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Klinische Kardiologie
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Publiziert am: 20.09.2022

Erworbene Erkrankungen der Mitralklappe

Verfasst von: Maria Isabel Körber und Stephan Baldus
Erworbene Erkrankungen der Mitralklappe umfassen die Mitralinsuffizienz und die Mitralstenose. Die weitere Einteilung der Mitralinsuffizienz in die primäre und sekundäre Form ist für die Behandlung von großer Bedeutung. Bei der primären MI ist ein Klappenanteil strukturell nicht funktionstüchtig und bedingt die Insuffizienz, am häufigsten ein Prolaps der Segel. Bei der sekundären MI ist die Klappe selbst intakt, aber eine zugrunde liegende Dilatation des linken Ventrikels (meist aufgrund einer Kardiomyopathie) oder des linken Atriums führen zu einer verminderten Koaptation der Klappensegel und hierdurch in der Folge zu einer Insuffizienz. Bei hochgradiger, symptomatischer primärer MI ist die Klappenrekonstruktion das Mittel der Wahl, bei der sekundären MI ist die Behandlung der zugrunde liegenden (systolischen) Herzinsuffizienz die führende Therapiestrategie.
Die klassische Mitralstenose ist durch die mittlerweile geringe Inzidenz des rheumatischen Fiebers selten. In Industrieländern nimmt die degenerativ-kalzifizierende Form hingegen zu. Bei der rheumatischen MS ist die perkutane Mitralklappenkommissurotomie zur initialen Behandlung die erste Wahl, wenn passende anatomische Kriterien vorliegen. Ansonsten ist ein operativer Mitralklappenersatz angezeigt. Wichtig im Hinblick auf die medikamentöse Therapie ist eine suffiziente Antikoagulation (mit Vitamin-K-Antagonisten!), da durch die Flusslimitierung im linken Vorhof bei Mitralstenose ein thrombogenes Milieu entsteht.

Mitralinsuffizienz

Definition

Die Mitralklappe besteht aus einem vorderen (anterioren) und hinteren (posterioren) Mitralklappensegel, die in den Mitralklappenannulus eingebettet sind, sowie dem subvalvulären Halteapparat (Sehnenfäden, Papillarmuskeln), der im linken Ventrikel inseriert (Abb. 1). Man unterscheidet primäre und sekundäre Sehnenfäden: Erstere setzen am freien Rand des Segels an und letztere inserieren am ventrikelseitigen Segelkörper. Sowohl die Segel selbst, der subvalvuläre Apparat als auch die Geometrie des linken Vorhofs und Ventrikels sind maßgeblich an der Funktion der Mitralklappe beteiligt.
Mitralinsuffizienz
Die Mitralinsuffizienz (MI) wird als Schlussunfähigkeit der Klappe definiert, wodurch ein Rückstrom von Blut in den linken Vorhof entsteht. Je nach Entstehungsmechanismus der Mitralinsuffizienz unterscheidet man grob zwei Formen: die primäre (degenerative) und sekundäre (funktionelle) MI.
Die Einteilung in eine primäre und sekundäre Mitralinsuffizienz ist essenziell, da sich die beiden Formen nicht nur anatomisch, sondern auch hinsichtlich Diagnostik, Therapie und Prognose wesentlich unterscheiden.

Primäre Mitralinsuffizienz

Bei der primären MI (auch organisch oder degenerativ genannt) liegt die Ursache der Schlussunfähigkeit im Klappenapparat selbst. Pathophysiologisch kann man myxomatöse, endokarditische und sklerotisch-degenerative Ursachen unterscheiden. Die myxomatöse Veränderung der Segel ist durch einen Überschuss an Gewebe gekennzeichnet, welcher je nach Ausmaß nur einzelne Anteile des hinteren oder vorderen Segels (Mitralklappenprolaps) oder aber alle Anteile beider Segel betrifft (Barlow-Erkrankung). Hier besteht jeweils ein Gewebeüberschuss sowohl der Segel als auch der Sehnenfäden, der mit dem Alter zunimmt. Der Mitralklappenprolaps ist in Industrieländern die häufigste Ursache für eine Mitralklappenoperation.
Mitralklappenprolaps
ist definiert als Vorwölbung eines Segelteils ≥2 mm der Klappenschlussebene.
Histologisch besteht eine Proliferation der Spongiosa des Mitralklappensegels mit Ablagerung von Mukopolysacchariden und Flüssigkeitseinlagerungen. Es kommt zudem zu einem Überschuss an Typ-III-Kollagen und es finden sich vermehrt aktivierte Bindegewebszellen sowie eine erhöhte Expression von Matrixmetalloproteinasen im Sinne eines erhöhten Gewebeumbaus (Prunotto et al. 2010). Die Sehnenfäden sind auch vom Gewebeüberschuss betroffen und können im späten Verlauf rupturieren. Hierdurch entsteht dann typischerweise ein durchschlagender Segelanteil („flail leaflet“), der nicht mehr am Papillarmuskel verankert ist (Abb. 2, Video 1 und 2).
Ruptur eines Sehnenfadens („flail leaflet“)
Im Gegensatz zum Prolaps verlässt hier die Segelspitze in der Systole den linken Ventrikel und lässt sich im LA nachweisen.
Seltenere Ursachen einer primären MI sind das rheumatische Fieber, die infektiöse Endokarditis, eine Papillarmuskelruptur oder ein systemischer Lupus erythematodes (Libman-Sacks-Endokarditis). Die Libman-Sacks-Endokarditis ist eine Form der abakteriellen Endokarditis, die mit fibrotischen Vegetationen der Mitralklappe einhergeht. Die Vegetationen bestehen aus thrombotischem Material, welches mit Immunkomplexen und Fibrin verwoben ist („weißer Thrombus“). Durch die Vegetationen besteht ein erhöhtes thromboembolisches Risiko und typischerweise sind auch die Papillarmuskeln betroffen (Abb. 3). Die infektiöse oder bakterielle Endokarditis ist eine Entzündung des Endokards, die typischerweise durch eine bakterielle Infektion (seltener durch Pilze) hervorgerufen wird. Durch eine Bakteriämie kommt es zur Ansiedlung der Erreger an endokardiale Strukturen, die bis zur Destruktion einzelner Klappenanteile mit konsekutiver MI führen kann (s. Kap. „Endokarditis“). Als seltene Komplikation eines akuten Myokardinfarkts kann es zur Ruptur eines Papillarmuskels (am häufigsten ist der posteromediale betroffen) und dadurch zu einer akuten MI kommen. Ursächlich ist hier die Nekrose des Papillarmuskels durch den stattgehabten Infarkt.

Sekundäre Mitralinsuffizienz

Bei der sekundären (auch funktionell genannten) MI ist die Mitralklappe selbst anatomisch intakt. Die Insuffizienz entsteht durch Änderung der Ventrikelgeometrie und eine dadurch sich ergebende Unausgewogenheit zwischen Zug- und Schlusskräften der Klappe. Zugrunde liegt hier ein ungünstiger Umbau des linken Ventrikels, z. B. im Rahmen einer dilatativen Kardiomyopathie oder nach (Hinterwand-)Infarkt. Bei letzterem kommt es typischerweise durch Narben im Bereich des Ansatzes des posteromedialen Papillarmuskels zu einer Zügelung des posterioren Segels („leaflet tethering“). Bei der dilatativen Kardiomyopathie kommt es durch Zug sowohl am anterioren als auch posterioren Segel zu einem Aufstellen der Segel im linken Ventrikel, was auch „tenting“ genannt wird (Abb. 4, Video 3). Die Koaptation der Segel ist bei beiden Morphologien deutlich eingeschränkt.
Neben dem linken Ventrikel ist aber auch die Geometrie des linken Vorhofs bedeutsam für die Funktion der Mitralklappe und kann eine sekundäre MI provozieren: Bei vergrößertem linken Vorhof, z. B. auf dem Boden von Vorhofflimmern, aber auch länger bestehender arterieller Hypertonie und restriktiven Erkrankungen des linken Ventrikels (restriktive Kardiomyopathie, kardiale Amyloidose) kann es zu einer bedeutsamen Dilatation des Mitralklappenannulus kommen, wodurch die Segelkoaptation vermindert ist.
Atriale Mitralinsuffizienz
Die atriale Mitralinsuffizienz ist definiert als Schlussunfähigkeit der Mitralklappe aufgrund eines vergrößerten Vorhofs
Die Carpentier-Klassifikation ist eine Einteilung der MI, die vom Herzchirurgen Alain Carpentier in den 1980er-Jahren beschrieben wurde und die die Pathophysiologie einbezieht. Sie illustriert nochmal sehr anschaulich die beiden führenden Mechanismen, die zur sekundären MI führen können (Carpentier Typ I mit Annulusdilatation und Carpentier Typ IIIb bei Zügelung der Segel, Abb. 5). Carpentier Typ II steht für eine primäre MI und Carpentier Typ IIIa beschreibt eine typischerweise rheumatisch veränderte Mitralklappe mit restriktivem Öffnungs- und Schlussverhalten der Segel.

Epidemiologie

Die MI ist die zweithäufigste Herzklappenerkrankung im Erwachsenenalter. Die Prävalenz beläuft sich auf etwa 2–3 %, wobei diese mit steigendem Patientenalter exponentiell zunimmt. Bei Menschen über 75 Jahren liegt die Häufigkeit bereits bei über 10 % (Nkomo et al. 2006). Eine MI ist auch die zweithäufigste Indikation für eine Herzklappenoperation in Europa (Iung et al. 2003). Die sekundäre MI ist in speziellen Patientenkohorten noch häufiger: Bei über 40 % der Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion findet sich eine MI Grad III oder IV, ein höherer Schweregrad der MI ist mit einer schlechteren NYHA-Klasse assoziiert. Bei bestehender optimaler medikamentöser Therapie ist selbst eine nur leichtgradige sekundäre MI mit schlechterem Überleben und höheren Rehospitalisierungsraten verbunden (Bursi et al. 2010; Goliasch et al. 2018).

Pathophysiologie

Eine relevante MI bedeutet für den linken Ventrikel eine durch das Regurgitationsvolumen provozierte Volumenüberladung. Dies führt zu hämodynamischen und myokardialen Anpassungsvorgängen. In der Frühphase kommt es durch die Volumenbelastung zu einer Vergrößerung des linken Ventrikels (exzentrische Hypertrophie) und das Schlagvolumen erhöht sich kompensatorisch. In der Phase der Kompensation bleibt die Wandspannung durch Zunahme der Wanddicke gemäß dem Laplace-Gesetz stabil und somit die Füllungsdrücke auch normal. Die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LV-EF) bleibt im kompensierten Status normal, ist kompensatorisch initial sogar oft hyperkontraktil. Die Vorlast nimmt bei fortbestehender und aggravierter MI aber kontinuierlich zu und die weitere Volumenüberladung kann im Verlauf dann zu einer Einschränkung der LV-EF und Dilatation des Ventrikels bei Erschöpfung der Kompensationsmechanismen führen. Hierdurch steigen dann die linksventrikulären Füllungsdrücke und es entsteht eine systolische Herzinsuffizienz. Die durch die o. g. Mechanismen beschriebene Steigerung des LA-Drucks kann zudem zu einer reaktiven Erhöhung des pulmonalvenösen Drucks führen (postkapilläre pulmonale Hypertonie).

Klinische Symptome

Die Ausprägung der klinischen Symptome korreliert mit dem Schweregrad der MI und auch dem Vorliegen einer begleitenden pulmonalen Hypertonie. Bei akuter MI sind die Patienten meist hoch symptomatisch, da Anpassungsvorgänge des linken Herzens – führend eine fehlende Compliance des linken Vorhofs – nicht helfen können. Oft ist die klinische Präsentation ein Lungenödem bzw. eine ausgeprägte pulmonale Stauung.
Bei chronischer, primärer MI sind die Patienten lange Zeit asymptomatisch, bis es zu einer linksventrikulären Vergrößerung, Einschränkung der systolischen Funktion und postkapillären pulmonalen Hypertonie kommt.
Cave
Der Übergang zur symptomatischen Phase der Mitralinsuffizienz ist für den Zeitpunkt einer evtl. Intervention besonders bedeutend, sodass eine sorgfältige Anamnese und regelmäßige Verlaufskontrollen wichtig sind.
Viele Patienten klagen über Luftnot bei körperlicher Belastung und über Fatigue. Eine weitere typische klinische Präsentation sind Palpitationen bei Auftreten von Vorhofflimmern. Wenn es bereits zu einer ausgeprägten linksventrikulären Dilatation und Einschränkung der systolischen Funktion gekommen ist, kann auch eine kardiale Dekompensation mit Lungenödem und schwerer pulmonaler Hypertonie folgen. Ein hypertensiver Blutdruck kann zu einer weiteren Verschlechterung der klinischen Beschwerden führen.
Die chronische, sekundäre MI unterstützt die Symptome der zugrunde liegenden, systolischen Einschränkung des linken Ventrikels. Die klinischen Symptome sind ähnlich und umfassen Luftnot bei Belastung bis hin zur pulmonalvenösen Stauung und Lungenödem.
Thromboembolische Ereignisse und – als Folge der pulmonalen Hypertonie – Rechtsherzinsuffizienz können zusätzlich auftreten, sind aber seltener als z. B. bei der Mitralstenose.

Diagnostik

Klinische Untersuchung

Die Zeichen einer MI in der klinischen Untersuchung sind oft subtil und abhängig vom Schweregrad. In der Auskultation des Herzens findet sich ein hochfrequentes Systolikum, dessen Dauer und Ausprägung von der Ursache der MI abhängt. Das Geräusch ist meist holosystolisch und am lautesten über dem Apex und wird in Exspiration leichter auskultierbar. Das Geräusch der MI ist im Gegensatz zur Aortenstenose hochfrequent und bandförmig. Wenn der MI-Jet in eine posterolaterale Richtung abweicht, hört man typischerweise eine Fortleitung des Geräuschs in die Axilla. Bei einem Mitralklappenprolaps kann ein mittsystolischer Klick zu hören sein, der mit dem maximalen Prolaps und dadurch entstehenden Zug an den Sehnenfäden entsteht. Geht der Patient in die Hocke, wird das Herzgeräusch bei MI lauter und auch der Klick kann hierdurch provoziert werden. Bei sekundärer MI auf dem Boden einer Herzinsuffizienz mit eingeschränkter systolischer Funktion ist das Geräusch leiser.

Röntgenthorax

Ein Röntgenthorax kann hilfreich sein, um Differenzialdiagnosen bei Luftnot abzuklären, kann aber eine MI nicht sicher diagnostizieren. Typische Befunde bei Vorliegen einer MI können eine Kardiomegalie oder bei dekompensierter MI eine pulmonalvenöse Stauung sein. Das rechte Herz ist meist von normaler Größe.

Elektrokardiogramm

Typische Befunde im EKG spiegeln die linksatriale Volumenbelastung wider. Die P-Welle verbreitert sich (>0,12 s in Ableitung II) und ist doppelgipfelig (P sinistroatriale). Zudem ist es wichtig, auf evtl. vorliegendes Vorhofflimmern zu achten.

Echokardiografie

Um die Verdachtsdiagnose einer MI zu bestätigen, ist die Echokardiografie das Mittel der Wahl. Initial ist eine transthorakale Echokardiografie indiziert, in der neben der MI wichtige andere Parameter wie u. a. die systolische LV-EF, die Dimensionen des linken Vorhofs und des linken Ventrikels bestimmt werden können. Zur Graduierung einer MI liegen prinzipiell 3 Schweregrade vor (leicht-, mittel-, hochgradig). Wichtige quantitative Parameter zur Bestimmung des Schweregrades sind die Vena contracta, das Regurgitationsvolumen und die effektive Regurgitationsöffnungsfläche (EROA). Die Vena contracta wird durch die Messung der engsten Stelle des Jets auf Ebene des Durchtritts durch die Klappe bestimmt. Zudem müssen aber auch qualitative und semiquantitative Variablen in die Einschätzung mit einfließen. Ein Überblick zur Quantifizierung der MI bietet Tab. 1.
Tab. 1
Echokardiografische Kriterien zur Bestimmung einer hochgradigen MI. (Adaptiert nach Lancellotti et al. 2010)
Klappenmorphologie
Flail Leaflet, rupturierter Papillarmuskel, visuell großer Koaptationsdefekt
Insuffizienzjet im Farbdoppler
Sehr großer oder exzentrischer Jet, der bis zum Dach des linken Vorhofs reicht
Große Konvergenzzone, holosystolisch
CW-Doppler-Signal des Insuffizienzjets
Dicht/ggf. dreieckig, holosystolisch
Breite der Vena contracta
≥7 mm (>8 mm, wenn biplan gemessen)
Pulmonalvenenfluss
Systolische Flussumkehr
Einstromsignal über Mitralklappe
E-Welle dominant mit einer Vmax ≥1,5 m/s
EROA („effective regurgitant orifice area“)
Primäre MI: ≥40 mm2
Sekundäre MIa: ≥20 mm2
Regurgitationsvolumen
Primäre MI: ≥60 ml
Sekundäre MIa: ≥30 ml
aDie Grenzwerte für EROA und Regurgitationsvolumen bei der sekundären MI werden in der aktuellen Leitlinie kritisch diskutiert. Es ist mittlerweile eher angesehen, dass eine EROA ≥30 mm2 mit einer hochgradigen, sekundären MI korreliert
Die transösophageale Echokardiografie ist nicht nur hilfreich, wenn die transthorakale Bildqualität eingeschränkt ist, sie hat wesentliche Bedeutung für die weitere Evaluation der Mitralklappenanatomie und Segelmorphologie (Unterscheidung zwischen sekundärer und primärer MI) und ist auch notwendig, um die Möglichkeit, Strategie und Erfolgswahrscheinlichkeit einer chirurgischen oder kathetergestützten Rekonstruktion einzuschätzen. Wichtige morphologische Unterschiede zwischen sekundärer und primärer MI fasst Tab. 2 zusammen.
Tab. 2
Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer MI anhand des Entstehungsmechanismus. (Adaptiert nach Nickenig et al. 2013)
Primäre (degenerative) MI
Sekundäre (funktionelle) MI
Degenerativ (verkalkte oder myxomatöse Segel) mit „flail leaflet“ (durchschlagende Klappenanteile), Prolaps
Dilatation des linken Ventrikels durch Kardiomyopathie, Myokarditis
Traumatisch bzw. nach akutem Herzinfarkt (rupturierte Chordae, Papillarmuskel)
Verzerrung des linken Ventrikels und subvalvulären Halteapparates durch Infarktnarbe, Aneurysma oder auch Dilatation des linken Ventrikels
Endokarditis (Perforation, rupturierte Chordae/Papillarmuskel)
Ausgeprägte Dilatation des linken Vorhofs
Rheumatisch, inflammatorisch (Lupus, Libman-Sacks-Endokarditis)
 
Zudem bietet die transösophageale Echokardiografie die Möglichkeit einer 3D-Rekonstruktion, welche einen „En-face-Blick“ (auch chirurgischer Blick genannt) vom linken Vorhof auf die Mitralklappe ermöglicht und die individuelle Anatomie noch weiter verdeutlicht (Abb. 6).
Bei Unklarheiten in der echokardiografischen Diagnostik kann als alternative Bildgebung eine kardiale Magnetresonanztomografie durchgeführt werden.

Labor

Bei asymptomatischen Patienten kann die Bestimmung des Brain Natriuretic Peptide (BNP) hilfreich sein.
Cave
Normale BNP-Werte sprechen für eine geringere Mortalität der Mitralinsuffizienz und rechtfertigen ein abwartendes, konservatives Vorgehen.

Stressechokardiografie

Eine Stressechokardiografie ist hilfreich bei klinischen Symptomen bei Belastung, die nicht zum Schweregrad der MI in Ruhe passen. Hier kann eine Zunahme der MI und des systolischen pulmonalarteriellen Drucks (>50 mmHg) erhoben werden. Sollte der Pulmonalarteriendruck unter Belastung signifikant ansteigen, ist dies mit einem reduzierten symptomfreien Überleben assoziiert (Magne et al. 2010; Bakkestrøm et al. 2018).

Invasive Hämodynamik/Herzkatheter

Eine invasive Diagnostik ist zur Diagnose einer MI primär nicht indiziert, bekommt aber Bedeutung bei Unklarheit der nichtinvasiven Untersuchungen. In der Rechtsherzkatheteruntersuchung kann eine überhöhte V-Welle (>40 mmHg) in der Verschlussdruckposition abgeleitet werden, als Ausdruck des durch das Regurgitationsvolumen bedingten Druckanstiegs im linken Vorhof (Abb. 7). Eine Evaluation der Hämodynamik unter Belastung (z. B. Rechtsherzkatheter mit Handgrip) kann – ähnlich wie die Stressechokardiografie – hilfreich sein, um eine Zunahme des linksventrikulären enddiastolischen Drucks und des Wedge-Drucks unter Belastung nachzuweisen. Bisher haben diese Stresstests für die Beurteilbarkeit der MI keine feste Verankerung in den Leitlinien. Das Vorliegen einer pulmonalen Hypertonie sollte invasiv bestätigt werden, wenn es das einzige Kriterium für die Operation einer primären MI ist, ansonsten ist dies nicht routinemäßig empfohlen. Eine Koronarangiografie zur Diagnostik einer evtl. ursächlichen koronaren Herzkrankheit ist indiziert bei sekundärer MI auf dem Boden einer Herzinsuffizienz mit reduzierter LV-EF und sollte ein Papillarmuskelabriss vorliegen.

Therapie

Therapie der primären Mitralinsuffizienz

Die Differenzierung zwischen primärer und sekundärer MI ist insbesondere bei der Therapie von Bedeutung. Die medikamentöse Therapie hat einen geringen Stellenwert bei der primären MI, da eine Intervention notwendig ist, um das ursächlich mechanische Problem zu beseitigen. Die medikamentöse Therapie richtet sich somit eher nach Begleiterkrankungen, wie z. B. einem vorliegenden Hypertonus. Eine Endokarditis-Prophylaxe ist bei Patienten mit MI nicht indiziert.
Indikation zur Intervention bei primärer Mitralinsuffizienz
Tab. 3 bietet eine Definition der unterschiedlichen Empfehlungsgrade und Evidenzgrade.
Tab. 3
Definition der Empfehlungsgrade und Evidenzgrade, wie sie in den europäischen Leitlinien angewendet werden
Empfehlungsgrade
I
Evidenz, dass eine Therapie/Maßnahme effektiv, nützlich oder heilsam ist
Wird empfohlen/ist indiziert
II
Widersprüchliche Evidenz und/oder Meinungen über den Nutzen einer Therapie/Maßnahme
 
II a
Evidenz/Meinungen favorisieren den Nutzen einer Maßnahme
Sollte erwogen werden
II b
Nutzen einer Maßnahme ist weniger gut durch Evidenz/Meinungen belegt
Kann erwogen werden
III
Evidenz, dass eine Therapie/Maßnahme nicht effektiv oder nützlich und im Einzelfall schädlich sein kann
Wird nicht empfohlen
Evidenzgrade
A
Daten aus mehreren, randomisierten klinischen Studien oder Metaanalysen liegen vor
B
Daten aus einer randomisierten klinischen Studie oder mehreren großen nichtrandomisierten Studien
C
Konsensusmeinung von Experten und/oder kleinen Studien, retrospektiven Studien oder Registern
Die Indikation zur Intervention ist dringlich bei Patienten mit akuter MI. Die häufigste Genese neben der Endokarditis ist die Ruptur eines Papillarmuskels, was in der Regel einen Klappenersatz erforderlich macht. Bei inoperablen Patienten beschreiben Einzelfallberichte die Möglichkeit einer kathetergestützten Rekonstruktion. Bei hochgradiger, chronischer MI besteht die Indikation zur Intervention grundsätzlich bei klinischer Symptomatik. Für die Patientenprognose wichtig und unabhängig von Symptomen ist die Funktionseinschränkung oder beginnende Dekompensation des linken Ventrikels.
Cave
Studien konnten zeigen, dass die Sterblichkeit von Patienten mit primärer MI 10 Jahre nach Diagnosestellung signifikant höher und getrieben ist durch die Entwicklung einer Herzinsuffizienz. Entsprechend hat die frühzeitige Beurteilung von Geometrie und Funktion des linken Ventrikels wesentliche Bedeutung in der Indikationsstellung der rekonstruktiven Therapie einer primären MI.
Das Vorliegen einer LV-EF ≤60 %, eines endsystolischen linksventrikulären Durchmessers (LVESD) ≥40 mm, eines Volumen des linken Vorhofs von ≥60 ml/m2 oder eines Durchmesser des linken Vorhofs ≥55 mm bzw. eines systolischen Pulmonalarteriendrucks (SPAP) >50mHg und eines Vorhofflimmerns ist mit einer schlechteren Prognose assoziiert, sodass in diesen Situationen eine chirurgische Rekonstruktion indiziert ist. Eine Zusammenfassung bietet Tab. 4. Die Empfehlungen zur Therapie bei beschwerdefreien Patienten beziehen sich immer auf die Rekonstruktion der Klappe. Die Rekonstruktion ist mit einem geringeren perioperativen Risiko verbunden und ist assoziiert mit positiven Umbauvorgängen des linken Ventrikels („reverse remodelling“). Zudem wird – abgesehen von einer kurzzeitigen, postoperativen, oralen Antikoagulation – die Notwendigkeit einer lebenslangen Antikoagulation im Gegensatz zum Mitralklappenersatz umgangen. Die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Rekonstruktion ist insgesamt abhängig von der Anatomie der Mitralklappe. Ein isolierter Prolaps des posterioren Segels, insbesondere beschränkt auf das mittlere Segelsegment (Segment P2), ist meist gut zu rekonstruieren, im Gegenteil zu einem ausgeprägten Prolaps beider Segel bzw. großem bis in die Kommissuren reichenden Prolaps oder rheumatisch oder infektiös degenerierten Segeln. Wie oben beschrieben gelten die Kriterien für die operative Therapie der asymptomatischen, hochgradigen, primären MI nur, wenn die Klappe mit >95 %iger Wahrscheinlichkeit rekonstruierbar ist und das Operationsrisiko unter 1 % liegt (ESC-Leitlinie).
Tab. 4
Empfehlungen zur Indikationsstellung einer operativen Mitralklappentherapie bei primärer MI nach den aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) (Vahanian et al. 2022)
Zusammenfassung der Empfehlung
(bei Vorliegen einer hochgradigen, primären MI)
Evidenzgrad der Empfehlung
Eine Mitralklappenoperation ist indiziert bei symptomatischen Patienten ohne hohes operatives Risiko
I B
Eine Mitralklappenoperation ist indiziert bei asymptomatischen Patienten mit Zeichen einer linksventrikulären Dysfunktion (LVESD ≥40 mm und/oder LV-EF ≤60 %)
I B
Eine Mitralklappenoperation sollte erwogen werden bei asymptomatischen Patienten mit erhaltener linksventrikulärer Funktion (LVESD <40 mm und LV-EF >60 %) und Vorhofflimmern oder pulmonaler Hypertonie (sPAP in Ruhe >50mmHg)
IIa B
Eine Mitralklappenrekonstruktion sollte erwogen werden in asymptomatischen Patienten mit niedrigem operativen Risiko mit LV-EF >60 %, LVESD <40 mm und signifikanter LA-Dilatation (Volumen indexiert ≥60 ml/m2 oder Diameter ≥55 mm), wenn die Operation in einem Herzklappenzentrum durchgeführt wird und eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit der Rekonstruktion besteht
IIa B
Eine kathetergestützte, segelbasierte Mitralklappenrekonstruktion kann bei symptomatischen Patienten, die echokardiografisch eine passende Mitralklappenmorphologie haben und inoperabel sind oder ein hohes operatives Risiko haben, erwogen werden
IIb B

Therapie der sekundären Mitralinsuffizienz

Cave
Das Vorliegen einer sekundären MI ist mit einer schlechteren Prognose assoziiert.
Nachdem häufig ursächlich eine chronische Herzinsuffizienz besteht, steht hier zunächst deren leitliniengerechte, medikamentöse Therapie im Vordergrund. Diese hat das Potenzial, auch die MI zu reduzieren: Die Verwendung von Sacubitril/Valsartan konnte in einer randomisierten Studie den Schweregrad der MI bei sekundärer MI signifikant reduzieren (Mullens und Martens 2019). Auch die kardiale Resynchronisation ist eine etablierte Therapiemöglichkeit zur Reduktion der MI sowie auch die Wiederherstellung von Sinusrhythmus bei Patienten mit einer Tachyarrhythmie (gerade im Rahmen einer Tachymyopathie).
Eine operative Therapie der sekundären MI kann dennoch indiziert sein, sollte der Patient trotz optimaler Herzinsuffizienztherapie weiterhin symptomatisch sein und/oder zeitgleich eine Myokardrevaskularisation notwendig sein. Insgesamt gibt es keine Daten randomisierter Studien, die zeigen, dass eine operative Rekonstruktion bei sekundärer MI der medikamentösen Therapie überlegen ist. So gibt es nur Beobachtungsdaten, die einen prognostischen Nutzen für eine kombinierte Revaskularisation und Mitralklappenrekonstruktion vermuten lassen (Deja et al. 2012). Eine Rekonstruktion der Klappe wird dem Klappenersatz auch hier – wenn möglich – aufgrund des niedrigeren perioperativen Risikos und der fehlenden Notwendigkeit zur lebenslangen Blutverdünnung vorgezogen. Wahrscheinlich gilt auch hier, dass die dauerhaft erfolgreiche Rekonstruktion das höhere Potenzial besitzt, zu günstigen Umbauvorgängen des linken Ventrikels beizutragen („reverse remodelling“). Generell bleibt eine Intervention/Operation somit Patienten vorbehalten, die trotz optimaler Herzinsuffizienztherapie weiterhin symptomatisch sind und in einem interdisziplinären Herzteam besprochen wurden. Eine Zusammenfassung über die Indikationsstellung bietet Tab. 5.
Tab. 5
Empfehlungen zur Indikationsstellung einer operativen Mitralklappentherapie bei sekundärer MI nach den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (Vahanian et al. 2022)
Zusammenfassung der Empfehlung
(bei Vorliegen einer hochgradigen, sekundären MI)
Evidenzgrad der Empfehlung
Empfehlungen für Patienten mit zeitgleich bestehender koronarer Herzkrankheit oder anderer interventionsbedürftiger Herzklappenerkrankung
Eine Mitralklappenoperation ist indiziert, wenn Patienten gleichzeitig eine Bypass-Operation oder andere kardiale Operation durchlaufen
I B
Bei symptomatischen Patienten, die inoperabel sind, sollten anhand individueller Charakteristika eine perkutane Koronarintervention (und/oder ein kathetergestützter Aortenklappenersatz) und ggf. anschließend eine kathetergestützte, segelbasierte Mitralklappenrekonstruktion durchgeführt werden
IIa C
Empfehlungen für Patienten ohne zeitgleich bestehende koronare Herzkrankheit oder andere interventionsbedürftige Herzklappenerkrankung
Eine kathetergestützte, segelbasierte Mitralklappenrekonstruktion sollte bei symptomatischen Patienten erwogen werden, wenn diese nicht operabel sind und Selektionskriterien für einen Nutzen der Therapie erfüllen (i. E. COAPT-Kriterien)
IIa B
Eine operative Mitralklappentherapie kann bei symptomatischen Patienten im Herzteam erwogen werden
IIb C
Bei symptomatischen Patienten, die inoperabel sind und nicht klar die spezifischen Kriterien der COAPT-Studie erfüllen, kann in ausgewählten Fällen eine kathetergestützte, segelbasierte Rekonstruktion oder eine andere kathetergestützte Therapie erwogen werden. Vorab sollte eine Herztransplantation oder ein ventrikuläres Unterstützungssystem evaluiert werden
IIb C

Kathetergestützte Reparatur der Mitralinsuffizienz

Segelbasierte Therapie
Die Bevölkerungsentwicklung einer alternden Gesellschaft begünstigt die steigende Prävalenz einer hochgradigen MI. Eine Observationsstudie aus den USA konnte zeigen, dass obwohl die MI eine prognoserelevante Erkrankung ist, nur ein sehr geringer Teil an Patienten (in dieser Studie 5 % mit sekundärer und 29 % mit primärer MI) tatsächlich einer operativen Behandlung zugeführt wird (Dziadzko et al. 2018). Daher haben sich in den letzten Jahren kathetergestützte Rekonstruktionsverfahren zur Behandlung der MI etabliert, um weniger invasive Alternativen anbieten zu können. Die segelbasierten – auch „edge to edge“ – Therapien imitieren den chirurgischen Ansatz der Segelannäherung mit einer Naht (Alfieri-Naht). Kurzgefasst wird über einen transvenösen Zugang eine Schleuse nach transseptaler Punktion in den linken Vorhof eingebracht. Über diese kann dann das entsprechende System, welches mit zwei Armen zum Aufladen der beiden Mitralklappensegel ausgestattet ist, über die Klappenebene in den linken Ventrikel vorgebracht werden. Unter Fluoroskopie- und Echokardiografie-Kontrolle werden die beiden Mitralklappensegel mit den Armen wie mit einer Klammer gegriffen und zusammengezogen, um so eine Gewebebrücke zu bilden (Abb. 8, Video 4). Diese Form der interventionellen Behandlung der sekundären MI wurde in der MITRA-FR- und der COAPT-Studie randomisiert gegen eine optimale medikamentöse Behandlung untersucht. Erstere hatte keinen Unterschied nach 12 Monaten hinsichtlich des primären Endpunktes (kombiniert Tod jeglicher Ursache und Hospitalisierung) zeigen können (54,6 % vs. 51,3 % [OR 1,16, 95 % CI 0,73−1,84; p=0,53]), letztere jedoch konnte einen signifikanten Vorteil der interventionellen Therapie mit dem MitraClip zeigen (primärer Endpunkt Hospitalisierung nach 24 Monaten: 35,8 % vs. 67,9 % [HR 0,53; 95 % CI 0,40–0,70, p<0,001]). Der Sicherheitsendpunkt (Komplikationsfreiheit in Bezug auf die Prozedur) betrug 96,6 % nach 12 Monaten. Auch das Sterberisiko war signifikant niedriger bei den Patienten in der Interventionsgruppe (29,1 % vs. 46,1 %). Der fehlende Vorteil der Therapie in der MITRA-FR-Studie wurde seither ausführlich diskutiert und könnte daran gelegen haben, dass die Einschlusskriterien auch Patienten mit sehr weit fortgeschrittener Herzinsuffizienz (schwer dilatierter linker Ventrikel) und anderen prognoselimitierenden Erkrankungen (schwere pulmonale Hypertonie [sPAP >70 mmHg], fortgeschrittene RV-Funktionsstörung, Lungenerkrankungen) zugelassen hatten. Nicht nur klinische Kriterien, sondern auch relevante echokardiografische Parameter wiesen Unterschiede in den beiden Studien auf. So hatten die COAPT-Patienten einen weniger stark dilatierten Ventrikel mit einer auf der anderen Seite größeren EROA. In diesem Zusammenhang wurde das Konzept der „proportionalen und dysproportionalen MI“ diskutiert. Bei relevanter sekundärer MI besteht nach diesem eine pathophysiologische Korrelation zwischen der EROA und dem linksventrikulär enddiastolischen Ventrikelvolumen. Erst wenn die EROA besonders groß im Verhältnis zur Ventrikelgröße (dem linksventrikulär enddiastolischen Volumen) ist (überproportional), kann ein bedeutsamer Nutzen (wie im COAPT-Kollektiv) der Klappenreparatur erwartet werden (Obadia et al. 2018; Stone et al. 2018; Grayburn et al. 2019).
Die kathetergestützte, segelbasierte Reparatur der Mitralklappe hat 2017 Einzug in die europäischen Leitlinienempfehlungen genommen und wurde aktuell in den amerikanischen Leitlinien und den aktuellen europäischen Leitlinien nochmals aufgewertet. Hier wurde eine Klasse II-A-Empfehlung für die kathetergestützte, segelbasierte Mitralklappenrekonstruktion ausgesprochen – in den USA unabhängig von der Ätiologie der MI, in Europa für die sekundäre MI.

Mitralklappenstenose

Mitralklappenstenose
Die Mitralklappenstenose (MS) ist definiert als Verengung der Mitralklappenöffnung. Hierdurch wird die diastolische Füllung des linken Ventrikels behindert.

Epidemiologie und Ätiologie

Frauen sind häufiger betroffen. Die häufigste Ursache – weltweit betrachtet – ist das rheumatische Fieber. Dessen Prävalenz ist in den Industrieländern auf der einen Seite deutlich gesunken, auf der anderen Seite hat beim älteren Patienten die degenerative MS in Assoziation mit schwerer Annulussklerose und -kalzifikation zugenommen. Seltenere Ursachen der MS sind eine vorangegangene Thoraxbestrahlung oder das Karzinoid (Hedinger-Syndrom). Letzteres, welches sich vorzugsweise an Trikuspidal- und Pulmonalklappe manifestiert, geht mit einer erhöhten Rigidität der Segel und konsekutiven Stenose einher.

Rheumatische Mitralstenose

Eine rheumatisch bedingte MS ist eine chronische Erkrankung, die über Jahre progressiv verläuft. Bei der rheumatischen Herzklappenerkrankung spielt eine übersteigerte Immunantwort auf spezifische bakterielle Epitope eine wichtige Rolle. Der entzündliche Prozess an den Herzklappen ist vermutlich einer Kreuzreaktivität zwischen Streptokokkenantigen und Klappengewebe (Zielepitop kardiales Myosin) geschuldet. Bei der betroffenen Mitralklappe beginnen sich die Segel entlang der Koaptationslinie zu verdicken. Im inflammatorischen Milieu sammeln sich B-Lymphozyten und Makrophagen. Letztere produzieren Interleukin-beta, welches Matrixmetalloproteinasen sowie Rekrutierung und Proliferation von Fibroblasten induziert. Auch eine hohe Expression von TGF-beta ist assoziiert mit Aktivierung von Myofibroblasten und einer überschießenden Kollagenproduktion. Hierdurch entstehen Verdickung, Fibrosierung und Kalzifizierung der Segel, eine Verschmelzung der Kommissuren und im weiteren Verlauf auch der subvalvulären Strukturen (Sehnenfäden, Papillarmuskel), sodass die Mitralklappe ihre normale Morphologie und Elastizität verliert. Bei fortgeschrittener Erkrankung entwickelt sich eine verengte Klappe mit symmetrischer, ovaler und nur zentral verbleibender Öffnung, mit einer klassischen restriktiven Öffnungsbewegung in der Diastole (sog. Doming) (Abb. 9 und Video 5).

Mitralklappenannulusverkalkung

Bei Kalzifizierung des Mitralklappenannulus (MAC, „mitral annular calcification“) als Ursache einer MS kommt es zu zunehmender Einlagerung von Kalzium entlang des Mitralrings, typischerweise C-förmig. Die Ursache ist nicht abschließend geklärt, man geht aber von einem der Arteriosklerose ähnlichen Prozess – in Analogie zu den histologischen Charakteristika bei kalzifizierender Aortenklappenstenose – aus.

Pathophysiologie

Hämodynamisch kommt es bei einer MS zu einem erhöhten Drucksprung über der Mitralklappe. Dieser Druckgradient ist neben dem Schweregrad der MS abhängig von Herzzeitvolumen und Herzfrequenz. Der entstehende erhöhte Druck im linken Vorhof ist daher bei leichtgradigen Formen der MS in Ruhe noch normal, erhöht sich aber bei Belastung. Bei fortgeschrittenen Formen ist der linksatriale Druck bereits in Ruhe erhöht. Neben körperlicher Belastung erhöht sich der transmitrale Gradient auch bei Schwangeren oder bei vorliegender Anämie aufgrund des erhöhten Herzzeitvolumens. Eine Tachykardie (z. B. im Rahmen von körperlicher Aktivität, aber auch bei nicht frequenzkontrolliertem Vorhofflimmern) aggraviert die Symptomatik durch Reduktion der Diastolendauer wesentlich. Die linksventrikulären Drücke sind bei isolierter MS meist normal bis niedrig.
Der erhöhte linksatriale Druck führt zu Umbauvorgängen (atriales Remodelling), welche das Auftreten von Vorhofflimmern und thromboembolischen Ereignissen begünstigen. Je niedriger die Compliance des linken Vorhofs, desto eher kommt es zu erhöhten pulmonalvenösen Drücken und der Entwicklung einer postkapillären pulmonalen Hypertonie. Der pulmonalarterielle Druck steigt hier passiv. Im Verlauf kann es zu einer Druckbelastung des rechten Ventrikels und in der Folge zu rechtsventrikulärer Hypertrophie und Vergrößerung des rechten Ventrikels kommen – in letzter Konsequenz auch zur Rechtsherzinsuffizienz. Entscheidend in der Therapie der postkapillären pulmonalen Hypertonie ist die rechtzeitige Behandlung der MS.

Klinische Präsentation

Die typischen Symptome einer MS sind Luftnot bei Belastung und eine Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit. Luftnot entsteht durch den erhöhten linksatrialen Druck und die pulmonale Hypertonie und besteht bei etwa 70 % der symptomatischen Patienten (Horstkotte et al. 1991). Des Weiteren können seltener Hämoptysen und pulmonale Stauung oder bei Rechtsherzinsuffizienz auch Ödeme auftreten. Die Ausprägung der Symptome korreliert mit dem Schweregrad der Stenose, jedoch ist aufgrund der chronischen Entwicklung die Wahrnehmung des Patienten oft verschleiert. Das macht eine sorgfältige Anamnese, um Symptome auszuschließen, bedeutsam.
Cave
Wichtig ist, dass sich die Prognose mit dem Auftreten von Symptomen der Mitralstenose deutlich verschlechtert. Die funktionelle Kapazität verringert sich und damit steigt die Gesamtmortalität. Weiter verschlechtern das Auftreten von Vorhofflimmern und eine schwere pulmonale Hypertonie die Prognose.
Die unbehandelte MS hat eine ungünstige Prognose: Bei Patienten mit hochgradiger MS, die eine Behandlung abgelehnt hatten, waren die 5- bzw. 10-Jahres-Überlebensraten 44 % bzw. 32 % (Horstkotte et al. 1991).
Die wichtigsten klinischen Komplikationen sind das Auftreten von Vorhofflimmern, welches selbst in vorher asymptomatischen Patienten meist zu einer klinischen Verschlechterung führt, sowie das Auftreten thromboembolischer Komplikationen. Vorhofflimmern tritt häufiger bei älteren Patienten auf und auch mit zunehmender Größe des linken Vorhofs. Durch die fehlende atriale Kontraktion und die oft beschleunigte Kammerfrequenz aggravieren sich hierdurch die hämodynamischen Konsequenzen der MS, sodass dies häufig zu einer linkskardialen Dekompensation führt. Nicht selten ist auch eine zerebrale Ischämie durch linksatriale Thrombusformation in Gegenwart von Vorhofflimmern das Erstsymptom einer hämodynamisch relevanten MS.

Diagnostik

Körperliche Untersuchung

Die Merkmale in der körperlichen Untersuchung sind – solange keine langjährige, schwere MS besteht – häufig subtil. Bei vorliegender pulmonaler Hypertonie und vermindertem Herzzeitvolumen kann eine kutane Vasodilatation in den typischen pinken Wangen (Fazies mitralis) resultieren. Zudem kann ein prominenter Jugularvenenpuls vorliegen. In der Auskultation des Herzens findet man ein niedrigfrequentes Frühdiastolikum, das am Apex und in Linksseitenlage des Patienten am prominentesten zu hören ist. Die Dauer des Geräuschs ist bei leichtgradiger Stenose kürzer als bei hochgradiger Stenose. Dieses Geräusch wird eingeleitet durch einen frühdiastolischen Mitralöffnungston und einen paukenden ersten Herzton – beides als Ausdruck des Umschlagens der in ihrer Compliance eingeschränkten Segel zu Beginn von Diastole und Systole.

Elektrokardiogramm

Die Durchführung eines EKG ist insbesondere von Bedeutung, um das Vorliegen von Vorhofflimmern zu detektieren. Weitere Auffälligkeiten können eine breite (>0,12 s in Ableitung II) und zweigipflige P-Welle (P sinistroatriale) durch die linksatriale Vergrößerung und Hypertrophie sein.

Röntgenthorax

Eine Röntgenaufnahme des Thorax ist zur Differenzialdiagnostik bei Herzinsuffizienzsymptomen indiziert. Bei höhergradiger MS können eine linksatriale Dilatation, prominente Pulmonalarterie und pulmonalvenöse Stauung sichtbar sein.

Echokardiografie

Bei Verdacht auf das Vorliegen einer MS wird als Goldstandard der Diagnostik die transthorakale Echokardiografie durchgeführt.
Hochgradige Mitralstenose
ist definiert als eine Mitralklappenöffnungsfläche (MÖF) ≤1,5 cm2.
Die normale Mitralklappe hat eine Öffnungsfläche von etwa 4 cm2. Der mittlere Druckgradient über die Mitralklappe beträgt bei hochgradigem Vitium ≥5–10 mmHg. Nachdem dieser jedoch mit Herzfrequenz und Schlagvolumen variiert, wird er nicht alleine für die Diagnose verwendet. Die MÖF kann mit der „pressure half time“ (PHT) berechnet werden: MÖF = 220/PHT gilt als Grenzwert für eine hochgradige Stenose. Für die hämodynamische Relevanz ist auch der echokardiografisch gemessene, pulmonale Druck bedeutend. Wenn sich in der transthorakalen Echokardiografie der Verdacht auf eine MS zeigt, sollte eine transösophageale Echokardiografie (TEE) angeschlossen werden, um eine suffiziente Planimetrie der Klappenöffnungsfläche – bestenfalls mittels 3D-Rekonstruktion – durchzuführen (Abb. 10). Die 3-dimensionale Planimetrie erlaubt einen genauen Schnitt auf Ebene der Segelspitzen, die beim rheumatischen Vitium die geringste Öffnung darstellen. In der Bildgebung sollte auch sorgfältig auf das zeitgleiche Vorhandensein einer Mitralinsuffizienz geachtet werden. Bei hämodynamischer Relevanz einer (chronischen) MS zeigen sich meist eine ausgeprägte Dilatation des linken Vorhofs und ein langsamer linksatrialer Fluss. Hierdurch besteht ein erhöhtes Risiko für thromboembolische Ereignisse, sodass in der TEE auch auf Spontanechos und Thromben insbesondere im linken Vorhofohr geachtet werden muss. Zudem liefert die TEE bei rheumatischem Vitium wichtige Informationen zu einer möglichen Verschmelzung der Kommissuren sowie zur Morphologie der Segel und des subvalvulären Apparats.
Typische echokardiografische Kriterien für das Vorliegen einer hochgradigen MS zeigt Tab. 6.
Tab. 6
Typische echokardiografische Kriterien bei Vorliegen einer hochgradigen Mitralklappenstenose
Klappenmorphologie
• Verschmelzung der Kommissuren bzw. restriktives Öffnungsmuster („doming“) in der Diastole bei rheumatischem Vitium
• Ausgeprägte Kalzifizierung des Mitralklappenrings bei MAC
• MVA planimetrisch ≤1,5 cm2
Hämodynamische Messungen
• MVA (PHT) ≤1,5 cm2
• Diastolische PHT ≥150 ms
• Mittlerer Druckgradient >10 mmHg
Hämodynamische Konsequenzen
• Erhöhter PAP systolisch (>30 mmHg)
• Ausgeprägte LA-Dilatation
• Spontanechos im LAA oder LA
LA linkes Atrium; LAA linkes Vorhofohr; MAC Kalzifizierung des Mitralklappenannulus; MVA „mitral valve area“; PHT „pressure half time“; PAP pulmonalarterieller Druck

Invasive Hämodynamik/Herzkatheter

Durch Fortschritte in der Echokardiografie hat die invasive Diagnostik etwas an Stellenwert verloren. Allerdings sollte diese bei Diskrepanzen zwischen der klinischen Symptomatik des Patienten und echokardiografisch gemessenen Werten durchgeführt werden. Es wird dann eine simultane Druckmessung des linksventrikulären und linksatrialen Drucks durchgeführt. Typischerweise zeigt sich ein Druckgradient in der Diastole, der in der frühen Phase am stärksten ausgeprägt ist, sich dann reduziert und am Ende durch die atriale Kontraktion (a-Welle) noch einmal ansteigt (Abb. 11). Die diastolische Füllungsperiode (DFP) gibt die Zeit der Diastole in Sekunden an. Mit der Gorlin-Formel kann man hieraus dann die MÖF berechnen: MÖF = Cardiac Index/(37,7 × DFP × Herzfrequenz × Quadratwurzel des mittleren Druckgradienten).

Computertomografie

In der Diagnostik einer degenerativ bedingten MS kann auch eine kardiale CT hilfreich sein. Der Mitralklappenannulus und das Ausmaß dessen Kalzifizierung kann hier sehr detailliert dargestellt werden. Insbesondere für die Planung einer evtl. kathetergestützten Therapie kann dies sehr wichtig sein.

Therapie

Eine MS ist ein mechanisches Problem, sodass nur eine Intervention (ob operativ oder kathetergestützt) die Prognose von betroffenen Patienten wirksam verbessert. Eine operative Therapie ist generell symptomatischen Patienten mit hämodynamisch relevanter MS vorbehalten (MÖF ≤1,5 cm2). Eine perkutane Mitralklappenkommissurotomie (PMC) kann allerdings auch bei Patienten mit rheumatischer MS und MÖF >1,5 cm2 indiziert sein, wenn die klinischen Symptome des Patienten nicht anderweitig erklärt werden können. Bei asymptomatischen Patienten ist eine regelmäßige klinische und echokardiografische Kontrolle angezeigt, um das Fortschreiten der Erkrankung zu überwachen. Bei hochgradiger Stenose sollte diese Kontrolle jährlich stattfinden.

Medikamentöse Therapie

Medikamente wie Diuretika, Betablocker oder andere frequenzkontrollierende Präparate (z. B. Ivabradin) können Symptome lindern. Ein prognostischer Nutzen besteht aber für die medikamentöse Therapie – ausgenommen der oralen Antikoagulation – nicht.
Cave
Die orale Antikoagulation ist bei Patienten im Sinusrhythmus indiziert, wenn bereits eine Embolie stattgefunden hat oder ein Thrombus im linken Vorhof besteht (Empfehlung Klasse I). Sie sollte auch erwogen werden bei deutlichen Spontanechos im TEE sowie bei vergrößertem linkem Vorhof (>60 ml/m2) (Empfehlung IIa). Wichtig ist, dass Patienten mit MS einen Vitamin-K-Antagonisten erhalten, kein Nicht-Vitamin-K-abhängiges Antikoagulans (NOAC). So waren diese Substanzen bei MS in allen bisherigen Zulassungsstudien von NOACs explizit ausgeschlossen.

Perkutane Mitralklappenkommissurotomie

Die perkutane Mitralklappenkommissurotomie (PMC) ist bei der rheumatischen MS die Therapie der Wahl. Sie wird bei günstigen klinischen und anatomischen Kriterien dem chirurgischen Klappenersatz vorgezogen. Ungünstige Kriterien für eine erfolgreiche PMC sind klinisch: fortgeschrittenes Alter, bereits stattgehabte Kommissurotomie, NYHA-Klasse IV, permanentes Vorhofflimmern, schwere pulmonale Hypertonie. Anatomisch-morphologische Kriterien für eine erfolgreiche PMC sind: Echo Score Revisited >8, Cormier-Score 3 (Kalzifikation der Mitralklappe jeglichen Ausmaßes in der Fluoroskopie), sehr geringe MÖF. Einen Überblick über die Scores zur Vorhersagewahrscheinlichkeit eines guten Ergebnisses nach PMC bieten die Tab. 7, 8 und 9.
Tab. 7
Wilkins-Score zur Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit nach PMC. (Wilkins et al. 1988)
 
Mobilität
Dicke
Kalzifizierung
Subvalvuläre Beteiligung
1
Hoch mobile Klappe, nur die Segelspitzen sind eingeschränkt
Nahezu normale Segeldicke (4–5 mm)
Einzelner Bereich mit erhöhtem Echosignal
Minimal, direkt unterhalb der Klappe
2
Segelmitte und -basis haben normale Beweglichkeit
Mittlere Segel normal, Ränder 5–8 mm
Vereinzelte Areale mit erhöhtem Echosignal, nur an den Rändern
Verdickung des ersten subvalvulären Drittels der Sehnenfäden
3
Klappe bewegt sich in der Diastole weiter vorwärts, hauptsächlich von der Basis
Gesamtes Segel verdickt (5–8 mm)
Erhöhtes Signal bis zur Mitte der Segel vorhanden
Verdickung bis zum distalen Drittel der Sehnenfäden
4
Kein oder nur sehr geringe Vorwärtsbewegung in der Diastole
Schwere Verdickung der Segel (>8–10 mm)
Erhöhtes Signal im Großteil der Segel
Ausgeprägte Verdickung und Verkürzung der gesamten Sehnenfäden, bis zu den Papillarmuskeln
Die Summe der vier Kategorien bildet den Score-Wert (von 4–16). Je höher der Score, desto geringer die Erfolgswahrscheinlichkeit einer PMC
Tab. 8
Cormier-Score zur Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit nach PMC. (Adaptiert nach Iung et al. 1996)
Echokardiografische Einteilung
Mitralklappenanatomie
Gruppe 1
Bewegliches, nichtkalzifiziertes anteriores Segel und milde subvalvuläre Beteiligung (dünne Sehnenfäden, länger als 10 mm)
Gruppe 2
Bewegliches, nichtkalzifiziertes anteriores Segel und ausgeprägte subvalvuläre Beteiligung
Gruppe 3
Vorliegen von Kalzifikation in der Fluoroskopie, unabhängig von der subvalvulären Beteiligung
Tab. 9
Echo Score Revisited zur Vorhersage unerwünschter Ereignisse nach PMC. (Nunes et al. 2014)
Echokardiografische Kriterien
Punkte
MVA ≤1 cm2
2
Maximale Verschiebung der Klappensegel ≤12 mm
3
Kommissurale Flächenratio ≥1,25
3
Subvalvuläre Beteiligung
3
MVA „mitral valve area“
Tab. 10
Empfehlungen zur Indikationsstellung einer perkutanen Mitralklappenkommissurotomie (PMC) bei hochgradiger Mitralstenose nach den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (Vahanian et al. 2022)
Zusammenfassung der Empfehlung
(bei Vorliegen einer MVA ≤1,5 cm2)
Evidenzgrad der Empfehlung
PMC ist indiziert bei symptomatischen Patienten ohne ungünstige Kriterien
I B
PMC ist indiziert bei symptomatischen Patienten mit Kontraindikation für eine Operation oder hohem perioperativen Risiko
I C
Eine Mitralklappenoperation ist indiziert bei symptomatischen Patienten, die eine Kontraindikation für eine PMC haben
I C
PMC sollte bei symptomatischen Patienten mit suboptimaler Anatomie, aber keinem ungünstigen Kriterium als initiale Behandlung erwogen werden
IIa C
PMC sollte bei asymptomatischen Patienten ohne ungünstige klinische oder anatomische Kriterien erwogen werden, wenn mind. einer der folgenden Punkte vorliegt:
• Hohes thromboembolisches Risiko (stattgehabte Embolie, dichte Spontanechos im linken Vorhof, neu aufgetretenes oder paroxysmales Vorhofflimmern)
• Hohes Risiko für eine hämodynamische Dekompensation (sPAP >50 mmHg in Ruhe, Notwendigkeit einer nichtkardialen größeren Operation, Kinderwunsch)
IIa C
Bei der PMC wird über einen transseptalen Zugang ein Ballon vom linken Vorhof über die stenosierte Mitralklappe in den linken Ventrikel gebracht. Dieser Ballon wird dann auf Höhe der Mitralklappe mehrfach in- und deflatiert, um so die fusionierten Kommissuren zu separieren. Invasiv wird als Erfolgsparameter der transmitrale Druckgradient gemessen. Vor der Prozedur muss ein LAA-Thrombus mittels TEE ausgeschlossen werden.
Die kurzfristige Erfolgsrate ist sehr hoch. Meist kann eine Vergrößerung der MÖF auf etwa 2 cm2 erreicht werden und dadurch eine Verringerung des linksatrialen Drucks, eine Verbesserung des atrialen Remodellings und eine Verminderung der pulmonalen Hypertonie (Stefanadis et al. 1998). In einer Arbeit, in der über 700 Patienten nachverfolgt wurden, konnte man ein Event-freies Überleben (Überleben und kein Mitralklappen-Reeingriff) nach 1 Jahr von 80 % und nach 4 Jahren von 60 % zeigen (Dean et al. 1996). Die Notwendigkeit eines Zweiteingriffs steigt mit der Lebenserwartung. In einer Kohorte von über 900 Patienten mit initial erfolgreicher PMC hatten nach 12 Jahren 38 % eine Reintervention erhalten (Bouleti et al. 2013) und knapp die Hälfte war nach 20 Jahren frei von einer kardiovaskulären Operation.
Kontraindikationen für eine PMC sind:
  • linksatrialer Thrombus,
  • Vorhandensein einer mehr als leichtgradigen Mitralinsuffizienz,
  • schwere oder bikommissurale Kalzifikation,
  • zeitgleich bestehendes hochgradiges Aortenklappenvitium oder hochgradige Trikuspidalklappenstenose/-insuffizienz,
  • zeitgleich bestehende koronare Herzkrankheit, die eine Bypass-Operation notwendig macht.
Eine Zusammenfassung zur Indikationsstellung bei hochgradiger MS – nach den aktuellen europäischen Leitlinien – bietet Tab. 10.

Therapie der degenerativ bedingten Mitralstenose

Die degenerativ bedingte MS stellt eine eigene Entität dar und unterscheidet sich grundlegend von der rheumatischen MS. Die Prognose ist meist limitiert (Kato et al. 2020). Eine kathetergestützte Kommissurotomie ist aufgrund des Kalzifizierungsgrades und fehlender Fusion der Kommissuren nicht möglich. Zudem liegt meist ein hohes operatives Risiko aufgrund des fortgeschrittenen Alters und Komorbiditäten der Betroffenen vor. Auch andere Therapiemöglichkeiten sind daher mit einem hohen Risiko vergesellschaftet. Bei symptomatischen, inoperablen Patienten kann im Einzelfall eine kathetergestützte Implantation einer biologischen Aortenklappenprothese (TAVI) in den verkalkten Mitralklappenannulus durchgeführt werden. Hierfür ist eine sorgfältige Planung mittels multimodaler Bildgebung (CT, Echokardiografie, Linksherzkatheter) an einem erfahrenen Klappenzentrum notwendig. Die periinterventionellen Risiken sind bis dato hoch und die 30-Tages-Mortalität liegt weiterhin bei über 20 % (Guerrero et al. 2020). Mit optimierter Patientenselektion und wachsender Erfahrung lassen sich aber mittlerweile gute technische Erfolge erzielen (Guerrero et al. 2018). Eventuell werden zukünftig dezidierte Mitralklappenprothesen, die kathetergestützt eingesetzt werden können, eine wichtige alternative Behandlungsoption.
Zusammenfassung aktueller Leitlinien
Zusammenfassend ist die Indikationsstellung für die Intervention der primären MI mittlerweile sehr liberal, einen frühestmöglichen Zeitpunkt zu wählen, solange eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Rekonstruktion besteht. Es gilt hier insbesondere eine Belastung des linken Ventrikels durch Einschränkung der systolische LV-Funktion <60 % oder linksventrikuläre bzw. linksatriale Dilatation zu überprüfen. Auch das Vorhandensein einer pulmonalen Hypertonie (>50 mmHg) befürwortet beim asymptomatischen Patienten einen Eingriff. Bei der sekundären MI steht die medikamentöse Herzinsuffizienztherapie im Vordergrund und eine Intervention ist symptomatischen Patienten und einer guten Selektion hinsichtlich klinischer und echokardiografischer Parameter vorbehalten. Eine Zusammenfassung zur Indikationsstellung bei primärer und sekundärer MI bieten Tab. 4 und 5.
Die rheumatische Mitralklappenstenose ist in Industrieländern seltener geworden, dafür kann man einen Anstieg der degenerativen Mitralklappenstenosen beobachten. Für die rheumatische Mitralklappenstenose ist die perkutane Kommissurotomie die initiale Therapie der Wahl. Insbesondere wichtig ist bei Mitralstenosen, dass eine adäquate Antikoagulation (mit Vitamin-K-Antagonisten) bei Vorhofflimmern oder Nachweis von Thromben im linken Vorhof besteht.

Ergänzende Information

Video 1 Beispiel eines Mitralklappenflails in der transösophagealen Echokardiografie (AVI 20322 kb)
Video 2 Beispiel eines Mitralklappenprolaps in der transösophagealen Echokardiografie (AVI 23133 kb)
Video 3 Beispiel einer sekundären Mitralinsuffizienz mit Tenting der Segel (AVI 24874 kb)
Video 4 3D-Rekonstruktion nach erfolgreichem Ablösen eines Devices, Gewebebrücke zentral, intraprozedurale transösophageale Echokardiografie (AVI 6816 kb)
Video 5 Beispiel einer rheumatischen Mitralklappenstenose mit restriktiver Öffnung der Segel („doming“), zudem sieht man den langsamen Fluss (Spontanechos) im linken Vorhof als typischen Befund (AVI 24238 kb)
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