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Klinische Kardiologie
Info
Publiziert am: 14.06.2022

Bradykarde Herzrhythmusstörungen

Verfasst von: Klaus K. Witte und Matthias Rau
Mit zunehmendem Alter erhöht sich die Inzidenz einer symptomatischen Bradyarrhythmie und häufig ist die Implantation eines Schrittmachers notwendig. Die akute medikamentöse Behandlung (oder das Absetzen potenziell ursächlicher Medikamente) ist zwar für eine kurzfristige Stabilisierung des Patienten in der Akutsituation geeignet, verhindert letztendlich aber selten den Bedarf eines Schrittmachers. Das zeitgemäße Management besteht heute darin, eine temporäre Schrittmachertherapie zu vermeiden (mit Ausnahme besonderer Situationen wie Myokardinfarkt und perkutaner Aortenklappenersatz) und den erforderlichen Schrittmacher idealerweise im Rahmen eines einzigen Eingriffs auch außerhalb der normalen Behandlungszeiten zu implantieren. Unabdingbar ist es, eine eindeutige primäre Diagnose zu stellen, um ein individuelles personalisiertes Vorgehen bezüglich der optimalen Devicewahl (Schrittmacher, ICD, CRT) und -programmierung sowie der langfristigen Planung von Aggregatwechseln zu gewährleisten.
Bradykardien können in solche mit Ursprung oberhalb des AV-Knotens und in solche mit Ursprung am oder unterhalb des AV-Knotens unterteilt werden. Diese Einteilung ist nützlich für die Klassifizierung, Ätiologie und Behandlung bradykarder Herzrhythmusstörungen.

Sinusknotensyndrom

Epidemiologie

Der Sinusknoten ist der physiologische Schrittmacher des Herzens. Nach Schätzungen entwickeln jährlich ca. 150–200 Patienten pro 1 Mio. Einwohner ein symptomatisches Sinusknotensyndrom (Sinusknotendysfunktion), wobei pathologische Störungen der Sinusknotenfunktion meist mit fortgeschrittenem Lebensalter auftreten und folglich die Inzidenz bei den Über-65-Jährigen deutlich zunimmt. Die Sinusknotendysfunktion stellt in den Industrieländern die häufigste Indikation für eine permanente Schrittmacherversorgung dar.

(Patho-)physiologie

Vorübergehende Bradykardien einschließlich intermittierender Sinuspausen können bei erhöhtem Vagotonus auch bei Herzgesunden auftreten. Diese klinisch bedeutungslosen Bradykardien finden sich besonders häufig im Schlaf und bei Sportlern, verschwinden klassischerweise jedoch sofort unter Belastung. Es ist aber inzwischen allgemein anerkannt, dass trainingsinduzierte Bradykardien bei trainierten Sportlern langfristig zu einer Zunahme der Inzidenz von pathologischen Brady- oder Tachykardien führen können.
Sinusknotendysfunktion
Die Sinusknotendysfunktion (Syndrom des kranken Sinusknotens, „sick sinus syndrome“) umfasst verschiedene elektrophysiologische Störungen der Generierung des Sinusimpulses, der Ausbreitung des Sinusimpulses in das umliegende atriale Gewebe sowie der Erregungsfortleitung in den Vorhöfen und dem spezifischen Reizleitungssystem.
Zudem besteht bei der Sinusknotendysfunktion eine erhöhte Anfälligkeit für Vorhofflimmern, Vorhofflattern und atriale Tachykardien. Treten bei einem Patienten bradykarde und tachykarde Arrhythmien auf, so spricht man von einem Bradykardie-Tachykardie-Syndrom. Die Sinusknotenfunktion kann durch eine direkte Schädigung des Sinusknotens und/oder des umgebenden atrialen Myokards beeinträchtigt sein (intrinsische Sinusknotendysfunktion). Darüber hinaus können funktionelle Störungen wie z. B. eine Beeinträchtigung der autonom-nervalen Kontrolle oder unerwünschte pharmakologische Wirkungen ohne strukturelle sinoatriale Veränderungen auftreten (extrinsische Sinusknotendysfunktion). Mit dem seltenen kongenitalen Sick-Sinus-Syndrom werden Mutationen des SCN5A-Gens (kodiert für den kardialen Natriumkanal), des HCN4-Gens (kodiert für den Schrittmacherkanal If) sowie von Connexin 40 assoziiert. In 10–15 % der Fälle tritt im Frühstadium eines akuten Myokardinfarktes – meist im Rahmen eines Hinterwandinfarktes – eine vorübergehende Sinusbradykardie auf, wobei sich die Sinusknotenfunktion in der Regel wieder spontan erholt.

Klassifikation

Sinusbradykardie
In Ruhe liegt die mittlere Sinusknotenfrequenz in der Regel bei 50–60/min. Physiologischerweise treten bei Gesunden, insbesondere bei Sportlern, auch asymptomatische Ruhefrequenzen von 35–40/min auf. Die übliche Definition einer Sinusbradykardie bei einer Herzfrequenz unter 60/min wurde willkürlich gewählt und hat somit meist keine klinische Relevanz. Wesentlich wichtiger in Bezug auf eine ggf. notwendige Therapie ist die Korrelation einer Sinusbradykardie (in der Regel < 40/min im wachen Zustand) mit Symptomen. Eine ausgeprägte Sinusbradykardie kann zu einer Exazerbation von Häufigkeit und Symptomen von Extrasystolen führen.
Sinuspause/Sinusarrest
Wenn die physiologische Schrittmacherfunktion des Sinusknotens sistiert, resultiert daraus ein Sinusarrest. Die Dauer einer pathologisch verlängerten Sinuspause ist nicht klar definiert. Asymptomatische Pausen länger als 2 s werden im Langzeit-EKG bei etwa 11 % der Patienten registriert, bei trainierten Athleten sogar noch deutlich häufiger (ca. 35 %). Beschwerden manifestieren sich nur bei einem Teil der Patienten, dann meist ab Sinuspausen länger als 3 s. Aber auch bei Gesunden können insbesondere nachts noch längere Pausen ohne jegliche klinische Symptomatik auftreten. Bei einem dokumentierten Sinusarrest, der länger als 3 s andauert, sollte eine Korrelation mit klinischen Beschwerden angestrebt werden. Ein symptomatischer Sinusarrest (> 3 s) stellt gemäß der Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) eine Klasse-I-Indikation für eine permanente Schrittmacherversorgung dar (Glikson et al. 2021), wobei bei Patienten mit vorheriger Synkope unklarer Genese eine Indikation erst bei einer asymptomatischen Pause > 6 s besteht (Klasse-IIb-Indikation).
Sinuatrialer Block
Beim sinuatrialen Block (SA-Block) vermag ein normal generierter Sinusimpuls das umgebende atriale Gewebe nur verzögert oder gar nicht zu depolarisieren. Der sinuatriale Block wird analog zum atrioventrikulären Block in Grad I–III eingeteilt. Ein SA-Block I. Grades ist im Oberflächen-EKG nicht erkennbar. Bei einem SA-Block II. Grades mit Wenckebach-Periodik findet man eine zunehmende PP-Intervallverkürzung, bis schließlich eine Vorhofaktion ausfällt. Der SA-Block II. Grades Typ Mobitz II ist durch eine Pause der atrialen Erregung (fehlende P-Welle) gekennzeichnet, die dem doppelten oder vielfachen der vorhergehenden PP-Intervalle entspricht. Bei einer regelmäßigen 2:1-Blockierung ist die differenzialdiagnostische Abgrenzung einer Sinusbradykardie schwierig und kann oft nur durch pharmakologische Provokation ermöglicht werden. Nach Atropingabe (1 mg i.v.) resultiert bei einer Sinusbradykardie ein progredienter Herzfrequenzanstieg, bei einem SA-Block II. Grades hingegen keine oder eine sprunghafte Zunahme der Herzfrequenz. Ein SA-Block III. Grades kann im Oberflächen-EKG nicht von einem Sinusarrest differenziert werden.
Bradykardie-Tachykardie-Syndrom
Häufig findet sich bei der Sinusknotendysfunktion ein Wechsel zwischen bradykarden und tachykarden Phasen. Während der langsamen Episoden besteht vorwiegend eine Sinusbradykardie, z. T. auch eine junktionale Bradykardie oder Bradyarrhythmie bei Vorhofflimmern. Die intermittierenden tachykarden Phasen basieren meistens auf tachykard übergeleitetem Vorhofflimmern, seltener auf tachykard übergeleitetem Vorhofflattern oder atrialen Tachykardien. Eine medikamentöse Frequenzkontrolle der paroxysmalen Tachykardien kann symptomatische Bradykardien weiter aggravieren und eine Schrittmachertherapie erforderlich machen.
Bradyarrhythmia absoluta
Bei permanentem Vorhofflimmern kann eine bradykarde Ventrikelfrequenz bei gleichzeitig verzögerter AV-Überleitung im Rahmen einer binodalen Erkrankung oder bei begleitender negativ-chronotroper Medikation auftreten.
Chronotrope Inkompetenz
Eine Sinusknotenfunktionsstörung kann in einem verminderten Anstieg der Herzfrequenz unter Belastung Ausdruck finden. Obwohl die Diagnose einer chronotropen Inkompetenz häufig gestellt wird, wenn unter Belastung ohne bradykardisierende Medikation die Herzfrequenz nicht über 90/min ansteigt, so sind Kriterien, Relevanz und Behandlung der chronotropen Inkompetenz in An- und Abwesenheit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht eindeutig definiert. Des Weiteren führt eine Schrittmacherimplantation mit Steigerung der Herzfrequenz unter Belastung nicht zwangsläufig immer zu einer Verbesserung der klinischen Symptomatik.

Symptomatik

Viele Patienten mit Zeichen einer Sinusknotendysfunktion im Oberflächen-EKG sind asymptomatisch. Eine ausgeprägte Bradykardie und höhergradige SA-Blockierung hingegen verursachen durch eine permanente oder intermittierend verminderte Blutversorgung essenzieller Organe Beschwerden. Die Symptome umfassen Schwindel, Dyspnoe, Müdigkeit, Angina pectoris, Präsynkopen und Synkopen. Darüber hinaus können eine Leistungsminderung und Zeichen einer Herzinsuffizienz auftreten. Patienten mit Bradykardie-Tachykardie-Syndrom klagen zudem häufig über Palpitationen. Bei einem intermittierenden oder permanenten Vorhofflimmern können embolische Ereignisse (z. B. Apoplex) das klinische Bild prägen. Da die klinische Symptomatik häufig sehr variabel ist, ergibt sich die Diagnose nur selten allein aufgrund des Beschwerdebildes. Aufschluss liefert in der Regel die Korrelation von Symptomen mit einem entsprechenden EKG-Befund.

Diagnostik

Labor
Bei bradykarden Rhythmusstörungen sollten stets Elektrolyte (Kaliumspiegel) und Schilddrüsenfunktion (Hypothyreose) überprüft werden. Besteht die Möglichkeit einer Überdosierung mit bradykardisierenden Pharmaka, ist die Bestimmung entsprechender Plasmaspiegel (z. B. von Herzglykosiden) sinnvoll. Darüber hinaus ist bei Verdacht auf eine ursächliche Grunderkrankung (z. B. akuter Myokardinfarkt) eine entsprechende laborchemische Diagnostik begleitend durchzuführen.
EKG
Störungen der Sinusknotenfunktion können in der Regel mit Hilfe eines EKGs diagnostiziert werden. Tritt eine Sinusknotendysfunktion häufig auf oder besteht sie permanent (z. B. eine Sinusbradykardie), so kann diese anhand des typischen Bildes im Oberflächen-EKG erfasst werden. Für eine Sicherung der Diagnose ist stets der Bezug zur klinischen Symptomatik von wesentlicher Bedeutung.
Langzeit-EKG
Bei der Erfassung einer Sinusknotendysfunktion steht das Langzeit-EKG im Vordergrund. Welche Form des Langzeit-EKG-Monitorings angewendet werden sollte, hängt maßgeblich davon ab, wie häufig Symptome auftreten (Tab. 1). Bei intermittierenden, unregelmäßigen Beschwerden bergen wiederholt durchgeführte 24-h-EKGs häufig eine gewisse Unsicherheit bei Arzt und Patient, deshalb bleibt die Anamnese im Vordergrund bei der Auswahl von Art und Dauer des Monitorings.
Tab. 1
Optionen zum Langzeit-EKG-Monitoring
Methode
Beschreibung
Indikation
24-h-/72-h-Langzeit-EKG (Holter)
Kontinuierliches 3- bis 12-Kanal-EKG während des gesamten Überwachungszeitraums
Häufige Symptome innerhalb von 24–72 h
Ereignisrekorder (Event Recorder)
Zeichnet nur ausgewählte EKGs auf, wenn der Patient Symptome verspürt
Dokumentiert nur Ereignisse, die vom Patienten empfunden werden; nicht nützlich bei kurzzeitigen Ereignissen oder Kollaps (Patient nicht handlungsfähig)
Externer Loop-Rekorder
1- oder 3-Kanal-EKG; automatische Dokumentation oder wenn der Patient Symptome verspürt; muss ständig getragen werden
Symptome, die innerhalb von 2–4 Wochen auftreten
Patch-Loop-Rekorder
Begrenztes EKG (an Brustwand/Sternum klebend), keine Ableitung; Dokumentation automatisch oder nach Aktivierung durch den Patienten; hält 14 Tage länger als ein externer Loop-Rekorder; muss während des gesamten Überwachungszeitraums kontinuierlich getragen werden; Aufzeichnungen vor, während und nach dem Ereignis
Symptome alle paar Wochen
Ambulante telemetrische Überwachung
Kontinuierliche EKG-Überwachung oder 24-h-Loop-Speicher mit drahtloser Live-Übertragung und Service
Nützlich, wenn Live-Streaming von potenziellem Nutzen für die Diagnosestellung oder für den Patienten ist
Smartphone-Anwendung
Kann einen Rhythmusstreifen aufzeichnen, wenn der Patient Symptome hat
Nützlich für die Langzeitüberwachung
Smartwatch
Kann einen Rhythmusstreifen aufzeichnen, wenn der Patient Symptome hat
Nützlich für die Überwachung von Vorhofflimmern
Patienten sollten stets ein Protokoll über Beschwerden führen, damit Symptome potenziellen Auffälligkeiten im 24-h-EKG (z. B. Sinusarrest) zugeordnet werden können.
Ereignisrekorder (Event Recorder)
Gelingt es mit Hilfe von Langzeit-EKGs nicht, eine Arrhythmie zu erfassen, so kann es sinnvoll sein, Patienten mit einem tragbaren Ereignisrekorder (Event Recorder) zu versorgen. Patienten können beim Auftreten von Beschwerden durch Knopfdruck die EKG-Aufzeichnung aktivieren (bei einigen Systemen werden die Befunde unmittelbar dem betreuenden kardiologischen Zentrum telemetrisch übermittelt). Darüber hinaus kann bei hohem Leidensdruck aber nur sehr seltenen Ereignissen ein Ereignisrekorder subkutan parasternal implantiert werden (Tab. 1). Die EKG-Aufzeichnung erfolgt bei neueren Geräten entweder spontan durch Arrhythmieerkennung oder durch Aktivierung seitens des Patienten.
Elektrophysiologische Untersuchung
Bei einer Sinusknotendysfunktion ist nur selten eine invasive elektrophysiologische Diagnostik erforderlich. Entsprechend den Leitlinien der ESC besteht eine Indikation zur invasiven Abklärung bei Verdacht auf eine Sinusknotendysfunktion als kausale Ursache für klinische Symptome, wenn bisher noch keine Korrelation zwischen einer Arrhythmie und einer Beschwerdesymptomatik möglich war (Glikson et al. 2021). Bei Beschwerden unklarer Genese sollte die invasive elektrophysiologische Untersuchung eine programmierte atriale und ventrikuläre Stimulation beinhalten, um nicht nur Bradykardien, sondern auch eine Neigung zu Tachyarrhythmien zu erfassen. Zur Prüfung der Sinusknotenfunktion kann die Sinusknotenerholungszeit (SNRT = „sinus node recovery time“; Normwert: < 1500 ms) mittels Overdrive-Stimulation bestimmt werden. Darüber hinaus kann durch programmierte Vorhofstimulation und Messung des Poststimulationintervalls in Abhängigkeit der Vorzeitigkeit der Extrastimuli indirekt die sinuatriale Leitung abgeschätzt werden. Die Sinusknotenerholungszeit und die sinuatriale Leitung sind meist bei Patienten mit struktureller Sinusknotenerkrankung verlängert, bei Patienten mit intermittierenden funktionellen Störungen (z. B. autonom-nerval) jedoch oft normal.

Therapie

Akuttherapie
Akut symptomatische Patienten können pharmakologisch mit Parasympatholytika (Vagolytika) oder Sympathomimetika therapiert werden. Atropin hat bei der antibradykarden Behandlung die größte Bedeutung. Selten kann eine temporäre externe oder transvenöse Schrittmacherstimulation als vorübergehende Versorgung akuter Bradykardien, die nicht ausreichend auf eine medikamentöse Therapie ansprechen, bis zur Einleitung des definitiven therapeutischen Vorgehens (permanente Schrittmacherimplantation) oder bei reversiblen bradykarden Herzrhythmusstörungen (z. B. Intoxikation) erforderlich sein.
Medikamentöse Langzeittherapie
Wenn möglich sollte die Behandlung mit bradykardisierenden und leitungsverzögernden Medikamente (z. B. Herzglykoside, Betarezeptorenblocker, Verapamil) beendet werden. Zu berücksichtigen sind hierbei u. a. auch Betarezeptorenblocker- oder clonidinhaltige Augentropfen. Eine langfristige medikamentöse Stabilisierung bradykarder Rhythmusstörungen durch Vagolytika oder Sympathikomimetika ist in der Regel nicht möglich, da die Langzeitbehandlung durch Ineffektivität, Tachyphylaxie, Induktion supraventrikulärer oder ventrikulärer Arrhythmien sowie durch systemische Nebenwirkungen limitiert wird. Eine Ausnahme stellen seltene Sinusknotendysfunktionen bei jungen Patienten dar, die auf langwirksame Theophyllinpräparate ansprechen. Die Beendigung einer bradykardisierenden medikamentösen Therapie ist häufig unzureichend, da bradykarde Rhythmusstörungen häufig persistieren und bradykardisierende Medikamente bei gleichzeitig bestehenden tachykarden Herzrhythmusstörungen oder sonstigen Herzkreislaufkrankheiten oft nicht vermieden werden können.
Permanente Schrittmacherstimulation
Vor der Entscheidung über eine definitive Behandlung mittels permanenter Schrittmacherimplantation sind zunächst mögliche kausale Therapieoptionen zu berücksichtigen. Diese umfassen u. a. eine Revaskularisation bei Myokardinfarkt oder Myokardischämie, eine Schilddrüsenhormonsubstitution bei Hypothyreose, einen Ausgleich der Serumelektrolyte, die Behandlung einer möglichen Überdosierung bradykardisierender Medikamente oder auch eine Antibiotikatherapie bei Lyme-Borreliose. Generell ist eine permanente Schrittmacherversorgung bei symptomatischen Patienten mit Bradykardien nach Ausschluss behandelbarer reversibler Ursachen oder bei der Notwendigkeit einer antitachykarden medikamentösen Therapie erforderlich. Die Indikationen für eine permanente Schrittmachertherapie bei Sinusknotendysfunktion entsprechend den Leitlinien der ESC sind Tab. 2 zu entnehmen (Glikson et al. 2021). Eine niedrige Herzfrequenz (< 40/min) und Pausen (< 6 s) bei asymptomatischen Herzgesunden stellen keine Indikation zur prophylaktischen Schrittmacherimplantation dar. Bei erhaltenem Sinusrhythmus sollten physiologische Schrittmachersysteme mit atrial basierter Stimulation (AAI, DDD) gewählt werden (Tab. 3). Besteht eine chronotrope Inkompetenz, so ist ein frequenzvariables System (AAIR, DDDR) vorzuziehen. Ein atriales Einkammersystem (AAI) ist nur bei normaler Funktion des AV-Knotens geeignet. Die ventrikuläre Stimulationsrate sollte so niedrig wie möglich gehalten werden, da mit vermehrter rechtsventrikulärer Stimulation die Inzidenz einer Herzinsuffizienz zunimmt. Besteht permanentes Vorhofflimmern, so ist die Implantation eines VVI-Schrittmachers mit niedriger Interventionsfrequenz geeignet. Bei nur seltener Schrittmacherbedürftigkeit erscheint die Wahl des Schrittmachersystems von untergeordneter Bedeutung.
Tab. 2
Indikationen zur permanenten Schrittmacherimplantation bei Sinusknotendysfunktion. (Nach Glikson et al. 2021)
Indikation
Empfehlungsgrad
Evidenzgrad
Bei symptomatischen Patienten mit Bradykardie-Tachykardie-Syndrom, um Bradyarrhythmien zu beheben und eine pharmakologische Behandlung der Tachykardien zu ermöglichen
I
B
Bei Patienten mit chronotroper Inkompetenz und deutlichen Symptomen unter Belastung
IIa
B
Bei Patienten mit Synkopen, wenn asymptomatische Pausen > 6 s aufgrund eines Sinusarrests dokumentiert sind
IIb
C
Bei Sinusknotendysfunktion, wenn die Symptome wahrscheinlich auf Bradyarrhythmien zurückzuführen sind, die Beweise aber nicht schlüssig sind
IIb
C
Tab. 3
NBG-Schrittmacher-Code (NASPE/BPEG Generic Pacemaker Code; NASPE: North American Society of Pacing and Electrophysiology; BPEG: British Pacing and Electrophysiology Group)
1. Buchstabe:
Ort der Stimulation
2. Buchstabe:
Ort der Wahrnehmung
3. Buchstabe:
Betriebsart
4. Buchstabe:
Frequenzadaptation
0 = keine
0 = keine
0 = keine
0 = keine
A = Atrium
A = Atrium
T = getriggert
R = „rate response“
V = Ventrikel
V = Ventrikel
I = inhibiert
 
D = Atrium + Ventrikel
D = Atrium + Ventrikel
D = Atrium + Ventrikel
 

Prognose

Die Prognose von Patienten mit Sinusknotendysfunktion wird vorwiegend durch die kardiale Grunderkrankung und das Alter des Patienten bestimmt. Bei Patienten mit intermittierendem oder permanentem bradykarden Vorhofflimmern stellen darüber hinaus thromboembolische Komplikationen wie Schlaganfälle eine der wesentlichsten Todesursachen dar. Die Implantation eines Schrittmachers vermindert bei Sinusknotendysfunktion weder die Sterblichkeit noch das Risiko eines thrombotischen Schlaganfalls.

Karotissinussyndrom

Epidemiologie und Pathophysiologie

Die Stimulation der Barorezeptoren des Karotissinus, die in der A. carotis interna direkt oberhalb der Bifurkation lokalisiert sind, führt bei Gesunden zu einem geringen Herzfrequenzabfall und einer leichten Vasodilatation. Bei einem hypersensitiven Karotissinus sind diese reflektorischen Antworten verstärkt. Ist ein hypersensitiver Karotissinusreflex mit Symptomen assoziiert, so liegt ein sog. Karotissinussyndrom vor. Das Karotissinussyndrom ist eine Erkrankung des älteren Menschen, wobei das männliche Geschlecht häufiger betroffen ist. Gehäuft findet man es bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung, arterieller Hypertonie und Diabetes mellitus. Darüber hinaus sind im Bereich des Karotissinus meist eine Arteriosklerose – selten mit höhergradigen Stenosen – nachweisbar.

Klassifikation

Kardioinhibitorische Form: Sie ist durch eine ventrikuläre Asystolie ≥ 3 s auf dem Boden eines Sinusarrestes bzw. sinoatrialen Blocks, seltener aufgrund eines AV-Blocks, bei Kopfdrehung oder Kompression des Karotissinus charakterisiert.
Vasodepressorische Form: Nach Stimulation des Karotissinus dominiert eine Hypotension mit systolischem Blutdruckabfall ≥ 50 mmHg ohne gleichzeitige Asystolie oder Abfall der Herzfrequenz.
Gemischter Typ: Variable Mischformen beider o. g. Subtypen werden in 20–25 % der Fälle beobachtet.

Symptomatik

Beim Karotissinussyndrom treten typischerweise Schwindel, Präsynkopen oder Synkopen durch charakteristische Situationen und Bewegungen (z. B. Kopfdrehen, Rasieren, enger Kragen) auf und können hierdurch provoziert werden.

Diagnostik

EKG
Während der EKG-Registrierung muss der Patient aufgefordert werden, charakteristische, auslösende Bewegungen durchzuführen. Wird hierdurch eine Asystolie oder ein Blutdruckabfall mit gleichzeitiger klinischer Symptomatik provoziert, so ist das Vorliegen eines Karotissinussyndroms sehr wahrscheinlich.
Karotissinusmassage
Tipp
Bei Verdacht auf ein Karotissinussyndrom kann eine Karotissinusmassage (im Liegen und Stehen) zur Erfassung und Objektivierung von Arrhythmien durchgeführt werden.
Cave
Zunächst muss eine Auskultation der Karotiden erfolgen. Bei Verdacht auf eine ipsilaterale Karotisstenose ist ein Karotisdruckversuch kontraindiziert. Ein Karotisdruckversuch sollte außerdem erst nach Pausierung einer Digitalismedikation erfolgen, da Herzglykoside die Reflexantwort verstärken können. Darüber hinaus sollte als Notfallmedikation Atropin (1 mg) bereitgehalten werden.
Unter EKG-Kontrolle und Blutdruckmessung wird mit mäßigem Druck der Karotissinus für 5 bis max. 10 s massiert. Physiologischerweise treten ein Herzfrequenzabfall von max. 25 % der Ausgangsfrequenz oder eine geringe Verlängerung der PQ-Zeit (max. ein AV-Block I. Grades) sowie ein geringer Blutdruckabfall auf.
Ein pathologischer Befund liegt bei einer Asystolie ≥ 3 s oder einem systolischen Blutdruckabfall ≥ 50 mmHg vor. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass bei älteren Patienten in etwa 30 % der Fälle eine pathologisch verstärkte Reflexantwort provoziert werden kann. Ist diese klinisch stumm, so liegt zwar ein hypersensitiver Karotissinus, jedoch kein Karotissinussyndrom und damit keine Therapieindikation vor. Wesentlich ist somit, durch den Karotisdruck die spontan aufgetretenen Symptome des Patienten zu reproduzieren.

Therapie

Akuttherapie
Zur akuten Behandlung des kardioinhibitorischen Typs des Karotissinussyndroms ist die intravenöse Gabe von Atropin (0,5–1 mg) geeignet. Die vasodepressorische Form spricht nur variabel und teilweise unzureichend auf Vagolytika und Sympathomimetika an.
Langzeittherapie
Bei rezidivierenden Synkopen, die in Zusammenhang mit einer Reizung des Karotissinus stehen und bei denen die kardioinhibitorische Form nachgewiesen werden kann, vermindert die Implantation eines Schrittmachers signifikant weitere klinische Ereignisse (Tab. 4). Eine relative Indikation zur Schrittmacherimplantation entsprechend den Leitlinien der ESC besteht bei Patienten, die wiederholt Synkopen erleiden und einen hypersensitiven Karotissinusreflex vom kardioinhibitorischen Typ aufweisen, ohne dass hierdurch die klinische Symptomatik (Synkope) provoziert werden kann (Glikson et al. 2021). Das alleinige Vorliegen eines hypersensitiven Karotissinusreflexes stellt hingegen keine Indikation für eine Schrittmacherimplantation dar. Die vasodepressorische Form des Karotissinussyndroms spricht nicht auf eine Schrittmachertherapie an. Bei Patienten mit gemischtem Typ ist die Indikation zur Schrittmacherimplantation in Abhängigkeit der dominierenden Variante individuell zu stellen.
Tab. 4
Indikationen zur permanenten Schrittmacherimplantation bei Reflexsynkopen. (Nach Glikson et al. 2021)
Indikation
Empfehlungsgrad
Evidenzgrad
Bei Patienten über 40 Jahren mit schwerer, unvorhersehbarer und wiederkehrender Synkope bei:
a) spontan dokumentierten symptomatischen Pausen > 3 s oder asymptomatischen Pausen > 6 s aufgrund eines Sinusarrests oder AV-Blocks
b) kardioinhibitorischem Karotissinussyndrom
c) Synkope mit Asystolie während der Kipptischuntersuchung
I
A
Bei Patienten mit klinischen Zeichen einer adenosinsensitiven Synkope
IIb
B

Atrioventrikuläre Blockbilder

Epidemiologie und Pathophysiologie

Atrioventrikuläre (AV-)Blockierungen treten auf, wenn die Vorhoferregung nicht oder nur verzögert auf die Ventrikel übergeleitet wird. AV-Blockierungen müssen von einer physiologischen Unerregbarkeit des refraktären Leitungssystems nach einem vorausgegangenen Impuls abgegrenzt werden (z. B. im Rahmen atrialer Tachykardien). Leitungsverzögerungen bzw. -blockierungen im Bereich der Vorhöfe, des AV-Knotens und/oder des His-Purkinje-Systems können zum Bild eines AV-Blocks führen. Definitionsgemäß werden AV-Blockierungen in Grad I–III eingeteilt (s. Abschn. 3.2).
Ein AV-Block I. Grades und II. Grades Typ Wenckebach kann bei Herzgesunden mit erhöhtem Vagotonus auftreten. Höhergradige AV-Blockierungen sind meist erworben und manifestieren sich besonders in fortgeschrittenem Lebensalter. Sie stellen etwa 50 % der Schrittmacherindikationen dar. In 10 % treten AV-Blockierungen bei Patienten mit Sinusknotendysfunktion auf. Ursächlich können verschiedene strukturelle Herzerkrankungen oder AV-verzögernde Medikamente (z. B. Betablocker, Herzglykoside, herzwirksame Kalziumantagonisten, Antiarrhythmika) zu einem AV-Block führen. Chronische AV-Blockierungen treten meist durch degenerative Veränderungen mit Kalzifizierung und Fibrosierung des spezifischen Leitungssystems auf. Häufig wird ein AV-Block bei kalzifizierender Aortenklappenstenose beobachtet.
Einer besonderen Bedeutung kommt der AV-Blockierung während des akuten Myokardinfarktes zu. Ein AV-Block kann bei inferioren Myokardinfarkten, aber auch bei ausgedehnten anterioren Infarkten auftreten. Ein AV-Block I. Grades ist oft transient durch einen erhöhten Vagotonus bedingt. Höhergradige AV-Blockierungen beruhen auf einer Hypoxie, einer ischämievermittelten Adenosinausschüttung oder einem Gewebeuntergang. Angaben zur Inzidenz von AV-Blockierungen II.–III. Grades im Rahmen eines Myokardinfarktes variieren erheblich (4–30 %), sind aber in der heutigen Ära der perkutanen transluminalen Koronarangioplastie (PTCA) deutlich seltener geworden.
Darüber hinaus können akute AV-Blockierungen durch Entzündungen (z. B. Endokarditis, Myokarditis) entstehen. Im Rahmen einer Sarkoidose werden in bis zu 30 % Störungen der AV-Überleitung beobachtet. Seltenere Ursachen sind tumoröse Infiltrationen oder neuromuskuläre Erkrankungen (Tab. 5).
Ischämisch
Infektiös
Neuromyopathisch
Degenerativ
Rheumatisch
Pharmakainduziert
Tumorinfiltration

Klassifikation

AV-Block I. Grades
Beim AV-Block I. Grades wird jede atriale Erregung mit konstantem, jedoch verlängertem PQ-Intervall (> 200 ms) auf die Ventrikel übergeleitet (Abb. 1). Der ventrikuläre Rhythmus ist somit regelmäßig. Bei Patienten mit normaler QRS-Breite liegt in mehr als 90 % der Fälle die Leitungsverzögerung im AV-Knoten (verlängertes AH-Intervall) und nur selten im Bereich der Vorhöfe, des His-Bündels oder der Tawara-Schenkel. Bei Patienten mit Schenkelblock findet sich die Leitungsverzögerung in etwa 60 % der Fälle im Bereich des AV-Knotens, bei den übrigen Patienten im His-Purkinje-System.
AV-Block II. Grades
AV-Block II. Grades Typ Wenckebach (Mobitz I): Das PQ-Intervall verlängert sich progredient bis zu einem plötzlichen Block der atrioventrikulären Überleitung (Ausfall eines QRS-Komplexes) (Abb. 2). Die Länge der Wenckebach-Periodik kann dabei variieren. Bei normaler Breite des QRS-Komplexes ist der AV-Block Typ Wenckebach meist im AV-Knoten lokalisiert und kann physiologisch bei erhöhtem Vagotonus auftreten. Bei gleichzeitiger Verlängerung der QRS-Dauer kann die Blockierung im AV-Knoten, im His-Bündel (Intra-His-Block) oder unterhalb des His-Bündels liegen.
AV-Block II. Grades Typ Mobitz II: Es bestehen konstante PP-Intervalle und konstante PR-Intervalle bis zu einer nicht übergeleiteten Vorhoferregung mit fehlendem QRS-Komplex (Abb. 3). Die anatomische Lokalisation des Mobitz-Blocks befindet sich zumeist im oder unterhalb des His-Bündels. Der AV-Block II. Grades Typ Mobitz II geht im weiteren Verlauf häufig in einen kompletten AV-Block über.
2:1-AV-Blockierung: Bei einer 2:1-AV-Blockierung kann entweder ein zweitgradiger AV-Block Typ Mobitz I (Wenckebach) oder Mobitz II vorliegen. Die Differenzierung mit Hilfe des Oberflächen-EKGs ist dabei schwierig. Eine längere elektrokardiografische Registrierung mit Übergang in eine 3:2- oder 3:1-Blockierung kann Aufschluss geben, ggf. ist eine definitive Klärung jedoch nur durch eine intrakardiale Ableitung möglich. Folgt bei mehreren konsekutiven P-Wellen kein QRS-Komplex und liegt keine vollständige AV-Dissoziation (wie beim AV-Block III. Grades) vor, so spricht man von einer höhergradigen AV-Blockierung.
AV-Block III. Grades
Bei einem AV-Block III. Grades wird keine Vorhoferregung auf den Ventrikel übergeleitet. Es resultiert eine vollständige Dissoziation zwischen P-Wellen und QRS-Komplexen (Abb. 4). Der Kammerrhythmus kann auf einem junktionalen Ersatzrhythmus mit einer Herzfrequenz von etwa 40–60/min mit schmalem Kammerkomplex (bei fehlendem Schenkelblock) bzw. auf einem ventrikulären Ersatzrhythmus mit breitem Kammerkomplex und einer Herzfrequenz von 20–40/min beruhen. Ein angeborener kompletter AV-Block ist meist im AV-Knoten lokalisiert und präsentiert sich dann als junktionaler Ersatzrhythmus. Der erworbene AV-Block hingegen tritt in der Regel im His-Purkinje-System auf. Vom kompletten AV-Block muss differenzialdiagnostisch eine AV-Dissoziation bei Sinusbradykardie mit akzeleriertem idioventrikulären Rhythmus abgegrenzt werden, wobei in diesem Fall der Kammerrhythmus schneller als der Vorhofrhythmus ist.

Symptomatik

Bei höhergradigen AV-Blockierungen können ähnliche Symptome wie bei anderen bradykarden Herzrhythmusstörungen auftreten. In Abhängigkeit der Kammerfrequenz können Schwindel, Dyspnoe oder eine Leistungsminderung resultieren. Darüber hinaus sind bei plötzlich auftretendem, hochgradigen AV-Block Synkopen (Adams-Stokes-Anfall) charakteristisch.

Diagnostik

Labor
Bei der Einnahme AV-verzögernder Medikamente und Verdacht auf Überdosierung ist die Bestimmung von Serumspiegeln (z. B. bei Herzglykosiden) sinnvoll. Zudem sind eine Kontrolle der Serumelektrolyte und bei Verdacht auf eine ursächliche Grunderkrankung eine spezifische Labordiagnostik indiziert.
EKG
Das EKG stellt die Methode der Wahl zur Dokumentation von AV-Blockierungen dar. In Abhängigkeit der Häufigkeit können typische Blockbilder bereits im Ruhe- oder Langzeit-EKG erfasst werden. Kann bei rezidivierenden Synkopen unklarer Genese kein pathologischer Befund im Langzeit-EKG erhoben werden, dann ist bei einigen Patienten die Implantation eines Ereignisrekorders (Tab. 1) sinnvoll.
Elektrophysiologische Untersuchung
Bei einem dokumentierten symptomatischen AV-Block besteht keine Indikation zu einer invasiven elektrophysiologischen Untersuchung. Nur selten ist bei unklaren Beschwerden und bei Verdacht auf eine ursächliche AV-Überleitungsstörung die Durchführung einer invasiven Abklärung sinnvoll.
Obwohl eine invasive Abklärung die Lokalisation eines AV-Blocks im Bereich des AV-Knotens (verlängertes AH-Intervall), im His-Bündel oder unterhalb des His-Bündels (verlängertes HV-Intervall) ermöglicht, führt dies nur selten zu einer Änderung der Therapie.

Therapie

Akuttherapie
Bei akuten symptomatischen AV-Blockierungen besteht die Indikation zur intravenösen medikamentösen Beschleunigung der AV-Überleitung, vorzugsweise mit Atropin (Tab. 6). Ist akut keine medikamentöse Stabilisierung des Patienten möglich, so muss eine passagere transvenöse Schrittmacherstimulation erfolgen. Darüber hinaus besteht bei postoperativ neu aufgetretenem AV-Block III. Grades auch im asymptomatischen Stadium sowie periinfarziell bei Patienten mit AV-Block II. Grades Typ Mobitz II oder AV-Block III. Grades eine Indikation zur temporären transvenösen Schrittmacherstimulation.
Tab. 6
Akute (vorübergehende) medikamentöse Therapie bradykarder Herzrhythmusstörungen
Medikamente
Dosis
Parasympatholytika
 
Atropin
0,5–1,5 mg i.v. (Wiederholung bis max. 3 mg)
Sympathomimetika
 
Orciprenalin
0,25–0,5 mg i.v. (ggf. als Perfusor 10–30 μg/min)
Langzeittherapie
Nach Möglichkeit sollte die Therapie mit allen AV-verzögernden Medikamenten beendet werden. Ist eine Therapie mit bradykardisierenden Pharmaka unabdingbar, so kann sich bei höhergradiger AV-Blockierung hieraus eine Schrittmacherindikation ergeben. Insgesamt richtet sich die Entscheidung für eine Implantation eines Schrittmachers bei AV-Blockierungen nach Symptomatik und Prognose des Patienten (Tab. 7).
Tab. 7
Indikationen zur permanenten Schrittmacherimplantation bei AV-Block. (Nach Glikson et al. 2021)
Indikation
Empfehlungsgrad
Evidenzgrad
Bei Sinusrhythmus mit permanentem oder paroxysmalem AV-Block II. Grades Typ Mobitz II oder AV-Block III. Grades, infranodalem 2:1-Block oder hochgradigem AV-Block unabhängig von Symptomen
I
C
Bei atrialen Arrhythmien (v. a. Vorhofflimmern) und permanentem oder paroxysmalem AV-Block III. Grades (oder hohen Grades) unabhängig von Symptomen
I
C
Bei AV-Block II. Grades Typ Wenkebach, der Symptome verursacht oder in der elektrophysiologischen Untersuchung auf Intra- oder Infra-His-Niveau lokalisiert ist
IIa
C
Nach abgelaufenem Myokardinfarkt sollten Patienten mit persistierendem AV-Block II. oder III. Grades mit einem Schrittmacher, bei signifikant reduzierter systolischer Ejektionsfraktion ggf. mit einem implantierbaren Defibrillator versorgt werden. Das Zeitintervall zwischen Myokardinfarkt und Schrittmacherimplantation wird dabei in den Leitlinien der ESC mit 5 Tagen angegeben (Tab. 8) (Glikson et al. 2021). Generell sind bei AV-Blockierungen Zweikammerschrittmacher (DDD) vorzuziehen, um einen physiologischen Ablauf der Kontraktion zwischen Vorhöfen und Ventrikeln zu gewährleisten. Lediglich bei sehr seltener Schrittmacherabhängigkeit erscheint die Wahl des Schrittmachersystems von untergeordneter Bedeutung zu sein.
Tab. 8
Indikationen zur permanenten Schrittmacherimplantation nach akutem Myokardinfarkt. (Nach Glikson et al. 2021)
Indikation
Empfehlungsgrad
Evidenzgrad
Dieselbe Empfehlung wie in der Allgemeinbevölkerung, wenn der AV-Block nicht innerhalb von mindestens 5 Tagen nach Myokardinfarkt abklingt
I
C
Bei transientem infranodalem AV-Block mit begleitendem Schenkelblock
IIa
B
Bei vorbestehendem Schenkelblock und transientem AV-Block II. Grades Typ Mobitz II oder III. Grades
IIb
B

Prognose

AV-Blockierungen I. Grades und II. Grades Typ Wenckebach sind prognostisch günstig und treten häufig physiologisch bei Herzgesunden mit erhöhtem Vagotonus auf. Nur in Ausnahmefällen kommt es bei einem AV-Block II. Grades Typ Wenckebach, insbesondere in höherem Alter (> 70 Jahre) mit infranodaler Lokalisation, zu Symptomen einschließlich synkopaler Anfälle.
Der AV-Block II. Grades Typ Mobitz II geht nicht selten im weiteren Verlauf in einen kompletten AV-Block über und birgt die Gefahr eines Adams-Stokes-Anfalls. Bei natürlichem Verlauf liegt die 1-Jahres-Letalität des kompletten AV-Blocks bei etwa 50 %. Durch eine Schrittmacherimplantation kann die Überlebensrate dieser Patienten signifikant verbessert werden; die Prognose ist in Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Erkrankung jedoch schlechter als in der Normalbevölkerung. Im Gegensatz dazu wird bei periinfarziellen Leitungsstörungen und Bradykardien die Prognose wesentlich durch die Infarktgröße bestimmt, wobei Schrittmacher- (und ICD-)Implantationen wenig Auswirkungen auf die Prognose dieser Patienten haben.

Intraventrikuläre Leitungsstörungen

Epidemiologie und Pathophysiologie

Intraventrikuläre Leitungsstörungen und Schenkelblöcke sind häufig und treten insbesondere im höheren Lebensalter auf. Linksschenkelblöcke sind oft mit einer fortgeschrittenen dilatativen oder ischämischen Kardiomyopathie assoziiert und stellen bei diesen Patienten einen unabhängigen Risikofaktor dar. Komplette Rechtsschenkelblöcke (QRS-Komplex ≥ 120 ms) finden sich gehäuft bei Rechtsherzbelastung (z. B. Cor pulmonale) und nach kardiochirurgischen Korrekturoperationen (z. B. Fontan-Operation). Darüber hinaus können intraventrikuläre Leitungsstörungen intermittierend frequenzabhängig bei Überschreiten der Refraktärzeit des entsprechenden Faszikels auftreten (insbesondere als funktioneller Rechtsschenkelblock).
Bei einem isolierten asymptomatischen bifaszikulären Block (Abb. 5), auch mit begleitendem AV-Block I. Grades, wird das Risiko eines kompletten AV-Blocks als relativ gering eingeschätzt. Eine Ausnahme stellen Patienten mit bifaszikulärem Block und AV-Block I. Grades mit einem HV-Intervall > 100 ms sowie Patienten mit bifaszikulärem Block und einer Synkope unklarer Genese dar.
Bei intraventrikulären Blockierungen besteht die Gefahr, dass diese in einen trifaszikulären Block (Rechtschenkelblock mit linksanteriorem oder -posteriorem Hemiblock und AV-Block I. Grades) (Abb. 6) und dann in einen funktionell kompletten AV-Block übergehen. Das Risiko ist bei verschiedenen Leitungsstörungen unterschiedlich hoch.
Bei einem alternierenden Muster zwischen linkem und rechtem Faszikelblock besteht ein hohes Risiko für die Entwicklung eines kompletten AV-Blocks, da dies Ausdruck einer ausgedehnten Erkrankung des gesamten Reizleitungssystems ist.

Symptomatik

Beschwerden von Patienten mit intraventrikularen Leitungsstörungen sind zumeist durch die kardiale Grunderkrankung bedingt.

Diagnostik

Da bei Patienten mit intraventrikulären Leitungsstörungen meist eine strukturelle Herzerkrankung zugrunde liegt, sollte bei vorher nicht bekannten Schenkelblockbildern einer möglichen kardialen Erkrankung auf den Grund gegangen werden. Dies schließt insbesondere die Abklärung einer möglichen koronaren Herzerkrankung oder Kardiomyopathie mit ein.
EKG
Entsprechend der strukturellen Aufzweigung des spezifischen Leitungssystems im Bereich der Ventrikel in 3 Faszikel besteht ein monofaszikulärer intraventrikulärer Block bei einem kompletten Rechtsschenkelblock, einem linksanterioren Hemiblock oder einem linksposterioren Hemiblock.
Ein bifaszikulärer Block liegt bei einem kompletten Linksschenkelblock oder bei einem Rechtsschenkelblock in Kombination mit einem linksanterioren bzw. einem linksposterioren Hemiblock vor (bezüglich der genauen elektrokardiografischen Definitionen wird auf einschlägige EKG-Lehrbücher verwiesen). Bei symptomatischen Patienten ist die Durchführung eines Langzeit-EKGs zur Dokumentation kompletter AV-Blockierungen hilfreich.
Elektrophysiologische Untersuchung
Treten bei einem Patienten mit bifaszikulärem Block Symptome auf, für die es im Langzeit-EKG kein Korrelat gibt, so kann eine elektrophysiologische Untersuchung sinnvoll sein. Bei zusätzlichem Nachweis einer infranodalen AV-Leitungsstörung mit einem langen HV-Intervall (> 100 ms) kann sich eine Schrittmacherindikation ergeben.

Therapie

Akuttherapie
Geht ein bifaszikulärer Block akut in eine komplette AV-Blockierung über, können intravenös Vagolytika oder Sympathomimetika verabreicht werden (Tab. 6). Häufig sind diese Medikamente jedoch leider unwirksam. Mit Orciprenalin können jedoch sekundäre Schrittmacherzentren akzeleriert werden. Durch diesen beschleunigten Ersatzrhythmus kann ggf. die Zeit bis zur temporären oder permanenten Schrittmacherimplantation – die bei diesen Patienten meist erforderlich ist – überbrückt werden.
Langzeittherapie
Zur Langzeitbehandlung kann gemäß den Leitlinien der ESC (Tab. 9) die Implantation eines Schrittmachers bei trifaszikulärem Block, bifaszikulärem Block und AV-Block II. Grades Typ Mobitz II sowie bei symptomatischen Patienten mit bifaszikulärem Block und AV-Verzögerung mit verlängertem HV-Intervall (> 100 ms) indiziert sein (Glikson et al. 2021). Bei symptomatischen Patienten mit isoliertem bifaszikulären Block besteht eine relative Indikation zur Schrittmacherversorgung. Weiter sollte bei Patienten mit Schenkelblock und periinfarziellem transienten kompletten AV-Block aufgrund eines erhöhten Risikos eine Schrittmachertherapie erwogen werden.
Tab. 9
Indikationen zur permanenten Schrittmacherimplantation bei Patienten mit Schenkelblock. (Nach Glikson et al. 2021)
Indikation
Empfehlungsgrad
Evidenzgrad
Bei Synkope unklarer Genese und bifaszikulärem Block, wenn ein HV-Intervall von ≥ 70 ms oder ein intra- bzw. infrahissärer Block II. bzw. III. Grades während der inkrementellen atrialen Stimulation bzw. nach pharmakologischer Provokation vorliegt
I
B
Bei wechselndem Schenkelblock (mit und ohne Symptome)
I
C
Bei ausgewählten Patienten mit Synkope unklarer Genese und bifaszikulärem Block ohne elektrophysiologische Untersuchung (älterer, gebrechlicher Patient, Hochrisikosynkope und/oder rezidivierende Synkope)
IIb
B

Prognose

Bei Patienten mit wechselnden Blockbildern besteht eine erhöhte Inzidenz kompletter AV-Blockierungen. Bei Patienten mit Synkopen, bifaszikulärem Block und unauffälliger elektrophysiologischer Untersuchung konnte im Langzeitverlauf gezeigt werden, dass in 42 % der Fälle paroxysmale AV-Blockierungen und Asystolien auftraten. Insgesamt wird die Prognose von Patienten mit intraventrikulären Leitungsstörungen jedoch entscheidend von der kardialen Grunderkrankung bestimmt.

Bradyarrhythmia absoluta

Epidemiologie und Pathophysiologie

Eine Bradyarrhythmie bei Vorhofflimmern liegt bei einer mittleren Kammerfrequenz unter 60/min vor. Zumeist basiert das Vorhofflimmern bei diesen Patienten auf einer strukturellen Herzerkrankung. Darüber hinaus besteht eine Verzögerung der AV-Überleitung, die nicht selten medikamentös bedingt ist (z. B. Herzglykoside, Betablocker, Kalziumantagonisten). Aufgrund von häufigen intermittierenden tachykarden Phasen kann auf die bradykardisierende Medikation jedoch meist nicht verzichtet werden.

Symptomatik

Bei einer ausgeprägten Bradyarrhythmie bei Vorhofflimmern können – in Abhängigkeit der Kammerfrequenz – Schwindel, Leistungsminderung sowie klinische Zeichen einer Herzinsuffizienz auftreten.

Diagnostik

EKG
Im Oberflächen- oder Langzeit-EKG sind keine P-Wellen, sondern Vorhofflimmerwellen erkennbar. Eine Bradyarrhythmia absoluta wird klinisch meist erst symptomatisch bei einer mittleren Kammerfrequenz <40/min. Darüber hinaus können variable Pausen auftreten. Bei Vorhofflimmern gelten jedoch Pausen bis 2,8 s tagsüber und bis 4 s nachts als Normalbefund.
Bei Vorhofflimmern mit langsamer regelmäßiger Kammerfrequenz (meist Frequenzschwankung < 10 %) ist von einem kompletten AV-Block auszugehen.
Belastungs-EKG
Das Belastungs-EKG eignet sich zur Beurteilung des Herzfrequenzanstiegs unter körperlicher Anstrengung. Bei Patienten mit bradykardem Vorhofflimmern liegt nicht selten eine chronotrope Inkompetenz vor, die zu einer Leistungseinschränkung führen kann.

Therapie

Akuttherapie
Bei akut symptomatischen Bradykardien mit Schwindel oder Zeichen einer Herzinsuffizienz sollten Medikamente zur Beschleunigung der AV-Überleitung intravenös appliziert werden, z. B. Atropin (Tab. 6).
Langzeittherapie
Da eine Bradyarrhythmie bei Vorhofflimmern häufig auf einer Behandlung mit AV-verzögernden Medikamenten beruht, sollte zunächst überprüft werden, ob diese Medikamente abgesetzt werden können. Häufig ist eine Fortführung bradykardisierender Pharmaka jedoch aufgrund intermittierender tachykarder Phasen (Bradykardie-Tachykardie-Syndrom) erforderlich. Eine Indikation zur Schrittmacherimplantation besteht bei einer langsamen Kammerfrequenz und langen Pausen, die eindeutig in Zusammenhang mit Symptomen stehen (auch unter unverzichtbarer bradykardisierender Medikation).
Literatur
Glikson M, Nielsen JC, Kronborg MB et al (2021) 2021 ESC Guidelines on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy. Eur Heart J 42:3427–3520. https://​doi.​org/​10.​1093/​eurheartj/​ehab364CrossRefPubMed