Skip to main content
Klinische Neurologie
Info
Publiziert am: 10.10.2018

Arteriovenöse Durafisteln

Verfasst von: Wiebke Kurre, René Chapot und Peter Berlit
Durale arteriovenöse Fisteln (dAVF) sind arteriovenöse Kurzschlussverbindungen, die in der Dura bzw. in der Wand der duralen venösen Blutleiter lokalisiert sind. Die arteriellen Zuflüsse gehen überwiegend von duraversorgenden Gefäßen aus, in Einzelfällen können auch piale Arterien zur Shuntverbindung beitragen. Die Lokalisation des Shunts und die Art der arteriellen Versorgung unterscheidet dAVF von parenchymatösen und pialen arteriovenösen Fehlbildungen. dAVF sind meist erworben. Auslöser für die Entstehung sind u. a. Sinus- und Hirnvenenthrombosen und Traumata. Die klinischen Symptome der dAVF werden von der Lokalisation des Shunts, der Art der venösen Drainage und dem Ausmaß des Shuntvolumens bestimmt. Leitsymptome können Kopfschmerzen, ein pulsatiler Tinnitus, eine Enzephalopathie, Sehstörungen oder andere fokal-neurologische Defizite sein. Der Patient ist durch das Auftreten von Blutungen, Kongestionsödemen und kompressionsbedingten Ausfällen gefährdet. Die Behandlung duraler Fisteln erfolgt bevorzugt interventionell-neuroradiologisch.
Durale arteriovenösen Fisteln (dAVF) sind arteriovenöse Kurzschlussverbindungen, die in der Dura bzw. in der Wand der duralen venösen Blutleiter lokalisiert sind. Die arteriellen Zuflüsse gehen überwiegend von duraversorgenden Gefäßen aus, in Einzelfällen können auch piale Arterien zur Shuntverbindung beitragen. Die Lokalisation des Shunts und die Art der arteriellen Versorgung unterscheidet dAVF von parenchymatösen und pialen arteriovenösen Fehlbildungen. dAVF sind meist erworben. Auslöser für die Entstehung sind u. a. Sinus- und Hirnvenenthrombosen und Traumata. Die klinischen Symptome der dAVF werden von der Lokalisation des Shunts, der Art der venösen Drainage und dem Ausmaß des Shuntvolumens bestimmt. Leitsymptome können Kopfschmerzen, ein pulsatiler Tinnitus, eine Enzephalopathie, Sehstörungen oder andere fokal-neurologische Defizite sein. Der Patient ist durch das Auftreten von Blutungen, Kongestionsödemen und kompressionsbedingten Ausfällen gefährdet. Die Behandlung duraler Fisteln erfolgt bevorzugt interventionell-neuroradiologisch.

Allgemeiner Teil

Klassifikation, Häufigkeit und Vorkommen
dAVF repräsentieren 10–15 % aller zerebralen vaskulären Malformationen und werden nach der anatomischen Lokalisation des Fistelpunktes benannt. Sie kommen an verschiedenen Prädilektionsstellen mit unterschiedlicher Häufigkeit vor. In größeren Serien fanden sich 62,6 % am Sinus transversus und sigmoideus, 11,9 % am Sinus cavernosus, 8,4 % tentoriell, 7,4 % am Sinus sagittalis superior, 5,8 % orbital oder an der vorderen Falx, 3,7 % im Bereich der Sylvi-Region und der mittleren Schädelgrube (Awad 1995; Houser et al. 1972).
Das von der Fistel ausgehende Gefährdungspotenzial für den Patienten wird wesentlich durch die Art der venösen Drainage bestimmt. Die Beschreibung einer dAVF muss folglich auch diesen Aspekt berücksichtigen. In der Praxis werden zwei unterschiedliche Klassifikationssysteme verwendet, die in Tab. 1 ausgeführt sind.
Tab. 1
Klassifikation der duralen AV-Fisteln nach den Systemen von Cognard und nach Borden
Fisteltyp
Klassifikation nach Cognard et al. 1997
Klassifikation nach Borden et al. 1995
I
Drainage in einen duralen Sinus mit antegradem Fluss
Drainage in einen duralen Sinus oder eine meningeale Vene
II
IIa: Drainage in einen duralen Sinus mit Reflux in einen oder mehrere Sinus
Drainage in einen duralen Sinus mit retrogradem Fluss in eine subarachnoidale Vene
IIb: Drainage in einen duralen Sinus mit Reflux in eine oder mehrere kortikale Venen
IIa+b: Drainage in einen duralen Sinus mit Reflux in einen oder mehrere Sinus und kortikale Venen
III
Direkte Drainage in eine kortikale Vene
Drainage in eine subarachnoidale Vene
IV
Direkte Drainage in eine kortikale Vene mit Nachweis einer venösen Ektasie
 
V
Drainage in perimedulläre Venen
 
Erfolgt der venöse Abstrom ausschließlich antegrad entlang des duralen Sinus (Typ I nach Cognard), ist der Abstrom trotz der Fistel in der Regel funktionell ausreichend und es kommt selten zu aggressiven Symptomen. Ein Reflux in andere durale Blutleiter (Typ IIa nach Cognard) oder sogar in kortikale Venen (Typ IIb nach Cognard) zeigt eine zunehmende Überlastung des venösen Drainageweges an und das Risiko für eine Hirnblutung oder eine stauungsbedingte Enzephalopathie nimmt zu. dAVF der Grade III–V nach Cognard sind durch ein erheblich ansteigendes Blutungsrisiko gekennzeichnet, aber auch stauungsbedingte Enzephalopathien kommen gehäuft vor. Venöse Ektasien einer Typ-IV-Fistel können zusätzlich durch lokale Kompression angrenzenden Hirngewebes Symptome verursachen. Bei Typ-V-Fisteln ist durch die perimedulläre venöse Drainage in erster Linie mit einer Myelopathie zu rechnen. Übergänge von einem niedrigeren in ein höheres Stadium durch Änderung der Drainagewege können jederzeit auftreten.
Ätiologie und Pathogenese
Die Ätiologie duraler arteriovenöser Fisteln des Erwachsenen bleibt im Individualfall meist ungeklärt. Man geht davon aus, dass sie erworben sind (Mironov 1994; Picard et al. 1987). Houser et al. (1972) fanden bei Durafisteln des Sinus transversus und sigmoideus in 80 % der Fälle Verschlüsse und Stenosen der Sinus. Bei 3 Kranken, die mit einem Sinusverschluss in die Klinik kamen, entwickelten sich Jahre später, dokumentiert durch angiografische Kontrolluntersuchungen, durale Fisteln. Dies spricht dafür, dass die Sinusthrombose eine Ursache für die Entstehung einer dAVF ist. Man nimmt an, dass sich durch die Organisation des Thrombus eine von Duragefäßen ausgehende eigene Blutversorgung entwickelt und die zur Resorption des Thrombus entstehende Kapillareinsprossung Anschluss an präformierte Hohlräume der Dura gewinnt. Auch physiologischerweise vorhandene, mikroskopisch kleine Verbindungen zwischen Arterien und Venen, die in der Dura mater in Sinusnähe bestehen, können bei einer Sinusthrombose durch die venöse Druckerhöhung eröffnet werden.
Mit einer dAVF vergesellschaftete Stenosen und Verschlüsse duraler Sinus sind aber nicht zwingend ein Hinweis auf eine stattgehabte Sinusthrombose. Langzeitbeobachtungen von Patienten mit unbehandelten Durafisteln haben gezeigt, dass sich Sinusstenosen auch sekundär entwickeln. Dies kann zu einer ungünstigen Veränderung des venösen Drainagetyps führen, wenn durch den behinderten Abfluss über den Sinus kortikale Venen als alternativer Ausflusstrakt rekrutiert werden (Cognard et al. 1997).
Ein weiterer Pathomechanismus, auf dessen Grundlage sich eine dAVF entwickeln kann, sind Traumata. Im Rahmen nachfolgender Reparaturprozesse können sich ebenfalls arteriovenöse Kurzschlussverbindungen ausbilden.
Klinik
Kopfschmerzen können infolge einer venösen Kongestion oder durch den gesteigerten Druck in der Dura entstehen. Sie können aber auch Ausdruck einer intrakraniellen Hypertension vergleichbar einem Pseudotumor cerebri sein. Als Entstehungsmechanismus hierfür wird eine reduzierte Liquorresorption aufgrund des erhöhten Sinusdrucks postuliert.
Die venösen Abflusswege müssen nicht nur für den Abtransport der normalen Hemisphärenzirkulation sorgen, sondern auch das gesamte Shuntvolumen drainieren. Die hieraus resultierende Druckerhöhung im venösen System geht mit dem Risiko eines Stauungsödems oder einer Stauungsblutung einher. Die venösen Zirkulationsstörungen und z. T. varikösen Erweiterungen der Venen bedingen fokale neurologische Defizite, symptomatische epileptische Anfälle, Enzephalopathien und Kompressionssymptome von Umgebungsstrukturen.
Vor allem bei einer Lokalisation der Fistel an den großen Blutleitern oder in Nachbarschaft zur Felsenbeinpyramide (Sinus petrosus inferior) tritt häufig ein pulsatiler Tinnitus auf.
Besonders gefährdet im Hinblick auf einen aggressiven Verlauf mit dem Risiko von Blutungen und schweren fokalen neurologischen Ausfällen sind durale Fisteln am Tentorium mit kortikaler Drainage. Bei duralen Fisteln am Sinus transversus, Sinus sigmoideus und Sinus cavernosus sind zwar fokale Symptome häufig, das Risiko gravierender neurologischer Komplikationen ist jedoch geringer, sofern diese ausschließlich antegrad in die betroffenen Blutleiter drainieren.
Diagnostik
Ein klinischer Verdacht auf eine dAVF wird meist dann geäußert, wenn ein objektivierbares pulssynchrones Ohrgeräusch (pulsatiler Tinnitus) vorliegt. Eine Magnetresonanztomografie (MRT) mit magnetresonanztomografischer Angiografie (MRA) sollte zur weiteren Abklärung in die Wege geleitet werden. Bei einer eindeutigen Klinik und negativem MRT-Befund ist eine Katheterangiografie indiziert, da nur mit dieser Untersuchung Fisteln mit kleinen Shuntvolumina sicher ausgeschlossen werden können. Für die genaue Fistelklassifikation und Therapieplanung ist in jedem Fall eine Katheterangiografie erforderlich.
Häufiger als eine klare Verdachtsdiagnose führen fokal-neurologische Ausfallserscheinungen oder eine Enzephalopathie, die sich klinisch nicht eindeutig einer bestimmten Ursache zuordnen lassen, zu einer zerebralen Bildgebung. In einer solchen Situation ist es wichtig, die bildmorphologischen Hinweise auf eine dAVF zu kennen und korrekt einzuordnen.
In aller Regel führen wir im Rahmen der elektiven Abklärung eine MRT durch. Liegt eine venöse Drainage über kortikale oder perimedulläre Venen vor, so sind diese bei entsprechender Größe als tubuläre Strukturen erkennbar. Die erweiterten Venen heben sich in den T2-gewichteten Sequenzen signalfrei gegen das Umgebungsgewebe ab (Abb. 1). Venöse Ektasien können aufgrund von Flussturbulenzen ein inhomogenes Signal aufweisen (Abb. 2). Venöse Ektasien mit langsamem Fluss zeigen nach Kontrastmittelgabe eine kräftige Anreicherung im T1-gewichteten Bild. Typ-I- und -IIa-Fistel nach Cognard ohne kortikalvenöse Drainage sind in den Parenchymbildern nicht diagnostizierbar. Hierfür ist die Durchführung einer MRA erforderlich, die eine Seitenasymmetrie der duraversorgenden Gefäße und ein pathologisch vermehrtes Flusssignal innerhalb der duralen Blutleiter zeigt (Abb. 3). Da auch bei Gesunden eine geringe Seitenasymmetrie der Durchmesser und Flusssignale sowohl der arteriellen als auch der venösen Gefäße vorliegt, können Fisteln mit geringem Shuntvolumen unter Umständen in der MRA übersehen werden. Fisteln mit höherem Shuntvolumen sind regelhaft nachweisbar, können aber anhand der MRA häufig nicht zweifelsfrei graduiert werden. Zeitaufgelöste MR-Angiografien zur Beurteilung arteriovenöser Malformationen sind in der Erprobung und könnten die Sensitivität nichtinvasiver Untersuchungen verbessern.
Liegt eine relevante venöse Druckerhöhung durch die dAVF vor, so können auch innerhalb des Hirngewebes Veränderungen auftreten. Ein regionales venöses Ödem zeigt sich als flächige T2-Signalanhebung im Drainagegebiet der gestauten Venen (Abb. 4). Parenchymale Blutungen können sich als Durchbruchsblutungen innerhalb des Stauungsödems oder als primäre Blutung manifestieren. Auch subarachnoidale Blutungen und subdurale Hämatome kommen vor, sind aber seltener als Parenchymblutungen.
Die Computertomografie ist ebenfalls in der Lage, die Epiphänomene einer dAVF darzustellen, hat aber eine geringere Sensitivität als die MRT und ist eine Untersuchungsmodalität der zweiten Wahl.
Jeder bildmorphologische Verdacht auf eine dAVF und jede atypische intrakranielle Blutung erfordert die Durchführung einer Katheterangiografie zum Nachweis oder definitiven Ausschluss einer arteriovenösen Kurzschlussverbindung. Hierbei müssen alle hirn- und duraversorgenden Arterien selektiv dargestellt werden, um sowohl die arteriellen Zuflüsse als auch die venösen Drainagewege der Kurzschlussverbindungen und des Hirnparenchyms beurteilen zu können. Die zerebrale Panangiografie ist zur definitiven Therapieentscheidung und zur Planung des therapeutischen Vorgehens unerlässlich.
Therapie
Die Indikationsstellung für eine Behandlung hängt wesentlich von der klinischen Symptomatik und dem angiografischen Befund ab. Für dAVF mit einem antegraden Abstrom über einen duralen Sinus (Typ I nach Cognard), die außer einem pulssynchronen Ohrgeräusch keine weiteren Beschwerden verursachen, besteht keine zwingende Behandlungsindikation. Die Entscheidung für eine Therapie ist davon abhängig, ob eine relevante Einschränkung der Lebensqualität durch das Ohrgeräusch vorliegt. Nicht behandelte Fisteln müssen im Verlauf kontrolliert werden, da es zu einer ungünstigen Veränderung des venösen Drainagetyps kommen kann. Jeder Wandel des Ohrgeräusches sollte eine erneute katheterangiografische Abklärung nach sich ziehen, um eine Rekrutierung kortikaler Venen rechtzeitig zu erfassen. Ein Sistieren des pulsatilen Tinnitus kann eine Spontanheilung, aber auch eine vollständige Umschaltung auf eine kortikalvenöse Drainage bedeuten, sodass auch in diesem Fall angiografiert werden muss.
Eine Behandlung ist indiziert, wenn neurologische oder psychiatrische Symptome durch die Fistel bestehen, die Bildgebung Hinweise auf stauungsbedingte Sekundärveränderungen zeigt oder wenn die Klassifikation der Fistel einen Grad II oder höher aufweist.
Die Ausschaltung einer dAVF ist in der Mehrzahl der Fälle auf endovaskulärem Weg möglich. Bewährt hat sich die Verwendung von Flüssigembolisaten über einen arteriellen Zugangsweg. In erster Linie wird in Dimethylsulfoxyd gelöstes Ethylenvinylalkoholkopolymer (Onyx [Medtronic, Dublin, Irland], Squid [Balt Extrusion, Montmorency, Frankreich], Phil [Microvention/Terumo, Aliso Viejo, CA, USA]) verwendet. Ergänzend kommen Cyanacrylatklebstoffe zum Einsatz (Histoacryl [B. Braun, Melsungen, Deutschland], Glubran2 [GEM, Viareggio, Italien]). In einer Vielzahl der Fälle kann von arterieller Seite eine vollständige Okklusion der Kurzschlussverbindungen erreicht werden. Wenn ein transvenöser Verschluss des aufnehmenden Sinussegmentes notwendig sein sollte, kommen v. a. Platinspiralen als Embolisationsmaterial zum Einsatz, ggf. ergänzt durch Flüssigembolisate. Eine arterielle Injektion von Partikeln ist obsolet, da sie nur zu einem temporären Verschluss führt.
Nach einer erfolgreichen endovaskulären Fistelbehandlung ist zumindest eine einmalige angiografische Kontrolle nach einigen Wochen erforderlich, um den Verschluss definitiv zu bestätigen.
Wenn ein endovaskulärer Verschluss der Fistel nicht gelingt, ist ein operatives Vorgehen, selten eine Radiotherapie indiziert.

Spezieller Teil

Im Folgenden sollen Klinik und praktisches Vorgehen bei häufig auftretenden duralen arteriovenösen Fisteln dargestellt werden.

Sinus-cavernosus-Fisteln

Sinus-cavernosus-Fisteln können durch eine Verletzung der Gefäßwand der A. carotis interna in ihrem intrakavernösen Verlauf entstehen. Ursächlich hierfür sind Traumen oder Rupturen kavernosaler Karotisaneurysmen. Diese Form der Fistel wird auch als direkte Sinus-cavernosus Fistel bezeichnet. Im Gegensatz hierzu wird bei einer sog. indirekten Sinus-cavernosus-Fistel die Kurzschlussverbindung aus duraversorgenden Ästen der Arteria carotis interna und externa gespeist.
Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer, bevorzugt postmenopausal. Assoziationen mit arterieller Hypertonie, Kollagenerkrankungen und Arteriosklerose sind beschrieben (Kupersmith und Berenstein 1993).
Klinik
Klinische Leitsymptome sind Exophthalmus, Chemosis, konjunktivales Ödem, Visusminderung und Doppelbilder (Abb. 5). Die Symptomatik wird durch den Druckanstieg in den venösen Abflusswegen der Orbita hervorgerufen. Der fortschreitende Visusverlust entsteht durch ein Stauungsglaukom. Bis zu 2 % der Patienten entwickeln eine piale Venendrainage mit dem Risiko von Hirnblutungen. Gelegentlich kann ein pulssynchroner Tinnitus auftreten.
Diagnostik
Bei einem klinischen Verdacht auf eine Sinus-cavernosus-Fistel ist eine MRT mit MRA und eine Messung des intraokulären Druckes indiziert. Die MRT zeigt auf der Drainageseite typischerweise eine erweiterte V. ophthalmica, eine Protrusio bulbi und das Ödem des Retrobulbärraums (Abb. 6). Der arterialisierte Fluss im Sinus cavernosus ist in der MRA zu erkennen.
Therapie
Spontanverschlüsse von duralen Sinus-cavernosus-Fisteln wurden in Einzelfällen beschrieben (Kupersmith und Berenstein 1993; Mironov 1994). Bei ausschließlich ophthalmischer Drainage bzw. Ableitung über den Sinus petrosus inferior kann die intermittierende digitale Kompression der ipsilateralen A. carotis zu einem Verschluss der Fistel führen. Die Indikation zur interventionellen Behandlung ist dringend gegeben, wenn eine Visusreduktion oder Doppelbilder auftreten. Therapie der Wahl ist ein endovaskulärer Verschluss des betroffenen Abschnittes des Sinus cavernosus, wobei eine Kombination aus Platinmikrospiralen und Flüssigembolisat zum Einsatz kommt. Bei direkten Fisteln kann ein arterieller Zugang zum Sinus cavernosus über die Arteria carotis interna gesucht werden. Gelingt es nicht, den Sinus cavernosus von der arteriellen Seite zu sondieren oder liegt eine indirekte Carotis-cavernosus-Fistel vor, so erfolgt der Zugang von venöser Seite (Abb. 7).

Sinus-transversus- und -sigmoideus-Fisteln

Fisteln dieser Lokalisation werden überwiegend aus Ästen der A. carotis externa, in geringerem Ausmaß auch aus der A. carotis interna oder der Vertebralarterien gespeist. Wenn Abflussstörungen durch vollständig oder teilweise thrombosierte oder stenosierte Sinusabschnitte bestehen, kann sich eine kortikalvenöse Drainage entwickeln.
Klinik
Leitsymptom ist ein pulssynchroner Tinnitus durch Fortleitung der Pulsationen im arterialisierten Sinus über das Felsenbein zum Innenohr. Blutungen können auftreten, wenn sich eine pialer venöser Abstrom ausbildet. Bei größeren Shuntvolumina und venöser Abflussbehinderung kann auch eine venöse Hypertension oder Enzephalopathie resultieren.
Therapie
Die Behandlung erfolgt durch einen transarteriellen Verschluss der zuführenden Fistelgefäße unter Verwendung von Flüssigembolisaten. Werden Modellierballons als Hilfsmittel im drainierenden Sinus positioniert, gelingt es in den meisten Fällen, das betroffene Sinussegment zu erhalten. (Abb. 8). Ein transvenöser Sinusverschluss ist die Therapie der zweiten Wahl und darf nur dann durchgeführt werden, wenn die venöse Drainage des Gehirns hierdurch nicht beeinträchtigt wird. Das interventionelle Verfahren ist bei diesem Fisteltyp sicherer und komplikationsärmer als ein chirurgisches Vorgehen (Valavanis 1993; Vinuela und Halbach 1992).

Sinus-sagittalis-superior-Fisteln

Durale AVF dieser Lokalisation betreffen meist das mittlere und hintere Drittel. Der behinderte Hemisphärenabfluss führt bei diesen Fisteln bevorzugt zu einer Enzephalopathie mit kognitiven Einschränkungen und Wesensänderungen. Die Zuflüsse erfolgen zumeist über Äste der A. carotis externa; sie können transarteriell embolisiert werden. In Einzelfällen kommt auch ein transvenöses Vorgehen in Frage.

Ethmoidale Durafisteln

Die Zuflüsse bei Durafisteln der vorderen Schädelgrube münden in einer deutlich dilatierten V. olfactoria oberhalb der Siebbeinplatte. Bei den arteriellen Zuflüssen handelt es sich hauptsächlich um Äste der Aa. ophthalmicae (A. ethmoidalis anterior und posterior). Da die Drainage ausschließlich über piale Venen erfolgt, werden diese Fisteln meist als Subarachnoidalblutung oder als intrazerebrale Blutung symptomatisch.
Therapie
Fisteln in dieser Lokalisation sind endovaskulär behandelbar, wobei darauf geachtet werden muss, dass die Arteria centralis retinae geschont wird. Wenn ein Komplettverschluss unter Erhalt der arteriellen Versorgung der Netzhaut nicht möglich ist, ist ein additives chirurgisches Vorgehen indiziert.

Tentoriumfisteln

Durafisteln des Tentorium cerebelli erhalten ihre Zuflüsse aus der A. carotis interna und externa sowie aus den Vertebralarterien (Picard et al. 1990). Die Drainage erfolgt immer über piale Venen: am vorderen freien Rand des Tentoriums über das peripontine und perimesenzephale Venensystem mit dem Risiko von stauungsbedingten Hirnstammfunktionsstörungen oder Blutungen. Da diese Venen auch eine Verbindung zum perimedullären spinalen Venensystem aufweisen, kann sich klinisch eine Rückenmarksymptomatik entwickeln (Brunerau et al. 1996). Bei Fistellokalisation am medialen hinteren Rand des Tentoriums entwickelt sich eine Ableitung über die Kleinhirnhemisphärenvenen mit dem Risiko zerebellärer Blutungen; eine Fistellokalisation am lateralen hinteren Rand des Tentoriums mit venöser Drainage über supratentorielle Venen bedingt parietale und okzpitale Blutungen mit entsprechender klinischer Symptomatik.
Therapie
Bei Fisteln dieser Lokalisation ist eine transarterielle Behandlung mit Flüssigembolisaten indiziert. Wenn es gelingt, über einen arteriellen Zugang die proximale drainierende Vene ausreichend weit zu okkludieren, ist ein Komplettverschluss auf diesem Weg möglich. Andernfalls ist die Kombination von interventionell-neuroradiologischem und operativem Vorgehen angezeigt.

Facharztfragen

1.
Was sind typische klinische Symptome duraler arteriovenöser Fisteln?
 
2.
Durch welche pathophysiologischen Mechanismen werden die Symptome ausgelöst?
 
3.
Bei einem Ihrer Patienten wurde ein Schädel-MRT durchgeführt und der Verdacht auf eine durale Fistel geäußert. Welche weiteren Schritte unternehmen Sie?
 
4.
Unter welchen Umständen sind durale arteriovenöse Fisteln behandlungsbedürftig?
 
Literatur
Zitierte Literatur
Awad IA (1995) Dural arteriovenous malformations. In: Carter LP, Spetzler RF, Hamilton MG (Hrsg) Neurovascular surgery. McGraw-Hill, New York
Borden JA, Wu JK, Shucart WA (1995) A proposed classification for spinal and cranial dural arteriovenous fistulous malformations and implications for treatment. J Neurosurg 82:166–179CrossRef
Brunerau L, Gobin YP, Meder JF et al (1996) Intracranial dural arteriovenous fistulas with spinal venous drainage: relation between clinical presentation and angiographic findings. AJNR 17:1549–1554
Cognard C, Houdart E, Casasco A, Gabrillargues J, Chiras J, Merland JJ (1997) Long-term changes in intracranial dural arteriovenous fistulae leading to worsening in the type of venous drainage. Neuroradiology 39:59–66CrossRef
Houser OW, Baker HL, Rhoton AL, Okazaki H (1972) Intracranial dural arteriovenous malformations. Radiology 105:55–64CrossRef
Kupersmith MJ, Berenstein A (1993) Neurovascular neuroophthalmology. Springer, Berlin/Heidelberg/New York/TokyoCrossRef
Mironov A (1994) Pathogenetical consideration of spontan eous dural arteriovenous fistulas. Acta Neurochir (Wien) 131:45–58CrossRef
Picard L, Brachard S, Moret J et al (1987) Spontaneous dural arteriovenous fistulas. Semin Intervent Radiol 4:219–240CrossRef
Picard L, Bracard S, Islack C et al (1990) Dural fistulae of the tentorium cerebelli. J Neuroradiol 17:161–181PubMed
Valavanis A (Hrsg) (1993) Interventional neuroradiology. Springer, Berlin/Heidelberg/New York/Tokyo
Vinuela F, Halbach VV (Hrsg) (1992) Interventional neuroradiology – endovascular therapy of the central nervous system. Raven, New York