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Klinische Angiologie
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Publiziert am: 06.11.2021

Gesundheitsökonomische Aspekte in der Versorgung gefäßmedizinischer Patienten

Verfasst von: Holger Reinecke und Eva Freisinger
In Deutschland können gefäßmedizinische, kathetergestütze Untersuchungen und Interventionen sowohl ambulant wie auch stationär erbracht und abgerechnet werden. Die Grundlagen dieser beiden Finanzierungsmöglichkeiten sowie Hinweise zur Abrechnung werden in diesem Abschnitt erläutert.

Übersicht

In der Bundesrepublik Deutschland ist die Abrechnung von gefäßmedizinischen Leistungen grundsätzlich in zwei verschiedenen Versorgungssystemen möglich: Zum einen als ambulante Leistung, wo die Abrechnung über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) und bei wahlleistungsversicherten Patienten auch noch zusätzlich nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erfolgt. Zum anderen als stationäre Leistung, wo die Vergütung über Fallpauschalen (die sogenannten German Diagnosis-Related Groups, G-DRG) erfolgt, die auch bei Wahlleistungspatienten ergänzt wird um eine Abrechnung nach GOÄ. In diesem Abschnitt soll es speziell um die Vergütung von diagnostischen und therapeutischen Kathetereingriffen gehen.
Für den ambulanten Bereich sind dabei grundsätzlich Leistungen nur abrechenbar, sofern sie im Katalog für das ambulante Operieren in der jeweils gültigen Fassung festgelegt sind. Der Vertrag nach § 115 b Abs. 1 SGB V „Ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus“ (AOP-Vertrag) regelt dabei die Grundsätze der Abrechnung. Dabei wird bei den Eingriffen unterschieden zwischen Kategorie 1 („bevorzugt ambulant zu erbringen“) und Kategorie 2 („Leistung darf sowohl ambulant als auch stationär erbracht werden“). Alle diagnostischen und therapeutischen Katheterinterventionen an peripheren Gefäßen sind in der Kategorie 2, d. h. dürfen also sowohl ambulant als auch stationär erbracht werden. In der Realität gibt es aber stark divergierende Einschätzungen zwischen Leistungserbringern und Kotenträgern, ob eine Leistung ambulant oder stationär erbracht und abgerechnet werden soll. Je nach Bundesland, zum Teil aber auch nach Krankenkasse, bei der der Patient versichert ist, gibt es unterschiedliche Präferenzen bzw. Erwartungen, ob eine Katheteruntersuchung ambulant oder stationär erfolgen soll. Gerichtliche Auseinandersetzungen sind damit vorprogrammiert und leider häufig.
Zu dem Thema „Ambulante oder stationäre Leistungserbringung und Abrechnung in der Gefäßmedizin?“ gibt es ein nun schon einige Jahre altes Konsensuspapier (Dohmen et al. 2012), welches von Gefäßmedizinern und dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) Baden-Württemberg gemeinsam erstellt wurde. Dieses gilt immer noch für die gesamte Bundesrepublik als Orientierung und stellt einen – nach Meinung der Verfasser dieses Kapitels – ausgewogenen Konsens dar. Dieses Papier hat zwar rechtlich keine direkte bindende Wirkung, es hat sich aber in der Vergangenheit gezeigt, dass bei zahlreichen Klageverfahren die Gerichte dieses Konsensuspapier als Orientierung verwendet haben und einer entsprechenden Argumentation in der einen oder in der anderen Richtung gefolgt sind.

Ambulante Leistungserbringung

Für eine ambulante Leistungserbringung ist es zunächst erforderlich, dass sich das entsprechende Krankenhaus bei den Krankenkassen auf Länderebene über ein standardisiertes Meldeverfahren anmeldet für die entsprechende Leistungserbringung. Dies ist unproblematisch und schnell möglich und erfordert keine besonderen Prüfungen oder Voraussetzungen. Sobald eine solche Anmeldung erfolgt ist, kann dann auch eine ambulante Leistungserbringung stattfinden und mit den jeweiligen Krankenkassen abgerechnet werden. Hierbei wird, wie auch bei den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, für die entsprechenden EBM-Ziffern (siehe Tab. 1) eine entsprechende Punktzahl akkumuliert. Anders als bei den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, bei denen sich der Wert pro Punkt durch Leistungs- und Finanzvolumina verändert, ist dies für Krankenhäuser, die sich zur ambulanten Versorgung anmelden, stets ein fest vereinbarter Vergütungssatz, der zwischen den einzelnen Krankenkassen etwas variiert.
Tab. 1
Auszug aus dem online EBM-Katalog der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (https://www.kbv.de/html/online-ebm.php o. J.) für die Abrechnung von perkutanen Gefäßinterventionen. Die aufgeführten Ziffern sind ein Auszug, es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit
EBM-Ziffer
Leistungsbeschreibung
27211
Grundpauschale für Versicherte bis vollendetes 59. Lebensjahr
15212
Grundpauschale für Versicherte ab Beginn d. 60. Lebensjahrs
01436
Konsultationspauschale
01600
kurzer ärztlicher Bericht
01601
01602
Gebühr für die Mehrfertigung eines Arztbriefes
40100
Porto
34242
Röntgen-Thorax
33072
Duplex-SonografieSonografie der extremitätenver- und/oder entsorgenden Gefäße
 s. EBM
Laborleistungen (einzelne EBM-Ziffer für jede Leistung)
34283
Serienangiografie der arteriellen Strombahn(en),Kontrastmitteleinbringung(en).,Dokumentation
34284
Zuschlag zu der Leistung nach 34283 bei selektiver Darstellung der hirnversorgenden Gefäße
34285
Zuschlag zu der Leistung nach 34283 bei selektiver Darstellung anderer als in 34284 genannter Gefäße
34286
Zuschlag zu 34283 bei Durchführung einer interventionellen Maßnahme (PTA, Stent, Embolisation, Atherektomie, Rotationsablatio, Lyse)
01530
Beobachtung und Betreuung eines Kranken nach 34283, mehr als 4 Std.
01531
Beobachtung und Betreuung eines Kranken nach 34284 und/oder 34285 und/oder 34286, mehr als 6 Std.
Welche Leistungen im Zusammenhang mit gefäßmedizinischen Katheterleistungen im Einzelfall abgerechnet werden können, ist in der beigefügten Tabelle aufgeführt. Wichtig ist, dass auch bei einer ambulanten Leistung eine Übernachtung des Patienten, zum Beispiel zum Zwecke einer längeren Nachbeobachtung, problemlos erfolgen kann. Ambulantes Operieren kennzeichnet in diesem Falle also allein eine bestimmte Abrechnungsart und nicht den Umstand, dass ein Patient am selben Tag wieder nach Hause gehen muss.
Bei den ambulanten Leistungserbringungen ist ein wesentlicher Grundsatz, dass neben bestimmten Pauschalen für personelle Leistungen über EBM insbesondere alle verwendeten Sachmittel mit ihrem realen Einkaufspreis angesetzt werden können. Dies stellt im Regelfall im Alltag einen ständigen Stein des Anstoßes mit den Kassen dar, da natürlich somit kein besonderer Anreiz für Sparsamkeit bei den Leistungserbringern besteht. Dennoch sollte klar sein, dass hier ein zu üppiger Einsatz von Materialien möglicherweise bei den Kostenträgern auf Widerstand stößt und im Einzelfall auch in eine (Ergebnis-offene) Klage münden kann. Grundsätzlich müssen aber von den Kostenträgern bei ambulanten Leistungen alle eingesetzten Sachmittel zum Einkaufspreis erstattet werden, was gerade bei sehr teuren sachkostenlastigen Leistungen sinnvoll sein kann.
Zu beachten ist, dass im Katalog für das ambulante Operieren eigentlich nur die Ballon- und Bladeangioplastie sowie die Thrombektomie und die Atherektomie explizit als perkutane Gefäßintervention aufgeführt sind. Es ist nicht spezifiziert, dass auch weitere Interventionen, wie medikamenten-beschichtete Ballons, Stentimplantationen oder aufwendige Verfahren wie Rotationsthrombektomie, Lithoplastie etc., abgerechnet werden können. In der EBM-Ziffer 34286 sind hingegen teilweise auch diese Leistungen explizit aufgeführt (s. Tab. 1). Aus der Erfahrung der Verfasser kann berichtet werden, dass die meisten – aber nicht alle – Kostenträger in der Regel auch diese anderen interventionellen Verfahren und die damit verbundenen, z. T. erheblichen Sachkosten erstatten. In Einzelfällen ist es hier aber auch schon zu Klagen gekommen.

Grundlagen der stationären Vergütung

Diagnosen werden in der Bundesrepublik Deutschland nach der deutschen Modifikation der 10. Internationalen Klassifikation für Erkrankungen (ICD10-GM) verschlüsselt. Weiterhin werden alle Eingriffe nach dem sogenannten Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) kodiert. Für beide Systeme verantwortlich ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), ehemals Deutsches Institut für medizinischen Dokumentation und Information (DIMDI), Dienstsitz Köln. Jeweils zum 28. Februar eines Jahres können entsprechende Vorschläge sowohl von Einzelpersonen als auch Institutionen, wie Krankenhäusern, aber auch Fachgesellschaften, beim BfArM eingereicht werden, um neue medizinische Verfahren oder auch Modifikationen der Kodierung von Erkrankungen und Eingriffen zu beantragen und in die entsprechenden Klassifikationen einzuführen. Hierzu ist es sinnvoll, dass diese mit den entsprechenden Fachgesellschaften abgestimmt und am besten auch über diese eingebracht werden, da nur so eine koordinierende und abstimmende Vorsortierung erfolgen kann.
Die Pflege des Fallpauschalensystems und auch die Kalkulation der Bewertungsrelationen der G-DRGs wird vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), Siegburg bei Bonn, durchgeführt. Das Prinzip ist dabei, dass bei allen stationären somatischen Leistungen aus einer Konstellation von bestimmten Haupt- und Nebendiagnosen oftmals noch in Kombination mit einer oder mehreren Prozeduren dann eine Eingruppierung in eine, für diesen Behandlungsfall spezifische, G-DRG resultiert. Dazu erhebt das InEK jährlich neu alle Behandlungsdaten (ICD, OPS etc.) und auch Kostendaten von einer großen Anzahl von bundesdeutschen Krankenhäusern (zuletzt 282 Kliniken) aller Versorgungsstufen. Dabei besteht eine 2jährige Latenz: Die Daten des G-DRG-Systems 2021 beruhen z. B. auf den Behandlungs- und Kostendaten des Jahres 2019. Aus diesen Daten werden dann vordefinierte, aber zum Teil sich auch jährlich ändernde Gruppen von Diagnosen und Prozeduren jeweils zu einzelnen Fallpauschalen zusammengefasst. Mit den gleichzeitig erhobenen Kostendaten aus den sogenannten Kalkulationskrankenhäusern wird dann berechnet, wie der durchschnittliche Aufwand bei Personal, Sachkosten und Infrastruktur bei der Versorgung eines Behandlungsfalls in der spezifischen Fallpauschale gewesen ist. Daraus berechnet das InEK dann die Höhe der Bewertungsrelationen aller G-DRGs.
Im Jahre 2020 wurden erst mal die Pflegekosten aus den G-DRGs ausgegliedert. Dies soll sicherstellen, dass diese nur bezahlt werden, wenn die Krankenhäuser die entsprechenden Kosten für das Pflegepersonal auch tatsächlich ausgeben. Diese Pflegekostenerstattung erfolgt dann noch zusätzlich zu den Erlösen der Fallpauschale und führt zu einem kumulierten Gesamterlös. Seit der Ausgliederung spricht man nun vom aG-DRG-System („a“ für ausgegliedert).
Das aG-DRG-System mit seinen knapp 1200 verschieden Fallpauschalen und zugehörigen Erlösen wird jährlich überarbeitet. Ähnlich wie bei den ICD- und OPS-Klassifikationen gibt es auch bei den aG-DRGs ein jährliches Vorschlagsverfahren beim InEK, wo sowohl Einzelpersonen wie auch Institutionen, wie Krankenhäuser und Fachgesellschaften, Vorschläge für Umstrukturierungen von bestehenden G-DRGs oder auch ganz neue Fallpauschalen machen können. Diese werden dann jeweils vom InEK entsprechend geprüft und bei Verbesserung des Gesamtsystems im nächsten Jahr entsprechend umgesetzt.

Stationäre Vergütung von Gefäßpatienten

Die definitive Vergütung einer stationären Leistung erfolgt dann, in dem die Bewertungsrelation jeder aG-DRG multipliziert wird mit dem jeweiligen Landesbasisfallwert des Bundeslandes, in dem der Leistungserbringer tätig ist. Hierbei sind jeweils noch Abschläge beim Unterschreiten der unteren Grenzverweildauer bzw. Zuschläge beim Überschreiten der oberen Grenzverweildauer zu berücksichtigen (s. Abb. 1, dunkle Balken). Die seit 2020 ausgegliederten Pflegerlöse werden – bei Nachweis der entsprechenden Kosten – noch zusätzlich gezahlt (s. Abb. 1, rote Balken). Zusätzlich können noch Zusatzentgelte erlöst werden, wie zum Beispiel für den Einsatz von medikamentenbeschichteten Ballons in peripheren Gefäßen, die neben der Fallpauschale noch abgerechnet werden können. Weiterhin können unter bestimmten Voraussetzungen pro Haus verhandelte Vergütungen gemäß dem Verfahren für Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) in Rechnung gestellt werden (z. B. für die Implantation von gecoverten Stents). In der Summe resultiert daraus eine Gesamtvergütung für den jeweiligen Behandlungsfall. Es bleibt festzuhalten, dass der erlösgünstigste Bereich zwischen der unteren Grenzverweildauer und der mittleren Verweildauer einer aG-DRG liegt. Auf die weiteren Details bei der Vergütung über Fallpauschalen soll hier nicht weiter eingegangen werden.
Es gibt aber noch eine Besonderheit bei der Vergütung gefäßmedizinischer Interventionen, die hier Erwähnung finden soll. So werden in den gefäßmedizinischen aG-DRGs F14 und F59 zahlreiche Behandlungen zusammengefasst, die sehr inhomogen sind. Demnach werden (meist interventionell behandelte) Fälle mit hohen Sachkosten und niedriger Verweildauer in dieselbe DRG eingruppiert wie kostengleiche (meist konservativ behandelte) Fällen mit niedrigen Sachkosten und längerer Verweildauer. Dies führt gerade für die interventionell behandelten Fälle häufig dazu, dass eine Unterdeckung entsteht, wenn der Patient unterhalb der unteren Grenzverweildauer entlassen wird. Dieses Problem wurde mehrfach von der Projektgruppe DRGs der Deutschen Gesellschaft für Angiologie im Rahmen des jährlichen Vorschlagsverfahrens beim InEK vorgebracht und in den letzten Jahren etwas entschärft, in dem das InEK die Gruppierungslogik geändert hat und diese Fälle nun z. T. in andere aG-DRGs allokiert.
Literatur
Dohmen A, Dirschedl P, Waibel B, Mohrmann M (2012) MDK-Prüfungen zur primären und sekundären Fehlbelegung am Beispiel der Angiologie; Kooperation statt Konfrontation: Wie können MDK und Kliniken das Prüfverfahren gemeinsam konstruktiv gestalten? Gesundheitswesen 74:328–330CrossRef