Als Bewegungsstörungen werden in der Neurologie Syndrome bezeichnet, die mit einer Störung in der Initiation und Durchführung von willkürlicher und unwillkürlicher Motorik einhergehen. Unter dem Begriff Bewegungsstörungen sollen hier definitionsgemäß deshalb ebenso wenig periphere oder zentrale Paresen, Myopathien, rheumatische oder orthopädische Erkrankungen, sensible und sensorische Defizite, die sich auf Bewegungsabläufe auswirken, aufgezählt werden wie Apraxien und andere neuropsychologische Störungen mit motorischer Symptomatik (Übersicht bei Ceballos-Baumann und Conrad
2005).
Leitsymptom des Parkinsonismus
ist die Bewegungsverarmung. Es lassen sich dabei drei Komponenten differenzieren:
eine Bewegungsverlangsamung oder Bradykinese,
eine Verminderung der Bewegungsamplituden und Spontanbewegungen oder Hypokinese sowie
eine Hemmung der Bewegungsinitiation oder Akinese.
Im klinischen Sprachgebrauch werden die drei genannten Begriffe häufig synonym und austauschbar verwendet. Die Begriffe
Bradykinese und
Hypokinese werden der vorwiegenden Symptomatik zumeist gerechter, da die Akinese eher einen Endzustand (
akinetische Krisen) beschreibt.
Die Bradyhypokinese zeigt sich am deutlichsten bei wiederholter Ausführung rascher, repetitiver Bewegungen: z. B. Supinations-Pronations-Bewegungen an der oberen Extremität, Faustöffnen und Faustschluss, Tippen des Zeigefingers auf dem Daumen, Tippen mit der Ferse auf den Boden in sitzender Position. Außerdem äußert sich Bradyhypokinese durch einen Verlust an Spontanmotorik wie Gestik, vermindertes Mitschwingen der Arme beim Gehen oder einen schlurfenden kleinschrittigen Gang und reduzierte spontane Gesichtsmotorik (Hypomimie), zunächst als einseitig ausgeprägte Verminderung von Mundwinkelexkursionen bei Ausdrucksbewegungen („Pokerspieler-Gesicht“) und ein- oder beidseitiger Verminderung der Lidschlussfrequenz. Die Stimme verliert an Volumen und wird im Verlauf heiser und monoton (Hypophonie). Für den Patienten äußert sich Bradykinese als mangelnde Geschicklichkeit und Flüssigkeit bei alltäglichen Bewegungen wie z. B. Ankleiden, Zähneputzen, Rasieren, Zuknöpfen, Schraubendrehen, Bedienen einer Computertastatur und durch Schreiben mit zunehmender Verkleinerung des Schriftbildes (Mikrographie).
Schwierig ist die Abgrenzung der verschiedenen Parkinson-Syndrome untereinander, insbesondere in den ersten Krankheitsjahren die Differenzierung des idiopathischen Parkinson-Syndroms von anderen neurodegenerativen Parkinson-Syndromen wie bei den Multisystematrophien (MSA), die im Kap. „Multiple Systematrophie“ dargestellt werden. Weniger differenzialdiagnostische Probleme bereiten die progressive supranukleäre Paralyse (neuropathologisches Synonym Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom), die kortikobasale Degeneration (CBD) sowie die diffuse Lewy-Körperchen-Demenz.
Von den hypokinetischen Syndromen abzugrenzen sind psychomotorische Verlangsamungen bei psychiatrischen Erkrankungen, insbesondere Depressionen, Paresen, motorischem Neglekt, Frontalhirnsyndromen mit vermindertem Antrieb (
Abulie) und Gangstörungen bei älteren Menschen (frontale Gangstörungen, subkortikales Dysequilibrium, vorsichtiger Gang des älteren Menschen, bei
PNP). Die sog.
frontalen Gangstörungen führen häufig zur diagnostischen Fehlinterpretation eines idiopathischen Parkinson-Syndroms (IPS) bei
kommunizierendem Hydrozephalus und der
subkortikalen arteriosklerotischen Enzephalopathie (SAE), wenn die weiteren typischen Symptome wie demenzielle Entwicklung oder Blaseninkontinenz noch fehlen. Diese Krankheitsbilder führen zu einer parkinsonartigen Gangstörung, die aber bei genauer Beobachtung gut von derjenigen bei IPS abgrenzbar ist. Das Gangbild ist kleinschrittig und von deutlichen Startschwierigkeiten und Blockaden („Magnetgang“) geprägt. Anders als bei Parkinson-Patienten ist die Schrittbasis infolge begleitender Gleichgewichtsstörungen verbreitert, die Gleichgewichtsstörungen sind ausgeprägter als jene des IPS, und die Beweglichkeit der oberen Körperhälfte – die Gestik, das Mitschwingen der Arme beim Gehen und die Haltung des Rumpfes – ist in der Regel normal. In der amerikanischen Literatur ist für diese Symptomkonstellation daher der Begriff des
„Parkinsonismus der unteren Körperhälfte“ („lower body
parkinson“) verwendet worden.
Bei Patienten mit kommunizierendem
Hydrozephalus kann sich die Gangstörung nach einer diagnostischen Liquorpunktion mit Entnahme von 50 ml Liquor vorübergehend dramatisch verbessern.
Facharztfragen
1.
Wie lassen sich die neurologischen Bewegungsstörungen einteilen?
2.
Welche neurologischen Symptome bzw. Syndrome werden zu den Bewegungsstörungen gezählt?