Skip to main content
Klinische Kardiologie
Info
Publiziert am: 07.01.2022

Orthostatische Hypotonie

Verfasst von: Wolfgang von Scheidt
Wichtigste Formen der orthostatischen Hypotonie (OH) sind sympathikotone OH, neurogen-autonome (asympathikotone) OH sowie medikamentös-induzierte OH. Eine Sonderform der orthostatischen Intoleranz stellt das POTS („postural orthostatic tachcardia syndrome“) dar mit inadäquater Tachykardie, jedoch ohne relevanten Blutdruckabfall im Stehen. Häufig treten additive nichtkardiovaskuläre Symptome hinzu.
Wichtigste diagnostische Maßnahme bei OH ist der Stehversuch nach Schellong, in Einzelfällen eine Kipptischuntersuchung. Bei asympathikotoner OH sind Testverfahren der autonom-nervalen Funktion zu überlegen. Therapeutisch stehen bei sympathikotonen Formen überwiegend nichtmedikamentöse Maßnahmen im Vordergrund, bei neurogen-autonomen Formen additiv unterschiedliche Ansätze einer zumeist nur begrenzt wirksamen, medikamentösen Therapie.

Definition

Bei Lageänderung vom Liegen zum Stehen sinkt beim Gesunden der systolische Blutdruck um 10 mmHg, der diastolische Blutdruck steigt um ca. 5 mmHg, die Herzfrequenz steigt um ca. 20 Schläge/min.
Die 4 Determinanten der Kreislaufregulation im Stehen sind:
  • venöser Rückstrom,
  • ausreichendes effektives Blutvolumen,
  • normale Funktion der Reflexbögen, d. h. Intaktheit der Barorezeptoren, der parasympathischen Afferenzen, des Hirnstamms, der sympathischen und parasympathischen Efferenzen sowie der α- und β-Adrenorezeptoren der Effektororgane Herz und Gefäße und
  • intakte kardiale Funktion.
Die orthostatische Hypotonie (OH) wird definiert als übermäßiger Blutdruckabfall im Stehen (Abfall systolisch >20 mmHg, diastolisch >10 mmHg), üblicherweise auf systolische Werte <90–100 mmHg, mit konsekutiven Symptomen der zerebralen Minderperfusion und/oder deutlicher Leistungsminderung.

Formen der OH und Differenzialdiagnosen

Man kann bis zu sechs Formen einer orthostatischen Intoleranz unterscheiden (Brignole et al. 2018a; Fedorowski 2019; Freeman et al. 2018):
  • sympathikotone orthostatische Hypotonie,
  • Postural Orthostatic Tachycardia Syndrome (POTS), üblicherweise ohne relevante Hypotonie, aber mit Frequenzanstieg im Stehen >30 Schläge/min und Symptomen einer orthostatischen Intoleranz,
  • initiale orthostatische Hypotonie mit rascher Kompensation,
  • klassische orthostatische Hypotonie (asympathikotone orthostatische Hypotonie) mit sehr raschem (in <3 min) Blutdruckabfall im Stehen ohne Frequenzanstieg,
  • verzögerte orthostatische Hypotonie (langsam progressiver Blutdruckabfall im Stehen über 3–30 min ohne adäquaten Frequenzanstieg),
  • Mischform zwischen verzögerter orthostatischer Hypotonie und orthostatischer Reflexsynkope.
Eine einfachere Zweiteilung unterscheidet nicht autonom-neurogene oder sympathikotone und autonom-neurogene oder asympathikotone orthostatische Hypotonieformen. Die sympathikotonen Formen führen selten zu Synkopen, die asympathikotonen häufig.
Eine lageunabhängige Hypotonie, häufig mit orthostatischer Verstärkung, tritt typischerweise auf bei chronischen Volumenmangelzuständen wie chronischer Diarrhö, Erbrechen, vermindertem Durstgefühl, Anorexia nervosa, Diabetes insipidus, primärer und sekundärer Nebennierenrindeninsuffizienz, osmotischer Diurese bei Diabetes mellitus. Kardiale Erkrankungen mit Hypotonie können u. a. die höhergradige Herzinsuffizienz, Tachyarrhythmien, die Aortenklappenstenose, die hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie, die Mitralstenose, die pulmonale Hypertonie, Perikarderkrankungen sowie diastolische Funktionsstörungen sein.
Insbesondere bei älteren Menschen ist die orthostatische Hypotonie häufig durch Medikamente ausgelöst, wie z. B. arterielle und/oder venöse Vasodilatanzien, Diuretika, trizyklische Antidepressiva, Insulin, Tranquilizer oder dopaminerge Substanzen. Die vasodilatierende Wirkung von Alkohol muss beachtet werden.

Sympathikotone OH-Formen

Für die sympathikotone orthostatische Hypotonie ist ursächlich von einer unzureichenden venösen und/oder arteriellen Vasokonstriktion sowie einer relativen Hypovolämie auszugehen. Die genaue Pathogenese ist ungeklärt, jedoch sicherlich heterogen. Möglicherweise besteht eine partielle sympathische Denervation der Nieren und der unteren Extremitäten mit hierdurch bedingter Regulationsstörung des peripheren Gefäßwiderstands. Folgen sind eine inadäquat geringe Vasokonstriktion der Extremitäten und eine Hyporeninämie mit relativer Hypovolämie. Eine mögliche weitere Ursache einer sympathikotonen orthostatischen Hypotonie ist eine gestörte neuronale Noradrenalinwiederaufnahme infolge einer Mutation im Noradrenalin-Transportergen.
Die konstitutionelle Hypotonie ist von geringem Krankheitswert und tritt üblicherweise bei jungen Menschen (überwiegend Frauen) mit schlankem Körperbau auf.
Eine Sonderform der orthostatischen Intoleranz stellt das „postural orthostatic tachycardia syndrome“ (POTS) dar. Hiervon sind weit überwiegend Frauen betroffen (80 %), zumeist nach immunologischen Triggersituationen wie Virusinfekt, Schwangerschaft, Trauma, Operationen, Stresssituationen (Fedorowski 2019). POTS wird definiert als Herzfrequenzanstieg innerhalb der ersten 10 min nach Stehen um >30 Schläge/min bzw. Herzfrequenz über 120/min mit Symptomen wie Benommenheit, Schwäche, Sehstörungen, Palpitationen. Eine relevante orthostatische Hypotonie tritt jedoch nicht ein. Allerdings können reaktiv vasovagale Reflexsynkopen auftreten. Dyspnoe und thorakale Missempfindungen können vorkommen. Häufig sind nichtkardiovaskuläre Zusatzsymptome wie Leistungsschwäche, Chronic-Fatigue-Syndrom, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Muskelschwäche und -schmerzen, Übelkeit, gastrointestinale Motilitätsstörungen, Hyperventilation, Störungen der Schweißregulation, Blässe oder transiente Hautrötungen. Die Pathogenese ist ungeklärt, es scheinen jedoch drei Spielformen aufzutreten: autoimmune Form, hyperadrenerge Form mit Katecholaminexzess, und periphere Sympathikusdenervation mit inadäquater Vasodilatation und zentraler Hypovolämie (Fedorowski 2019).

Asympathikotone OH-Formen

Eine asympathikotone orthostatische Hypotonie – auch als neurogene orthostatische Hypotonie bei autonomer Dysfunktion bezeichnet – findet sich bei Erkrankungen des peripheren und/oder des zentralen autonomen Nervensystems mit oder ohne Beteiligung anderer zentralvenöser Systeme oder des peripheren somatischen Nervensystems (Freeman et al. 2018).
Die idiopathische orthostatische Hypotonie (IOH) (Synonym: „pure autonomic failure“, PAF, Bradbury-Egglestone-Syndrom) und die unterschiedlichen Formen der multiplen Systematrophie (MSA) sind klassische Ursachen einer autonom-neurogenen orthostatischen Hypotonie. Zahlenmäßig häufiger tritt jedoch eine autonome Dysfunktion im Rahmen zerebraler Erkrankungen (z. B. Morbus Parkinson, Lewy-Body-Demenz, zerebrovaskuläre Insuffizienz, Hirnstammläsionen, multiple Sklerose) oder peripherer autonomer und sensomotorischer Neuropathien (z. B. Diabetes mellitus, Urämie, Amyloidose, Toxine) auf.
Bei der idiopathischen OH (IOH, PAF) besteht führend eine Degeneration der postganglionären, zweiten efferenten, autonomen Neurone. Die Erkrankung befällt überwiegend Männer des mittleren und des höheren Lebensalters (jenseits des 40. Lebensjahres). Aufgrund einer Degeneration des zweiten Neurons findet sich in Ruhe ein stark erniedrigter Plasmanoradrenalinspiegel, der im Stehen nicht ansteigt. Die Empfindlichkeit der Erfolgsorgane gegenüber exogen zugeführten α- und β-Sympathomimetika ist erhöht. Als Zeichen intakter parasympathischer Afferenzen und zentraler autonomer Bahnen findet sich bei der idiopathischen orthostatischen Hypotonie typischerweise ein Anstieg des Vasopressinplasmaspiegels im Stehen.
Bei der multiplen Systematrophie (MSA) handelt es sich um eine Degeneration autonomer und nichtautonomer Strukturen des zentralen Nervensystems. Infolge der Beteiligung zerebellärer, extrapyramidaler, kortikospinaler und kortikobulbärer Strukturen finden sich zusätzlich zu den Symptomen der autonomen Dysfunktion z. B. Zeichen eines Morbus Parkinson, einer Lewy-Body-Demenz, einer Ataxie oder Pyramidenbahnzeichen. Bisweilen ist jedoch die autonome Dysfunktion alleiniges Erstsymptom. Das postganglionäre autonome Nervensystem ist intakt, jedoch dezentralisiert. Die Plasmanoradrenalinspiegel sind typischerweise in Ruhe normal oder weniger vermindert als bei der IOH. Aufgrund der defekten, zentralen autonomen Bahnen ist im Stehen kein Anstieg des Vasopressinplasmaspiegels zu verzeichnen. Es besteht auch hier eine Hypersensitivität der Erfolgsorgane gegenüber Sympathomimetika. Die Erkrankung tritt typischerweise im mittleren und im höheren Lebensalter, gehäuft bei Männern, auf. Der Verlauf ist langsam progredient mit sehr ernster Prognose. Laryngospasmus, Aspirationspneumonie oder Atemregulationsstörungen sind häufige Todesursachen.
Beim Baroreflexversagen, das nicht mit der autonomen Dysfunktion verwechselt werden darf, handelt es sich um extreme, gleichsinnige Blutdruck- und Herzfrequenzschwankungen infolge einer ungedämpften, efferenten, sympathischen autonomen Aktivität. Pathogenetisch werden defekte inhibitorische Barorezeptorafferenzen sämtlicher Barorezeptoren bei völlig erhaltenen Baroreflexefferenzen angenommen. Krankheitsbilder, bei denen eine Baroreflexdysfunktion beobachtet wurde, umfassen eine beidseitige Halsradiatio und/oder Neck Dissection bei Pharynxkarzinom, bilaterale Läsionen des Nucleus tractus solitarii im Hirnstamm (z. B. bei Insult, Trauma oder Tumor) sowie beidseitige Nervus-glossopharyngeus- und Nervus-vagus-Läsionen. Führende Symptome der Patienten sind simultane, schwerste, krisenhafte Blutdruck- und Frequenzanstiege im Wechsel mit simultaner Hypotonie und Bradykardie. Als therapeutisch hilfreich gilt der zentrale α-Adrenozeptoragonist Clonidin aufgrund seines dämpfenden Effektes auf die Sympathikusaktivität.
Bei Erkrankungen mit autonomer und sensomotorischer Polyneuropathie, z. B. Diabetes mellitus, ist die orthostatische Hypotonie eher eine Spätmanifestation. Häufiger finden sich Gastroparese, Diarrhö, Hypohidrose, fehlende Herzfrequenzvariabilität, Impotenz und Blasenfunktionsstörungen als Zeichen der autonomen Neuropathie. Zusätzlich besteht obligat eine sensomotorische Polyneuropathie. Eine orthostatische Hypotonie beim Diabetiker muss als prognostisch sehr ernst gewertet werden. Bei den verschiedenen Amyloidosen geht der Entwicklung einer möglichen sensomotorischen Polyneuropathie häufig eine autonome Neuropathie mit entsprechender Symptomatik voraus. Im Rahmen der chronischen Niereninsuffizienz kann neben der sensomotorischen eine autonome Neuropathie mit entsprechender Symptomatik in den Vordergrund treten.
Eine postprandiale Hypotonie wird durch Nahrungsaufnahme, insbesondere kohlenhydratreiche Mahlzeiten, ausgelöst. Zugrunde liegend ist wahrscheinlich eine für das Ausmaß des venösen Poolings im Splanchnikusgebiet sowie für die durch Freisetzung vasoaktiver gastrointestinaler Peptide induzierte Vasodilatation inadäquat niedrige, kompensatorische Sympathikusaktivierung im Sinne einer unzureichenden peripheren Vasokonstriktion.

Symptome

Symptome der zerebralen Minderperfusion im Stehen wie Schwindel, Sehstörungen (Schwarzwerden vor den Augen, „Tunnelsehen“), Kopf- und Nackenschmerzen, Präsynkope bis hin zur Synkope sind führend. Benommenheit, Leistungsminderung, rasche Erschöpfbarkeit können vorliegen.
Patienten mit sympathikotoner orthostatischer Hypotonie weisen Symptome der sympathischen Gegenregulation auf wie Tachykardie, Schwitzen, kalte Extremitäten, Übelkeit, Blässe.
Bei asympathikotoner orthostatischer Hypotonie fehlen diese Gegenregulationszeichen. Man findet stattdessen Zeichen der autonomen Dysfunktion. Diese umfassen bei der idiopathischen OH (PAF, Bradbury-Egglestone-Syndrom) isoliert die Merkmale einer autonomen Neuropathie (Impotenz, Anhidrose, Blasen- und Darmentleerungsstörungen, Diarrhö, Nykturie) oder, wie bei der multiplen Systematrophie (MSA, Shy-Drager-Syndrom), der Parkinson-Erkrankung mit OH oder der Lewy-Body-Demenz mit OH, zusätzliche zerebelläre, extrapyramidale, kortikospinale, kortikobulbäre oder neurokognitive Symptome (Freeman et al. 2018). Kennzeichnend sind eine maximale Ausprägung der Hypotonie in den frühen Morgenstunden, häufig eine Hypertonie im Liegen und eine inverse Tag-Nacht-Rhythmik der Blutdruckregulation mit nächtlicher Hypertonie und Hypotonie im Tagesverlauf.
Auf erklärende Begleitumstände (z. B. Infekt, Hypovolämie) oder internistische Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, Hinweise auf Amyloidose) muss geachtet, eine spezielle Medikamentenanamnese bzgl. Hypotonie-induzierender Substanzen sollte erfragt werden.

Diagnostik

Die wichtigste diagnostische Maßnahme bei Verdacht auf orthostatische Hypotonie ist der Stehversuch nach Schellong. Nach 5- bis 10-minütigem Liegen mit insgesamt 3-maliger Blutdruck- und Frequenzmessung schließt sich ein 7- bis 10-minütiges Stehen mit Blutdruck- und Frequenzmessung in 1-minütigen Abständen an, gefolgt von einem erneuten Liegen über 3 min mit jeweils Blutdruck- und Frequenzmessung in 1-minütigen Abständen.
Eindeutig pathologisch sind ein systolischer Blutdruckabfall von mehr als 20–30 mmHg und ein diastolischer Blutdruckabfall von mehr als 10–15 mmHg. Bei pathologischem Blutdruckabfall ist je nach Frequenzverhalten in eine sympathikotone Form mit Tachykardie und eine asympathikotone Form mit fehlendem Frequenzanstieg zu differenzieren.
Bei einer asympathikotonen orthostatischen Hypotonie empfiehlt sich neben einer umfassenden neurologischen Diagnostik die Durchführung nichtinvasiver, ggf. invasiver autonomer Funktionstests (z. B. Valsalva-Quotient, Herzfrequenzvariabilität, Handgrip-, Cold-Pressure-, Mental-Arithmetic-Test, invasives Valsalva-Manöver, pharmakologische Barorezeptorsensitivitätsprüfung, Bestimmung von Plasma-Noradrenalin und -Vasopressin im Liegen und Stehen).
Verzögerte Formen der OH bedürfen einer Kipptischdiagnostik, da sie sich erst nach 10–30 min manifestieren. Die Kipptischdiagnostik kann zuverlässig die bedeutsamste Differenzialdiagnose der orthostatischen Hypotonie, die orthostatische Reflexsynkope (früher: neurokardiogene Synkope) mit initial normaler Kreislaufregulation im Stehen und erst sekundär zeitversetzt eintretender Hypotonie sowie fakultativer Bradykardie, abgrenzen.

Therapie der orthostatischen Hypotonie

Eine spezifische Therapie der sympathikotonen Formen der orthostatischen Hypotonie ist häufig unnötig, eine der asympathikotonen Formen häufig nur unzureichend möglich.

Nichtmedikamentöse Therapie

Wichtig sind Aufklärung, Schulung und Beratung hinsichtlich der benignen Natur der Erkrankung (I C), s. Abb. 1. Sofern keine Hypertonie vorliegt, sollte zu einer Flüssigkeitszufuhr von mind. 2–3 l/Tag sowie einer NaCl-Supplementierung von 10 g täglich geraten werden (I C). Zudem kann durch das schnelle Trinken von kaltem Wasser akut den Symptomen der OH oder auch einer postprandialen Hypotonie begegnet werden (Brignole et al. 2018b).
Eine medikamenteninduzierte OH mit Synkope bedarf der Reduktion oder des Absetzens der auslösenden Substanz(en) (IIa B). Als Zielblutdruck wird 140–150 mmHg systolisch angegeben. Kompressionsbehandlung/-strümpfe bei älteren Patienten wird als effektiv eingeschätzt (IIa B), ebenso das Schlafen mit leicht erhöhtem (>10°) Oberkörper (IIa C). Insbesondere bei Patienten mit autonomer Dysfunktion werden bei Beginn von Prodromi im Stehen mechanische Manöver wie der Jendrassik-Handgriff (gegensinniger Unterarmzug bei verschränkten Händen), das Überkreuzen und Aneinanderpressen der Beine, das Vornüberbeugen, das Hochstellen eines Fußes auf einen Stuhl sowie das Hinhocken bei drohendem Bewusstseinsverlust empfohlen (IIa C). Alle Patienten mit orthostatischer Hypotonie sollten zusätzlich zu einem Training der Gefäßregulation durch körperliche Bewegung (z. B. Schwimmen, Liegendergometer), Wechselduschen, Bürstenmassagen etc. angehalten werden.

Medikamentöse Therapie

Die Pharmakotherapie der autonom-neurogenen Formen der OH ist wichtiger als bei der sympathikotonen OH. Der peripher wirksame Alpha-2-Agonist Midodrin (2,5–10 mg 3-mal täglich p. o.) bewirkt eine Vasokonstriktion und gilt als eine sinnvolle Ergänzung der Allgemeinmaßnahmen (IIa B) (Brignole et al. 2018b; Fedorowski 2019; Freeman et al. 2018). Als Alternativen sind andere alpha-rezeptoragonistische Sympathomimetika (Norfenefrin, Oxilofrin) oder (bei asympathikotoner Hypotonie) der kombinierte alpha- und beta-rezeptorische Agonist Etilefrin einsetzbar (ohne Leitlinienempfehlung). Von der Verwendung von Mutterkornalkaloiden (Dihydergotamin-Präparate) wird aufgrund ihrer geringen therapeutischen Breite abgeraten.
Das Mineralokortikoid Fludrocortison (initial bis 0,3 mg/d, nachfolgend 0,1 mg/d über begrenzte Zeit) kann als Zweitlinienmedikation verwendet werden (IIa C) (Brignole et al. 2018b; Fedorowski 2019; Freeman et al. 2018).
Bei asympathikotoner orthostatischer Hypotonie hat sich Dihydroxyphenylserin (Droxidopa), ein oral verfügbarer Noradrenalinvorläufer (Umwandlung in Noradrenalin durch die Dopa-Decarboxylase), in einer randomisierten Studie als symptomverbessernd erwiesen (Keating 2015; Freeman et al. 2018).
Weitere z. T. experimentelle, medikamentöse Therapieformen der autonom-neurogenen OH (z. B. Clonidin bei PAF, Amezinium oder Vasopressinanaloga bei MSA, Indometacin oder Somatostatinanaloga bei postprandialer Hypotonie, Dopaminantagonisten, Erythropoietin u. a.) sind Einzelfällen vorbehalten (Freeman et al. 2018). Als Ultima-Ratio-Therapie kann in refraktären Fällen die kontinuierliche Noradrenalinapplikation über ein Port-Kathetersystem versucht werden.
Die Therapie bei POTS kann frustrierend sein, umfasst prinzipiell jedoch die gleichen, insbesondere die nichtmedikamentösen Ansätze (Fedorowski 2019).

Übersicht

Die orthostatische Hypotonie (OH) wird definiert als übermäßiger Blutdruckabfall im Stehen (Abfall systolisch >20 mmHg, diastolisch >10 mmHg), üblicherweise auf systolische Werte <90–100 mmHg, mit konsekutiven Symptomen der zerebralen Minderperfusion und/oder deutlicher Leistungsminderung. Man kann bis zu sechs Formen einer orthostatischen Intoleranz unterscheiden, vereinfacht jedoch sympathikotone und autonom-neurogene (asympathikotone) OH. Die Diagnose wird weitgehend mittels Schellong-Test gestellt, autonom-neurogene OH-Formen bedürfen weiterer neurologischer Diagnostik. Therapeutisch stehen nichtmedikamentöse Maßnahmen und das Vermeiden von Triggerfaktoren im Vordergrund, eine medikamentöse Therapie wird häufiger bei der autonom-neurogenen OH nötig sein. Sie zielt auf Vasokonstriktion und Volumenexpansion. Die z. T. sehr ernste Prognose der unterschiedlichen Formen autonom-neurogener OH ist üblicherweise jedoch nicht limitiert durch die Kreislaufregulationsstörung.
Literatur
Brignole M, Moya A, de Lange FJ, Deharo J-C, Elliott PM, Fanciulli A et al (2018a) Practical instructions for the 2018 ESC guidelines for the diagnosis and management of syncope. Eur Heart J 39:e43–e80CrossRef
Brignole M, Moya A, de Lange FJ, Deharo J-C, Elliott PM, Fanciulli A et al (2018b) 2018 ESC guidelines for the diagnosis and management of syncope. Eur Heart J 39:1883–1948CrossRef
Fedorowski A (2019) Postural orthostatic tachycardia syndrome: clinical presentation, aetiology and management. J Intern Med 285:352–366CrossRef
Freeman R, Abuzinadah AR, Gibbons C et al (2018) Orthostatic hypotension. J Am Coll Cardiol 72:1294–1309CrossRef
Keating GM (2015) Droxidopa: a review of its use in symptomatic neurogenic orthostatic hypotension. Drugs 75:197–206CrossRef
Scheidt W von, Bosch R, Klingenheben T, Schuchert A, Stellbrink C, Stockburger M (2019a) DGK Pocketleitlinie Synkope. www.​dgk.​org/​Leitlinien
Scheidt W von, Bosch R, Klingenheben T, Schuchert A, Stellbrink C, Stockburger M (2019b) Kommentar zu den Leitlinien (2018) der European Society of Cardiology (ESC) zur Diagnostik und Therapie von Synkopen. Kardiologe. https://​doi.​org/​10.​1007/​s12181-019-0317-2