Skip to main content
Klinische Neurologie
Info
Verfasst von:
Hans Förstl, Horst Bickel und Robert Perneczky
Publiziert am: 05.04.2018

Alzheimer-Demenz und andere degenerative Demenzen

In Deutschland leiden etwa 9 % aller Menschen über 65 Jahre unter einer Demenz. Fast alle dementen Patienten über 65 weisen im Gehirn Alzheimer-Plaques und Neurofibrillen auf; die meisten zeigen zusätzlich vaskuläre Hirnveränderungen. Die Alzheimer-Pathologie ist damit die häufigste Demenzursache gefolgt von Mikro- und Makroangiopathie. Die gemischte Demenz ist im höheren Lebensalter die häufigste Demenzform, wenngleich bei vielen Patienten entweder die neurodegenerativen Alzheimer- oder die vaskulären Hirnveränderungen im Vordergrund stehen können. Bei jüngeren Patienten finden sich einzelne neurodegenerative und vaskuläre Erkrankungen häufiger in Reinform. Kennzeichnend für die Alzheimer-Demenz (AD) sind der schleichende Beginn und die langsame Zunahme verschiedener neuropsychologischer Defizite, insbesondere von Merkfähigkeits- und Orientierungsstörungen. Die Unterteilung der AD in eine präsenile Form (Beginn vor dem 65. Lebensjahr) und eine senile Form (Beginn nach dem 65. Lebensjahr) stellt eine klinische Konvention dar. Weit weniger als 1 % aller Patienten mit AD leiden unter einer autosomal-dominanten Erkrankung. Risikofaktoren der sporadischen Alzheimer und gemischten Demenzen sind z. B. Alter, weibliches Geschlecht (höhere Lebenserwartung), der Apolipoprotein-E4-Polymorphismus, depressive Erkrankungen, Bewegungsmangel, Übergewicht und insgesamt eine höhere somatische Morbidität. Neben der AD und den vaskulären Demenzformen werden in diesem Kapitel Frontallappendegenerationen (Morbus Pick), Demenzen bei vorwiegend subkortikalen Degenerationen (Demenz bei idiopathischem Parkinson-Syndrom, Huntington-Chorea, progressive supranukleäre Paralyse, Demenz bei Multisystematrophien) und sekundäre Demenzen z. B. nach zerebraler Hypoxie und rezidivierender Hypoxie erwähnt.
In Deutschland leiden etwa 9 % aller Menschen über 65 Jahre unter einer Demenz. Fast alle dementen Patienten über 65 weisen im Gehirn Alzheimer-Plaques und Neurofibrillen auf; die meisten zeigen zusätzlich vaskuläre Hirnveränderungen. Die Alzheimer-Pathologie ist damit die häufigste Demenzursache gefolgt von Mikro- und Makroangiopathie. Die gemischte Demenz ist im höheren Lebensalter die häufigste Demenzform, wenngleich bei vielen Patienten entweder die neurodegenerativen Alzheimer- oder die vaskulären Hirnveränderungen im Vordergrund stehen können. Bei jüngeren Patienten finden sich einzelne neurodegenerative und vaskuläre Erkrankungen häufiger in Reinform. Kennzeichnend für die Alzheimer-Demenz (AD) sind der schleichende Beginn und die langsame Zunahme verschiedener neuropsychologischer Defizite, insbesondere von Merkfähigkeits- und Orientierungsstörungen. Die Unterteilung der AD in eine präsenile Form (Beginn vor dem 65. Lebensjahr) und eine senile Form (Beginn nach dem 65. Lebensjahr) stellt eine klinische Konvention dar. Weit weniger als 1 % aller Patienten mit AD leiden unter einer autosomal-dominanten Erkrankung. Risikofaktoren der sporadischen Alzheimer und gemischten Demenzen sind z. B. Alter, weibliches Geschlecht (höhere Lebenserwartung), der Apolipoprotein-E4-Polymorphismus, depressive Erkrankungen, Bewegungsmangel, Übergewicht und insgesamt eine höhere somatische Morbidität. Neben der AD und den vaskulären Demenzformen werden in diesem Kapitel Frontallappendegenerationen (Morbus Pick), Demenzen bei vorwiegend subkortikalen Degenerationen (Demenz bei idiopathischem Parkinson-Syndrom, Huntington-Chorea, progressive supranukleäre Paralyse, Demenz bei Multisystematrophien) und sekundäre Demenzen z. B. nach zerebraler Hypoxie und rezidivierender Hypoxie erwähnt.
Definition „Demenz
Das Demenzsyndrom bedeutet einen deutlichen Verlust neuropsychologischer Leistungen von solcher Schwere, dass der Alltag nicht mehr wie gewohnt bewältigt werden kann. Im Gegensatz zu angeborenen oder früh erworbenen Minderbegabungen stellt die Demenz einen Verlust des vorher vorhandenen Leistungsvermögens dar. Der Begriff „Demenz“ bedeutet nicht automatisch eine irreversible Störung, da demenzielle Syndrome im Rahmen behandelbarer Grunderkrankungen rückläufig sein können.
Die folgenden 4 Kriterien werden von der ICD-10 zur Diagnose einer Demenz gefordert:
1.
Störungen des Gedächtnisses (v. a. des verzögerten Wiedererinnerns, „delayed recall“),
 
2.
Beeinträchtigung mindestens eines weiteren neuropsychologischen Teilbereichs (z. B. Sprache oder räumliches Orientierungsvermögen),
 
3.
dadurch bedingte alltagsrelevante Einschränkung der Lebensführung,
 
4.
Bestehen der Symptomatik seit mindestens 6 Monaten (im Unterschied zu den meisten Verwirrtheitszuständen).
 
Häufigkeit und Vorkommen
Von demenziellen Erkrankungen sind ca. 9 % der über 65-jährigen Menschen in Deutschland betroffen. Die Wahrscheinlichkeit, zeitlebens eine Demenz zu entwickeln, ist indessen wesentlich höher. Bei der augenblicklichen Lebenserwartung stirbt etwa ein Drittel der älteren Menschen im Zustand einer Demenz. Bei mehr als der Hälfte der Krankheitsfälle werden Alzheimer-Veränderungen als hauptursächlich angesehen.
Das Risiko, an einer AD zu erkranken, ist deutlich alterskorreliert (Tab. 1). In Europa sind nur 0,035 % aller 45- bis 64-Jährigen, aber mehr als 20 % aller über 90-Jährigen von einer AD betroffen.
Tab. 1
Altersspezifische Inzidenz (Neuerkrankungsrate) und Prävalenz (Krankenbestand) der Alzheimer-Demenz mit frühem und spätem Beginn
Altersgruppe (Jahre)
Inzidenz der Alzheimer-Demenz mit frühem Beginna
Prävalenz der Alzheimer-Demenz mit frühem Beginnb
40–44
2,6/100.000
45–49
0,3/100.000
6,0/100.000
50–54
1,4/100.000
16,4/100.000
55–59
5,7/100.000
50,7/100.000
60–64
12,5/100.000
77,3/100.000
 
Inzidenz der Alzheimer-Demenz mit spätem Beginnc
Prävalenz der Alzheimer-Demenz mit spätem Beginnc
65–74
3,43/1000
9,7/1000
75–84
13,78/1000
76,6/1000
85 und älter
35,74/1000
225,3/1000
aBickel et al. 2005
bHarvey et al. 2003
cNiu et al. 2016
Genetik
Eine positive Familienanamnese ist nach dem Alter der wichtigste Risikofaktor für die AD. Genetische Untersuchungen haben dabei wesentlich zum heutigen Verständnis der Pathogenese beigetragen. Die AD ist jedoch genetisch komplex und heterogen und folgt einer altersabhängigen Dichotomie mit einer seltenen familiären Form mit frühem Beginn und einer häufigen sporadischen Form mit spätem Beginn. Die familiäre Form der AD betrifft unter 1 % der Patienten, folgt einem autosominal-dominanten Vererbungsmuster und zeigt einen Symptombeginn meist vor dem 65. Lebensjahr. Bisher wurden mehr als 160 Mutationen in drei Genen beschrieben, die zu der familiären Form der AD führen. Obwohl diese Mutationen drei verschiedene Gene auf drei unterschiedlichen Chromosomen betreffen, führen sie alle zu einer Überproduktion von Amyloid-β (Aβ) –dabei v. a. zu pathologisch erhöhten Spiegeln der 42 Aminosäuren langen Spezies (Aβ42) – und damit zu Nervenzelluntergang und Demenz. Das am häufigsten von Mutationen betroffene Gen Presenilin 1 (PSEN1) auf Chromosom 14 (Sherrington et al. 1995) ist für die Mehrzahl der Erkrankungen vor dem 50. Lebensjahr verantwortlich. Weiterhin sind Mutationen auf den Genen des Aβ-Vorläuferproteins (Amyloid precursor protein, APP) auf Chromosom 21 (Goate et al. 1991) und Presenilin 2 (PSEN2) auf Chromosom 1 (Levy-Lahad et al. 1995) für die frühe familiäre Form verantwortlich. APP ist das Substrat der Aβ-Produktion, wobei PSEN1 und PSEN2 eine wichtige Rolle bei der Aβ-Freisetzung durch den γ-Sekretase-Komplex spielen (Tab. 2).
Tab. 2
Genetisch bedingte Alzheimer-Demenzen
Mutationen im Presenilin-1-Gen
Chromosom 14
Autosomal-dominant
Beginn meist vor dem 55. Lebensjahr, gehäuft Myoklonien, Krampfanfälle
Mutationen im Presenilin-2-Gen
Chromosom 1
Autosomal-dominant
Beginn 45.–73. Lebensjahr, gehäuft Myoklonien, Krampfanfälle
Mutationen im Gen des Amyloidvorläuferproteins
Chromosom 21
Autosomal-dominant
Beginn oft vor dem 65. Lebensjahr
Im Gegensatz zur frühen familiären Form ist die späte sporadische Form der AD durch einen Symptombeginn nach dem 65. Lebensjahr gekennzeichnet. In den vergangenen Jahren wurden mehrere Risikogene identifiziert, von denen eines hervorzuheben ist aufgrund des deutlichen stärkeren Effektes auf das individuelle Demenzrisiko. Das ɛ4-Allel des Apolipoprotein-E(APOE)-Gens auf Chromosom 19 wurde konsistent mit Odds-Ratios von ungefähr 3 für heterozygote und über 10 für homozygote Allelträger in Verbindung gebracht (Corder et al. 1993). Im Kontrast zu den drei bekannten autosomal-dominant vererbten Risikogenen ist das APOEɛ4-Allel jedoch weder notwendig noch ausreichend, um zu einer AD zu führen. Es ist vielmehr abhängig von der Gendosis mit einem früheren Erkrankungsalter assoziiert. Trotz seiner seit Langem bekannten, starken genetischen Assoziation ist der Wirkmechanismus von APOEɛ4 im Rahmen der AD noch nicht umfassend geklärt. Wahrscheinlich entfaltet es seinen pathologischen Einfluss über die Aβ-Aggregation/-Clearance und/oder die Cholesterinhomöostase.
In neueren genomweiten Assoziationsstudien wurden neben APOE mittlerweile über 30 weitere Gene identifiziert, die einen signifikanten Zusammenhang mit der AD aufweisen. Etliche dieser Gene, wie z. B. CLU, PICALM und CR1 (Harold et al. 2009; Lambert et al. 2009) kodieren wahrscheinlich jeweils Proteine, die für die Aβ-Clearance aus dem Gehirn wichtig sind. Eine veränderte Proteinstruktur führt damit zu einer erhöhten zerebralen Aβ-Konzentration, die wiederum zu neuronaler Schädigung und Demenz führt. Es gibt jedoch auch Zusammenhänge mit anderen Mechanismen, wie der Apoptose und dem Immunsystem. Weitere Studien sind jedoch nötig, um diese Ergebnisse zu replizieren und ihre tatsächliche Relevanz für die Pathogenese der AD nachzuweisen.
Pathologie
Neuropathologisch ist die Alzheimer-Krankheit vornehmlich durch die extrazelluläre Ablagerung von Aβ und die intrazelluläre Anhäufung von Tau-Protein gekennzeichnet. Gemäß der sog. Amyloidkaskade wird Aβ aus einem längeren Transmembranvorläuferprotein abgespalten, das sowohl in neuronalen als auch nichtneuronalen Zellen vorkommt. Bei dieser Spaltung entstehen unterschiedlich lange Proteinfragmente, unter denen die 42 Nukleinsäuren lange Spezies am stärksten oligomerisiert und längere unlösliche längere Fibrillen bildet (Haass und Selkoe 1993). Aβ-Fibrillen sind Hauptbestandteil der typischen Alzheimer-Plaques. Diese Plaques finden sich bevorzugt in der grauen Substanz und weniger stark ausgeprägt auch in der angrenzenden weißen Substanz. Im Verlauf der Erkrankung kommt es zu einer fortschreitenden Anreicherung von Aβ, die einem bestimmten Muster folgt. Die Ablagerung von Aβ in Plaques beginnt im Neokortex und breitet sich von dort aus in andere Hirngebiete aus, wobei einige Strukturen wie beispielsweise das Cerebellum weitestgehend ausgespart bleiben (Thal et al. 2006). Mittlerweile häufen sich aber auch Studien, die darauf hindeuten, dass weniger die Aβ-Plaques als vielmehr die löslichen Aβ-Oligomere verantwortlich für die Neurodegeneration im Rahmen der Alzheimer-Krankheit sind. Lösliche Aβ-Oligomere finden sich in erhöhten Konzentrationen sowohl in den Gehirnen als auch im Liquor von Patienten mit AD. Sie binden dabei direkt an synaptische Endigungen, führen sowohl zu morphologischen als auch funktionellen synaptischen Einschränkungen und sind auch in Abwesenheit von Aβ-Plaques mit Gedächtnisdefiziten assoziiert (Haass und Selkoe 2007). Außerdem scheint ein direkter Zusammenhang zwischen löslichem Aβ und dem zweiten neuropathologischen Charakteristikum der Alzheimer-Krankheit, nämlichen den Tau-Protein-Fibrillen zu bestehen. Tau ist ein mikrotubuliassoziiertes Protein und damit ein integraler Bestandteil des Zytoskeletts. Unter anderem führen die löslichen Aβ-Oligomere zu einer Hyperphospholyrierung von Tau und damit einer Destabilisierung von mikrotubuliassoziierten neuronalen Transportvorgängen. Da zellulärer Transport zu den Synapsen entscheidend für die Funktion der Synapsen ist, führt Tau-Pathologie zu synaptischer Dysfunktion und Zelltod. Im Gegensatz zur Aβ-Plaquepathologie findet sich pathologisch verändertes Tau-Protein zu Beginn der Alzheimer-Krankheit v. a. im entorhinalen Kortex, von wo es sich über das limbische System bis in den Neokortex ausbreitet (Braak und Braak 1997). Das Ausmaß der Tau-Pathologie korreliert dabei stärker mit der kognitiven Einschränkung im Rahmen der AD als die Plaquepathologie.
Risikofaktoren
Bisher bekannte Risikofaktoren für das Entstehen einer AD sind neben dem höheren Alter eine familiäre Belastung mit neurodegenerativen Erkrankungen, das Vorhandensein des ɛ4-Allels des ApoE-Lipoproteins, Schädel-Hirn-Traumen, körperliche und psychische Morbidität (frühere depressive Erkrankung), geringe Schulbildung, Rauchen, Fehlernährung und geringe geistige, körperliche und soziale Aktivität.
ApoE wird in der Leber und im Gehirn gebildet und spielt für die Bereitstellung von Lipiden für Gewebsreparaturprozesse eine wichtige Rolle. ApoE wird auf Chromosom 19 kodiert und weist einen genetischen Polymorphismus auf. Bekannt sind 3 Varianten: ApoE2, ApoE3 und ApoE4. Ein ApoE4-Allel findet sich bei 20–30 % der Bevölkerung, jedoch bei mehr als 50 % aller Patienten mit AD. Damit scheint ApoE4 ein genetischer Risikofaktor für eine AD zu sein, wobei das Vorhandensein eines ɛ4-Allels jedoch weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung für das Auftreten einer AD ist. Das relative Risiko, an AD zu erkranken, ist für ɛ4-Heterozygote um das 2- bis 3-Fache und für ɛ4-Homozygote um mehr als das 10-Fache erhöht. ApoE4 ist jedoch auch ein Risikofaktor für eine Arteriosklerose, für die koronare Herzerkrankung und für vaskuläre Demenzen. Eine ApoE-Typisierung ist für eine prädiktive AD-Diagnostik ungeeignet. Neben APOE wurden mehr als drei Dutzend andere Polymorphismen mit jeweils geringer Risikoerhöhung für AD beschrieben
Ein weiterer Risikofaktor für das Auftreten einer AD ist eine demenzielle oder neurodegenerative Erkrankung bei Angehörigen. Das Vorhandensein einer schweren neurodegenerativen Erkrankung bei einem Angehörigen ersten Grades, insbesondere einer Erkrankung mit frühem Beginn, ist mit einem bis zu 3-fach erhöhten AD-Risiko assoziiert.
Des Weiteren tragen schwerere Schädel-Hirn-Traumen zu einer Erhöhung des AD-Risikos auf ca. das 1,5- bis 2-Fache bei.
Neben genetischen Einflüssen und direkten traumatischen Hirnschädigungen können auch psychosoziale Variablen zu einer Risikoerhöhung führen. Eine geringe Schulbildung erhöht das Risiko, an einer AD zu erkranken. Die Prävalenz liegt bei Personen mit einer Schulbildung unter 4 Jahren gegenüber Personen mit einer Schulbildung von mehr als 10 Jahren bis zum 4-Fachen höher. Neben einer größeren kognitiven Reservekapazität der besser Gebildeten, die womöglich eine verzögerte Manifestation der Demenzsymptomatik bewirkt, können auch bildungsbezogene Unterschiede in der Lebensführung (Ernährung, Medikamentengebrauch usw.) für diese Risikodifferenzen verantwortlich sein. Verminderte psychosoziale Aktivität im mittleren Lebensalter scheint das Risiko für eine spätere AD deutlich zu erhöhen.
In den letzten Jahren haben sich die Hinweise auf Zusammenhänge zwischen vaskulären Risikofaktoren und AD verdichtet. Hypertonie, Dyslipidämie, Diabetes, Adipositas und Rauchen im mittleren Lebensalter verdoppeln jeweils das Risiko einer späteren Demenz. Im höheren Lebensalter sind die Zusammenhänge zwischen diesen Risikofaktoren und AD hingegen weniger eng. Verschiedene Wirkstoffgruppen wurden in Beobachtungsstudien mit einer Reduktion des AD-Risikos in Verbindung gebracht. Metaanalysen der gegenwärtig verfügbaren empirischen Daten bieten jedoch nur wenige Anhaltspunkte für einen protektiven Effekt. Von einzelnen Studien mit positiven Resultaten abgesehen, ergaben sich in der Gesamtbewertung keine klaren Belege für die präventive Wirksamkeit einer Hypertoniebehandlung, der Gabe von Statinen, einer Behandlung mit nichtsteroidalen Antiphlogistika, der Einnahme von Folsäure, Vitamin B6 und B12 oder einer Substitution von Antioxidanzien. Einige Studien zeigen ein häufigeres Vorkommen der AD bei Frauen, auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenserwartung. Inwieweit dies Ausdruck hormonaler Unterschiede ist, ist unklar. Hoffnungen, die in die Substitution von Östrogenen gesetzt worden waren, haben sich nicht erfüllt. Begleitet von einer Reihe anderer unerwünschter Nebenwirkungen stieg vielmehr das Demenzrisiko unter Gabe von Östrogenen sogar an. Kontrollierte Studien unter Verwendung von Antidementiva konnten ebenfalls keinen deutlichen präventiven Effekt nachweisen. Weder Acetylcholinesterasehemmer noch Präparate wie Ginkgo-Extrakte reduzierten die Neuerkrankungsraten an Demenz.
Vielversprechend hingegen sind die Resultate zur Wirksamkeit von Aktivität und gesunder Ernährung. Geistige Aktivitäten wie das Lösen von Kreuzworträtseln, Schachspielen oder Lesen scheinen die kognitive Reserve zu erhöhen und damit das Auftreten von Demenzen verzögern zu können. Körperliche Aktivität scheint imstande zu sein, das AD-Risiko fast um die Hälfte zu verringern. Zugrunde liegende Mechanismen könnten in einer erhöhten Sauerstoffaufnahme und Glukoseutilisation sowie in der gesteigerten Expression von neutrophen Faktoren bestehen. Eine sog. mediterrane Diät, die durch einen hohen Anteil von Gemüse, Obst und Getreide, durch häufigere Fischmahlzeiten, einen geringeren Verzehr von Fleisch sowie durch regelmäßigen, aber maßvollen Weinkonsum zu den Mahlzeiten gekennzeichnet ist, reduziert anscheinend nicht nur das kardiovaskuläre Risiko, sondern auch die Inzidenz von AD und von kognitiven Beeinträchtigungen im Alter.
Alzheimer-Krankheit und Alzheimer-Demenz
Die Alzheimer-Demenz wurde bis vor einigen Jahren durch den Ausschluss anderer Erkrankungen diagnostiziert. Bestätigt oder widerlegt wurde die klinische Verdachtsdiagnose erst durch den Autopsiebefund. Aus heutiger Sicht müssen die Hirnveränderungen (= Alzheimer-Krankheit, „Alzheimer’s Disease“) klar von den klinischen Folgen („leichte kognitive Beeinträchtigung durch die Alzheimer-Krankheit“ und „Demenz durch die Alzheimer-Krankheit“) differenziert werden McKhann et al. 2011). Das erste Stadium der Alzheimer-Krankheit ist durch die zerebrale Amyloidpathologie gekennzeichnet, und diese kann entweder durch das Amyloid-Imaging oder durch eine Liquoruntersuchung (verminderte Amyloidk-Konzentration) nachgewiesen werden. Danach folgt das Stadium der Neurodegeneration (Nachweis durch Tau-Anstieg im Liquor). Nach diesen ersten beiden Phasen der Alzheimer-Krankheit folgt das symptomatische Stadium mit zunächst leichten kognitiven Störungen und dann einer Demenz.
Klinik
Kognitive Störungen
Bei der AD treten die kognitiven Störungen meist schleichend auf. Alle Teilleistungsbereiche können betroffen sein, wobei die Merkfähigkeit meist früh beeinträchtigt ist. Andere Teilleistungsbereiche (Orientierung, Praxis, Wortfindung, Schreiben, Rechnen) sind in unterschiedlichem Ausmaß mitbetroffen. Amnestische, apraktische, agnostische und aphasische Störungen können zunächst allein und dann in unterschiedlicher Kombination auftreten. Die kognitiven Defizite nehmen meist gleichförmig zu, längere Plateauphasen sind möglich. Eine stark fluktuierende kognitive Symptomatik spricht gegen eine AD (und für einen Normaldruckhydrozephalus, eine Demenz mit Lewy-Körperchen oder Verwirrtheitszustände anderer Genese). Oft werden bereits vor den kognitiven Defiziten fremdanamnestisch diskrete Verhaltensänderungen zu Beginn der AD in Form von nachlassender allgemeiner Aktivität, sozialem Rückzug sowie verminderter Sorgfalt berichtet.
Besonders in der frühen Phase einer AD kann sich die Differenzialdiagnose zu einer Depression schwierig gestalten, da kognitive Defizite im Rahmen einer sog. Pseudodemenz auch bei einer Depression auftreten können.
Neurologische Symptome
Der neurologische Status der meisten Patienten mit AD ist bei Beginn der Erkrankung unauffällig. Gesteigerte Muskeleigenreflexe können die ersten motorischen Symptome darstellen; zusätzlich können eine Bradykinese und ein erhöhter Muskeltonus auftreten. Myoklonien sowie gelegentlich Krampfanfälle finden sich bei jedem 5.–10. Betroffenen im Verlauf. Die Hälfte aller Patienten ist 6 Jahre nach Krankheitsbeginn von einer Inkontinenz betroffen.
Störungen des Erlebens und Verhaltens
Etwa zwei Drittel der Patienten entwickeln im Lauf der Erkrankung neben den kognitiven Defiziten andere psychopathologische Symptome. Diese Störungen des Erlebens und Verhaltens werden gelegentlich als „nichtkognitive“ Symptome oder BPSD („behavioural and psychological symptoms of dementia“) bezeichnet. Depressive Verstimmungen finden sich oft zu Beginn der Erkrankung. Die Angaben zur Häufigkeit von Apathie, Angst, Agitation, Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, visuellen Halluzinationen und flüchtigen Wahnideen sind so unterschiedlich, dass sie in einem Lehrbuch nichts verloren haben. Es ist wichtig zu wissen, dass
  • die Häufigkeit und Ausprägung der Symptome im mittleren Krankheitsstadium am höchsten ist;
  • sie eine noch größere Belastung von Patienten und Angehörigen darstellen als die rein kognitiven Defizite;
  • nicht alle Patienten diese Störungen entwickeln und die Symptome im weiteren Verlauf häufig spontan sistieren;
  • bei ausgeprägten szenischen Halluzinationen differenzialdiagnostisch an die Demenz mit Lewy-Körperchen zu denken ist;
  • die Verwendung von Neuroleptika zur Behandlung von Halluzinationen, Wahn, Agitation und Aggressivität wegen der bekannten Nebenwirkungen gut begründet werden muss (Abschn. „Demenz mit Lewy-Körperchen“ unter „Differenzialdiagnostik“).
Verlauf
Der klinische Verlauf der AD beträgt im Mittel ca. 8 Jahre (Spannweite 2–15 Jahre). Während der ersten 2 Jahre kann das Fortschreiten sehr gering sein, sodass die Symptomatik stabil wirkt. Die kognitive Leistungsabnahme schlägt sich im Mini-Mental-Status-Test (MMST) mit einer Abnahme von 0 bis 5 Punkten/Jahr in der Frühphase (MMST 20–25) und 2,5 bis 10 Punkten/Jahr in der mittleren Phase (MMST 10–20) nieder. Ein präseniler (vor dem 65. Lebensjahr) oder seniler (nach dem 65. Lebensjahr) Krankheitsbeginn hat keinen wesentlichen Einfluss auf den Krankheitsverlauf.
Diagnostik
Die Diagnose der AD beruht nach ICD-10 zunächst auf dem Nachweis eines Demenzsyndroms (Gedächtnisstörung, mindestens eine weitere kognitive Leistungsstörung, alltagsrelevante Einschränkung) sowie einer umfangreichen Ausschlussdiagnostik. Bei der AD findet sich neben der Merkfähigkeitsstörung meist eine Orientierungsstörung oder Apraxie. Eine Beeinträchtigung der sozialen Aktivität besteht zumeist in der Unfähigkeit, die bisherige Berufstätigkeit, die Haushaltsführung oder Hobbys aufrechtzuerhalten.
Anamnese und klinische Untersuchung
In der Eigen- und Fremdanamnese soll u. a. nach Schädel-Hirn-Traumen, Vollnarkosen, Hinweisen auf endokrinologische Erkrankungen (Diabetes mellitus, Hypothyreose), Hypertonie, akuten oder chronischen Entzündungen, neurologischen Vorerkrankungen oder transitorischen neurologischen Ausfällen gefragt werden. Der Verlauf der Symptomatik (abrupter oder allmählicher Beginn, gleichmäßig progredienter oder fluktuierender Verlauf) sollte (fremd-)anamnestisch eindeutig geklärt werden.
Ein langjähriger Hypertonus, eine arterielle Verschlusskrankheit, eine koronare Herzerkrankung oder ein langjähriger Diabetes mellitus können für eine vaskuläre bzw. mikroangiopathisch bedingte Demenz sprechen. Leber- oder Niereninsuffizienzen sowie Malabsorptionssyndrome kommen als Ursache einer demenziellen Symptomatik in Frage. Hinweise auf eine Vaskulitis (Kopfschmerzen, Krampfanfälle, klinische Zeichen, BSG-Erhöhung) dürfen nicht übersehen werden.
Fokale neurologische Ausfälle sprechen eher für eine vaskuläre Demenz vom seltenen „Multiinfarkttyp“. Umschriebene neuropsychologische Defizite (Beispiel: sensorische Aphasie) und sensorische Probleme (Schwerhörigkeit, Sehstörung) dürfen nicht als Ausdruck einer degenerativen Demenz verkannt werden. Primitivreflexe (Palmomentalreflex, Schnauzreflex, Greifreflex) können im weiteren Verlauf einer AD auftreten.
Neuropsychologische Untersuchung
Die Beginn der klinischen Symptomatik soll durch standardisierte neuropsychologische Testverfahren erfasst werden. Während des Tests sollte der Patient bezüglich Anstrengungsbereitschaft, Auffassungsgabe, Bearbeitungstempo und Perseverationstendenzen beobachtet werden. Er muss genügend Zeit zur Aufgabenlösung erhalten. Unter Zeitdruck sinken die Leistungen der meisten Probanden.
Als Kurztest bietet sich der MMST an. Für eine Untersuchung mit dem MMST werden ca. 10 Minuten benötigt. Zur Einschätzung des globalen Schweregrades kann die Global Deterioration Scale (GDS), eine Fremdbeurteilungsskala, verwendet werden. Große praktische Bedeutung hat eine beschreibende Erfassung der alltagspraktischen Fähigkeiten, da diese die Notwendigkeit pflegerischer Unterstützung bestimmt. Kognitive Tests können ein verzerrtes Bild bezüglich der Unterstützungsnotwendigkeit geben, da diese zwar sensibel für mnestische und verbale Störungen sind, die Alltagsfähigkeiten aber auf einem komplexen Zusammenwirken verschiedenster Teilleistungsbereiche, insbesondere auch der Praxie, beruhen. Eine Einschätzung kann über das Ausfüllen der NOSGER (Nurse Observation Scale for Geriatric Patients) durch einen mit dem Patienten zusammenlebenden Angehörigen erfolgen.
Laboruntersuchungen
Bei jedem Patienten sollte im Rahmen der Demenzdiagnostik ein Laborroutineprogramm durchgeführt werden, um möglicherweise kausal behandelbare (Teil-)Ursachen der Symptomatik zu finden. Im Rahmen der Basisdiagnostik werden folgende Serum- bzw. Plasmauntersuchungen empfohlen: Blutbild, Elektrolyte (Na, K, Ca), Nüchternblutzucker, thyreoidstimulierendes Hormon (TSH), Blutsenkung (BSG) oder C-reaktives Protein (CRP), Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT), γ-Glutamyl-Transferase (γ-GT), Kreatinin, Harnstoff, Vitamin B12. Daneben können zahlreiche andere Erkrankungen zu kognitiven Defiziten und Demenz führen. Bei klinischem Verdacht oder klinisch unklaren Fällen sollte daher die Bestimmung folgender zusätzlicher Parameter erwogen werden: Differenzialblutbild, Blutgasanalyse (BGA), Phosphat, Hämoglobin A1c (HbA1c), Homocystein, freies Triiodthyronin 3 (fT3), freies Thyroxin (fT4), Schilddrüsenantikörper, Kortisol, Parathormon, Coeruloplasmin, Vitamin B6, Lues, Borrelien, Blei (Pb), Quecksilber (Hg), Kupfer (Cu), HIV, Drogenscreening, Urinteststreifen, Folsäure (DGPPN und DGN 2016).
Eine genetische Diagnostik sollte nur bei Verdacht auf Mutationen in den drei bekannten autosomal-dominant vererbten Genen PSEN1, PSEN2 und APP erfolgen. Obwohl das APOEɛ4-Allel ein Risikofaktor für die AD ist, ist eine Genotypisierung mangels ausreichend Sensitivität und Spezifität nicht für diagnostische Zwecke geeignet. Weiterhin sollte eine APOE-Genotypisierung auch bei asymptomatischen Menschen mit positiver Familienanamnese mangels ausreichendem prädiktiven Wert für die Entwicklung einer Demenz nur auf ausdrücklichen Wunsch erfolgen.
Liquordiagnostik
Sie dient einerseits im Rahmen der Ausschlussdiagnostik dazu, bei klinischem Verdacht beispielsweise entzündliche ZNS-Erkrankungen auszuschließen. Dabei sollten folgende Parameter bestimmt werden: Zellzahl, Gesamtprotein, Laktatkonzentration, Glukosekonzentration, Albuminquotient, intrathekale IgG-Synthese und oligoklonale Banden. Neben dieser Ausschlussdiagnostik können im Liquor aber auch Korrelate der typischen neuropathologischen Veränderungen im Rahmen der Alzheimer-Krankheit gemessen werden.
Elektroenzephalografie (EEG)
Bei AD findet sich im EEG häufig eine unspezifische Verlangsamung des Grundrhythmus. Diese Verlangsamung ist jedoch nicht spezifisch für die AD, da sie auch bei kognitiv gesunden Menschen und anderen Demenzformen auftritt. Bei einer hohen Variabilität der diagnostischen Güte über viele Studien hinweg kann ein Routineeinsatz im Rahmen der Demenzdiagnostik daher nicht empfohlen werden. In der Praxis spielt das EEG aber weiterhin eine wichtige Rolle bei differenzialdiagnostischem Verdacht auf ein Anfallsleiden (Spitzen, steile Abläufe?), einen Verwirrtheitszustand (Allgemeinveränderung, triphasische Wellen?), eine Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (häufig periodische, generalisierte triphasische Wellen) und eine frontotemporale Demenz (häufig auffallend regelmäßiges α-EEG).
Bildgebende Verfahren
Strukturelle Bildgebung
Der Bildgebung kommt im Rahmen der Demenzdiagnostik zusätzlich eine entscheidende Rolle beim Ausschluss potenziell behandelbarer Ursachen zu (Tab. 3). Wegen der höheren Sensitivität und der mangelnden Strahlenbelastung sollte die MRT der CT vorgezogen werden. Beide Untersuchungen erfolgen üblicherweise in dieser Indikation ohne Kontrastmittel. Falls kein MRT zur Verfügung steht oder bei Vorliegen von Kontraindikationen, sollte eine CT durchgeführt werden. Diese ist meist ausreichend für den Nachweis oder Ausschluss von Raumforderungen, eines subduralen Hämatoms, vaskulärer Läsionen, einer subkortikalen arteriosklerotischen Enzephalopathie oder eines Hydrozephalus (DGPPN und DGN 2009).
Tab. 3
Morphologische und funktionelle Bildgebung bei Demenzen
CT
Mindestanforderung zum Ausschluss einer zerebralen Raumforderung, Erkennung vaskulär bedingter Läsionen
MRT
Sensibler als ein CT bei der Erkennung von Marklagerveränderungen sowie von kleinen, strategisch relevanten Infarkten, v. a. im Thalamus
SPECT
Typische Änderungen der zerebralen Durchblutung bei vaskulären, Frontallappen- oder Alzheimer-Demenzen
PET
Bereits im Frühstadium typische Befunde bei AD, als alleiniger Befund nicht beweisend für eine AD
Neben dieser Ausschlussdiagnostik lassen sich in der strukturellen zerebralen Bildgebung auch positive Hinweise auf das Vorliegen einer Alzheimer-Krankheit finden. Die Atrophie betrifft schon in frühen Stadien v. a. den medialen Temporallappen mit Hippocampus und Gyrus parahippocampalis (Barnes et al. 2009). Es existieren jedoch keine allgemeingültigen Normwerte für die klinische Beurteilung des Atrophiegrades (Abb. 1 und 2). Ein fehlender Hinweis in der visuellen Bewertung der MRT auf Atrophie schließt auch die Diagnose einer neurodegenerativen Erkrankung nicht aus.
Funktionelle Bildgebung
Funktionelle Messungen der Glukoseutilisation mittels 18F-Fluordeoxyglukose-PET (18F-FDG-PET) oder der zerebralen Perfusion mittels 99mTc-Hexamethyl-Propylen-Amin-Oxin-Einzelphotonenemissionstomografie (99mTc-HMPAO-SPECT) können bei klinisch unklaren oder untypischen Fällen wichtige zusätzliche diagnostische Informationen liefern und zur ätiologischen Einordnung beitragen. Eine sichere Diagnose allein aufgrund des Befundes in der funktionellen Bildgebung ist jedoch ebenfalls nicht möglich. Aufgrund der hohen Kosten dieser Verfahren werden sie nicht für die Routinediagnostik empfohlen. Typischerweise findet sich bei Patienten mit Alzheimer-Krankheit bereits im Prädemenzstadium ein Hypometabolismus/eine Hypoperfusion im mediotemporalen Kortex und im posterioren zingulären Kortex (Abb. 3). Dieses typische Muster ist außerdem ein Prädiktor für eine spätere Demenz. Bei Patienten mit klinisch manifester AD zeigt sich zusätzlich typischerweise ein auffälliger Befund im temporoparietalen Kortex, aber auch im präfrontalen Kortex. Der primäre visuelle Kortex und das Cerebellum bleiben meist bis ins weit fortgeschrittene Stadium der Erkrankung frei von hirnfunktionellen Defiziten.
Differenzialdiagnostik
Die Diagnose der Alzheimer-Krankheit ist durch den Nachweis entsprechender Liquorveränderungen oder durch ein positives Amyloid-PET zweifelsfrei zu führen. Dennoch lohnt es sich, auch bei dem definitiven Nachweis der Alzheimer-Krankheit zusätzliche Faktoren zu berücksichtigen, die zum Bild der Demenz beitragen und potenziell behandlungsbedürftig sein können. (Tab. 4).
Tab. 4
Differenzialdiagnostik der Alzheimer-Demenz
Erkrankung
Charakteristika
Vaskulär bedingte Demenz
Oft abrupter Beginn oder abrupte Verschlechterung (aber auch schleichender Verlauf möglich)
Fluktuationen mit intermittierender Verbesserung im Verlauf
„Emotionale Inkontinenz“
Anamnestisch Risikofaktoren für Gefäßerkrankung
Infarkte in CT/MRT
Leukoaraiosis in CT/MRT
Fokaler Hypometabolismus in SPECT/PET
Persönlichkeitsveränderung (Apathie oder Enthemmung)
Planungsdefizite gegenüber Gedächtnisstörung im Vordergrund
Unauffälliges EEG, frontale Atrophie in CT/MRT
Frontaler Hypometabolismus in SPECT/PET
Subkortikale Demenzen
Psychomotorische Verlangsamung
Vor, gleichzeitig oder kurz nach Beginn der Demenz auftretende Bewegungsstörung
Früh auftretende Myoklonien, zerebrale Anfälle, Ataxie
Paranoide oder halluzinatorische Symptome
Rasche Progression, triphasische Wellen im EEG
Infektionsverdacht aus Anamnese
Positive Serologie
Neurolues
Positive Serologie bei obligater Routineuntersuchung
Normaldruckhydrozephalus
Apraktische Gangstörung fast immer vor demenzieller Symptomatik, später hinzukommende Inkontinenz
Vergrößerte Ventrikel in CT/MRT
Demenz bei genetisch bedingten Stoffwechselkrankheiten (z. B. Morbus Niemann-Pick Typ C)
Anamnese, metabolisch bedingte Bewusstseinsstörungen
Zeichen einer Organinsuffizienz
Auffälligkeiten im Routinelabor
Rein amnestisches Syndrom ohne weitere klinisch auffällige kognitive Defizite
Konfabulationen
Meist Alkoholabusus in der Anamnese
Kognitive Symptome im Rahmen einer Depression
Während bei jüngeren Depressiven Klagen über Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen kaum zu dem Verdacht auf eine AD führen, ist dies bei älteren Patienten angesichts der altersabhängigen Demenzprävalenz und einer etwas veränderten Symptomatik der Depression oft der Fall. Die Differenzialdiagnose ist schwierig, da im Rahmen einer Depression die kognitive Leistungsfähigkeit tatsächlich eingeschränkt sein kann. Depressive Patienten schneiden gerade bei psychometrischen Tests oft schlecht ab, genau wie sie vorher bereits gesagt hatten („ich kann das nicht“). Andererseits sind depressive Symptome zu Beginn einer AD durchaus häufig. Depressive Patienten stellen ihre kognitiven Defizite oft von sich aus in den Vordergrund und können den situativen Kontext, in dem die Fehlleistungen auftreten, meist sehr gut und detailliert beschreiben. Demgegenüber neigen Patienten mit einer beginnenden AD eher zur Dissimulation und berichten meist von undifferenzierten Gedächtnisschwierigkeiten. In der Fremdanamnese erscheinen kognitive Defizite bei AD-Patienten meistens deutlicher als in der Eigenanamnese; bei Depressiven ist dies eher umgekehrt. Eine stationäre Beobachtung bezüglich der alltagspraktischen Fähigkeiten kann hier hilfreich sein. Im Zweifelsfall sollte ein medikamentöser Therapieversuch mit einer konsequenten, ausreichend dosierten und lange genug durchgeführten antidepressiven Medikation durchgeführt werden. Bei einer Stimmungsbesserung unter erfolgreicher antidepressiver Pharmakotherapie bildet sich auch die kognitive Symptomatik einer depressiven „Pseudodemenz“ zurück (Tab. 5).
Tab. 5
Differenzialdiagnose Alzheimer-Demenz – depressive Pseudodemenz
Alzheimer-Demenz
„Pseudodemenz“ bei Depressiven
Dissimulation von kognitiven Defekten
Aggravation und detailreiche Selbstbeschreibung von kognitiven Defekten
Schlechte Textleistungen und Alltagsverhalten entsprechen sich
Gute Alltagskompetenzen (im Gegensatz zu oft schlechtem Abschneiden bei Testuntersuchungen)
Affekt im Frühstadium oft depressiv ausgelenkt, in mäßig fortgeschritteneren Stadien eher ausgeglichen
Ausgeprägter, aber oft nicht verbalisierter depressiver Affekt, nächtliches Früherwachen mit Grübeln, Selbstvorwürfe
Keine Besserung der kognitiven Symptome infolge antidepressiver Therapie
Besserung der kognitiven Symptome im Rahmen einer erfolgreichen antidepressiven Therapie (Ansprechen bei konsequenter antidepressiver Therapie in 60–80 % der Fälle)
Vaskulär bedingte kognitive Störungen
Vaskuläre Demenzen gelten immer noch als zweithäufigste Demenzform dar und werden in Kap. „Vaskulär bedingte Demenz“ beschrieben. Sachgerecht wäre es, die vaskulären Hirnveränderungen – v. a. im Bereich des Marklagers – als zweithäufigste Demenzursachen aufzufassen.
Frontotemporale Lobärdegenerationen (FTLD)
Neben der AD repräsentieren die frontotemporalen Lobäratrophien eine weitere Form von neurodegenerativen kortikalen Demenzen. Drei Prototypen werden unterschieden: Frontotemporale Demenz (FTD, Morbus Pick), langsam progrediente Aphasie („slowly progressive aphasia“, SPA) und semantische Demenz (SD).
Am häufigsten ist die FTD mit beidseitiger, aber häufig asymmetrischer Beteiligung von Frontal- und Temporallappen. Die FTD kommt ca. 10- bis 100-mal seltener vor als die AD. Bei der meist sporadisch auftretenden FTD überwiegt das männliche Geschlecht leicht. Der Beginn der Erkrankung liegt häufig vor dem 65. Lebensjahr, selten auch schon vor dem 30. Lebensjahr. Der sehr variable Verlauf beträgt zumeist 5 bis 10 Jahre, kann aber auch 20 Jahre betragen. Die FTD zeichnet sich klinisch durch früh auftretende Persönlichkeitsveränderungen und/oder Antriebsstörungen aus. Der zerebral bedingte Persönlichkeitswandel besteht meist entweder in einer extremen Apathie und Gleichgültigkeit oder in einer Enthemmung und emotionalen Verflachung. Die Antriebsstörung kann zu psychomotorischer Hemmung oder Unruhe führen.
Anfänglich ist die Merk- und Orientierungsfähigkeit im Vergleich zu den deutlichen alltagspraktischen Planungsdefiziten gut erhalten. Gelegentlich anzutreffen sind eine früh beginnende Vernachlässigung der persönlichen Angelegenheiten, sozial unangepasstes Verhalten, Stereotypien und teilweise eine Tendenz, Nahrungsmittel, Zigaretten oder Alkohol unkontrolliert zu konsumieren (Hyperoralität). Bei weiterem Fortschreiten findet sich eine Perseverationstendenz sowohl im Verhalten als auch in der Sprache, die bis zu einer Echolalie oder einem Mutismus gestört sein kann. Tragisch für Patienten und Angehörige ist die Tatsache, dass es viele Jahre dauert, ehe eine korrekte Diagnose gestellt wird – falls die Erkrankung überhaupt erkannt wird.
Eine langsam progrediente Aphasie („slowly progressive aphasia“) kann Leitsymptom der links-frontotemporalen Variante einer FTLD sein.
Ein Verlust von begrifflichem Verständnis, das sowohl Sprache als auch Konzepte betrifft, kann auf eine sog. semantische Demenz bei Beteiligung des linken Temporallappens hinweisen.
Bei den FTLD finden sich in CT oder MRT frontale und/oder temporale Atrophien, deren Ausprägung aber gering sein kann und die sich besonders bei älteren Menschen nicht sicher von einer AD unterscheiden lassen (bei der AD ist aber die perihippokampale Atrophie meist stärker ausgeprägt). SPECT- und PET-Untersuchungen ergeben im Vergleich zur Atrophie einen deutlicheren Befund und zeigen eine ausgedehnte fokale Inaktivität. Die EEG-Befunde sind selbst bei ausgedehnten Atrophien meist „auffallend unauffällig“.
Den FTLD können verschiedene neuropathologische Veränderungen zugrunde liegen. Zum Teil finden sich keine neuronalen Zytoskelettveränderungen und es liegt eine reine Frontallappendegeneration vor; zum Teil finden sich neuronale Einschlusskörper im Sinne von Pick-Körperchen. Andere Formen von neuronalen Einschlusskörpern finden sich bei einer FTLD im Zusammenhang mit einer Motoneuronerkrankung oder einer kortikobasalen Degeneration, wobei die kognitiven Defizite den motorischen Symptomen vorausgehen können. In den letzten Jahren wurden zahlreiche zugrunde liegende Mutationen identifiziert und molekularbiologische Befunde charakterisiert, die sich jedoch noch in keine übersichtliche Systematik fügen oder bereits in einen stringenten Zusammenhang mit der klinischen Symptomatik bringen lassen.
Frontotemporale Demenz
Ein 43-jähriger Busfahrer fällt den Fahrgästen auf, weil er seit einigen Wochen Bier am Steuer trinkt und immer wieder bei roter Ampel Gas gibt. Einigen Fahrgästen hat er die Bustür vor der Nase verschlossen und ist danach lachend davongefahren. Er macht dumme Witze und das schon seit vielen Monaten und vor Kurzem hat er einem jungen Mann in den Schritt gefasst. Der rief per Handy die Polizei, die den Fahrer sofort zur Alkoholkontrolle aufs Revier mitnahm. Da er dort durch anzügliche Witzeleien auffiel und einen unzulässigen Blutalkoholspiegel aufwies, wurde er auf die Folgen seines Fehlverhaltens hingewiesen. Darauf beleidigte er die Beamten und wurde handgreiflich. Als der Arbeitgeber davon erfuhr, wurde er umgehend entlassen. Seine Frau ist der Ansicht, dass er unter Burn-out und einem Alkoholproblem leidet. Er wird daraufhin 3 Monate in einer „Psychosomatischen Klinik“ psychosomatisch behandelt. Da eine Gewichtszunahme von 55 auf 68 kg verbucht wurde, ist im Entlassungsbrief von guten Fortschritten im Behandlungsverlauf die Rede, obwohl er nur selten an Gruppensitzungen und Einzeltherapien teilgenommen hat. Umso mehr Zeit hat er mit Mitpatientinnen und in der Cafeteria verbracht.
Als seine Frau ihn abholt, besteht er darauf, selbst – trotz Führerscheinentzug – zu fahren, und wird in einen Unfall verwickelt, da er die Vorfahrt missachtet hat. Er ist etwa eine Stunde bewusstlos, wird ins Krankenhaus gebracht, und dort wird eine kleine frontale Kontusionsblutung festgestellt. Er zeigt keine auffallende Hirnatrophie. Weitere diagnostische Überlegungen werden nicht angestellt.
Die von der Psychosomatik empfohlene ambulante psychotherapeutische Behandlung scheitert an der mangelnden Initiative des Patienten. Er verbringt die meiste Zeit auf der Couch vor dem Fernseher und nicht mit der Analyse seiner frühkindlichen Entwicklung. Die finanziellen Reserven der Familie aus einem Erbe werden innerhalb von 2 Jahren aufgebraucht. Danach wird seine Ehefrau eine Arbeitsstelle als Putzhilfe annehmen. Der Sohn wollte ursprünglich Abitur machen und Medizin studieren, kann aber wegen der häuslichen Belastung seine Leistungen nicht aufrechterhalten. Wiederholt musste er seine Mutter vor kurzen, unkontrollierten Gewaltausbrüchen des Vaters schützen.
Der Vater wird in 4 Jahren versterben. Die letzten Lebensjahre wird er apathisch zu Hause verbringen. Die Diagnose einer frontotemporalen Demenz wird nie gestellt werden.
Subkortikale Demenzen
Die primär degenerativen Hirnerkrankungen lassen sich sowohl bezüglich des Schwerpunktes der neuropathologischen Veränderungen als auch bezüglich der klinischen Symptomatik in „kortikale“ und „subkortikale“ Demenzformen unterteilen (Tab. 6). Diese Unterteilung ist insofern vereinfachend, als subkortikale Veränderungen auch bei der AD und kortikale Veränderungen z. B. auch bei der progressiven supranukleären Paralyse (PSP) vorkommen. Die kortikobasale Degeneration kann in ihrer klinischen Ausprägung sogar gänzlich als subkortikale Bewegungsstörung oder als rein kortikale FTD in Erscheinung treten.
Tab. 6
Typische Merkmale kortikaler und subkortikaler Demenzen
Kortikale Demenzen
Subkortikale Demenz
Alzheimer-Demenz
Huntington-Chorea
Demenz bei Parkinson-Syndrom
Progressive supranukleäre Paralyse
Temporale und frontale Veränderungen
Frontale bzw. temporale Atrophie
Subkortikale Veränderungen in Hirnstamm, Stammganglien, Thalamus
Keine Bewegungsstörung
Keine Bewegungsstörung
Erkrankungstypische Bewegungsstörung
Amnesie, Aphasie, Apraxie, Agnosie, Orientierungsstörung
Persönlichkeitsveränderung, Perseverationen, Planungsdefizite, Hyperoralität
Verlangsamung, Beeinträchtigung der motorischen Handlungsplanung, Unaufmerksamkeit, geringere Gedächtnisstörung
Chorea Huntington
Chorea Huntington führt im Erkrankungsverlauf zu einer subkortikalen Demenz. Sie wird autosomal-dominant vererbt und beginnt meist zwischen dem 35. und 50. Lebensjahr. Die Demenz im Rahmen der Huntington-Chorea manifestiert sich meist erst nach der Bewegungsstörung, jedoch können kognitive und andere psychopathologische Auffälligkeiten auch initial im Vordergrund stehen. Bei einer demenziellen Symptomatik sollte bei positiver Familienanamnese gezielt nach typischen neurologischen Symptomen gesucht werden. Ein genetischer Test für diese autosomal-dominante Erkrankung steht zur Verfügung.
Parkinson-Demenz
Das idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS) betrifft ca. 1 % der Personen über 65 Jahre. Etwa ein Drittel der Patienten entwickelt mit zunehmendem Alter eine Demenz, bei der neben der Lewy-Körperchen-Pathologie häufig auch Alzheimer-typische Hirnveränderungen eine Rolle spielen. Andererseits entwickelt ca. ein Drittel der Patienten nach einer anfänglich AD-typischen Symptomatik im fortgeschrittenen Stadium ein Parkinson-Syndrom.
Cave
Bei Behandlung eines Parkinson-Syndroms mit gleichzeitiger demenzieller Symptomatik führen anticholinerg wirkende Medikamente zu einer Verschlechterung der kognitiven Leistungen oder zu einer deliranten Symptomatik. Fallen kognitive Störungen auf, muss auf den Einsatz von Anticholinergika verzichtet werden.
Für das Entstehen einer irreversiblen Demenz durch langjährige Einnahme von Anticholinergika gibt es jedoch keine überzeugenden Hinweise.
Dauert es länger als ein Jahr, bis nach Beginn der motorischen Parkinson-Symptomatik kognitive Störungen auftreten, so spricht man von einer Parkinson-Demenz. Treten die kognitiven Probleme innerhalb des ersten Jahres auf oder vor den extrapyramidalmotorischen Symptomen, so handelt es sich um eine Demenz mit Lewy-Körperchen.
Demenz mit Lewy-Körperchen („dementia with Lewy bodies“, DLB)
Klinisch kennzeichnend für eine DLB sind eine Fluktuation der kognitiven Defizite bis hin zu Episoden kompletter Verwirrtheit, früh auftretende (optische) Halluzinationen, ein leichtes Parkinson-Syndrom sowie eine ausgeprägte Sturzneigung, eine REM-Schlafstörung und die Überempfindlichkeit auf Neuroleptika. Insbesondere die fluktuierenden Erscheinungen scheinen bei diesen Patienten gut auf Cholinesterasehemmer anzusprechen. Patienten mit einer DLB können bei Gabe von Neuroleptika mit einer massiven extrapyramidalen Symptomatik (Neuroleptikaüberempfindlichkeit) reagieren und in seltenen Fällen auch ein malignes neuroleptikainduziertes Syndrom entwickeln.
Progressive supranukleäre Paralyse
Eine subkortikale Demenz entwickelt sich teilweise als erstes Symptom bei der supranukleären Paralyse (PSP, Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom). Die Prävalenz dieser sporadisch auftretenden Erkrankung wird auf 1/100.000 geschätzt, wiederholt wurde jedoch auch auf die große Anzahl fehldiagnostizierter Fälle von neuropathologisch gesicherter PSP hingewiesen. Die Erkrankung beginnt schleichend nach dem 40. Lebensjahr bei unauffälliger Familienanamnese und initial normalen CT- oder MRT-Befunden. Das Aufdecken der motorischen Symptome ist für die Diagnose entscheidend.
Typisch für die PSP sind eine vertikale Blickparese nach unten, eine Gangstörung mit Fallneigung und eine Demenz mit einer im Vordergrund stehenden Verlangsamung. Eine Pseudobulbärparalyse und eine Dysarthrie können hinzutreten, wobei Ausprägung und Reihenfolge variabel sind. Der PSP liegt eine neurofibrilläre Degeneration von Neuronen hauptsächlich im Hirnstamm, aber auch im Kortex zugrunde.
Creutzfeldt-Jakob-Demenz
Die Creutzfeldt-Jakob-Demenz (CJD) tritt klinisch mit einer rasch progredienten demenziellen Symptomatik in Erscheinung. Die demenzielle Symptomatik kann anfänglich einer AD ähneln, es treten jedoch rasch aphasische und motorische Symptome auf. Im Gegensatz zur AD zeigt die CJD oft Symptome einer zerebellaren Ataxie. Die CJD tritt zumeist sporadisch mit einem Altersgipfel um das 60. Lebensjahr auf und hat einen Verlauf von wenigen Monaten bis zu 2 Jahren. Die jährliche Inzidenz der CJD wird auf 1/1.000.000 geschätzt, es findet sich keine Geschlechterbevorzugung. Epidemiologische Daten ergeben in Deutschland keinen Anhalt für eine Inzidenzzunahme. In der Prodromalphase der Erkrankung finden sich oft zunehmende Müdigkeit, Schlafstörungen und eine depressive Verstimmung. Eine delirant wirkende Symptomatik sowie Halluzinationen können auftreten. Die Symptomatik nimmt rasch zu, wobei in jüngster Zeit protrahierte Verläufe beschrieben wurden. Neben der progredienten Demenz zeigen sich in der Regel auch Myoklonien, eine vermehrte Schreckhaftigkeit sowie eine Ataxie. Blutuntersuchungen sind unauffällig; im Liquor ist das Protein 14-3-3 erhöht. Bei den meisten Erkrankten treten im weiteren Krankheitsverlauf triphasische Wellen vor dem Hintergrund einer schweren Allgemeinveränderung im EEG auf. Die CT ist bis zu einem ausgeprägten Krankheitsbild unauffällig, in der MRT können sich v. a. bei der neuen Variante der CJD symmetrische Veränderungen des dorsalen Nucleus lentiformis zeigen (Pulvinar-Zeichen).
Die CJD gehört zu den Prionerkrankungen. Zu den bei Tieren auftretenden Prionosen gehören die Scrapie (bei Schafen) und die bovine spongiforme Enzephalopathie (bei Rindern). Infektiöse Proteine (Prionen: „proteinaceous infectious agents“) lösen diese spongiformen Enzephalopathien aus. Die Inkubationszeit wird auf mehrere Jahre geschätzt. Die Übertragbarkeit einer Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung durch infizierte menschliche Hornhaut und Hypophysenextrakte gilt als erwiesen (Kap. „Prionerkrankungen“).
Prionproteine werden auch im menschlichen Genom kodiert. Die seltenen Mutationen dieser Gene liegen der familiären Gerstmann-Sträussler-Schenker-Krankheit sowie der seltenen fatalen familiären Insomnie zugrunde.
HIV-Enzephalopathie
Eine Demenz kann gelegentlich das führende Symptom einer HIV-Infektion sein. HIV-infizierte Patienten entwickeln neurologische Symptome als Folge einer direkten Aktivität des Virus in den Mikrogliazellen des Gehirns oder durch opportunistische Infektionen des Nervensystems im Rahmen der Immunsuppression. Im Verlauf der Erkrankung entwickeln bis zu 30 % der Infizierten eine Demenz, meist zusammen mit weiteren neurologischen Symptomen wie Ataxie oder Tremor. Bei einer reinen HIV-Enzephalopathie zeigt die zum Ausschluss von opportunistischen Infektionen durchgeführte Liquoruntersuchung allenfalls eine leichte lymphozytäre Pleozytose oder Eiweißerhöhung. Das MRT weist bei leicht erweiterten Hirnwindungen fleckige Marklagerveränderungen auf. Im EEG spiegelt sich der Krankheitsverlauf in einer zunehmenden Allgemeinveränderung. (Kap. „HIV-Infektion/AIDS: Neurologische Aspekte“).
Demenz bei Neurolues
Bis zu 25 Jahre nach einer nicht oder unzureichend behandelten Infektion mit Treponema pallidum kann es zu den Symptomen einer progressiven Paralyse kommen. Neben demenziellen können manische, depressive oder wahnhafte Symptome auftreten. Im Bereich der Hirnnerven sind eine fehlende Lichtreaktion der Pupille bei erhaltener Konvergenzreaktion (Argyll-Robertson-Zeichen) sowie ein periorales Muskelbeben typisch. Sowohl im Serum als auch im Liquor sind der TPHA- und der FTA-Abs-Test positiv. Meist finden sich eine lymphozytäre Pleozytose und erhöhte Eiweißwerte sowie eine intrathekale IgG-Produktion.
Eine intravenöse hoch dosierte Antibiotikatherapie mit Penicillin kann die weitere Progression der Demenz stoppen. Mit zunehmenden Zahlen immunsupprimierter Patienten (HIV-Infektion, therapeutische Immunsuppression bei Autoimmunerkrankungen oder nach Transplantationen) sollte auch verstärkt wieder eine Lues bei der Differenzialdiagnose erwogen werden.
Demenz bei Normaldruckhydrozephalus
Ein Normaldruckhydrozephalus (NDH; „normal pressure hydrocephalus“, NPH) kann zu einer demenziellen Symptomatik mit Gedächtnis-, Antriebs- und Aufmerksamkeitsstörungen führen, die mit einer AD verwechselt werden können. Ein NDH kann sich primär (idiopathisch) oder sekundär aufgrund einer Liquorresorptionsstörung im Anschluss an eine Subarachnoidalblutung, eine Meningitis, ein Schädel-Hirn-Trauma oder einen neurochirurgischen Eingriff entwickeln. Zu den klinischen Symptomen des NPH gehören eine Gangstörung, eine Gedächtnisstörung und eine Inkontinenz. Die Gangstörung besteht in einer Störung der Initiation neuer Bewegungsabläufe bei einem breitbasig schlurfenden Gang. Im Gegensatz zur Bewegungsstörung der Beine sind die Arme symptomfrei. Eine Harninkontinenz tritt erst im weiteren Verlauf hinzu.
In der CT findet sich eine Erweiterung der Seitenventrikel und des 3. Ventrikels bei typischerweise basal normalen und apikal verstrichenen kortikalen Sulci. In der MRT sind Zeichen der subependymalen Liquordiapedese besser zu erkennen. MRT-Untersuchungen zur Beurteilung der Dynamik des Liquorflusses können eine Pendelbewegung des Liquorflusses im 3. Ventrikel bei Abwesenheit einer mechanischen Blockierung nachweisen (kommunizierender Hydrozephalus). Trotz der Bezeichnung „Normaldruckhydrozephalus“ lässt sich bei der kontinuierlichen Liquordruckmessung eine intermittierende Druckerhöhung messen. Eine diagnostische und auch zur Prognose einer Shuntanlage anwendbare Untersuchung besteht in der Entnahme von ca. 30–50 ml Liquor. Eine Besserung der Gangstörung innerhalb von 24 Stunden nach Liquorpunktion spricht für das Vorliegen eines NPH und ein Ansprechen auf eine Shuntanlage. Nach entlastenden Punktionen oder einer Shuntanlage ist jedoch nicht mit einer deutlichen Reduktion der kognitiven Symptomatik zu rechnen. Die Entwicklung kognitiver Probleme vor dem Auftreten der Gangstörung ist beim NPH sehr selten.
Normaldruckhydrozephalus
Paul M., 74 Jahre, Arzt für Anästhesiologie, zieht sich seit einem Jahr immer mehr zurück. Die Vorstellung erfolgt nun auf Initiative seiner Ehefrau, die ihn für depressiv hält. Bei der Untersuchung gibt er an, keine wirklichen Probleme zu haben; aus seiner Sicht sei alles in Ordnung. Er wirkt dabei verlangsamt und gleichgültig. Sprechen und Schreiben sind unbeeinträchtigt. Der Gang ist kleinschrittig, etwas unsicher und lässt an ein Parkinson-Syndrom mit allerdings auffälliger Beinbetonung denken. Die kurze kognitive Testung mit dem MMST ergibt 17 von optimal 30 Punkten (damit wird die Grenze zum Demenzsyndrom von 25 Punkten deutlich unterschritten).
Ehe apparative Untersuchungen beantragt werden dürfen, müssen die Assistenten in dieser Klinik die Patienten dem zuständigen Oberarzt vorstellen. Die Verdachtsdiagnose lautet AD. Rückzug, mangelnde Krankheitseinsicht werden als sekundäre Probleme aufgefasst. Nach Ansicht des Oberarztes passt die berichtete Parkinson-Symptomatik nicht zu dem vergleichsweise kurzen Verlauf einer AD und er untersucht den Patienten nochmals. Ihm fällt die Diskrepanz zwischen dem schlurfenden Gang und der lebhaften Mitbewegung der Arme auf. Er ist überzeugt, dass es sich um einen Normaldruckhydrozephalus handelt und fragt die Ehefrau, ob die Leistungsfähigkeit des Patienten starken Schwankungen unterworfen sei, was diese bestätigt. Auch die Frage nach einer zeitweiligen Harninkontinenz wird bejaht.
Ein MRT ergibt: (1) eine deutliche Aufweitung beider Seitenventrikel; (2) eine veränderte Signalintensität v. a. um die Vorderhörner (Polkappen, Liquortranssudation?); (3) keine Hinweise auf eine kortikale Hirnatrophie in den oberen Schichten, während die basalen Furchen aufgeweitet sind. Damit wird der oberärztliche Verdacht auf einen Normaldruckhydrozephalus durch die strukturelle Bildgebung bestätigt. Bei einer Lumbalpunktion werden mehr als 50 ml Liquor abgelassen. In den nächsten Stunden gewinnt der Patient an Initiative zurück, wirkt frischer und geht mit deutlich größeren Schritten.
Nach neurochirurgischem Konsil wird mit Patient und Ehefrau die Anlage eines ventrikuloatrialen Shunts besprochen. Der Eingriff wird durchgeführt und führt prompt zu einem guten Erfolg. Der Patient ist mehrere Monate weitgehend ohne Beschwerden. Dann verschlechtert sich sein Zustand wieder: Apathie, beinbetontes Parkinsonoid, Harninkontinenz.
Eine Kontrolle des Shunts und eine Revision führen erneut zu einer gewissen Verbesserung, aber zu keiner Remission.
Die Neurochirurgen senden Liquor ins Labor und nach zwei Wochen trifft folgendes Ergebnis ein: β-Amyloid deutlich erniedrigt, Gesamt-Tau und Phospho-Tau deutlich erhöht; keine Veränderung zum Vorbefund. Jetzt fällt dem begabten, aber etwas zerstreuten Assistenzarzt ein, dass er der Diagnose des Oberarztes vor einigen Monaten zunächst nicht geglaubt und deshalb den Liquor bereits zur Bestimmung von Tau und β-Amyloid in Labor geschickt hatte.
Die Koinzidenz von Normaldruckhydrozephalus und Alzheimer-Neurodegeneration im Alter ist häufig. Der Verlauf zeigte, dass der Patient zunächst von der Anlage eines ventrikuloatrialen Shunts profitierte; der Eingriff war durch die typische Symptomatik, die strukturelle Bildgebung und den Erfolg der Liquorpunktion gerechtfertigt, ebenso wie jetzt die Einleitung einer geeigneten Behandlung gegen die AD gerechtfertigt ist.
Demenz bei genetisch bedingten Stoffwechselstörungen
Im Rahmen von angeborenen Stoffwechselstörungen kann es zur Ausbildung einer Demenz kommen, die meist mit weiteren neurologischen Symptomen verbunden ist (Tab. 7). Obwohl die meisten dieser Stoffwechselstörungen schon in der Kindheit symptomatisch werden, wird bei einigen Erkrankten die Diagnose erst im frühen bis mittleren Erwachsenenalter gestellt. Die Demenzsymptomatik kann bei Diagnosestellung verschieden stark ausgeprägt sein. Teilweise finden sich andere psychopathologische Symptome in der Vorgeschichte, z. B. eine wahnhafte oder halluzinatorische Symptomatik bei der adulten Form der Niemann-Pick-Erkrankung oder den Leukodystrophien. Neben Symptomen des ZNS erzeugen einige Stoffwechselstörungen zusätzlich Polyneuropathien sowie Veränderungen des Augenhintergrundes, sodass die Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit und eine augenärztliche Untersuchung sinnvoll sind. Die Gruppe der leukodystrophischen Erkrankungen zeichnet sich insbesondere durch die typischen Signalveränderungen der weißen Substanz in der MRT-Untersuchung aus. Dem Morbus Wilson liegt eine Störung des Kupferstoffwechsels zugrunde, die laborchemisch (Coeruloplasminspiegel im Serum, Kupferausscheidung im Urin) nachgewiesen werden kann.
Tab. 7
Genetisch bedingte Stoffwechselstörungen mit gelegentlicher Manifestation einer Demenz im jungen bis mittleren Erwachsenenalter
Genetisch bedingte Stoffwechselstörung
Zusätzlich zu Demenzsymptomen
Morbus Krabbe (Globoidzellenleukodystrophie), autosomal-rezessiv
Polyneuropathie, Paresen, Spastik, Erblindung, Schluckstörung
Polyneuropathie, Spastik, Ataxie
Morbus Niemann-Pick (adulte Form, Typ IIc), autosomal-rezessiv
Ataxie, Dysarthrie, Hypotonie, Hepatosplenomegalie, Makuladegeneration
Familiäre Leukodystrophie, autosomal-dominant
Spastik
Morbus Fabry, X-chromosomal
Polyneuropathie, Veränderungen an Auge und Haut
Morbus Wilson (hepatolentikuläre Degeneration), autosomal-rezessiv
Parkinsonoide oder athetotische Bewegungsstörung, Kayser-Fleischer-Ring
Demenz bei Endokrinopathien
Endokrine Störungen können zu einer Demenz führen (Tab. 8). Eine Hypothyreose kann klinisch als schleichend verlaufende Demenz in Erscheinung treten und ähnelt dem Erscheinungsbild einer AD. Bestimmungen der Schilddrüsenwerte (Thyroxin, TSH) gehören deshalb routinemäßig zur Diagnostik einer Demenz. Störungen des Kalzium-/Phosphatstoffwechsels bei inadäquater Parathormonsekretion (Hyperparathyreoidismus, Hypoparathyreoidismus) oder Parathormonwirkung (Pseudohypoparathyreoidismus) können eine Demenz verursachen. Meist treten zusätzliche Symptome (gehäuft Nierensteine, Gliederschmerzen bzw. hypokalzämische Tetanie, EKG-Veränderungen) auf. Die Diagnose erfolgt über eine wiederholte Bestimmung des Hormons im Plasma sowie des Kalziums und Phosphats im Serum.
Tab. 8
Demenzen bei Endokrinopathien
Demenz bei Endokrinopathien
Weitere Symptome
Hypothyreose
Depression, Verlangsamung, wahnhafte und halluzinatorische Symptome
Hyperparathyreodismus
Nierensteine, Gliederschmerzen, Knochenresorption (radiologisch), EKG-Veränderungen
Hypoparathyreodismus
Zerebrale oder tetanische Anfälle, EKG-Veränderungen
Hashimoto-Enzephalopathie
Die Hashimoto-Enzephalopathie ist eine immunologisch bedingte Erkrankung. Sie tritt zumeist bei Frauen mit einer Hashimoto-Thyreoditis auf, die weit verbreitet ist (ca. 3 % der älteren Bevölkerung). In der Schilddrüse finden sich echoarme Herde (Ultraschalluntersuchung) und Lymphozyteninfiltrate (Feinnadelbiopsie), im Serum können Antikörper gegen Schilddrüsengewebe gemessen werden. Die Schilddrüsenstoffwechsellage ist zumeist euthyreot, oft sind die Patienten nach durchlaufener Thyreoditis mit Hormonpräparaten substituiert. Parallel, aber auch zeitlich versetzt kann es meist ab dem 40. Lebensjahr zu einer Enzephalopathie kommen, die durch Aufmerksamkeits- und Antriebsstörungen, kognitive Störung bis hin zur Demenz, Krampfanfälle und Halluzinationen gekennzeichnet ist. Einzelfälle wurden auch bei Kindern beschrieben. Sowohl EEG (leichte Verlangsamung) als auch Bildgebung und Liquoruntersuchung (leichte Schrankenstörung) sind nicht wegweisend. Die Symptome der Enzephalopathie sprechen rasch auf Steroide an. Im Rahmen der epidemiologischen Untersuchung zur Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung wurden in den letzten Jahren immer wieder Fälle in Deutschland erkannt.
Demenz bei Vitamin-B12-Mangel
Bei Vitamin-B12-Mangel kann die Demenz das einzige erkennbare Symptom sein. Deshalb gehört zu jeder Demenzdiagnostik eine routinemäßige Spiegelbestimmung dieses Parameters. Weitere Symptome (megalozytäre Anämie, Parästhesien) können bei Manifestation der Demenz (noch) fehlen.
Metabolische Enzephalopathien
Einmalige oder rezidivierende zerebrale Hypoxien und Hypoglykämien können durch selektive Schädigung der besonders empfindlichen hippokampalen Neuronen zu einer Demenz führen (Tab. 9). Das neuropsychologische Ausfallsmuster ähnelt einer AD. Die Anamnese mit plötzlichem Beginn und initialer Bewusstseinsstörung ist richtungweisend (Kap. „Metabolische Enzephalopathien“).
Metabolische Störung
Mögliche Ursache
Zerebrale Hypoxie/Ischämie
Kardiopulmonale Insuffizienz
Adam-Stokes-Anfälle
Hypoglykämie
Nicht angepasste Diabetesbehandlung
Kombinierte endokrine Insuffizienz
Akuter Leberausfall
Leberumgehungskreislauf bei Zirrhose
Renale Enzephalopathie
Enzephalopathie bei chronischer Dialyse
Bei chronischer hepatischer oder renaler Insuffizienz können Veränderungen der Blutzusammensetzung (Leberinsuffizienz: Ammoniakerhöhung, Veränderung des Amino- und Fettsäurenprofils im Serum; Niereninsuffizienz: Elektrolyt- und Säure-Basen-Veränderung) zu einer kognitiven Leistungsschwäche führen. Diese Leistungseinbußen schwanken mit der Ausprägung der Grunderkrankung und können nach erfolgreicher Therapie (Transplantation) ganz zurückgehen. Bei ca. 1 % der niereninsuffizienten Dialysepatienten entwickelt sich nach mehr als einjähriger Dialyse eine Enzephalopathie mit demenzieller Symptomatik. Die früher höheren Zahlen an Dialyseenzephalopathien werden mit der damals höheren Aluminiumbelastung von Dialysepatienten in Verbindung gebracht.
Demenzen bei chronischen Intoxikationen
Chronische Aufnahme von Lösungsmitteln kann in seltenen Fällen zu einer schleichend beginnenden Demenz führen. Hierzu bedarf es einer langjährigen Exposition (meist >10 Jahre, entsprechende Berufsanamnese) sowie einer hohen Konzentration der zumeist flüchtigen und lipophilen Stoffe (aromatische oder halogenierte Kohlenwasserstoffe). Zusätzlich zur Demenz finden sich häufig eine Polyneuropathie sowie Zeichen einer zerebellären Schädigung. Nach Beendigung der Exposition ist nicht mit einer weiteren Progredienz der Symptomatik zu rechnen, die sich sogar zurückentwickeln kann.
Korsakow-Syndrom und Wernicke-Enzephalopathie
Das ausgeprägte Korsakow-Syndrom ist klinisch durch den Verlust der Merkfähigkeit gekennzeichnet. Die Betroffenen verfügen nur über ein „Sekundengedächtnis“ und können sich, Minuten später befragt, an nichts mehr erinnern. Obwohl die Betroffenen hinsichtlich Situation, Ort und Zeit nicht orientiert sind, verhalten sie sich weitgehend situationsadäquat. Im Gegensatz zur AD manifestieren sich klinisch keine apraktischen, visuell konstruktiven oder aphasischen Defizite. Gedächtnislücken werden von einem Teil der Betroffenen durch Konfabulationen gefüllt. Einem Korsakow-Syndrom können bilaterale Schäden des Hippokampus, des mediodorsalen Thalamus, der Corpora mamillaria sowie des basalen Vorderhirns zugrunde liegen. Ein Korsakow-Syndrom tritt oft in Verbindung mit einer Wernicke-Enzephalopathie auf. Selten kann die Symptomatik durch eine Läsion des basalen Frontalhirns im Zusammenhang mit der Thrombosierung oder Operation eines Aneurysmas der Arteria communicans anterior stehen.
Therapie der Alzheimer-Demenz
Pharmakotherapie
Derzeit stehen zur medikamentösen Behandlung kognitiver Defizite der AD zwei Prinzipien zur Verfügung:
1.
die Verbesserung der cholinergen Neurotransmission mit Cholinesterasehemmern und
 
2.
die Regulierung der glutamatergen Neurotransmission mit Memantin. Memantin ist ein Glutamatantagonist am NMDA-Rezeptor. Die Cholinesterasehemmer Donepezil, Galantamin und Rivastigmin verhindern den raschen Abbau des nur noch vermindert zu Verfügung stehenden Acetylcholins im synaptischen Spalt.
 
Cholinesterasehemmer
Der neurodegenerative Prozess führt bei der AD zu einem Verlust cholinerger Neuronen im basalen Vorderhirn (Ncl. basalis Meynert, Nuklei des diagonalen Bandes und Ncl. Broca) und damit zu einer verminderten Acetylcholin-Versorgung des Neokortex und des limbischen Systems. Dennoch wird Acetylcholin in diesen Arealen unvermindert durch membranständige und ungebundene Acetylcholinesterasen und die weniger spezifischen Butyrylcholinesterasen abgebaut. Acetylcholin ist u. a. verantwortlich für die sog. laterale Hemmung, also für die Verbesserung des Signal-Rausch-Abstandes und damit die Reizfilterung im ZNS. Steht zu wenig Acetylcholin zur Verfügung, treten zunächst Störungen von Konzentration, Aufmerksamkeit und Lernleistung auf. Danach entwickeln sich Vigilanzstörungen, visuelle Halluzinationen und Verwirrtheitszustände. Auf die folgenden Kontraindikationen und Nebenwirkungen muss beim Einsatz von Cholinesterasehemmern geachtet werden: höhergradige kardiale Reizleitungsstörungen, Magenulkus, obstruktive Ateminsuffizienz.
Donepezil besitzt eine hohe Bioverfügbarkeit und ist ein reversibler Cholinesterasehemmer. Galantamin hemmt ebenfalls die Acetylcholinesterase, ist aber v. a. ein präsynaptisch nikotinerger Stimulator, der die Acetylcholinfreisetzung steigern kann. Rivastigmin blockiert auch die unspezifische Butyrylcholinesterase, die im Krankheitsverlauf eine zunehmende Rolle spielt. Zuverlässige Hinweise auf eine differenzielle Wirkung dieser drei Substanzen existieren noch nicht.
Memantin
Im gesunden Gehirn fällt auf vielen Stoffwechselwegen exzitatorisches Glutamat an und wird mit hohem Energieaufwand in synaptischen Vesikeln konzentriert. Glutamat wird unter den Stressbedingungen der Alzheimer-Krankheit freigesetzt und kann eine postsynaptische Überstimulation mit gesteigertem und letztlich neurotoxischem Kalziumeinstrom bewirken. Memantin antagonisiert diese Wirkung am NMDA-Rezeptor. Aufgrund des zentralen Wirkungsmechanismus führt es nicht zu relevanten peripheren Nebenwirkungen.
„Nootropika“
Ginkgo-biloba-Extrakt und Pirazetam wurden früher als „metabolic enhancer“ eingesetzt, sie stabilisieren möglicherweise geschädigte Membranen und verbessern dadurch den Energiestoffwechsel. Beide Substanzen sind gut verträglich.
Wichtige Voraussetzungen einer guten Wirkung der Antidementiva sind: zuverlässige Medikamenteneinnahme, keine Kontraindikationen, keine gleichzeitige Verwendung von Anticholinergika bei der Gabe von Cholinesterasehemmern, Pharmakotherapie als Teil eines Gesamtbehandlungsplans und zuverlässige Beobachtung etwaiger Nebenwirkungen bei insgesamt realistischer Erwartungshaltung (Tab. 10). Die Symptome des natürlichen Krankheitsverlaufes werden um 6–12 Monate verschoben. Der Patient leistet also nach diesem Zeitraum mit einem Antidementivum, was er 6–12 Monate vorher ohne Antidementivum geleistet hatte. Die Substanzen verlieren nach diesem Zeitraum nicht ihre Wirksamkeit (Parallelverschiebung des Krankheitsverlaufs), beeinflussen also nicht den zugrunde liegenden Krankheitsprozess. Eine Verschlechterung der Symptome kann logischerweise nicht als Beweis für eine Unwirksamkeit der Substanzen gewertet werden. Überdies ist der Krankheitsverlauf so variabel, dass keine zuverlässige individuelle Prognose gestellt werden kann, mit dem die Progredienz unter Behandlung verglichen werden könnte.
Tab. 10
Medikamentöse Behandlung einer Alzheimer-Demenz
Präparat
Tägliche Dosis
Wirkprinzip
Nebenwirkungen
Piracetam
8–13 g
Unklar, Effekt fraglich
Unruhe
Gingkopräparate
40–120 mg
Radikalfänger?, Effekt fraglich
Nicht nennenswert
Memantine
10–20 mg
Glutamatmodulator, neuroprotektiv?
Schwindel, Unruhe
Galantamin
12–24 mg
Cholinesterasehemmer (1. Wahl)
Übelkeit
Donepezil
5–10 mg
Cholinesterasehemmer (1. Wahl)
Übelkeit
Rivastigmin
6–12 mg
Cholinesterasehemmer (1. Wahl)
Übelkeit
Selegilin/L-Deprenyl
5–10 mg
Aufgrund der unterschiedlichen und sich ergänzenden pharmakologischen Wirkprinzipien kann die Kombination von Memantin und einem Cholinesterasehemmer sinnvoll sein.
Innovative Therapieansätze
Es wird eine Vielzahl kausaler Therapieansätze verfolgt. Am intensivsten untersucht werden derzeit monoklonale Antikörper gegen Amyloid im Frühstadium der Alzheimer-Erkrankung.
Therapie der Störungen des Erlebens und Verhaltens
Nicht selten entwickeln Patienten mit AD und gemischter Demenz im Verlauf der Erkrankung auch Störungen des Erlebens und Verhaltens („behavioural and psychological symptoms of dementia“, BPSD): Depressivität, Angst, Apathie, visuelle Halluzinationen, Wahnideen, wahnhafte Missidentifikationen, Handlungsstereotypien (z. B. Sammeln von Gegenständen, „Wandern“, Schreien, Schaukeln), Unruhe, Agitation und Aggressivität. Mitunter verbessern sich diese Symptome bei einer Behandlung mit Antidementiva oder anderen therapeutischen Maßnahmen, welche die kognitive Leistung anheben (Tab. 11). Vorrangig sollten die im weitesten Sinne „verhaltenstherapeutischen“ Interventionen an folgenden Punkten angreifen:
  • Existiert ein äußerer Stressor oder innerer Auslöser (sensorische Deprivation oder kognitive Überforderung, Dehydratation, Hunger, Schmerz), der die Symptome hervorruft?
  • Wird die kognitive Leistungsfähigkeit optimal unterstützt, z. B. durch das rechte Maß an Zuwendung, Orientierungshilfen, Antidementiva und eine geeignete internistische Behandlung?
    Tab. 11
    Therapie nichtkognitiver Symptome der Alzheimer-Demenz
    Symptome
    Medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapie
    Paranoides Verhalten
    Klärung von Auslösern, gering dosierte Neuroleptika
    Halluzinationen
    Neuroleptika (Haloperidol)
    Aggressivität
    Klärung von Auslösern, Neuroleptika
    Apathie und Rückzug, depressive Symptome
    Aktivierung, Antidepressiva
    Störung des Tag-Nacht-Rhythmus
    Tagesstrukturierung, Aktivierung am Tag (sedierendes Neuroleptikum zur Nacht)
Falls entsprechende Interventionen nicht zum Erfolg führen, kann die Gabe folgender Substanzen erwogen werden:
Benzodiazepine
Für Benzodiazepine gilt:
Cave
Sie dürfen nur im akuten Notfall oder bei bereits benzodiazepinabhängigen Patienten zur Behandlung von Angst, Agitation und Aggressivität verwendet werden.
Rascher Wirkungseintritt und geringe akute Nebenwirkungen sind die Vorteile. Nachteile sind die Gefahr von Abhängigkeit, Stürzen und Hirninfarkten.
Antidepressiva
Antidepressiva eignen sich zur Behandlung von Angst, Depression, gestörter Impulskontrolle wie auch Affektinkontinenz sowie zur Sedierung oder leichten Antriebssteigerung. Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI; z. B. Escitalopram, Sertralin) oder selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (Venlafaxin, Duloxetin, Mirtazapin) können zur Behandlung eingesetzt werden.
Cave
Alte zyklische Antidepressiva haben anticholinerge Eigenschaften!
Neuroleptika
In mehreren Zulassungsstudien ergaben sich erhöhte Hirninfarkt- und Todesraten bei dementen Patienten, die mit Neuroleptika behandelt wurden. Die Risikofaktoren für das Auftreten dieser Komplikationen sind: hohes Alter, fortgeschrittene Demenz, kardiozerebrovaskuläre Risikomerkmale, andere somatische Erkrankungen und höhere Dosen bei längerer Dauer der Neuroleptikabehandlung. Patienten mit zusätzlichen vaskulären Hirnveränderungen sind besonders gefährdet. Dosierung und Behandlungsdauer müssen auch bei modernen atypischen Neuroleptika sehr restriktiv gewählt werden (z. B. Risperidon, Quetiapin). Ein Auslassversuch nach einer Woche kann zeigen, ob diese Substanzen überhaupt noch gebraucht werden. Konventionelle Neuroleptika (z. B. Haloperidol), Atypica mit anticholinergen Eigenschaften (Olanzapin) oder Benzodiazepine sind keine Alternative, da sie ein höheres Komplikationsrisiko aufweisen.

Facharztfragen

1.
Was ist der Unterschied von „Alzheimer“ und „Demenz“?
 
2.
Nennen Sie einige reversible Demenzen und ihre Charakteristika.
 
3.
Welche Risikofaktoren für die Entwicklung einer Demenz – z. B. einer Alzheimer-Demenz – kennen Sie und welchen Stellenwert kann eine Entdeckung dieser Risikofaktoren bei Patienten mit manifester Erkrankung besitzen?
 
4.
Welche apparativen Untersuchungen schlagen Sie bei Verdacht auf eine Alzheimer-Demenz vor und was sind die erwarteten Ergebnisse?
 
5.
Was sind die Merkmale sog. frontotemporaler Lobärdegenerationen?
 
6.
Kennen Sie die klinischen Unterschiede zwischen Demenz bei Morbus Parkinson und einer Demenz mit Lewy-Körperchen?
 
7.
Welche Arten der vaskulären Demenzursachen werden unterschieden?
 
8.
Welche Substanzen stehen derzeit zur symptomatischen Behandlung der Alzheimer-Demenz zur Verfügung und wie wirken sie?
 
9.
Welche kausalen Interventionen zur Behandlung neurodegenerativer Hirnerkrankungen werden derzeit entwickelt?
 
10.
Welche Interventionen bei vaskulären Demenzursachen werden aktuell empfohlen?
 
Literatur
Bickel H, Bürger K, Hampel H, Schreiber Y, Sonntag A, Wiegele B, Förstl H, Kurz A (2005) Präsenile Demenzen in Gedächtnisambulanzen. Konsultationsinzidenz und Krankheitscharakteristika. Nervenarzt 77:1079–1085CrossRef
Braak H, Braak E (1997) Diagnostic criteria for neuropathologic assessment of Alzheimer’s disease. Neurobiol Aging 4(Suppl):S85–S88CrossRef
Cuyvers E, Sleegers K (2016) Genetic variations underlying Alzheimer’s disease: evidence from genome-wide association studies and beyond. Lancet Neurol 15:857–868CrossRef
DGPPN, DGN (2016) S3-Leitlinie Demenzen
Ferri CP, Prince M, Brayne C et al (2005) Global prevalence of dementia: a Delphi consensus study. Lancet 366:2112–2117CrossRef
McKhann G et al (2011) The diagnosis of dementia due to Alzhimer’s disease. Alzheimer’s and Dementia 7:263–269CrossRef
Niu H, Alvarez-Alvarez I, Guillén-Grima F, Aquinaga-Ontoso I (2016) Prevalencia e incidencia de la enfermedad de Alzheimer en Europa: metaanálisis. Neurologia. https://​doi.​org/​10.​1016/​j.​nrl.​2016.​02.​016
Norton S, Matthews FE, Barnes DE, Yaffe K, Brayne C (2014) Potential for primary prevention of Alzheimer’s disease: an analysis of population-based data. Lancet Neurol 13:788–794CrossRef
Reitz C, Brayne C, Mayeux R (2011) Epidemiology of Alzheimer disease. Nat Rev Neurol 7:137–152CrossRef
Snyder HM, Corriveau RA, Craft S et al (2015) Vascular contributions to cognitive impairment and dementia including Alzheimer’s disease. Alzheimers Dement 11:710–717CrossRef