Primäre Tumoren des Gastrointestinaltrakts kommen im Kindesalter sehr selten vor. Dabei kann man auf eine große Variabilität der Entitäten stoßen, von denen die Mehrzahl maligne ist. Benigne Polypen des Kolons, ggf. auch des Dünndarms und sehr selten des Duodenums und Magens, sind in der Mehrzahl sporadische, juvenile Polypen. In einigen Fällen jedoch können sie Ausdruck eines prädisponierenden Syndroms mit Polyposis sein. Hierbei ist v. a. die ausführliche, interdisziplinäre Diagnostik und Betreuung wichtig. Wie auch in anderen Körperregionen können
Teratome im Gastrointestinaltrakt eines Kindes vorkommen, was aber glücklicherweise sehr selten ist. Hin und wieder finden sich bei der Appendektomie
Karzinoide im Appendix, welche bis dahin einen asymptomatischen Verlauf gezeigt haben. Nichtdestotrotz ist die exakte Aufarbeitung und Therapie dieses Befundes für das Wohl des Kindes kritisch. Der häufigste Tumor des Darms bei Kindern, das maligne Non-Hodgkin-Lymphom, wird in Kap. „Non-Hodgkin-Lymphome bei Kindern und Jugendlichen“ besprochen.
Epidemiologie und Vorkommen
Primäre Tumoren des Magendarmtrakts
sind bei Kindern selten. Sie machen nur < 5 % aller Neoplasien und 1,2 % der Malignome des Kindesalters aus. Dabei umfassen sie eine große Gruppe verschiedener Entitäten (Tab.
1). Insbesondere die im späteren Erwachsenenalter so häufigen epithelialen Karzinome von Magen, Kolon und Rektum sind bei Kindern eine Rarität. Fast alle gastrointestinalen Tumoren
kommen überwiegend im Schulkind- und Jugendalter, fast nie bei Säuglingen und Kleinkindern vor (Moir
2010). Die weitaus häufigsten Tumoren des Gastrointestinaltrakts im Kindesalter (ca. 60 %) sind
Non-Hodgkin-Lymphome, die sich v. a. im Dünndarm entwickeln. Die spezifischen Erscheinungsformen und Therapie dieser Tumoren werden in Kap. „Non-Hodgkin-Lymphome bei Kindern und Jugendlichen“ abgehandelt.
Tab. 1
Gastrointestinale Tumoren des Kleinkindesalters
Teratom | Vor allem Magen |
Leiomyom | Ösophagus und Magen |
| Ösophagus und Magen |
Gastrointestinaler Stromatumor ( GIST) | Gesamter Gastrointestinaltrakt |
„Inflammatorischer“ Pseudotumor | Vor allem Magen, gesamter Intestinaltrakt |
| Magen |
| Dünndarm |
| Gesamter Gastrointestinaltrakt |
| Vor allem Appendix, gesamter Gastrointestinaltrakt |
Kolorektales Karzinom | Kolon und Rektum |
Von den übrigen Entitäten trifft man wiederum am häufigsten
benigne Polypen des Kolons, ggf. auch des Dünndarms
und sehr selten des Duodenums und Magens an. In der Mehrzahl sind dies sporadische, juvenile Polypen
. In einigen Fällen können sie jedoch auch Ausdruck eines prädisponierenden Syndroms mit Polyposis, wie das
Peutz-Jeghers-Syndrom oder
familiären adenomatösen Polyposis (FAP)
, des Gardner-
oder des Turcot-Syndroms
sein. Diese sind als Präkanzerose insbesondere für ein frühes
kolorektales Karzinom zu betrachten. Weitere Prädispositionen für ein frühes kolorektales Karzinom ergeben sich aus dem Vorliegen von hereditären, Nicht-Polyposis-Kolonkarzinomen in der Familie, aber auch aus einer kindlichen
Colitis ulcerosa, weniger gravierend aus einem
Morbus Crohn (Kap. „Chronisch entzündliche Darmerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen“) sowie aus einer chronischen Strahlenkolitis nach frühkindlicher Radiotherapie wegen
Neuroblastom, Nierentumor oder retroperitonealen
Sarkomen. So ist das kolorektale Karzinom das zweithäufigste epitheliale Malignom des Verdauungstrakts mit einer geschätzten Häufigkeit von 1,3–2 Fällen auf 1 Mio. lebender Kinder. Mesenchymale gastrointestinale Tumoren (
Leiomyosarkome,
gastrointestinale Stromatumoren) können in Kombination mit Paraganglien und pulmonalen Chondromen als Carneys-Triade
auftreten (Moir
2010).
Pathologie und Biologie
Die
wenigen beschriebenen
Teratome des Magens entsprechen in Pathologie und biologischem Verhalten
Teratomen anderer Regionen (Kap. „Keimzelltumoren bei Kindern und Jugendlichen“).
Leiomyome und
Leiomyosarkome können auch schon bei jungen Kindern auftreten und sind Tumoren aus glatten Muskelzellen. Oft ist die Differenzierung zwischen benignen und malignen Tumoren schwierig und beruht auf der Mitoserate, Zellregularität, Tumornekrosen und myxoiden Veränderungen. Auch das Leiomyosarkom metastasiert spät und spricht mäßig gut auf Chemotherapie an (Kap. „Weichteiltumoren bei Kindern und Jugendlichen“).
Gastrointestinale Stromatumoren (
GIST)
sind maligne mesenchymale Neoplasien, die bei spindelzelliger Histologie keine muskulären Elemente aufweisen und charakteristischerweise den c-Kit-Rezeptor (CD117) für den Stammzellfaktor (SCF) aufweisen. So haben sie Ähnlichkeit zu intestinalen Cajal-Zellen. Im Gegensatz zum Erwachsenenalter sind GIST bei Kindern sehr selten, wachsen lokal aggressiv und haben in 50 % der Fälle bei Diagnose bereits Metastasen gesetzt. Aufgrund der Expression und Funktion des c-Kit-Rezeptors reagieren sie gut auf den Tyrosinkinase-Inhibitor Imatinib (Benesch
2012; Janeway und Weldon
2012).
Inflammatorische myoblastische Tumoren (Synonym: Plasmazellgranulome)
sind im Gastrointestinaltrakt sehr selten und treten dort bevorzugt im Magen auf. Sie wachsen relativ langsam und metastasieren nicht, haben jedoch eine relativ hohe Rezidivrate und können in Einzelfällen maligne entarten. Deshalb sollte eine komplette Entfernung angestrebt werden (Heij
2008).
Das
Adenokarzinom des Magens ist bei Kindern extrem selten und wurde in Assoziation mit einer familiären Polyposis, mit
Vitamin-B12-Mangel und Heliobacter-pylori-Infektionen beobachtet. Pathologisch und vom biologischen Verhalten her ähnelt es dem
Magenkarzinom des Erwachsenen und hat trotz aggressiver Behandlung eine schlechte Prognose (von Schweinitz
2012).
Juvenile Polypen treten überwiegend im Kolon auf, jedoch selten auch in anderen Abschnitten des Magendarmtrakts. Sie setzen sich aus Mukosa und Submukosa zusammen und sind benigne. Bei multiplen Polypen
spricht man von juveniler Polyposis, die als Präkanzerose einzuordnen ist. Beim autosomal-dominanten
Peutz-Jeghers-Syndrom kommt es aufgrund einer Mutation des
LKB1-Gens zu mukokutanen Pigmentierungen und multiplen Polypen. Diese sind, wie auch Polypen im Rahmen einer familiären Polyposis coli, aufgrund einer
APC-Genmutation eine absolute Präkanzerose (Moir
2010).
Neuroendokrine Tumoren (Karzinoide) können bei Kindern in seltenen Fällen in allen Abschnitten des Magendarmtrakts, auch in einem Meckel-Divertikel, am häufigsten jedoch in der Appendix angetroffen werden. Es sind neuroendokrine Tumoren von niedriger Malignität und sie werden heute besser auch als solche benannt. Sie produzieren v. a.
Serotonin und
5-Hydroxyindolessigsäure. Neuroendokrine Tumoren wachsen lokal aggressiv und können selten auch Lymphknoten- und
Lebermetastasen setzen (Redlich et al.
2012).
Kolorektale Karzinome können bei Kindern aufgrund einer bekannten Prädisposition (s. oben) oder sporadisch auftreten. Im Gegensatz zu Erwachsenen sind sie nicht gehäuft im distalen Kolon und Rektum lokalisiert. Ferner findet sich selten das differenzierte Adenokarzinom
, sondern vielmehr das muzinöse Karzinom, das aggressiv wächst und früh metastasiert. Beides bedingt das oft bereits fortgeschrittene Tumorstadium und eine sehr schlechte Prognose bei Kindern. Die Mehrzahl der Karzinome produziert das karzinoembryonale
Antigen (CEA), das als
Tumormarker dienen kann (Moir
2010; Ferrari
2012).
Prognose
Die Prognose der verschiedenen gastrointestinalen Neoplasien ist sehr unterschiedlich. Während
Teratome und andere gutartige Tumoren eine exzellente Prognose aufweisen, liegt das tumorfreie Langzeitüberleben bei den mesenchymalen Malignomen und dem
GIST je nach biologischem Verhalten, Ausdehnung und Therapie entsprechend zwischen 50 und 70 %. Die Karzinome des Magens und Kolorektums haben im Kindesalter eine sehr schlechte Heilungschance, die noch unter der des Erwachsenenalters liegt (Moir
2010).