Das Venensystem unterscheidet sich von den Arterien durch seine netzartige Struktur. Das ermöglicht vielfältige Variationen und Missbildungen. Andererseits ist ein netzartiges System durch seine anatomisch präformierten Kollateralen besser geeignet, Gefäßverschlüsse zu kompensieren. Das ist klinisch von großer Bedeutung. Für den Transport des Bluts von der Peripherie zum Herzen entgegen der Schwerkraft sind im Venensystem besondere anatomische Formationen erforderlich: Venenklappen und extravasale Venenpumpen. Der Gefahr eines Gefäßkollapses im Niederdrucksystem wirken bindegewebige Aufhängungen der Venenwand in verschiedenen Körperregionen entgegen.
Im arteriellen System des Kreislaufs wird das Blut vom Herzen zu den einzelnen Organen und Geweben geleitet und über die Venen dem Herzen wieder zugeführt. Die beiden Systeme unterscheiden in ihrem anatomischen Aufbau prinzipiell: Die arteriellen Gefäße verzweigen sich wie ein Baum, sie haben Äste. Wenn der Stamm gefällt wird, vertrocknet sein Geäst; die Unterbindung einer großen Arterie führt zur Gangrän. Das venöse System bildet dagegen ein Netzwerk (Abb. 1). Wenn es hier zu einem Gefäßverschluss kommt, kann der Blutstrom über anatomisch präformierte Kollateralen umgeleitet werden. Es treten zwar Stauungen, in der Regel aber keine Gangrän auf. Einzige Ausnahme ist die Phlegmasia coerulea dolens mit Verschluss aller Gefäße der venösen Endstrombahn.
Abb. 1
Netzartiger Aufbau des Venensystems. Der Verschluss eines Gefäßes wird durch anatomisch präformierte Kollateralkreisläufe kompensiert. (Aus Hach et al. 2013)
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Die Venen lassen sich nach ihrer Lokalisation in verschiedene Gruppen einteilen: die großen Leitvenen im Körper und in den Extremitäten, die Muskelvenen und die Organvenen. Letztere führen das Blut aus einzelnen Organen wie Niere, Leber oder Gehirn ab und sind deshalb in die Organpathologie einbezogen. So verursacht beispielsweise die Nierenvenenthrombose ein nephrotisches Syndrom.
Anatomie der Venenwand
Alle Blutgefäße zeigen einen Wandaufbau aus Tunica intima mit dem Endothel, Tunica media mit der glatten Muskulatur und Tunica adventitia. Die Media einer Vene ist wesentlich dünner als die der Arterie, und ihr fehlt die elastische Membran. Sie ist deshalb und zusätzlich wegen des niedrigen Innendrucks von außen her leicht eindrückbar. Dadurch entstehen physiologische Kompressionseffekte, beispielsweise in der V. poplitea bei Anspannung der Muskelbäuche der Mm. gastrocnemii (Hach et al. 2013). Die Adventitia bildet die dickste Schicht.
Je nach Organ gehen die Venen entwicklungsgeschichtlich von verschiedenen Kapillartypen aus, am häufigsten von der kontinuierlichen Endothelröhre. Die Venolen haben bereits eine dünne Muskelschicht, aber noch keine Venenklappen. Um das Lumen von Gefäßen des Niederdrucksystems in besonders beanspruchten Regionen wie der Leiste offen zu halten (zu „lüften“), gibt es spezielle bindegewebige Aufhängungen (s. u.) (Tab. 1) (Braune 1871; Kubik und May 1979; von Lanz et al. 1938).
Tab. 1
Druck- und Saugpumpen am Bein. (Aus: Hach et al. 2013)
Die zarten Venenklappen dienen der Ausrichtung des Blutstroms zum Herzen hin. Histologisch bestehen sie aus einer Duplikatur der Intima. Sie finden sich nur an den Gefäßen der Extremitäten und der Bauchwand und bestehen aus zwei, selten aus drei Segeln. Die Venenklappe sitzt immer direkt unterhalb der Einmündung eines kleineren Gefäßes. Herzwärts weist das Venenlumen hinter der Klappenebene eine birnenförmige Aufweitung auf. Das gilt als Zeichen der Funktionsfähigkeit der Klappensegel (Abb. 2) (Hach und Hach-Wunderle 1994; Hach et al. 2013).
Abb. 2
Schleusenregion der V. saphena magna mit Hach’schem Teleskop-Zeichen an der Einmündung in die V. femoralis communis. Jeweils distal der Venenklappen münden Seitenäste ein (hier nicht eingezeichnet). (Aus Hach et al. 2013)
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In der Fetalperiode verfügt der Mensch über viele Venenklappen. Ihre Zahl sinkt im Laufe des Lebens bis auf 19 % des ursprünglichen Bestands (Kubik 1982). Die Dichte des Klappenbesatzes ist in den peripheren Muskelvenen am größten („periphere Muskelpumpen“) und nimmt nach proximal hin ab. Eine der 6 Leitvenen am Unterschenkel enthält circa 10 Klappen, die V. poplitea 1 Klappe und die V. femoralis 2–3 Klappen. Die Beckenvenen sind in der Regel klappenlos.
Venenpumpen
Die peripheren Venenpumpen (Vis a tergo) fördern den Rücktransport des Bluts zum Herzen entgegen der Schwerkraft. Sie umfassen verschiedene Strukturen und Funktionsabläufe, die vom Fuß bis zur Leiste paternosterartig ineinandergreifen. Dazu gehören die Fuß-, Knie- und Hüftgelenke, sowie die Muskeln und Faszien innerhalb und außerhalb der Kompartimente (Tab. 1) (Hach und Hach-Wunderle 1994; Hach et al. 2013). Zu den zentralen Venenpumpen (Vis a fronte) zählen die Atmung und die Herzaktion.
Anatomie der Venensysteme
An den oberen und unteren Extremitäten lassen sich jeweils die oberflächlichen Venen und die tiefen Leitvenen unterscheiden. Sie werden durch große Faszien voneinander getrennt. In den oberflächlichen Venen sammelt sich das Blut aus den extrafaszialen Geweben und wird z. B. am Bein nicht nur über die Vv. saphenae, sondern auch über Vv. perforantes den tiefen Gefäßen zugeführt. Aus einer unteren Gliedmaße fließen 10 % des anfallenden Blutvolumens über die oberflächlichen Venen und 90 % über die tiefen Leitvenen ab (Hach und Hach-Wunderle 1994).
Oberflächliche und tiefe Armvenen
An der Hand sind die oberflächlichen Venen besonders am Handrücken sichtbar und setzen sich am Unterarm innenseitig als V. cephalica, V. basilica und V. mediana cubiti fort. Die V. cephalica mündet in die V. axillaris, die beiden anderen in die V. brachialis ein.
Die tiefen Venen begleiten die Arterien des Arms von den Fingern bis zur Achselhöhle. In der Peripherie handelt es sich dabei mehr um netzförmige Umstrickungen der Arterie, am Unterarm sind es als Vv. comitantes die paarigen Vv. radiales und Vv. ulnares und am Oberarm die Vv. brachiales. Letztere heißen vom unteren Rand des M. pectoralis major an nach ihrer Vereinigung V. axillaris, welche die Fossa infraclavicularis (Mohrenheimer’sche Grube) durchzieht. Von der 1. Rippe an verläuft sie als V. subclavia durch den kostoklavikulären Raum. Hier ist sie fest an die Faszie des M. subclavius fixiert und wird durch den Muskeltonus offengehalten (Weber und May 1990). Bei Einengung des kostoklavikulären Raums kann ein venöses Thoracic-Inlet-Syndrom mit nachfolgender Thrombose entstehen (Bürger und Debus 2020).
Oberes Hohlvenensystem
Durch Vereinigung der V. subclavia mit der V. jugularis interna entsteht die V. brachiocephalica. Die Gefäße der rechten und der linken Seite vereinigen sich in Höhe des 1. Interkostalraums zur V. cava superior, die im oberen Mediastinum hinter dem Brustbein liegt und in den rechten Vorhof einmündet. Kurz davor nimmt sie die kräftige V. azygos auf.
Das Azygos-System steht in enger Beziehung zu den vertebralen und paravertebralen Venensystemen. Die Plexus venosi externi et interni sind mächtige klappenlose Venengeflechte innerhalb des ganzen Wirbelkanal. Sie kommunizieren im Thoraxbereich mit der V. azygos auf der rechten und der V. hemiazygos auf der linken Seite und sind beim Verschluss sowohl der V. cava superior als auch der V. cava inferior als anatomisch präformiertes Kollateralsystem sehr wirkungsvoll (Abb. 3) (Hach et al. 2013). Es gibt zahlreiche Variationen (Weber und May 1990).
Abb. 3
Schematische Darstellung der oberen und unteren Hohlvene sowie der paravertebralen Venenplexus. (Aus Hach et al. 2013)
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Oberflächliche Fuß- und Beinvenen
Die oberflächlichen und tiefen Venensysteme werden am Unterschenkel durch die Fascia cruris und am Oberschenkel durch die Fascia lata getrennt. Außerhalb der Fasciae pedis und cruris besteht ein dichtes Netz von retikulären Venen, die das Blut aus den oberflächlichen Geweben den größeren Seitenästen und diese wiederum den beiden Stammvenen, den Vv. saphenae magna und parva, zuführen (Tab. 2) (Hach et al. 2013). Die V. saphena magna mündet in die V. femoralis communis ein, die V. saphena parva in die V. poplitea oder weiter proximal in die V. femoralis. Darüber hinaus gibt es zahlreiche zarte Verbindungsvenen direkt zu den tiefen Leitvenen hin, die die Faszie perforieren und deshalb Vv. perforantes genannt werden. Alle Verbindungen zwischen den oberflächlichen und tiefen Venensystemen heißen in ihrer Gesamtheit transfasziale Kommunikationen. Sie bewirken, dass oberflächliches und tiefes Venensystem funktionell und in der Pathogenese von phlebologischen Krankheiten eine Einheit bilden (Hach et al. 2013).
Tab. 2
Gefäße des extrafaszialen Venensystems. (Aus: Hach et al. 2013)
Wichtige Gefäße
Charakterisierung
V. saphena magna
V. saphena parva
Stammvenen
V. saphena accessoria anterior
V. saphena accessoria posterior
V. arcuata cruris anterior
V. arcuata cruris posterior
Seitenäste der V. saphena magna
V. femoropoplitea
Seitenast der V. saphena parva
ohne Namen
retikuläre Venen
Kuster-Venen
Cockett-Venen
Sherman-Vene
Boyd-Vene
Hunter-Vene
Dodd-Vene
May-Vene
Kniekehlen-Perforans
Hach-Perforans
Vv. perforantes
Die V. saphena magna entspringt aus dem medialen Schenkel des Venenbogens am Fußrücken, der V. marginalis tibialis, zieht an der Innenseite des Beins zum Hiatus saphenus und mündet etwa 2 cm unterhalb des Leistenbandes in die V. femoralis communis ein. Sie nimmt zahlreiche Gefäße auf, vor allem vier Seitenäste, davon je zwei am Unterschenkel und Oberschenkel. Vor ihrer Einmündung bildet sie einen kurzen Bogen, um die Lamina cribrosa zu durchkreuzen. Dieser Abschnitt wird als Krosse bezeichnet. Hier münden von proximal her die V. epigastrica superficialis, die V. pudendalis externa und die V. circumflexa ilium superficialis ein und bilden den Confluens venosus subingualis, den „Venenstern“.
Normalerweise ist die V. saphena magna nur strohhalmdick und enthält 8 bis 12 Venenklappen. Die Mündungsklappe liegt 0,5 bis 1,5 cm unterhalb der Kommunikation zur V. femoralis communis und grenzt den weiten Mündungstrichter ab. Die beiden distal davon gelegenen Klappen begrenzen ein jeweils abnehmendes Lumen (Hach’sches Teleskop-Zeichen bei der Phlebografie) und heißen deshalb Schleusenklappen (Abb. 2). Zwischen ihnen münden zwei Seitenäste ein, die V. saphena accessoria anterior und posterior (Hach und Hach-Wunderle 1994).
Es gibt zahlreiche Anomalien der V. saphena magna, wie Doppelung oder Mündungsvariationen. Von praktischer Bedeutung ist die enge topografische Beziehung im Bereich des Unterschenkels sowohl zum sensiblen N. saphenus als auch zum ventromedialen Lymphgefäßbündel.
Die V. saphena parva kommt aus dem lateralen Schenkel des Venenbogens am Fußrücken, aus der V. marginalis fibularis. Sie verläuft um den Außenknöchel herum an der Rückseite des Unterschenkels nach proximal und mündet normalerweise 5 bis 7 cm oberhalb des Kniegelenkspalts in die V. poplitea ein. Kurz vorher nimmt sie die von kranial kommende V. femoropoplitea, einen kleinen Seitenast, auf. Die V. saphena parva ist nur stricknadeldick und weist etwa 8 Venenklappen auf. Auch sie hat eine Mündungsklappe und einen Schleusenbereich mit dem phlebografischen Teleskopzeichen. Es gibt zahlreiche Anomalien hinsichtlich der Einmündungshöhe in die V. poplitea und auch bezüglich des Eintritts in den intrafaszialen Raum.
Die Seitenäste der Stammvenen formieren sich aus dem retikulären Venennetz und sind stricknadeldick mit wenigen zarten Venenklappen in Ausrichtung der Blutströmung.
Die Venae perforantes sind unter normalen Verhältnissen stecknadeldick und perforieren die Fascia cruris in schräger Richtung von peripher-außen nach proximal-innen. Oft begleiten sie eine kleine Arterie. Normalerweise sind sie paarig und mit je einer Venenklappe angelegt. Die Anzahl von Perforansvenen in einer Extremität wird mit 150 beziffert, aber nur wenige sind von pathologischer Bedeutung. Die klinisch wichtigen Venen sind nach dem Erstbeschreiber benannt (Hach und Hach-Wunderle 1994).
Tiefe Fuß- und Beinvenen
Aus den venösen Geflechten des Fußes sammelt sich das Blut in den klappenlosen Vv. plantares mediales und laterales, die in Höhe des Sprunggelenks direkt in die Vv. tibiales posteriores übergehen. Die Gefäße liegen gut geschützt unter der Fascia plantaris.
Im Bereich der Unterschenkel begleiten jeweils zwei Vv. tibiales posteriores, Vv. tibiales anteriores und Vv. fibulares die gleichnamigen Arterien und liegen in einer gemeinsamen Gefäßscheide. Untereinander stehen die beiden Venen einer gleichnamigen Venengruppe durch Sprossenvenen in Verbindung. Die drei Venengruppen wiederum kommunizieren durch Brückenvenen. So ist im Falle einer obturierenden Venenthrombose einer Venengruppe eine optimale Kollateralisation garantiert. Die V. fibularis kommt oft einstämmig vor und weist dann in der Mitte eine regionäre Phlebektasie auf. Die Venenklappen sind in den Unterschenkelvenen in Abständen von 3–4 cm angelegt und belaufen sich damit auf eine Anzahl von 60 und mehr (Hach und Hach-Wunderle 1994).
Aus der Vereinigung der Vv. tibiales anteriores und posteriores entsteht etwa handbreit unterhalb vom Kniegelenksspalt die V. poplitea. Die Vv. fibulares münden schon etwas weiter distal in die Vv. tibiales posteriores ein. Die V. poplitea ist meistens zweistämmig angelegt und enthält eine oder zwei Venenklappen. Im mittleren Bereich nimmt sie die Gastroknemiusvenen und im oberen die V. saphena parva auf. Der Gefäßverlauf zwischen den beiden Köpfen des M. gastrocnemius bewirkt die Funktion der wichtigen Kniegelenkspumpe bei der aktiven Bewegung (Knauer’sches Saugherz der Kniekehle) (von Lanz und Wachsmuth 1972). Die Kollateralisation eines Verschlusses der V. poplitea ist gelenküberschreitend nur durch Muskelvenen anatomisch prädestiniert, abgesehen von der V. saphena magna im Rahmen einer „physiologischen Phlebektasie“ (Hach et al. 2013).
Die tiefen Oberschenkelvenen haben eine große hämodynamische Bedeutung. Die V. femoralis geht in Höhe des Adduktorenkanals direkt aus der V. poplitea hervor, oftmals auch als Doppelung über eine bestimmte Distanz. Sie ist beim Erwachsenen mit 3 bis 5 Klappen besetzt. Im Adduktorenkanal besteht eine wichtige Verbindung zur V. femoris profunda, die distale Femoralisanastomose (Abb. 4). Diese Kommunikation in Form kleiner Gefäße befindet sich normalerweise außer Funktion, kann sich aber gegebenenfalls (z. B. bei einer Thrombose) zu einer wichtigen Kollaterale entwickeln. Diese anatomische Besonderheit erlaubt die operative Entfernung der V. femoralis für einen Gefäßersatz im arteriellen System ohne nachhaltige Folgen für den Blutrücktransport (Hach et al. 2013).
Abb. 4
Schematische Darstellung der distalen Femoralisanastomose bei der aszendierenden Pressphlebografie am rechten Bein. a. keine erkennbare Verbindung. b. Solitäre Anastomose. c. Mehrfache Anastomosen. (Aus Hach et al. 2013)
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Die V. femoralis communis entsteht aus der Vereinigung der V. femoralis und der V. profunda femoris handbreit unterhalb des Leistenbandes. Im Hiatus saphenus mündet die V. saphena magna ein. Von ventral her wird sie von der A. femoralis communis halb überdeckt. Nach proximal geht sie am Leistenband direkt in die V. iliaca externa über. In physiologischer Hinsicht ist die „Lüftung“ der Vene, das heißt ihre Aufspannung durch besondere anatomische Strukturen von größter Bedeutung; Arterie und Vene liegen in einer gemeinsamen Gefäßscheide und sind durch bindegewebige Faserzüge der Adventitia mit den umliegenden Faszien verwachsen („Braune’sche Lüftung“, „Lanz’scher Lüftungsstern“). So ist der Rückstrom des Bluts bei jeder Stellung des Hüftgelenks garantiert (Braune 1871; Kubik und May 1979; von Lanz et al. 1938).
Muskelvenen
Aus physiologischen und klinischen Gründen werden die Muskelvenen der unteren Extremität als eigene Gruppe zusammengefasst. Sie unterscheiden sich von den Leitvenen am Unter- und Oberschenkel durch ihren dichten Klappenbesatz und die schnelle Erweiterung ihrer Gefäßlumina nach proximal infolge der zahlreichen Zuflüsse. Besonders ausgeprägt sind diese Befunde an den Gastroknemius- und Soleusvenen in der Wadenmuskulatur.
Am Oberschenkel beginnt die V. profunda femoris mit der distalen Femoralisanastomose im Bereich des Adduktorenkanals (Hach et al. 2013). Sie nimmt unzählige kleine Gefäße auf und vereinigt sich als kräftiges Gefäß in der Leistenregion mit der V. femoralis. Wie in der Knieregion können Muskelvenen auch in der Leistengegend wichtige Kollateralfunktionen übernehmen.
Beckenvenen
Die V. femoralis communis geht am Leistenband direkt in die V. iliaca externa über. Durch die Aussackung der Bauchhöhle kann ein physiologischer Kompressionseffekt entstehen („Gullmo’sches Zeichen“ bei der Phlebografie). Aus der Vereinigung mit der V. iliaca interna bildet sich die V. iliaca communis. Kurz vor der Bifurkation der V. cava wird die V. iliaca communis sinistra von der A. iliaca communis dextra überkreuzt, und dadurch entsteht von außen her ein physiologischer Kompressionseffekt auf die Vene. An dieser Stelle befindet sich häufig intravasal der May-Thurner-Beckenvenensporn. Es handelt sich dabei um eine leistenförmige oder membranartige Struktur, die ins Lumen hervorspringt und bei 20 % der Menschen zu finden ist. Sie kommt schon in der Embryonalzeit vor (Hach und Hach-Wunderle 1994; Hach et al. 2013; Tillmann 2020).
In die V. iliaca communis mündet von kranial her die V. lumbalis ascendens ein. Hierdurch wird die überaus wichtige Kommunikation des unteren Cava-Systems mit den lumbalen Venenplexus und dem Azygossystem hergestellt. Eine zweite Verbindung besteht über die V. iliaca interna mit den mächtigen Venenplexus der Beckenorgane, den gegenseitigen sowie retroperitonealen Venensystemen. Alle Gefäße sind klappenlos und erlauben deshalb die Verschiebung von Blutvolumina in alle Richtungen und ihre Speicherung. Ein isolierter Verschluss oder eine Fehlbildung der V. cava inferior wird dadurch bis zur Symptomlosigkeit kompensiert.
V. cava inferior
Die untere Hohlvene verläuft direkt vor der Wirbelsäule und tritt durch das Foramen venae cavae in den Thoraxraum ein. Hier mündet sie sogleich in den rechten Vorhof des Herzens. Im oberen abdominellen Bereich nimmt sie die Nierenvenen, die Nebennieren- und die Lebervenen auf, weiter unten die V. ovarica dextra bzw. V. spermatica dextra und die segmentär angeordneten Lumbalvenen. Es gibt vielfältige Variationen (keine Einschränkung der Funktion) und Missbildungen (krankhafte Veränderungen) (Weber und May 1990). Alle Gefäße sind klappenlos. Anatomisch prädestinierte Kollateralkreisläufe beim infrarenalen Verschluss der V. cava inferior verlaufen in der Hauptsache über das vertebrale System, in geringerem Umfang aber auch intermediär über pelvine Plexus sowie über die Pfortader und Venen der Bauchwand (Abb. 5) (Hach et al. 2013).
Abb. 5
Schematische Darstellung der Kollateralkreisläufe beim Verschluss der V. cava inferior. (Aus Hach et al. 2013)
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Literatur
Braune W (1871) Die Oberschenkelvene des Menschen in anatomischer und klinischer Beziehung. Veit, Leipzig
Bürger T, Debus ES (2020) Thoracic-outlet-Syndrom. In: Debus ES, Gross-Fengels W (Hrsg) Operative und interventionelle Gefäßmedizin. Springer, Berlin
Hach W, Hach-Wunderle V (1994) Phlebographie der Bein- und Beckenvenen. Schnetztor, Konstanz
Hach W, Mumme A, Hach-Wunderle V (2013) VenenChirurgie. Schattauer, Stuttgart
Kubik S (1982) Die Anatomie des Fußes unter besonderer Berücksichtigung der Faszien, Faszienräume und der Gefäßversorgung. In: Brunner U (Hrsg) Der Fuß. Huber, Bern
Kubik S, May R (1979) Das Verspannungssystem der Venen in der Subinguinalregion. In: Brunner U (Hrsg) Die Leiste. Huber, Bern
Lanz T von, Wachsmuth W (1972) Praktische Anatomie. Ein Lehr- und Hilfsbuch der anatomischen Grundlagen ärztlichen Handelns, Bd I/4. Springer, Berlin
Lanz T von, Kressner A, Schwendemann R (1938) Der Einbau der oberflächlichen und der tiefen Venen am Bein, morphologisch und konstruktiv betrachtet. Z Anat Entw Gesch 108:695–718
Tillmann BN (2020) Anatomie der Gefäße: Obere Extremität. In: Debus ES, Gross-Fengels W (Hrsg) Operative und interventionelle Gefäßmedizin. Springer, Berlin
Weber J, May R (1990) Funktionelle Phlebologie. Thieme, Stuttgart/New York