasgow-Outcome-Score (GOS)
Beurteilung
Kriterium
GOS 1
Tod
GOS 2
Persistierend vegetativer Status
GOS 3
Bei Bewusstsein, aber schwere Behinderung, im täglichen Leben abhängig
GOS 4
Mäßige Behinderung, im täglichen Leben unabhängig
GOS 5
Gute Erholung
Leichte und mittelschwere SHT haben eine grundsätzlich gute Prognose, die Beschwerdedauer ist auch hier vom jeweiligen Schweregrad abhängig. Eine genaue Beurteilung des Ergebnisses ist hier oft nur mit einer detaillierten neuropsychologischen Nachuntersuchung möglich.

Rehabilitation

Nach mittelschweren und schweren SHT sollte die Rehabilitation bereits während des initialen Krankenhausaufenthalts beginnen (Physiotherapie, Ergotherapie, Tagesstruktur etc.) und dann ggf. in einer auf Kinder spezialisierten Rehabilitationseinrichtung fortgesetzt werden.
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