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Klinische Angiologie
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Publiziert am: 27.09.2022

Klinisches Bild und diagnostisches Vorgehen bei Erkrankungen des Lymphgefäßsystems

Verfasst von: Stephan Wagner und Wolfgang Justus Brauer
Die Diagnostik des Lymphödems sollte durch jeden Gefäßmediziner alleine auf Grund der Anamnese und Klinik gestellt werden können. Das wichtigste Kriterium ist, daran zu denken und die klinischen Zeichen richtig zu deuten, resp. andere Schwellungsursachen auszuschließen. Zentrales Symptom ist die persistierende, einseitige oder asymmetrische Schwellung, beim primären Lymphödem meist an den unteren, seltener an den oberen Extremitäten, beim sekundären Lymphödem in Körperregionen abhängig vom Operationsbereich. Im fortgeschrittenen Stadium zeigen sich typische Hautveränderungen. Eine apparative Diagnostik ist nur selten und bei ganz bestimmten Indikationen notwendig. Das Verfahren ist wiederum von der Fragestellung abhängig.

Einleitung

Das Lymphödem, ob primär oder sekundär, ist eine chronische Erkrankung und weist meist einen schleichenden Beginn auf, speziell beim primären Lymphödem. Die Schwellungs-Symptome sind entsprechend anfangs diskret, so dass sie häufig auch vom Patienten selber lange nicht erkannt werden, oder er deswegen gestört wäre. Wenn der Patient mit einer Schwellung, z. B. an einer Extremität beim Hausarzt vorstellig wird, so kann es unter Umständen noch einige Zeit dauern, bis die Diagnose gestellt und die Therapie eingeleitet wird (Blome 2013). Dabei sollte jeder Arzt, auch ohne Spezialausbildung, lediglich auf der Basis der Anamnese, in Kombination mit der klinischen Untersuchung mit Inspektion und Palpation, die Diagnose und die Stadieneinteilung stellen können (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/058-001l_S2k_Diagnostik_und_Therapie_der_Lymphoedeme_2019-07.pdf). Der wichtigste Schritt dazu ist, in der Differentialdiagnose überhaupt an ein Lymphödem als Option zu denken und natürlich andere differentialdiagnostische Schwellungsursachen auszuschließen (Kap. „Differentialdiagnose akuter und chronischer Extremitätenschwellungen“). Nur selten bedarf es zur Diagnosesicherung einer apparativen Untersuchung.

Anamnese

Eine ausführliche Anamnese ist zur Diagnostik unerlässlich. Das führende Symptom in der Anamnese ist die Schwellung, resp. das Ödem. Der Patient berichtet immer von einer Schwellneigung, die sich zu Beginn vielleicht nur an physisch belastenden Tagen, ausbildet und in Ruhephasen, oder über Nacht, wieder zurückbildet (Stadium I). Oder es besteht bereits eine Schwellung, die sich über Wochen bis Monate, ev. über Jahre, zunehmend stärker manifestiert und über Nacht nicht mehr erholt (Stadium II). Sehr häufig erfolgt in dieser Phase die Abklärung und Diagnose. Wenn dann noch sekundäre Haut- Gewebeveränderungen (z. B. eine Papillomatose, ausgeprägte Fibrose usw.) oder eine gigantische Extremität (früher Elefantiasis) bestehen, dann spricht man vom Stadium III (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/058-001l_S2k_Diagnostik_und_Therapie_der_Lymphoedeme_2019-07.pdf) (siehe auch Kap. „Lymphödem“). Bei primären Lymphödemen schildert der Patient eine Erstmanifestation der Schwellneigung im distalen Bereich der Extremität, während beim sekundären Lymphödem die Schwellung in der Regel eher unmittelbar unterhalb der Interruption (Trauma, Operation, Tumor) besteht und sich nach distal ausdehnt. Somit präsentiert sich die Klinik beim sekundären Lymphödem tendenziell eher proximaler an der betroffenen Extremität, aber nicht obligat. Das sekundäre Lymphödem muss nicht unmittelbar nach der Lymphgefässläsion auftreten, es kann sich durchaus mit einer zeitlich variablen Latenz manifestieren.
Die Schwellung kann ohne auslösenden Faktor auftreten. Oft wird von einer Distorsion, einem Mückenstich, einer größeren körperlichen Belastung berichtet. Natürlich kann ein kausaler Zusammenhang nicht immer ausgeschlossen werden. Häufig ist dieser „vermeintliche“ Auslöser einfach der Moment, in welchem die Schwellung erstmals überhaupt realisiert wird, obwohl sie effektiv bereits vorher bestand.
Schmerz ist kein führendes Symptom. Eher wird ein belastungsabhängiges Schweregefühl, Spannen bis Berstungsempfinden der Extremität angegeben. Selten einmal können Schmerzen durch eine lymphatisch fibrosierte Gelenkskapsel bestehen, gelegentlich postaktinisch oder neurogen.
Die Schwellung ist meist einseitig; falls beidseitig, dann in der Regel teils deutlich asymmetrisch, oder zeitlich gestaffelt auftretend. Falls beidseits und mehr oder weniger gleichzeitig sowie symmetrisch auftretend, so muss unbedingt eine systemisch internistische Ursache ausgeschlossen werden; Vorbehalt einer Familienanamnese mit bekanntem hereditärem Lymphödem.
Primäre Lymphödeme treten sehr häufig im ersten Lebensdrittel, d. h. vor dem 35. Lebensjahr auf. Typischerweise beim weiblichen Geschlecht um die Pubertät, bei Knaben in den ersten Lebensjahren. Frauen sind ca. fünfmal häufiger betroffen als Männer. Grundsätzlich gibt es aber keine Alterslimite für die Erstmanifestation primärer Lymphödeme.
Bei der Erstmanifestation und Diagnosestellung muss eine sekundäre Ursache immer ausgeschlossen werden, bei jüngeren wie auch ganz sicher bei älteren Patienten. Dazu gehört ein Labor, ein gynäkologischer Untersuch bei Frauen, ein Ultraschall Abdomen, oder besser ein CT Abdomen, je nach Klinik inklusiv Bildgebung des Thorax.
In der Anamnese erheben wir auch kompromittierende Erkrankungen wie: ein Status nach tiefer Venenthrombose, Verletzungen, spezifisch Tumoroperationen oder Operationen jeglicher Art im Drainagebereich, ebenso durchgemachte Infekte, Osteomyelitis, ein Status nach Strahlentherapie. Ebenso gehören die Abklärung allfälliger internistischer Erkrankungen (venöse Insuffizienz, Herzinsuffizienz Niereninsuffizienz, Leberinsuffizienz, Hypothyreose usw.), aber auch ödeminduzierende Medikamente dazu. Selbstverständlich ist auch die Familienanamnese unverzichtbar. Bei hereditären Formen ist diese meist positiv.
Checkliste spezifische Lymphödemanamnese:
Erstmanifestation der Schwellung
Zeitlicher Ödemverlauf, Tages-, saisonale Schwankungen
Auslöser, Triggerfaktoren
Spannungsgefühl, Schweregefühl
Ödemausdehnung und Ausbreitungsrichtung gemäß Patient
Häufigkeit von Erysipelen
Lymphzysten, Ulcera
Lymphologische Vorbehandlungen
Lymphologische Kompressionsbestrumpfung
Funktionseinschränkungen
Checkliste erweiterte Lymphanamnese:
Familienanamnese
Unfälle/Weichteilverletzungen/Frakturen
Onkologische Anamnese
Operative Eingriffe, insbesondere im Drainagebereich
Stoffwechselerkrankungen
Venen- und Arterienanamnese
Abgelaufene entzündliche Prozesse wie Erysipel, chronische Infekte
Medikamente
Tropenaufenthalte
Immobilisation (orthopädisch, neurologisch)
Gewichtsschwankungen,
Bezug zur Menstruation
Medikamente

Die klinische Untersuchung beim Lymphödem

Inspektion

Anmerkung: Die Beschreibung der klinischen Befunde erfolgt weitgehend exemplarisch an der unteren Extremität, da diese am häufigsten betroffen ist. Die Befunde sind aber weitgehend auf andere Körperregionen, insbesondere die obere Extremität übertragbar.
Die Untersuchung erfolgt immer mit einer Inspektion und Palpation im Liegen und im Stehen. Man sucht eine Volumen-/Umfangdifferenz oder Asymmetrie der Körperkonturen. Je nach klinischer Ausdehnung des Lymphödems ist das Bein* regional, z. B. nur am Fußrücken, am Unterschenkel, Oberschenkel, oder über die ganze Länge voluminöser, mit oder ohne Einbezug von Gesäß und Schambereich sowie der Genitalien.
Am Fußrücken sind die Skelettkonturen asymmetrisch, oder der Fußrücken ist sogar balloniert. Die Zehen sind kantig, rechteckig, voluminöser. Die Haut der Zehen zeigt fast immer eine Rarifizierung der feinsten Hautfalten, im Vergleich zur Gegenseite, selbst bei diskretesten Befunden. Über den Zehengelenken oder am Zehenansatz bilden sich vertiefte Hautfalten. Am Zehenansatz interdigital findet sich eine tiefe V-förmige Falte (Siehe Abb. 1). Die Bisgaard’sche Kulisse (Regio calcaneo-malleolaris) ist asymmetrisch, meist voluminöser bis aufgehoben. Die Patella ist nicht symmetrisch konturierend, evtl. ist auch die Kniekehle voluminöser, das Gesäß asymmetrisch, insbesondere die Glutealfalte kann leicht verzogen sein (siehe Abb. 2). Auch die Hauttrophik wird inspiziert. Häufig, aber nicht obligat, besteht im Stehen eine bläulich-livide Verfärbung der betroffenen Extremität, als Folge des erhöhten Turgors, mit venöser Stase. In einem späteren Stadium finden sich ausgeprägte Hautveränderungen, wie die Papillomatosis cutis lymphostatica, sei es am Zehenansatz, über den Zehen, inframalleolär, oder aber am Unterschenkel. Die Haut fühlt sich zu Beginn rauer an, wie feines Schleifpapier (Zehen, inframalleolär) (siehe Abb. 3), ist zunehmend derber, dicker, konsistenzreicher und mit der Zeit bilden sich warzenförmige Gebilde bis blumenkohlröschenartige Gewächse (Zehen) oder eine elefantenhautartige, warzige Oberfläche (Unterschenkel) (siehe Abb. 4).
Im Gesichts-Halsbereich beobachten wir inspektorisch eine Asymmetrie und eine lymphatisch induriert Haut. Dies gilt auch für ein Lymphödem der Mamma.
Gesucht werden müssen auch kleine Lymphangiektasien oder Lymphzysten, welche sich als kleine, bläschenförmige Erhebungen zeigen können (siehe Abb. 5). Darunter kann eine klare Flüssigkeit mit dem Glasspatel weggedrückt werden. Wenn diese Lymphzysten verletzt werden, so kommt es zur Lymphorrhoe, d. h. einem Austritt einer klaren klebrigen Flüssigkeit. Bei chronischer Lymphorrhoe, meist unter inadäquater Kompression, können sich durch Mazeration der Haut oberflächliche Ulcera bilden.
Bei der Inspektion beobachtet man auch schmale BH-Träger oder einschneidende Slips/Kleidung.
Übersicht
Checkliste Inspektion
Ein-/beidseitige Schwellung
Symmetrie/Asymmetrie
Extremitäten Längendifferenzen
Schwellungslokalisation
Hautfalten, V-Falte interdigital am Zehenansatz
Hautbefund, Farbe, trophische Hautstörungen
Ulcera, Narben
Grobe Hauttextur/Papillomatosis cutis lymphostatica
Hyperkeratose
Ektatische Hautlymphgefäße, Lymphzysten, Lymphfisteln
Venenstatus

Palpation

Die betroffene Extremität wird großzügig abgetastet. Mit etwas Erfahrung lässt sich auch die lymphostatische Ausdehnung der Haut palpieren, recht gut im Vergleich zur Gegenseite.
Das Gewebe ist dellbar, wobei es nicht immer nur hart induriert und fibrotisch sein muss. Es kann auch prall-elastisch, teigig bis weich sein. Geprüft wird auch die Verschieblichkeit der Haut, die Hautelastizität und man sucht Fibrose- oder Skleroseplatten.
Beim primären Lymphödem findet sich meist sehr früh ein positives Stemmer-Zeichen, d. h. die Hautfalte über dem 2. Zeh kann, bedingt durch eine Fibrose, nicht mehr abgehoben werden. Falls dies positiv ist, ist es pathognomisch für ein Lymphödem (Grada und Philipps 2017; Jayaraj et al. 2019). Aber ein negatives Stemmer-Zeichen schließt ein Lymphödem nicht aus. Speziell sekundäre Lymphödeme können sehr lange ein negatives Stemmer-Zeichen aufweisen. (Siehe Abb. 6 und 7)
Geprüft werden auch die Gelenkbeweglichkeit und Einschränkungen im Gelenkbewegungsumfang. Ebenso werden die Lymphknoten- und Pulsstationen regional palpiert.
Übersicht
Checkliste Palpation
Hautfaltentest, Stemmer-Zeichen
Lymphknoten
Gewebekonsistenz
Lymphzysten
Hauttemperatur
Arterieller Gefäßstatus
Venöser Gefäßstatus
Funktionsprüfung der Beweglichkeit der involvierten Gelenke

Spezifische Befunddokumentation

Zu jeder Diagnostik gehört auch eine einfache Befunddokumentation, welche speziell auch zur Verlaufskontrolle dient. Die einfachste Maßnahme ist die Messung des kleinsten wie auch des größten Umfangs am Unterschenkel oder Unterarm. Dies ist einfach und meist auch recht präzise, um eine Volumenänderung zu realisieren. Messungen auf Achsel- oder Schritthöhe weisen schon häufiger eine Messvarianz auf. Diese einfach und schnell durchgeführte Kontrollmessung erlaubt auch für den Hausarzt, ohne spezifisches Instrumentarium, eine gute klinische Therapiekontrolle. Einfach ist auch das Messen der Extremitätenvolumina mittels der 4 cm-Messmethode nach Kuhnke. Dabei wird 8 cm ab Fußstandfläche (Fußsohle) beginnend (am Arm ab Kleinfingeransatz/PIP-Gelenk), alle 4 cm eine Markierung angebracht und jeweils auf markierter Höhe der Umfang gemessen. Mittels kumulierter Zylindervolumenberechnung kann das Beinvolumen relativ einfach berechnet werden. Dies ist für Ärzte wie auch Therapeuten mit vernünftigem Aufwand reproduzierbar und erlaubt die Beurteilung des Langzeitverlaufes oder Therapieeffektes. Apparativ aufwändiger ist die Perometermessung, oder die Messung von Fuß- oder Handvolumen mittels Wasserverdrängung und wohl eher einer spezialisierten Praxis vorbehalten.
Auch die Fotodokumentation (frontal, beide Seiten, dorsal und caudal) hilft, später eine Diagnose nachzuvollziehen und ist für Vergleiche und Verlaufskontrollen nützlich.

Apparative Diagnostik

Die Diagnostik erfolgt meist klinisch. Der Entscheid zum Einsatz von apparativen diagnostischen bildgebenden Verfahren ist in der Regel dem Spezialisten vorbehalten und kommen bei unklaren Schwellungen zur Anwendung, oder bei Frühformen, bei Komorbiditäten und auch zur Objektivierung einer Lymphtransportstörung. Weiterführende Verfahren können außerdem erforderlich werden vor interventionellen und operativen Eingriffen am Lymphgefäßsystem. Ein weiterer Anwendungsbereich sind gutachterliche Fragestellungen.
Übersicht
Apparative Diagnostik:
  • Ultraschall
  • Funktionslymphszintigraphie
  • Indirekte Lymphangiographie
  • Direkte Lymphographie
  • Computertomographie
  • Magnetresonanztomographie
  • MR Lymphographie
  • Bioimpedanzspektroskopie
  • Labortests
  • Fluoreszenzmikrolymphographie
  • Indocyaningrünlymphographie/ICG

Ultraschall

Bei der Lymphödemdiagnostik ermöglicht der Ultraschall zwar den Nachweis vermehrter interstitieller Flüssigkeit. Da sich aber interstitielle Flüssigkeiten unterschiedlicher Genese sonomorphologisch gleichen, ist eine Differenzierung nur im klinischen Kontext möglich. Sekundäre Gewebsveränderungen, insbesondere Fettgewebsvermehrung und Fibrose/Fibrosklerose lassen sich sonografisch erkennen. Die Sonografie ermöglicht eine detailreiche Darstellung anatomischer Strukturen von Lymphknoten und übertrifft damit andere bildgebende Verfahren. Normale Lymphgefäße dagegen sind nicht zuverlässig darstellbar (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/058-001l_S2k_Diagnostik_und_Therapie_der_Lymphoedeme_2019-07.pdf; Becker et al. 2015; Brauer 2015; Tassenoy et al. 2016).
Indikationen
Bei Frühformen des Lymphödems, also dem suklinischen Stadium (Stadium 0) und teilweise dem Stadium 1 bietet die Sonographie in der Regel mangels morphologischer Veränderungen Normalbefunde. Bei fortgeschrittenen Lymphödemen kann sie zur Differenzierung interstitieller Flüssigkeiten, Fibrosen und Fettgewebsproliferationen beitragen. Zur Therapie- und Verlaufskontrolle des Lymphödems ist der Ultraschall geeignet. Unverzichtbar ist der Ultraschall in der Diagnostik des Phlebödems und Phlebolymphödems (Kap. „Klinisches Bild und diagnostisches Vorgehen bei chronisch venöser Insuffizienz“). Weitere Indikationen sind die Abklärung lokaler Schwellungen sowie der Diagnostik auslösender Ursachen des sekundären Lymphödems (Abb. 8).

Funktionslymphszintigraphie

Kap. „Nuklearmedizinische Verfahren“
Die Funktionslymphszintigraphie ist das einzige diagnostische Verfahren zur Quantifizierung des Lymphtransportes der Extremitäten, sie ist nicht am Kopf- Halsbereich und Rumpf anwendbar. Die Funktionslymphszintigraphie setzt sich aus zwei Studien zusammen, einer dynamischen und einer statischen Lymphszintigraphie. Das Prinzip der Untersuchung liegt in der Erfassung der Transportzeit eines radioaktiv markierten Tracers, der ausschließlich vom Lymphgefäßsystem abtransportiert wird, vom Ort der Injektion zu den regionalen Lymphknoten, wichtiger aber noch in der Ermittlung des regionalen Lymphknotenuptakes. Die Untersuchung muss streng nach einem standardisierten Protokoll durchgeführt werden: Der Tracer wird subkutan injiziert. Da in Ruhe der Lymphtransport für eine exakte Erfassung zu langsam ist, ist es erforderlich, die Untersuchung unter körperlicher Belastung zur Aktivierung der Pumpfunktion der Lymphangione durchzuführen. Belastungszeit, Gehgeschwindigkeit und Schrittfrequenz bei der Untersuchung der Beine bzw. Frequenz und Ausmaß des Faustschlusses bei den oberen Extremitäten sind genau definiert. Das Gewebe über den radioaktiv markierten Lymphknoten schwächt die radioaktive Strahlung oft in einem erheblichen Ausmaß, deshalb ist es zwingend erforderlich, bei der Berechnung des Lymphkotenuptakes eine Schwächungskorrektur durchzuführen (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/058-001l_S2k_Diagnostik_und_Therapie_der_Lymphoedeme_2019-07.pdf; Brauer 2021a).
Indikationen
Diagnostik von Frühformen des Lymphödems, die Funktionslymphszintigraphie ist das einzige Verfahren zur Objektivierung eines subklinischen Lymphödems (Stadium 0). Abklärung des Lymphtransportes bei Lymphödemverdacht ohne klare klinische Befunde, bei Lymphödemen mit Komorbitäten oder multifaktoriellen Ödemen und bei gutachterlichen Fragestellungen (Abb. 9).

Indirekte Lymphangiographie

Die indirekte Lymphangiographie ist eine radiologische Methode zur Darstellung oberflächennah gelegener Lymphgefässe, nicht aber von Lymphknoten. Nach streng subepidermaler Injektion einer kleinen Menge eines wasserlöslichen dimeren Kontrastmittels lassen sich bestenfalls über eine Länge von maximal 30 cm (selten bis 50 cm) Lymphkollektoren sowie erweiterte, nicht aber normale initiale Lymphgefäße, detailreich darstellen (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/058-001l_S2k_Diagnostik_und_Therapie_der_Lymphoedeme_2019-07.pdf; Brauer 2021b).
Indikationen
Informationen über die Morphologie oberflächlich gelegener Lymphgefäße, insbesondere, wenn bei unklaren Weichteilschwellungen der Verdacht auf eine Beteiligung des Lymphgefäßsystems besteht. Planung operativer Eingriffe am Lymphgefäßsystem und für lymphgefäßschonende Operationsverfahren.

Direkte Lymphographie

Mit der direkten Lymphographie werden Lymphgefässe und Lymphknoten dargestellt. Zwei Verfahren sind etabliert (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/058-001l_S2k_Diagnostik_und_Therapie_der_Lymphoedeme_2019-07.pdf; Pieper 2019; Levenhagen et al. 2017):
1.
Direkte pedale Lymphangiographie nach Präparation eines Lymphkollektors am Fuß.
 
2.
Direkte Lymphangiographie über punktierte Lymphknoten (intranodale Lymphangiographie).
 
Indikationen
Die direkte Lymphografie ist ein Verfahren der interventionellen Lymphologie. Für die Lymphödemdiagnostik ist sie kontraindiziert aufgrund ihrer Invasivität und vor Allem wegen der regelmäßig zu erwartenden Verschlechterung von Lymphödemen.

Computertomographie (CT)

Ödeme und andere Interstitielle Flüssigkeiten stellen sich in der CT als netzfömige Strukturen dar, eine Differenzierung ist nicht möglich, die CT erlaubt keine sichere Diagnose eines Lymphödems. In der CT können Verdickungen der Haut und des Unterhautfettgewebes, Flüssigkeitskollektionen, Raumforderungen und Hyper- wie Hypotrophien der Muskulatur erkannt werden (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/058-001l_S2k_Diagnostik_und_Therapie_der_Lymphoedeme_2019-07.pdf; Levenhagen et al. 2017; Tassenoy et al. 2016).
Indikationen
Diagnostik auslösender Ursachen bei sekundären Lymphödem, insbesondere zum Tumorausschluss bzw. zur Tumorbestätigung. Für die Diagnosesicherung des Lymphödems ist die CT nicht geeignet.

Magnetresonanztomographie (MRT)

Die MRT ist für die Diagnostik des Lymphödems weder ausreichend sensitiv noch spezifisch. Mit der MRT kann der Flüssigkeitsgehalt im Gewebe bewertet werden und das Ausmaß eines Ödems objektiviert werden, wie auch Hautverdickungen, Menge des Fettgewebes und Extremitätenvolumen (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/058-001l_S2k_Diagnostik_und_Therapie_der_Lymphoedeme_2019-07.pdf; Grada und Philipps 2017; Pieper 2019; Tassenoy et al. 2016).

MR Lymphographie:

Neben den oben aufgeführten Befunden ermöglicht die MRT mittels pedaler oder transnodaler Kontrastmittelapplikation die Darstellung der Lymphgefäß-Anatomie und des Drainagemusters, normale Lymphgefäße lassen sich von aplastischen, hypoplastischen und hyperplastischen unterscheiden. Abdominale oder thorakale Lymphgefäße können über transnodale Kontrastmittelapplikation dargestellt werden.
Indikationen
Interventionelle Lymphologie. Darstellung von Lymphmalformationen und venösen Malformationen.

Bioimpedanzspektroskopie

Die Bioimpedanzspektroskopie ist ein bisher noch experimentelles Verfahren, es ermöglicht die extrazelluläre Flüssigkeitsmenge innerhalb einer Extremität über den Widerstand elektrischer Ströme zu bestimmen. Ob es sich für die Diagnose von subklinischen Lymphödemformen eignet ist bisher nicht ausreichend nachgewiesen (Grada und Philipps 2017; Ward et al. 2015).

Labortests

Indikationen
Laboruntersuchungen können bei Hinweisen auf Beteiligung des Lymphgefäßsystems im Bereich des Thorax und Abdomens und/oder auf lymphatische Refluxerkrankungen erforderlich werden, außerdem zur Analyse von Punktaten aus (chylösen) Ergüssen, zur Differenzierung Transsudat/Exsudat respektive chylöser Erguss und zum Ausschluss hepathischer, renaler, hormoneller und anderer „internistischer“ Ursachen für ein Ödem.

Fluoreszenz-Mikrolymphographie

Die Fluoreszenz-Mikrolymphographie erlaubt die Darstellung initialer Lymphgefäße der Haut. Das Verfahren findet in der Schweiz Anwendung, wird aber in Deutschland und Österreich nicht angeboten. Fluoresceinisothiocyanat markiertes Dextran, welches obligat lymphatisch resorbiert und abtransportiert wird, wird streng intrakutan appliziert. Es bildet sich ein fluoreszierendes Depot, aus dem sich das initiale Lymphgefäße/Lymphsinus des Rete cutaneum superficiale füllen. Die Visualisierung erfolgt mittels der Fluoreszenz des mit Licht der Wellenlänge von 495 nm angeregten Farbstoffes (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/058-001l_S2k_Diagnostik_und_Therapie_der_Lymphoedeme_2019-07.pdf; Gretener und Keo 2021).
Indikationen
Die Fluoreszenz Mikrolymphografie kommt zur Diagnose des Lymphödems bei Frühformen, klinisch unklaren Ödemen oder bei gemischt-ätiologischen Ödemen zum Einsatz. Eine funktionale Aussage, oder eine Aussage über die Ursache des Lymphödems ist nicht möglich.

Indocyaningrün(ICG)-Fluoreszenzlymphographie

(Kap. „Lymphozele und Lymphfistel“)
Die Indocyaningrün-Untersuchung erlaubt die Echtzeitdarstellung der Lymphgefäßse bis max. 2 cm Gewebetiefe. Das Indocyaningrün bindet sich nach Injektion an interstitielles Albumin, welches über die Lymphkollektoren resorbiert und abdrainiert wird. Unter exzitatorischer Belichtung kann mit einer Infrarotkamera das Ausbreitungsmuster des fluoreszierenden Farbstoffes bei einer Wellenlänge von 820 nm beobachtet werden. Bei klinisch manifesten Lymphödemen zeigen sich in Abhängigkeit von den Stadien des Lymphödems und der Schwere des Krankheitsbildes charakteristische Ausbreitungsmuster (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/058-001l_S2k_Diagnostik_und_Therapie_der_Lymphoedeme_2019-07.pdf; Aung et al. 2021).
Indikationen
Das Untersuchungsverfahren dient der Operationsplanung wie für die Therapie von Lymphozelen, der Lokalisation von Lymphgefäßen bei Anlage von lymphvenösen Anastomosen und der postoperativen Funktionskontrolle, für die Möglichkeit der Diagnostik von Frühformen des Lymphödems gibt es keine belastbaren Belege
Literatur
Aung T, Härteis S, Brebant V, Prantl V (2021) Indocyaningrün(ICG)-Lymphographie in der Lymphchirurgie. In: Brauer WJ (Hrsg) Bildgebung Lymphologie. Springer Nature, Berlin/Heidelberg; in print
Becker M, Schilling T, von Beckerath O, Kröger K (2015) Sonography of subcutaneous tissue cannot determine causes of lower limb edema. VASA 44:122–128CrossRef
Blome C (2013) Lymphedema – the long way to diagnosis and therapy. VASA 42(5):363–369CrossRef
Brauer W (2015) Ultrasound in Lymphologie, state-of-the-art. Phlebologie 44(03):110–117CrossRef
Brauer W (2021a) Lymphszintigrafie/Funktionslymphszintigrafie. In: Brauer WJ (Hrsg) Bildgebung Lymphologie. Springer Nature, Berlin/Heidelberg; in printCrossRef
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Gretener S, Keo H (2021) Fluoreszenz-Mikrolymphographie – Eine wichtige Methode zur Frühdiagnose des Lymphödems. In: Brauer WJ (Hrsg) Bildgebung Lymphologie. Springer Nature, Berlin/Heidelberg; in print
Jayaraj A, Raju S, May C, Pace N (2019) The diagnostic unreliability of classic physical signs of Lymphedema. J Vasc Surg Venous Lymphat Disord 7:890–897CrossRef
Levenhagen K, Davies C, Perdomo M, Ryans K (2017) Diagnosis of upper quadrant lymphedema secondary to cancer: clinical practice guideline from the oncology section of the American Physical Therapy Association. Phys Ther 97(7):729–745CrossRef
Pieper C (2019) Lymphgefäßbildgebung und interventionelle Therapien am Lymphgefäßsystems des Körperstamms. LymphForsch 23:23–37
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