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Klinische Kardiologie
Info
Publiziert am: 14.01.2022

Kardiales Trauma

Verfasst von: Uta C. Hoppe
Thoraxverletzungen sind für 25 % aller traumatisch bedingten Todesfälle verantwortlich. Hiervon sind je nach Art der Gewalteinwirkung bis zu 95 % auf kardiale Verletzungen zurückzuführen. Eine Herzbeteiligung kann sowohl bei penetrierenden als auch bei stumpfen Traumen auftreten.

Ätiologie

Die Ätiologie kardialer Traumen ist in der folgenden Übersicht zusammengestellt.
Ursachen kardialer Traumen
Penetrierende Verletzungen
  • Niedrige Geschwindigkeit (z. B. Messer, Pfähle)
  • Hohe Geschwindigkeit (z. B. Geschosse)
Stumpfe Verletzungen
  • Dezelerations- oder Akzelerationstraumen (z. B. Verkehrsunfall)
  • Thoraxkompression, evtl. mit Coup- und Contrecoup-Trauma (z. B. Steuerradverletzung, Sturz, Detonation, externe Herzmassage)
  • Plötzliche Kompression von Abdomen/unteren Extremitäten mit transdiaphragmaler Druckübertragung („hydraulic ram effect“)

Penetrierende Verletzungen

Bei penetrierenden Verletzungen handelt es sich zumeist um Stich- oder in steigendem Maß um Schussverletzungen. Neben Messern und Geschossen können jedoch auch Splitter, Nägel und Pfähle oder dislozierte Rippen- und Sternumfragmente zu penetrierenden kardialen Traumen führen. Als iatrogene Ursachen können Perforationen durch Schrittmachersonden, Katheter oder endomyokardiale Biopsien verursacht werden.

Stumpfe Verletzungen

Herzverletzungen bei stumpfen Thoraxtraumen treten am häufigsten durch Verkehrsunfälle auf. Seltenere Ursachen sind Trittverletzungen, Stürze, Berufs- und Sportunfälle oder iatrogene Verletzungen im Rahmen einer Reanimation. Bereits Krafteinwirkungen mit Geschwindigkeiten unter 50 km/h können morphologische Myokardschäden hervorrufen. Die Inzidenz einer Myokardcontusio bei stumpfem Thoraxtrauma liegt zwischen 3 % und 76 % und stellt damit die häufigste Herzverletzung dar. Die große Streuung spiegelt die Schwierigkeit der Diagnose wider. Eine kardiale Schädigung bei stumpfem Trauma kann auf verschiedenen Mechanismen beruhen (s. Übersicht zu Ursachen kardialer Traumen).

Pathogenese und Symptomatik

Bei penetrierenden und stumpfen Traumen sind Verletzungen aller kardialer Strukturen möglich (s. nachfolgende Übersicht). Symptome kardialer Verletzungen hängen von den betroffenen Herzstrukturen ab und entsprechen denjenigen nichttraumatischer Genese. Schwere kardiale Verletzungen führen zur akuten Herzinsuffizienz bis hin zum kardiogenen Schock und Herztod.
Traumatische Herzschädigungen
Perikard
  • Perikarditis (evtl. rezidivierend)
  • Lazeration/Ruptur (evtl. kardiale Luxation/Herniation)
  • Tamponade
  • Konstriktive Perikarditis/Verkalkung
Myokard
  • Commotio cordis
  • Myokardcontusio
  • Lazeration/Ruptur
  • Septumdefekte
  • Aneurysma/Pseudoaneurysma
Herzklappenapparat
  • Klappenausriss/-perforation
  • Papillarmuskelausriss/-nekrose
  • Abriss der Chordae
Koronargefäße
  • Lazeration/Ruptur/Fisteln
  • Okklusion (Thrombose, Embolie, Spasmus)
  • Kompression (Ödem, Hämatom)

Perikard

Perikarditis
Nach stumpfen Traumen wird häufig eine Perikarditis unterschiedlichen Ausmaßes als alleinige Traumafolge oder als Begleitperikarditis bei Myokardcontusio beobachtet. Bei einer kleinen Anzahl von Patienten zeigt sich Wochen oder Monate nach stumpfem Thoraxtrauma ein postkardiotomieähnliches Syndrom. Im Verlauf von Monaten bis Jahren können, besonders nach perikardialer Blutung, Perikardverkalkungen und eine konstriktive Perikarditis mit typischen Zeichen einer restriktiven Kardiomyopathie entstehen.
Perikardtamponade
Eine Perikardtamponade wird meist durch eine Perikard- und/oder Myokardlazeration bzw. -ruptur verursacht, kann jedoch auch bei Verletzung der Koronarien oder der intraperikardialen Anteile der großen Gefäße auftreten.
Perikardlazeration/-ruptur
Eine Lazeration oder Ruptur des Perikards kann bei penetrierenden oder stumpfen Verletzungen auftreten. Perikardlazerationen nach penetrierenden Traumen sind selten isolierte Verletzungen. Besteht die Möglichkeit einer freien Flüssigkeitsdrainage aus dem Perikardbeutel, kann es im Rahmen einer Perikardlazeration/-ruptur zu einem Hämatothorax kommen. Bei einer Perikardverklebung bzw. -deckung durch andere Strukturen wie Lungengewebe kann eine Herztamponade resultieren (s. oben).
Bei Perikardeinrissen werden meist linkspleuroperikardiale Herzluxationen oder -herniationen beschrieben, die z. T. bei asymptomatischen Patienten erst nach Monaten auffallen. Die Gefahr einer kardialen Inkarzeration ist bei mittelgroßen Perikardeinrissen von etwa 8–12 cm besonders hoch.

Myokard

Commotio cordis
Eine Commotio cordis ist als plötzlicher Herztod durch ein vergleichsweise harmlos erscheinendes, stumpfes präkordiales Trauma definiert (Maron et al. 1995).
Bei der Commotio cordis führt eine Dehnung bzw. Verzerrung des Myokards unmittelbar zu einer potenziell fatalen Arrhythmie.
Der Kreislaufkollaps tritt sofort oder innerhalb von Sekunden auf. Wenn ein Defibrillator schnell zum Einsatz kommt, zeigt sich typischerweise Kammerflimmern. In experimentellen Modellen wurde bestätigt, dass durch einen präkordialen Aufprall während der ventrikulären Repolarisation, speziell während des Aufstrichs der T-Welle, Kammerflimmern induziert werden kann (Link et al. 2015). Die Commotio cordis ist von einer morphologischen Herzverletzung wie beispielsweise einer Contusio cordis oder Myokardruptur zu unterscheiden.
Eine Commotio cordis ist die häufigste Ursache für einen plötzlichen Herztod in Freizeit- und kompetitivem Sport und tritt besonders bei männlichen Jugendlichen (95 % der Fälle) mit einem mittleren Alter von 14 Jahren auf. Der Aufprall erfolgt in der Regel auf der linken Brustwand mit harten sphärischen Objekten, wie z. B. einem Hockey Puck oder Baseball. Das Risiko für eine Commotio cordis erschient bei einer Aufprallgeschwindigkeit von etwa 65 km/h am größten, bei höheren Geschwindigkeiten resultiert eher eine strukturelle Herzverletzung.
Myokardcontusio
Die häufigste Myokardverletzung bei stumpfer Traumatisierung stellt die Contusio dar. Im Gegensatz zur Commotio cordis, bei der Kammerflimmern ohne nachweisbare strukturelle Myokardschäden entsteht, ist die Contusio durch morphologische Veränderungen, vergleichbar mit einem Infarkt- oder Postinfarktbild, gekennzeichnet (Huis In’t Veld et al. 2018).
Auch bei der Myokardcontusio können verschiedenste Arrhythmien und sogar plötzliche Herztodesfälle auftreten, diese zeigen sich jedoch oft erst innerhalb von 24–48 h. Die häufigsten Symptome einer Myokardcontusio sind thorakale Schmerzen, die typischerweise wie bei einem Myokardinfarkt nicht auf Nitropräparate ansprechen. Funktionelle Einschränkungen einer kardialen Contusio entsprechen dem Ausmaß der Gewebeschädigung und können bis zur Herzinsuffizienz führen.
Myokardlazeration/-ruptur
Myokardlazerationen bzw. -rupturen der freien Wand führen in der Mehrzahl zum akuten Tod durch Verblutung oder eine akute Herztamponade. Nur einzelne Verletzte überleben durch eine sofortige Notoperation. Eine besonders schlechte Prognose haben Schussverletzungen des linken Ventrikels. Bei sehr kleinen Defekten hingegen können Verletzungen dünnwandiger Strukturen, wie z. B. der Vorhofwand, die sich nicht selbst verschließen können, einen ungünstigeren Verlauf nehmen als Verletzungen vergleichbarer Größe im Ventrikelmyokard.
Septumdefekte
Septumdefekte werden nach penetrierenden und nichtpenetrierenden Verletzungen beobachtet und können auch erst nach Tagen oder Jahren durch Nekrosen- bzw. Narbenruptur entstehen.

Koronargefäße

Koronarien ohne Wandvorschädigung
Durch direkte Krafteinwirkung oder Scherkräfte können Verletzungen aller oder einzelner Wandstrukturen der Koronargefäße auftreten. Bei inkompletten Wandeinrissen, die sich auf einzelne Schichten beschränken, resultieren Aneurysmen, Dissekationen, Koronarfisteln oder Intimaläsionen mit evtl. nachfolgender Thrombose und Myokardinfarzierung. Myokardschäden ohne koronare Wandverletzung können durch einen Gefäßspasmus bzw. Thrombus als passageres endoluminales Hindernis oder durch ein Ödem bzw. Hämatom mit extraluminaler Kompression bedingt sein. Differenzialdiagnostisch ist eine Myokardcontusio schwer abgrenzbar.
Vorgeschädigte Koronargefäße
Arteriosklerotisch veränderte Gefäße sind besonders durch Intimaeinrisse und konsekutive thrombotische Auflagerungen gefährdet.
Aortokoronare Bypässe, die im Gegensatz zu Koronararterien nicht von Myokard und epikardialem Fettgewebe umschlossen werden, sind durch ihren ungeschützten freien Verlauf besonders verletzungsgefährdet.

Herzklappenapparat

Die Häufigkeit einer Beteiligung des Klappenapparates bei Thoraxtraumen beträgt etwa 0,05 %. Besonders gefährdet sind vorgeschädigte Herzklappen. Hämodynamisch tritt meist eine akute Klappeninsuffizienz unterschiedlichen Schweregrades auf, die aufgrund der fehlenden ventrikulären Adaptationsmöglichkeit schnell zu einer kardialen Dekompensation führen kann.
Lokalisation
Wegen der höheren Druckbelastung werden bei stumpfem Trauma die linksventrikulären Klappen häufiger geschädigt, besonders die Aortenklappe, die bevorzugt am Anulus einreißt. Verletzungen der Atrioventrikularklappen sind an den Segeln oder öfter an den Papillarmuskeln und den Chordae lokalisiert.

Diagnostik

Inspektion und Palpitation

Der Hergang eines Traumas mit Gewalteinwirkung auf Brust oder Rücken kann einerseits unmittelbar auf eine Herzverletzung hinweisen. Andererseits kann die Diagnose einer kardialen Beteiligung bei Traumapatienten schwierig sein, da die Herzschädigung besonders bei polytraumatisierten Patienten nicht selten durch extrakardiale Verletzungen überlagert wird.
Die klinische Untersuchung von Patienten mit potenziellem Herztrauma erfolgt entsprechend dem Konzept des Advanced Trauma Life Support (ATLS®) gemäß dem standardisierten prioritätenorientierten ABCDE-Schema (A = Airway, B = Breathing, C = Circulation, D = Disability or Neurologic Status, E = Exposure [„undress“] and Environment [„temperature control“]). Differenzialdiagnostisch müssen bei allen akut vital gefährdeten Patienten für eine Schocksymptomatik evtl. verantwortliche Begleitverletzungen wie z. B. eine Milzruptur, Verletzung der großen Gefäße oder Beckenfrakturen mit großem Blutverlust in Betracht gezogen werden.
Bei penetrierenden Verletzungen kann die Lokalisation einer Eintritts- und ggf. Austrittspforte auf ein Herztrauma hindeuten. Beim stumpfen Trauma sind häufig Frakturen und thorakale bzw. abdominelle Prellungen wegweisend.
Bei 75 % der Patienten mit gesicherter Myokardcontusio fanden sich Prellmarken. Ein besonderer Wert kommt daher einer genauen körperlichen Untersuchung mit Befunddokumentation zu. Das Fehlen von Frakturen oder externen Verletzungen schließt jedoch nie eine kardiale Schädigung aus.
Eine Änderung von Puls oder Blutdruck in Abhängigkeit der Position kann Folge einer lageabhängigen Herzluxation und -herniation bei Perikardverletzungen sein, eine Jugularvenenstauung kann auf eine Perikardtamponade hindeuten.

Auskultation

Bei der Auskultation weisen pathologische Strömungsgeräusche auf Klappenvitien oder eine Septumperforation, Perikardreiben auf eine Perikardläsion hin. Ein fixiert gespaltener zweiter Herzton kann Ausdruck eines Vorhofseptumdefektes, ein dritter Herzton das erste Zeichen einer kardialen Dekompensation sein. Herzgeräusche an anomaler Lokalisation können auf eine Herzluxation hinweisen.

Elektrokardiogramm

Bei jedem Patienten mit Thorax- oder Abdominaltrauma sollte ein EKG registriert werden. Obwohl das EKG nur eine eingeschränkte Sensitivität und Spezifität besitzt, gilt es im positiven Fall trotzdem als wesentlicher Prädiktor für eine Myokardcontusio, die in 40–83 % der Fälle mit EKG-Veränderungen einhergeht (verschiedene Arrhythmien, Repolarisationsstörungen).
Nach Traumata, die typischerweise zu einer Commotio cordis führen können, sollte die EKG-Registrierung integraler Bestandteil einer möglichst umgehenden Anwendung eines automatisierten externen Defibrillators (AED) sein.

Sonografie/Echokardiografie

Dem Point Of Care Ultraschall (POCUS), d. h., einem fokussierten Ultraschall direkt am Ort des Geschehens, im Krankenwagen oder in der Notaufnahme mit mobilen Geräten kommt zunehmende Bedeutung zu. Hiermit können beispielsweise Perikardergüsse, eine Einflussstauung, Pleuraergüsse oder freie abdominelle Flüssigkeit schnell erkannt werden.
Die detaillierte Echokardiografie stellt eine sehr gute nichtinvasive Methode zur Erfassung von myokardialen Wandbewegungsstörungen, Klappenverletzungen, intrakardialen Shunt-Verbindungen und Perikardergüssen dar. Die transösophageale Echokardiografie hat sich – bei stabilisierten Patienten – als deutlich sensitiver im Vergleich zur transthorakalen Echokardiografie erwiesen.

Thoraxröntgenaufnahme

Die Thoraxröntgenaufnahme ist meist von eingeschränkter diagnostischer Bedeutung, um kardiale Verletzungen nachzuweisen. Sie kann Fremdkörper sichtbar machen, eine Mediastinalverbreiterung, Pleuraergüsse oder ein Pneumoperikard zeigen. Eine pathologische Konfiguration bzw. Position der Herzsilhouette macht eine Herzluxation/-herniation oder eine Perikardtamponade wahrscheinlich.

Computertomografie

Die Computertomografie ist bei Patienten, die stabil genug sind, ein wesentlicher Bestandteil der Traumadiagnostik. Sie hat eine hohe Sensitivität für perikardiale und myokardiale Lazerationen, kardiale Luxationen, andere Thoraxverletzungen (z. B. Begleittrauma der großen Gefäße) und kann den Weg von Projektilen sowie die Lage von Fremdkörpern klären (Hammer et al. 2016).

Laborparameter

Die Bestimmung kardiospezifischer Troponine kann bei der Diagnostik einer Myokardcontusio oder sekundären Ischämie bei Koronararterienverletzung helfen. Normale Troponinwerte haben zudem einen hohen negativ-prädiktiven Wert zum Ausschluss einer stumpfen Herzverletzung (Clancy et al. 2012). Da Troponintiter erst mit einer Latenz ansteigen können, sollten bei jedem Patienten nach stumpfem Abdominal- oder Thoraxtrauma mit initial normalen Serumwerten Verlaufskontrollen über 24–72 h erfolgen.
Die Bestimmung der Gesamt-CK ist bei Traumapatienten unspezifisch. Eine signifikante Erhöhung der CK-MB-Fraktion macht eine Herzbeteiligung wahrscheinlich, ist jedoch als alleiniger Parameter ebenfalls unzuverlässig, da das MB-Isoenzym auch in anderen Geweben wie z. B. Dünndarm, Leber, Skelettmuskulatur, Blase und Diaphragma (bis zu 25 % des Myokardgehaltes) vorkommt.

Herzkatheter

Bei Verdacht auf eine Koronarschädigung und bei pathologischem oder selten unschlüssigem Echokardiografiebefund ist die invasive Diagnostik mit Möglichkeit der Akutkoronarintervention indiziert.

Weitere Bildgebung

Die Magnetresonanztomografie oder die Myokardszintigrafie werden zum Nachweis myokardialer Schädigungen nach stumpfem Thoraxtrauma eingesetzt.

Therapie

Penetrierende Verletzungen

Bei penetrierenden kardialen Verletzungen sind eine sofortige explorative Thorakotomie und chirurgische Versorgung ohne zeitaufwendige Diagnostik indiziert.
Eine zweizeitig beim stabilen Patienten durchgeführte postoperative Abklärung ergibt in 5–6 % der Fälle eine begleitende, primär nichterfasste intrakardiale Verletzung, die einen elektiven Zweiteingriff erforderlich macht.
Bei fehlender Notoperationsmöglichkeit kann eine Perikardiozentese zur akuten Dekompression einer Herztamponade lebensrettend sein, ist jedoch in bis zu 25 % der Fälle wegen großer Blutkoagel falsch negativ. Zudem kommt es besonders bei rechtsatrialer und rechtsventrikulärer Traumatisierung häufig durch die Entlastung zur erneuten Blutung aus dem Niederdrucksystem, sodass die Perikardpunktion kein kuratives Verfahren darstellt.

Stumpfe Verletzungen

Bei einer Commotio cordis ist eine sofortige Reanimation und frühe Defibrillation entscheidend. Brustwandprotektoren können eine Commotio cordis nicht verhindern.
Patienten mit EKG-Veränderungen oder erhöhten Troponinwerten nach stumpfem Thoraxtrauma sollten 24–48 h überwacht werden, da in dieser Zeit das höchste Risiko für potenziell lebensbedrohliche Arrhythmien oder eine Herzinsuffizienz besteht (Marcolini und Keegan 2015).
Myokardkontusionen werden symptomatisch wie ein Myokardinfarkt therapiert. Perikardergüsse, Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz, Koronarläsionen und Klappenverletzungen werden nach den Richtlinien entsprechender Störungen nichttraumatischer Genese behandelt.
Durch stumpfe Gewalt verursachte perikardiale und myokardiale Rupturen müssen wie entsprechende penetrierende Verletzungen fast immer notfallmäßig operativ versorgt werden. Die Therapie atrialer und ventrikulärer Septumdefekte richtet sich nach der Größe und dem Shunt-Volumen. Bei kardiopulmonal stabilem Patienten ist zunächst für 3–6 Monate eine abwartende Haltung gerechtfertigt, da spontane Größenabnahmen und Verschlüsse septaler Defekte beschrieben wurden.

Verlauf und Prognose

Mortalität

Patienten mit kardialen Traumen erreichen nur zu etwa 10–35 % ein Krankenhaus lebend. Patienten, die ein Krankenhaus mit vitalen Funktionen erreichen, haben bei penetrierenden Traumen je nach Verletzungsart eine Sterblichkeitsrate von etwa 10 % bei Stich- und >50 % bei Schussverletzungen, bei stumpfen Traumen eine Mortalitätsrate von etwa 5 %.
Die Überlebensrate bei einer Commotio cordis hat sich in den letzten Jahren durch ein zunehmendes Bewusstsein und eine Ausbildung von Trainern sowie den Zugang zu öffentlichen Defibrillatoren verbessert und liegt derzeit bei etwa 59 % (De Gregorio und Magaudda 2018).

Folgestörungen

Nach einer Commotio cordis sollte eine strukturelle Herzerkrankung mit EKG, Echokardiografie, Magnetresonanztomografie und Belastungstest ausgeschlossen werden. Wenn keine strukturelle Herzerkrankung vorliegt, wird keine Implantation eines Cardioverter-Defibrillators empfohlen und sportliche Aktivitäten können wieder aufgenommen werden (Link et al. 2015).
Bei Überlebenden stumpfer Herzverletzungen zeigen sich unmittelbar oder im Laufe von Tagen bis Jahren nach kardialem Trauma nicht selten Residuen. Nach einer Myokardcontusio werden mit einer Häufigkeit von 50–65 % Pumpfunktionsstörungen beobachtet, die mit der prozentualen Schädigung des Myokards korrelieren.
Die Langzeitprognose nach einer Contusio und/oder traumatischen Koronarläsion ist in der Regel jedoch bei den meist ehemals Herzgesunden günstiger als nach Infarkten auf dem Boden einer koronaren Herzerkrankung.
Die Prognose von traumatisch bedingten Klappenvitien, einer Herzinsuffizienz, persistierender intrakardialer Shunt-Verbindungen oder einer Perikarditis ist mit der Prognose entsprechender Störungen nichttraumatischer Genese vergleichbar.

Gutachterliche Aspekte

Mäßiggradige kardiale Schädigungen können besonders von ehemals herzgesunden jungen Patienten oft monate- oder sogar jahrelang kompensiert werden.
Häufig ist es aufgrund eines beschwerdefreien Intervalls schwierig, einen Kausalzusammenhang mit dem Trauma herzustellen. Besonders wichtig sind eventuelle Brückensymptome. Diese können jedoch auch fehlen. Aus Obduktionsbefunden ist bekannt, dass sogar ohne jegliche klinische Symptomatik lange nach einem Thoraxtrauma Residuen einer schweren Herzcontusio vorhanden sein können.
Posttraumatisch muss daher eine möglichst exakte Diagnose gestellt werden. Zudem ist eine genaue und kontinuierliche Dokumentation aller Untersuchungsbefunde einschließlich Verlaufskontrollen unverzichtbar. Soweit rekonstruierbar, sollte auch der Traumahergang schriftlich festgehalten werden.

Elektrotrauma

Elektrounfälle können in Haushalt und Beruf auftreten oder durch Blitzschlag verursacht werden. Das Ausmaß resultierender kardialer Verletzungen ist von der Stromspannung, der Stromart (Gleich- oder Wechselstrom), dem Gewebewiderstand, der Kontaktdauer sowie der Ein- und Austrittspforte (Reihenfolge Arm-Arm, Arm-Bein, Bein-Bein) abhängig.

Blitzschlag

Bei einem Blitzschlag handelt es sich um einen sehr kurzen Kontakt mit Gleichstrom extrem hoher Spannung (bis zu 1 Mio. V). Die Mortalität getroffener Personen liegt bei 20–30 %.
Am Unfallort ist ein Reanimationsversuch nach Blitzschlag im Gegensatz zu den üblichen Erste-Hilfe-Regeln zuerst bei Patienten ohne jegliche vitale Zeichen zu unternehmen, da Personen mit initial vitalen Zeichen in der Regel auch ohne Soforthilfe überleben und die Reanimationserfolgsrate nach Blitzschlag überdurchschnittlich hoch ist.
Akute Todesfälle nach Blitzschlag beruhen zumeist auf Asystolien oder Apnoe bei zentralnervöser Schädigung.
Ein Blitz kann eine Person direkt treffen, von einem anderen Gegenstand, z. B. Baum, überspringen oder über den Boden fortgeleitet werden. Bei einem direkten Blitzschlag treten neben oberflächlichen Verbrennungen häufig schwerwiegende tiefe Verbrennungen auf, die u. a. zu transmuralen Myokardnekrosen führen können. Außer direkten elektrischen Effekten auf erregbares Gewebe und hitzebedingten Schädigungen spielen pathophysiologisch für verschiedene Organverletzungen Barotraumen eine wesentliche Rolle, die durch Druckwellen im Rahmen der starken lokalen Luftüberhitzung entstehen. Auf diesen Pathomechanismus werden auch contusioähnliche kardiale Verletzungen zurückgeführt, die sofort oder verzögert schwerste globale Kontraktionsstörungen und lebensbedrohliche Perikardergüsse verursachen können.
Aufgrund der hohen Inzidenz einer kardialen Beteiligung und des z. T. verzögerten Auftretens schwerer kardialer Dysfunktionen, Arrhythmien und hämodynamisch relevanter Perikardergüsse sollten Personen nach direktem Blitzschlag monitorüberwacht werden.
Springt ein Blitz von einem anderen Gegenstand auf eine Person über, so resultieren typische oberflächliche Federzeichnungen. Kardiale Langzeitresiduen wurden nicht beschrieben. Trifft ein über den Boden fortgeleiteter Blitz eine Person, ist mit kardialen Komplikationen oder Folgestörungen ebenfalls in der Regel nicht zu rechnen.

Elektrounfälle in Haushalt und Beruf

Die meisten Elektrounfälle in Haushalt und Beruf treten durch Wechselstrom auf. Der Kontakt mit Wechselstromquellen kann durch Muskeltetanien und eine dadurch resultierende Unfähigkeit, von der Stromquelle „loszulassen“, prolongiert werden. Wechselstrom wird willkürlich bei 500 V in Hoch- und Niedrigspannungsstrom unterteilt. Der Kontakt mit Wechselstrom kann zu Myokardnekrosen führen.
Bei Kontakt mit Hochspannungsstrom, aber auch bereits bei Kontakt mit niedriger Haushaltsspannung (120–220 V) besteht ein hohes plötzliches Herztodesrisiko, da die übliche Wechselstromfrequenz von 50–60 Hz die Induktion von Kammerflimmern begünstigt.
Nach direktem Stromfluss durch den Thorax traten vereinzelt maligne ventrikuläre Tachykardien erst verspätet auf. Daher ist nach transthorakalem Stromfluss eine Monitorüberwachung für mindestens 24 h zu empfehlen.
Gleichstromquellen in Haushalt und Beruf (z. B. Batterien, Trockenzellen) haben meist nur eine niedrige Spannung (3–24 V). Kontakt mit diesen Stromquellen verursacht in der Regel keine klinisch relevanten und speziell keine kardiologischen Störungen.
Literatur
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