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Kinderchirurgie
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Publiziert am: 22.08.2018

Tumoren des exokrinen Pankreas bei Kindern und Jugendlichen

Verfasst von: Michael Berger und Dietrich von Schweinitz
Primäre Tumoren des Pankreas kommen wie Tumoren der Leber und des Gastrointestinaltrakts im Kindesalter sehr selten vor. Das exokrine Pankreas umfasst die Pankreasgänge, die zentroazinären Zellen sowie die Azini. Tumoren dieses Systems umfassen pseudopapilläre Tumoren, duktale Adenokarzinome, Azinuszellkarzinome und Pankreatoblastome. Zystische Tumoren der Bauchspeicheldrüse, einschließlich seröser und muzinöser Zystadenome und Zystadenokarzinome, sind bei Erwachsenen gut beschrieben, bei Kindern jedoch äußerst selten. Die Prognose ergibt sich aus der genauen Diagnose. Wie andere embryonale Tumoren spricht auch das Pankreatoblastom gut auf Chermotherapie an. Bei vollständiger chirurgischer Resektion ist die Prognose sehr gut. Wie beim Erwachsenen wirken Chemotherapie und Bestrahlung bei den Karzinomen auch des Kindesalters nur unzureichend. Entsprechend ist die Prognose dieser Tumoren sehr schlecht. Die einzigen endokrinen Tumoren, die bei Säuglingen und Kindern beobachtet werden, sind Insulinome, Gastrinome und VIPome. Diese Tumoren werden an anderer Stelle diskutiert.
Primäre Tumoren des Pankreas kommen wie Tumoren der Leber und des Gastrointestinaltrakts im Kindesalter sehr selten vor. Das exokrine Pankreas umfasst die Pankreasgänge, die zentroazinären Zellen sowie die Azini. Tumoren dieses Systems umfassen pseudopapilläre Tumoren, duktale Adenokarzinome, Azinuszellkarzinome und Pankreatoblastome. Zystische Tumoren der Bauchspeicheldrüse, einschließlich seröser und muzinöser Zystadenome und Zystadenokarzinome, sind bei Erwachsenen gut beschrieben, bei Kindern jedoch äußerst selten. Die Prognose ergibt sich aus der genauen Diagnose. Wie andere embryonale Tumoren spricht auch das Pankreatoblastom gut auf Chermotherapie an. Bei vollständiger chirurgischer Resektion ist die Prognose sehr gut. Wie beim Erwachsenen wirken Chemotherapie und Bestrahlung bei den Karzinomen auch des Kindesalters nur unzureichend. Entsprechend ist die Prognose dieser Tumoren sehr schlecht. Die einzigen endokrinen Tumoren, die bei Säuglingen und Kindern beobachtet werden, sind Insulinome, Gastrinome und VIPome. Diese Tumoren werden an anderer Stelle diskutiert.

Epidemiologie und Vorkommen

Tumoren des Pankreas kommen bei Kindern und Jugendlichen ausgesprochen selten vor. So bestehen kaum Erfahrungen mit Biologie und Therapie, zumal es eine Reihe von Tumorarten gibt, die in dieser Altersgruppe beobachtet werden. Bei jungen Kindern kommen überwiegend Pankreatoblastome (25 % aller kindlichen Pankreastumoren), bei älteren Schulkindern und Jugendlichen eher der solide pseudopapilläre Tumor (SPT, 17 %, v. a. bei Mädchen), benigne und maligne endokrine Tumoren und ganz vereinzelt das Azinuszellkarzinom vor. Das bei Erwachsenen am häufigsten anzutreffende duktuläre Adenokarzinom gibt es im Kinderalter extrem selten (Ellerkamp et al. 2012).
Zusätzlich kann eine Reihe von Tumoren, die offensichtlich nicht von Pankreasgewebe ausgehen, dieses Organ befallen, z. B. maligne Lymphome (Kap. „Hodgkin-Lymphom bei Kindern und Jugendlichen“, Kap. „Non-Hodgkin-Lymphome bei Kindern und Jugendlichen“), der maligne periphere neuroektodermale Tumor (PNET), Rhabdomyosarkome (Kap. „Weichteiltumoren bei Kindern und Jugendlichen“), Neuroblastome (Kap. „Neuroblastom und andere Nebennierentumoren bei Kindern und Jugendlichen“) und Teratome (Kap. „Keimzelltumoren bei Kindern und Jugendlichen“). Auf die endokrinen Tumoren wird in Kap. „Endokrine Erkrankungen des Pankreas bei Kindern und Jugendlichen“ detailliert eingegangen.

Pathologie und Biologie

Pankreatoblastom

Das Pankreatoblastom scheint aus frühen multipotenten Pankreasvorläuferzellen zu entstehen, enthält histologisch unreifes epitheliales Gewebe neben mesenchymalen Anteilen und produziert in den meisten Fällen α-Fetoprotein (AFP) (Abb. 1). Die Verwandtschaft mit anderen embryonalen Tumoren, v. a. dem Hepatoblastom, zeigt sich auch in Genetik und Molekulargenetik. Auch hier besteht eine Assoziation mit dem Wiedemann-Beckwith-Syndrom und es finden sich Allelverluste auf dem Chromosomarm 11q und Mutationen im WNT-Signalweg, nicht jedoch, wie beim adulten Pankreaskarzinom, in den p53- und K-ras-Genen. Ein Drittel aller Pankreatoblastome hat bei Diagnosestellung bereits Lebermetastasen gesetzt, einige auch Lymphknotenabsiedlungen. Offensichtlich sprechen die meisten Pankreatoblastome zumindest initial auf Chemotherapie und bis zu einem gewissen Grad auch auf Bestrahlung an (Barthlen et al. 2012).

Solider pseudopapillärer Tumor

Der SPT, manchmal auch als Frantz-Tumor bezeichnet, kommt meist bei weiblichen Jugendlichen vor und ist eine Neoplasie von eher niedriger Malignität, dessen Ursprungsgewebe im Pankreas nicht bekannt ist. Der eher langsam wachsende Tumor metastasiert selten und sehr spät in Lymphknoten oder gar andere Organe (bevorzugt Leber). Er kann neben solidem Gewebe auch zystische Anteile enthalten. Histologisch finden sich epitheloidzellige solide, pseudopapilläre und hämorrhagisch-zystische Areale. Die Tumorzellproliferationsrate scheint der Wahrscheinlichkeit von invasivem Wachstum und Metastasen zu entsprechen. Auch im SPT sind Mutationen im WNT-Signalweg gefunden worden.
Der SPT spricht in der Regel kaum auf Chemotherapie, gelegentlich jedoch auf Bestrahlung an (Barthlen et al. 2012).

Azinuszellkarzinom

Das Azinuszellkarzinom wird gelegentlich bei Kindern und Jugendlichen beobachtet. Oft handelt es sich um bereits große, relativ gut abgegrenzte Tumoren in allen Teilen des Pankreas. Histologisch ist das Azinuszellkarzinom dem Pankreatoblastom relativ ähnlich, weist jedoch keine mesenchymalen Komponenten und keine Mutationen von Molekülen des WNT-Signalwegs auf und produziert auch kein AFP. Die im Kindesalter extrem seltenen duktulären Adenokarzinome entsprechen in ihrer Biologie im Wesentlichen denen des Erwachsenenalters (Barthlen et al. 2012).

Klinik, Diagnostik und Stadieneinteilung

Klinik

Klinisch fallen Kinder und Jugendliche mit nichtendokrinen Pankreastumoren meistens weniger durch einen Ikterus, sondern vielmehr durch eine große Raumforderung im Oberbauch, Verdauungsstörung und gelegentlich durch Schmerzen auf. So ist oft ein großer, derber und nicht verschieblicher Oberbauchtumor bereits tastbar. Labordiagnostisch steht die Untersuchung von BKS, CRP, Blutbild, Pankreasenzymen, Leberwerten und v. a. der Tumormarker AFP, CEA, CA125, CA19-9, LDH und β-HCG im Vordergrund.

Diagnostik

Einen ersten Überblick über Lage und Größe des Tumors liefert die Sonografie. Immer sind jedoch ein CT und/oder ein MRT notwendig, um die genaue Ausdehnung und Lage, Zuordnung zu den Gefäßen des Pankreas und der Umgebung sowie zu benachbarten Organen, Binnenstruktur und Befall der regionären Lymphknotengebiete beurteilen zu können (Barthlen et al. 2012). In vielen Fällen wird man auch eine ERCP und eine Angiografie oder besser zunächst eine MRCP und ein Angio-MRT einsetzen. Unbedingt sollte nach Metastasierung in die Leber und in die Lunge, ggf. auch in das Skelettsystem und ins Gehirn gefahndet werden. Hier kann zur Suche und Beurteilung der Malignität ein FDG-PET oder PET-CT hilfreich sein, unter Umständen auch ein zerebrales MRT und ein Knochenszintigramm. Am Ende der bildgebenden Diagnostik sollten ein exaktes Staging und eine sichere Beurteilung der Resektabilität möglich sein (Barthlen et al. 2012).
Unerlässlich ist schließlich die histologische Untersuchung. Diese kann bei gut resektablen Tumoren aus dem Resektat, sonst aus einer Biopsie erfolgen. Bei sehr großen Tumoren kann in seltenen Fällen eine perkutane Stanzbiopsie möglich sein, sonst je nach Lage des Tumors eine Entnahme von Biopsien laparoskopisch oder über eine offene Laparotomie. In geeigneten Fällen kann versucht werden, die Diagnose aus einer über eine Gastroskopie durchgeführten Nadelbiopsie zytologisch zu stellen. Die Diagnostik der endokrinen Tumoren ist in Kap. „Endokrine Erkrankungen des Pankreas bei Kindern und Jugendlichen“ beschrieben.

Stadieneinteilung

Für eine genaue Beschreibung des Tumors und eine entsprechende Erarbeitung einer Therapiestrategie ist das exakte Tumorstaging wichtig. Mangels eines speziellen Systems für kindliche Pankreastumoren kann das TNM-System der UICC für exokrine Pankreastumoren gebraucht werden (Tab. 1), das auch für die wenigen kindlichen Patienten die oben genannten Bedingungen erfüllt (Sobin et al. 2009).
Tab. 1
TNM-Klassifikation der Pankreaskarzinome der UICC. (Aus: Sobin et al. 2009)
Stadium
Beschreibung
T
Primärtumor
Tis
Carcinoma in situ
T1
Tumor beschränkt auf das Pankreas,≤2 cm im Durchmesser
T2
Tumor beschränkt auf das Pankreas, >2 cm im Durchmesser
T3
Tumor dehnt sich über das Pannkreas hinaus aus, aber keine Infiltration des Truncus coeliacus oder der A. mesenterica superior
T4
Tumor infiltriert Truncus coeliacus oder die A. mesenterica superior
N
Regionäre Lymphknoten
N0
Keine regionären Lymphknotenmetastasen
N1
Regionäre Lymphknotenmetastasen
M
Fernmetastasen
M0
Keine Fernmetastasen
M1
Fernmetastasen

Therapie und Prognose

Operative Therapie

Da die meisten Pankreastumoren v. a. bei Schulkindern und Jugendlichen wenig zytostatika- und strahlensensibel sind, steht die chirurgische Resektion im Mittelpunkt der Therapie (Abb. 2). Soweit möglich, sollte demnach primär eine radikale Resektion mit ausgiebiger Lymphknotendissektion angestrebt werden. Hierfür sind auch bei Kindern alle Techniken der Pankreasresektion der Erwachsenenchirurgie möglich, wie Schwanzresektion, subtotale Resektion, Whipple-Operation, etc. (Werner und Büchler 2010). Bei jungen Kindern mit einem Pankreatoblastom sollte allerdings die Indikation zu sehr ausgedehnten Resektionen zurückhaltender gestellt werden, da die meisten Pankreatoblastome zumindest zunächst auf Chemotherapie ansprechen (Barthlen et al. 2012).
Cave: Vor allem sollte bei jungen Kindern, wenn irgend möglich, die Entfernung der Milz und die Entfernung von zu viel Pankreasgewebe (Gefahr eines Diabetes mellitus!) vermieden werden.
Bei nicht chemosensiblen Malignomen sollte auch eine chirurgische Entfernung allfälliger Lebermetastasen erwogen werden, solange dies mit konventionellen chirurgischen Techniken möglich ist. Dies gilt im ersten Anlauf ebenfalls nicht für das Pankreatoblastom. Die Resektion von Fernmetastasen anderer Lokalität ist in jedem Fall nur bei Nachweis einer wirksamen Chemotherapie sinnvoll.

Chemotherapie

Die Chemotherapie kommt v. a. beim Pankreatoblastom zum Einsatz. Hier scheinen dieselben Kombinationen wie beim Hepatoblastom, v. a. aber Cisplatin (CDDP) und Doxorubicin wirksam zu sein, sodass die entsprechenden Lebertumorprotokolle zur Anwendung kommen können. Bei ausgedehnten Tumoren sollte eine Induktionstherapie zur Erreichung einer Resektabilität, in allen Fällen auch eine postoperative adjuvante Therapie gegeben werden. Nach Fallberichten lässt sich so eine Resektabilität bei mindestens zwei Drittel dieser Tumoren erreichen. Beim SPT des Pankreas ist intensive Chemotherapie nach der Literatur gelegentlich ein wenig, nach eigenen Beobachtungen jedoch gar nicht effektiv. Ähnliches gilt für die Pankreaskarzinome, bei denen für Fälle von nicht resektablem oder metastasierendem Tumor allenfalls ein Versuch unternommen werden kann (Barthlen et al. 2012).

Strahlentherapie

Der Wert einer Strahlentherapie ist für alle beschriebenen Tumoren unklar. Es gibt jedoch Einzelfallberichte über eine Wirkung sowohl beim Pankreatoblastom als auch beim SPT und sogar beim Pankreaskarzinom.

Prognose

Obwohl das Pankreatoblastom ein hochmaligner Tumor ist, der zu Metastasierung und Lokalrezidiven neigt, hat sich doch mit Einsatz von Chemotherapie die Prognose dieses Tumors so weit gebessert, dass ein tumorfreies 5-Jahres-Überleben von >70 % erreicht wird. Der SPT hat – solange er auf das Pankreas beschränkt ist – eine 95- bis 100 %ige Heilungschance (van den Akker et al. 2012). Aber selbst bei nicht möglicher kompletter Entfernung oder Lebermetastasen sind Überlebenszeiten von über 10 Jahren bekannt. Die Heilungschancen von einem Azinuszellkarzinom oder gar eine duktularen Adenokarzinom sind schlecht und nur gegeben, wenn eine radikale chirurgische Entfernung möglich ist (Werner und Büchler 2010; Barthlen et al. 2012).
Literatur
Akker M van den, Agelini P, Taylor G, Chami R, Gerstle JT, Gupta A (2012) Malignant pancreatic tumos in children: a single-institution series. J Pediatr Surg 47: 681–687
Barthlen W, Brecht IB, Sipos B (2012) Pancreatic tumors. In: Schneider DT, Brecht IB, Olson TA, Ferrari A (Hrsg) Rare tumors in children and adolescents. Springer, Berlin/Heidelberg/New York, S 283–302CrossRef
Ellerkamp V, Warmann SW, Vorwerk P, Leuschner I, Fuchs J (2012) Exocrine pancreatic tumors in childhood in Germany. Pediatr Blood Cancer 58:366–371CrossRef
Sobin LH, Gospodarowicz MK, Wittekind C (2009) TNM classification of malignant tumors (UICC International Union Against Cancer), 7. Aufl. Wiley-Liss, New York
Werner J, Büchler MW (2010) Pankreaskarzinom und der periampullären Karzinome. In: Siewert JR, Rothmund M, Schumpelick V (Hrsg) Praxis der Viszeralchirurgie; Onkologische Chirurgie, 3. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York, S 563–586CrossRef