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Klinische Neurologie
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Publiziert am: 08.02.2020

Entzündliche Myopathien

Verfasst von: Ilka Schneider, Berit Jordan und Stephan Zierz
Die idiopathischen Myositiden sind heterogene, sporadisch auftretende, erworbene und potenziell behandelbare entzündliche Erkrankungen der Skelettmuskulatur, deren Einteilung nach klinischen, serologischen und myohistologischen Kriterien erfolgt. Sie sind klinisch durch eine progrediente Muskelschwäche, Muskelatrophien sowie teilweise Beteiligung extramuskulärer Organe gekennzeichnet. Histologisch finden sich entzündliche Infiltrate mit Nekrosen und vermehrter Immunreaktion in der Muskulatur. Myositisassoziierte und myositisspezifische Antikörper helfen bei der Klassifikation. Die wichtigsten idiopathischen Myositiden sind die Polymyositis, die Dermatomyositis und die Einschlusskörpermyositis, wobei Letztere im Alter am häufigsten ist. Zudem wird die immunvermittelte nekrotisierende Myopathie als eigenständige Entität abgegrenzt. Entzündliche Muskelerkrankungen kommen auch im Rahmen von Systemerkrankungen oder in Assoziation mit Kollagenosen (als Overlap-Myositis) sowie erregerbedingt vor.
Die idiopathischen Myositiden sind heterogene, sporadisch auftretende, erworbene und potenziell behandelbare entzündliche Erkrankungen der Skelettmuskulatur, deren Einteilung nach klinischen, serologischen und myohistologischen Kriterien erfolgt. Sie sind klinisch durch eine progrediente Muskelschwäche, Muskelatrophien sowie teilweise Beteiligung extramuskulärer Organe gekennzeichnet. Histologisch finden sich entzündliche Infiltrate mit Nekrosen und vermehrter Immunreaktion in der Muskulatur. Myositisassoziierte und myositisspezifische Antikörper helfen bei der Klassifikation. Die wichtigsten idiopathischen Myositiden sind die Polymyositis, die Dermatomyositis und die Einschlusskörpermyositis, wobei Letztere im Alter am häufigsten ist. Zudem wird die immunvermittelte nekrotisierende Myopathie als eigenständige Entität abgegrenzt. Entzündliche Muskelerkrankungen kommen auch im Rahmen von Systemerkrankungen oder in Assoziation mit Kollagenosen (als Overlap-Myositis) sowie erregerbedingt vor.

Polymyositis und Dermatomyositis

Die Polymyositis und Dermatomyositis sind sporadische, selten auch familiär auftretende, chronisch-progredient oder schubförmig verlaufende entzündliche Erkrankungen der Skelettmuskulatur. Die Inzidenz von Dermatomyositis und Polymyositis beträgt 5–10/1.000.000 Einwohner/Jahr. Klinische und histologische Kennzeichen sind in Tab. 1 zusammengefasst.
Tab. 1
Klinische und diagnostische Charakteristika von Polymyositis (PM), Dermatomyositis (DM), sporadischer Einschlusskörperchenmyositis (s-IBM) und immunvermittelter nekrotisierender Myopathie (INM). (Leitlinien der DGN 2015; Wiendl 2015)
Kriterium
PM
DM
s-IBM
INM
Erkrankungsalter
>18 Jahre
5–15 Jahre; 45–65 Jahre
>50 Jahre
>18 Jahre
Frauen:Männer
2:1
2:1
1:3
1:1
Hautbeteiligung
+
Paresen
proximal > distal
symmetrisch
proximal > distal
symmetrisch
asymmetrisch
v. a. Kniestrecker, Fingerbeuger
proximal > distal
Myalgien
(+)
+
(+)
+
Atrophien
+
(+)
++
+
CK
bis 50-fach erhöht
normal bis 50-fach erhöht
normal bis <15-fach erhöht
bis 50-fach erhöht
Endomysiale Infiltrate
CD8 > CD4-T-Zellen
Invasion intakter Muskelfasern
MHC-I-Hochregulation
Perifaszikuläre Infiltrate und Faseratrophien, v. a. CD4-T-Zellen und B-Zellen
C5b9-positive Komplementablagerung
Reduzierte Kapillardichte
Endomysiale Infiltrate
Rimmed Vacuoles
Nachweis von Amyloid, TDP 43, p62
MHC-I-Hochregulation
Elektronenmikroskopisch: 15–18 nm dicke filamentöse Einschlüsse
Fasernekrosen mit Myophagozytosen ohne wesentliche T-Zell-Infiltrate
Klinik
Leitsymptome von Polymyositis und Dermatomyositis sind symmetrische, progrediente, meist proximale Paresen. Stamm-, Hals- und Schluckmuskulatur sind häufig, Gesichts- und Augenmuskeln selten beteiligt. Die Atemmuskulatur ist spät, selten aber auch nur isoliert betroffen. Die pathognomonischen Hautveränderungen der Dermatomyositis gehen häufig der Myositis voraus und können flüchtig sein. Typisch sind ein heliotropes Erythem der Wangen, des Nasenrückens, der Augenlider sowie ein Erythem des vorderen Halsdreiecks (sog. Shawl-Zeichen) (Abb. 1). Weitere Kennzeichen sind erythematöse und squamöse Papeln über den Fingergelenken (Gottron-Zeichen) sowie schmerzhafte Erytheme und Teleangiektasien im Nagelbettbereich (Keinig-Zeichen) (Abb. 1). Schmerzhafte subkutane Kalzifikationen treten bei kindlichen und jugendlichen Formen sowie fortgeschrittenen Verläufen auf (Dimachkie 2011). Bei 11 % der Patienten besteht eine amyopathische Dermatomyositis, bei der sich initial keine Muskelbeteiligung nachweisen lässt (Dermatomyositis sine myositis).
Maligne Tumoren kommen bei etwa 40 % der Patienten mit Dermatomyositis nach dem 50. Lebensjahr vor, wobei die Muskelsymptome oft zuerst auftreten und somit eine Indikatorfunktion für den Tumor besitzen. Es sind vor allem (70 %) Adenokarzinome, insbesondere kleinzellige Bronchialkarzinome und gynäkologische Tumoren (Zervixkarzinom, Ovarialtumor). Bei der Polymyositis ist die Tumor-Koinzidenz geringer als 20 % (Carstens und Schmidt 2014).
Die Mitbeteiligung anderer Organe ist häufiger bei der Dermatomyositis als bei der Polymyositis: Kardial können Myokard (dilatative Kardiomyopathie oder Herzinsuffizienz) oder auch Koronarien (Vaskulitis) und Perikard beteiligt sein, was zu letalen Rhythmusstörungen führen kann. Etwa 30–40 % der Myositiden und dabei insbesondere die Antisynthetase-Syndrome gehen mit einer interstitiellen Lungenbeteiligung einher. Vorwiegend bei der Polymyositis werden sog. Overlap-Syndrome beobachtet.
Diagnostik
Bei etwa 50–60 % der entzündlichen Muskelerkrankungen werden Autoantikörper gefunden. Es werden dabei myositisspezifische Autoantikörper (MSA) (Tab. 2), die in erster Linie bei Myositiden auftreten, von myositisassoziierten Antikörpern unterschieden (Tab. 3), die auch bei Autoimmunerkrankungen ohne Myositis vorkommen (Goldblatt und O’Neill 2013).
Tab. 2
Übersicht der häufigen myositisspezifischen Autoantikörper. (Jordan et al. 2011)
Antikörper
Häufigkeit bei IIM (%)
Zielantigen
Klinische Charakteristika, assoziierte Symptome
Anti-ARS
30–40
Intrazytoplasmatische Proteinsynthese
(Anti-Aminoacyl-tRNA-Synthetase)
 
Anti-Jo-1
15–20
Histidyl-tRNA-Synthetase
70–96 % ILD, >90 % IIM, 94 % Arthritis, 71 % Mechanikerhände, PM > DM
Anti-PL-7
2
Threonyl-tRNA-Synthetase
100 % ILD, mindestens 2/3 Muskelbeteiligung, DM = PM
Anti-EJ
5–10
Glycyl-tRNA-Symthetase
100 % ILD und Muskelschwäche, DM > PM
Anti-OJ
1
Isoleucyl-tRNA-Synthetase
100 % ILD und Muskelschwäche, DM > PM
Anti-tRNAhis
7
tRNA (his)
Bei 1/3 der Anti-Jo1-AK-positiven Patienten (ohne klinischer Unterschied)
Miscellanea
   
Anti-Mi-2
5–10
Helikase (NuRD-Komplex), Kerntranskription
Hautbeteiligung (mit Nagelveränderungen) , selten mit Malignomen, 20–30 % DM, 4–10 % JDM, 1 % PM
Anti-p155/140
20
P155, Kerntranskription, zelluläre Differenzierung
50–75 %; Malignome, selten ILD, stärkere Hautbeteiligung (Ödeme, Ulzera), 12–21 % DM, 23–29 % JDM
Anti p1408 (Anti-MJ)
<5
Kernprotein NXP2, Kerntranskription und RNA-Metabolismus
JDM mit Kalzinose, Erwachsene: ILD
Anti-CADM 140
DM: 13–35
CADM: 53–73
MDA-5 (Melanoma associated gene 5)
Rasch progredientes ILD mit ungünstiger Prognose bei amyopathischer DM, ca. 20 % auch DM, teils mit schwerer Polyarthritis
Anti-SAE
1–5
SAE (SUMO-1 activating enzyme), postranslationale Modifikation
Häufig mit initialer CADM, häufig Dysphagie
Anti-SRP
5
Signal-recognition-particle intrazytoplasmatische Proteintranslokation
Vorwiegende immunvermittelte nekrotisierende Myopathie, selten PM
Anti-HMG-CoA-Reduktase
<10
HMG-CoA-Reduktase
Immunvermittelte nekrotisierende Myopathie, z. T. durch Statine induziert
AK Antikörper, CADM klinisch amyopathische Dermatomyositis, DM Dermatomyositis, IIM idiopathische inflammatorische Myositis, ILD interstitielle Lungenerkrankung, JDM juvenile Dermatomyositis, MCTD Mixed connective tissue disease (Sharp-Syndrom), PM Polymyositis, SAE Small-ubiquitin-like modifier activating enzyme
Tab. 3
Übersicht der myositisassoziierten Autoantikörper (Jordan et al. 2011)
Antikörper
Häufigkeit
bei IIM ( %)
Zielantigen
Klinische Charakteristika, assoziierte Symptome
Anti-SA/Ro
10–31
Ribosomale Proteintranslation, 97 % Anti-Ro-52 kDa
30 % SLE, 60–90 % Sjögren Syndrom, 5–10 % PM und DM, Immunhepathopathie, 58 % der Patienten sind Anti-Jo-1-positiv
Anti-SSB/La
5–14
RNA-Polymerase-III-Terminierungsfaktor
Sjögren-Syndrom, neonataler Lupus
Anti-U2RNP
15
U2 small nuclear RNP (Pre-mRNA-Splicing-Faktor)
30 % Polymyositis-(SLE-)Sklerodermie-Overlap, MCTD
Anti-U1RNP
10
U1 small nuclear RNP (Pre-mRNA-Splicing-Faktor)
95 % MCTD, 15 % Sklerodermie, 30 % SLE-Overlap
Anti-PmScl
8–10
Topoisomerase I, Exoribunuklease im Kernkomplex
25 % Polymyositis-Sklerodermie-Overlap
Anti-Ku
20–30
Katalytische Untereinheit mit DNA-abhängiger Kinaseaktivität
Polymyositis-Sklerodermie-Overlap in Japan,
80 % Raynaud, 50 % Myositis, 86 % Arthralgien, 35 % Ösophagsbeteiligung, 40 % Lungenfibrose
Anti-U3RNP (Fibrillarin)
14
34-kDa-Protein in U3-RNP
Sklerodermie-Overlap (CREST-Syndrom)
DM Dermatomyositis, IIM idiopathische inflammatorische Myositis, MCTD Mixed connective tissue disease (Sharp-Syndrom), PM Polymyositis, RNP Ribunukleoprotein, SLE systemischer Lupus erythematodes
Das EMG zeigt in Abhängigkeit vom Stadium der Erkrankung initial typische myopathische Veränderungen mit kurzen und kleinen polyphasischen Potenzialen motorischer Einheiten und verlängerter Einstichaktivität sowie häufig pathologischen Spontanaktivitäten in Form von Fibrillationen, positiven scharfen Wellen bzw. komplexen repetitiven Entladungen. Bei chronischen Formen kann sich elektromyografisch ein gemischt myopathisches und neurogenes Muster ergeben, das Ausdruck des Untergangs von Muskelgewebe und nachfolgender Regeneration ist.
Die Muskelbiopsie ist zur Einordnung der Myositis essenziell: Bei der Polymyositis liegt pathophysiologisch eine vorwiegend T-Zell-vermittelte Autoimmunantwort gegen ein bisher unbekanntes Muskelantigen vor. Es findet sich daher histologisch typischerweise ein perimysiales CD8-T-Zell-Infiltrat. Zudem liegt eine MHC-I-Expression auf dem Sarkolemm auch der nicht angegriffenen Fasern vor (Abb. 2). Eine isolierte Polymyositis stellt eher eine Rarität dar.
Die Dermatomyositis beruht dagegen auf einer vorwiegend humoralen Immunantwort, wobei das Gefäßendothel endomysialer Kapillaren das antigene Target darstellt. Es kommt zu einer Komplementaktivierung und Ablagerung von MAC (Membranolytic attack complex, C5b9) an den Muskelkapillaren. In der Folge kommt es zu einer Mikroangiopathie in der Faszikelperipherie mit konsekutiven ischämischen Muskelfaserveränderungen im Sinne von Faseratrophien. Dadurch entsteht das histologisch charakteristische Bild der perifaszikulären Muskelfaseratrophie, die von perivaskulären und perifaszikulären Infiltraten begleitet ist. Immunhistologisch überwiegen CD4-positive T-Zellen sowie B-Lymphozyten (CD20) (Dalakas und Hohlfeld 2003) (Abb. 2).
Das MRT der Muskulatur ist für die Wahl eines geeigneten Biopsieortes sinnvoll. Oft gibt der Nachweis eines Muskelödems, das sich als fokales oder diffuses hyperintenses Signal in den T2- und STIR-Sequenzen zeigt, den Anhalt auf eine Myositis (Hoogendijk et al. 2004).
Antisynthetase-Syndrom (Anti-Jo-1-Syndrom)
Eine besondere Variante v. a. der Polymyositis, aber auch Dermatomyositis, ist das Antisynthetase-Syndrom mit dem Nachweis von Anti-Jo-1-Antikörpern, dem häufigsten Aminoacyl-tRNA-Synthetase-Antikörper (75 %).Vorwiegend sind Frauen im mittleren Alter betroffen. Eine Lungenbeteiligung (ca. 80 %) mit interstitieller Pneumonie, aber auch Lungenfibrosen oder Bronchiolitis obliterans ist typisch. Andere Symptome sind Polyarthritis, Raynaud-Phänomen, Mechanikerhände. Die Therapie ist schwierig und erfordert meist die individuelle Kombination verschiedener Immunsuppressiva (Cavagna et al. 2015).
Anti-Mi-2-Syndrom
Antikörper gegen das nukleäre Protein Mi-2 (Anti-Mi-2) werden v. a. bei der Dermatomyositis (4–14 %) und viel seltener bei der Polymyositis gefunden. Die Patienten weisen oft ein Raynaud-Phänomen, Arthritis sowie eine fibrosierende Alveolitis auf. Sie sprechen gut auf Steroide an und haben eine gute Prognose (Goldblatt und O’Neill 2013).
Therapie
Die Behandlung der Myositiden erfolgt weiterhin empirisch (Gordon et al. 2012). Mittel der ersten Wahl in der Initialtherapie der Polymyositis und Dermatomyositis sind Kortikosteroide (1–2 mg/kg KG und Tag), s. Übersicht.
Therapieempfehlungen
Therapeutisches Vorgehen bei Dermatomyositis und Polymyositis
  • Prednison 80–100 mg/Tag über 3–4 Wochen bis zur Regredienz der Serum-CK und der Paresen
  • Dosisreduktion nur an jedem 2. Tag („alternate day program“)
    • 1. Woche: 100 mg/90 mg/100 mg/90 mg/100 mg …
    • 2. Woche: 100 mg/80 mg/100 mg/80 mg/100 mg …
  • Nach einem Monat mit einer Dosis von 100 mg jeden 2. Tag weitere Reduktion um 5–10 mg alle 4 Wochen
  • Erhaltungsdosis von 10–15 mg jeden 2. Tag über 1–2 Jahre
Bei Patienten mit schweren progredienten Krankheitsverläufen sollten Kortikosteroide mit Azathioprin kombiniert werden, um mittelfristig Kortikoide einzusparen. Bei therapierefraktären Poly- und Dermatomyositiden ist der Einsatz von Immunglobulinen (IVIG) oder anderen Immunsuppressiva (Methotrexat, Ciclosporin, Rituximab, Myocophenolat) gerechtfertigt (Übersicht in den Leitlinien der DGN 2015).

Immunvermittelte nekrotisierende Myopathie

Die immunvermittelte nekrotisierende Myopathie (INM) wird als eigene Entität von den anderen Myositisformen abgegrenzt (Carstens und Schmidt 2014). Klinisch gleichen die Symptome denen der Polymyositis mit proximal betonten Paresen und oft deutlicher CK-Wert-Erhöhung bis zur Rhabdomyolyse. Histologisch dominieren eine Vielzahl von einzelnen Muskelfasernekrosen, die sekundär von Makrophagen abgeräumt werden. Die INM kann im Rahmen einer Tumorerkrankung auftreten. Daneben wird sie durch die myositisspezifischen Anti-HMG-CoA-Reduktase-Antikörper ausgelöst, die sich im Rahmen einer Statinmedikation entwickeln können, aber auch ohne vorherige Statinexposition auftreten. Bei einigen Patienten werden Anti-SRP(Signal recognition peptide)-Antikörper nachgewiesen, die häufig-auf mit einem schwereren Krankheitsverlauf assoziiert und therapeutisch schwer zugänglich sind (Basharat und Christopher-Stine 2015).

Einschlusskörpermyositis

Die sporadische Einschlusskörpermyositis („inclusion body myositis“, sIBM) tritt bevorzugt bei Männern auf und ist mit einer Prävalenz von auf 51,3 Fälle pro 1 Million nach dem 50. Lebensjahr die häufigste erworbene Muskelerkrankung in diesem Alter (Needham und Mastaglia 2016). Daneben gibt es auch eine hereditäre Einschlusskörpermyopathie (hIBM), die jedoch keine entzündlichen Veränderungen aufweist (Zierz 2014).
Klinik
Der Phänotyp der Einschlusskörpermyositis ist heterogen. Er zeichnet sich durch eine langsam progrediente, oft asymmetrische Muskelschwäche aus (Abb. 3). Typischerweise sind die Finger- und Handgelenkbeuger sowie der M. quadriceps femoris bevorzugt betroffen. Eine Schwäche der mimischen Muskulatur liegt bis zu 60 % vor und bei der Mehrheit entwickelt sich im Verlauf eine Dysphagie.
Diagnostik
Neben der typischen Klinik ist die Muskelbiopsie richtungsweisend (Rose und ENMC IBM Working Group 2013): Es finden sich endomysiale Infiltrate bestehend aus CD8-positiven T-Lymphozyten und eine MHC-I-Hochregulation auf dem Sarkolemm der Muskelfasern. Charakteristisch ist der Nachweis von sog. „Rimmed Vacuoles“ (Abb. 4a) mit Akkumulation einer Vielzahl von Proteinen wie β-Amyloid, TDP43 und p62 (Abb. 4b) sowie typischen elektronenmikroskopischen Veränderungen. Weiterhin finden sich ausgeprägte mitochondriale Störungen (u. a. Zytochrom-c-Oxidase-negativen Fasern, Ragged-red-Fasern und elektronenmikroskopisch abnorme Mitochondrien, Abb. 4a). Bei 30–50 % der IBM-Patienten läßt sich ein positiver Befund für den Myositis-spezifischen Autoantikörper anti-cN1A nachweisen (Larman et al. 2013)
Im EMG zeigen sich häufig neurogen-myopathische Mischbilder. Aufgrund des klinischen Bildes der distalen Muskelschwäche und des elektromyografischen Befundes neurogener Veränderungen ist die Abgrenzung zur amyotrophen Lateralsklerose mitunter schwierig. Dann ist die Muskelbiopsie zielführend.
Therapie
Therapeutisch spricht die Einschlusskörpermyositis schlecht auf konventionelle Immunsuppressiva an. Ein Therapieversuch mit IVIG kann im Einzelfall insbesondere bei Dysphagien sinnvoll sein (Walter et al. 2000).
Fallbeispiel
Ein 58-jähriger Patient stellte sich beim Hausarzt wegen seit 3 Jahren bestehender allgemeiner Muskelschwäche und Myalgie vor. Da eine 6-fache Erhöhung der Kreatinkinase im Serum bestand, erfolgte die Prednisolon-Therapie. Darunter normalisierte sich zwar die CK, die Beschwerden persistierten jedoch. Auch die Umstellung auf Methotrexat führte zu keiner Besserung. Zwei Jahre später wies der Patient eine asymmetrische linksbetonte Muskelschwäche mit Parese der Finger- und Handbeuger und Atrophien der Handmuskulatur mit Faszikulationen auf. Zudem fanden sich eine symmetrische Schwäche der Kniestrecker und eine diskrete Dysphagie. Im EMG zeigte sich ein myopathisch-neurogenes Mischbild. Es erfolgte eine Muskelbiopsie aus dem M. biceps brachii links, in der sich endomysiale Infiltrate und eine MHC-I-Hochregulation fanden, jedoch keine Vakuolen. Dementsprechend wurde die histologische Diagnose einer Polymyositis gestellt und der Patient nochmals mit Prednisolon therapiert, jedoch erneut ohne Besserung. Daraufhin wurde nach Absetzen der Kortikoide eine erneute Muskelbiopsie 1 Jahr später aus dem M. vastus lateralis links durchgeführt. Diesmal zeigten sich neben entzündlichen Infiltraten auch Rimmed Vacuoles mit elektronenmikroskopischer Bestätigung einer Einschlusskörpermyositis. Eine intravenöse Therapie mit Immunglobulin G blieb allerdings ohne wesentlichen Einfluss auf die Beschwerden.

Okuläre Myositis

Die okuläre Myositis ist eine isolierte Entzündung der äußeren Augenmuskeln, entweder im Rahmen viraler und bakterieller Infekte (Atemwegsinfekte, Zoster ophthalmicus, Erstmanifestation bei HIV-Infektion) oder auch beim systemischen Lupus erythematodes (SLE), Morbus Crohn, Sarkoidose oder einem Karzinom. Klinisch imponieren Augenmuskelparesen (in 2/3 beidseits) mit Diplopie, periorbitalen Schmerzen und konjunktivaler Injektion. Bei der selteneren meist einseitigen exophthalmischen Form treten Lidödem und Ptose hinzu. Die CK-Werte sind normal. Im CT oder MRT der Orbita sind meist irregulär konfigurierte kontrastmittelaufnehmende Augenmuskeln zu sehen (Abb. 5). Kortikoide führen meist zu rascher Remission.
Differenzialdiagnostisch müssen die endokrine Orbitopathie, Tumorinfiltrationen der äußeren Augenmuskeln, eine Sinus-cavernosus-Fistel, AV-Angiome, eine paraselläre Raumforderung oder mitochondriale Myopathien abgegrenzt werden (Montagnese et al. 2016).

Myositiden bei Overlap-Syndromen

Die Overlap-Myositis ist definiert als Myositis mit mindestens einem klinischen Overlap-Phänomen (z. B. Polyarthritis, Raynauld-Phänomen, Sklerodaktylie, Sklerodermie, Fingerkalzinose, ösophageale oder Dünndarmmotilitätsstörungen, Lungenfibrose, diskoider Lupus, mindestens 4 SLE-Kriterien) oder myositisassoziierten Antikörpern, die bei 60 % auftreten (Tab. 3).
Die häufigsten Overlap-Myositiden treten bei Sklerodermie und Sharp-Syndrom auf, zumeist beim histologischen Bild einer PM (87 %), selten auch als DM. Prognostisch relevant ist das gute Ansprechen auf Kortikosteroide und die fehlende Assoziation mit Tumoren (Goldblatt und O’Neill 2013).

Muskelsarkoidose, granulomatöse Myositis

Die granulomatöse Myositis ist histologisch durch endomuskuläre nicht verkäsende Granulome gekennzeichnet. Am häufigsten tritt sie sekundär im Rahmen einer Sarkoidose auf, ist aber auch bei Thymomen, Lymphomen, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen zu finden. Die klinisch manifeste Muskelsarkoidose mit Beteiligung anderer Organe ist klinisch unspezifisch und sehr selten (0,5–2,5 % der Sarkoidosefälle) (Kobak 2015). Diagnostisch wegweisend sind der Nachweis eines erhöhten Angiotensin-Converting-Enzyms (ACE) und weitere Organmanifestationen (Kap. „Neurosarkoidose“). Therapeutisch werden Kortikoide effektiv eingesetzt.

Infektiöse Myositiden

Myositiden durch Parasiten (Trichinose, Zystizerkose), Bakterien (Borrelien, Syphilis) und Viren (Coxsackie-Virus, Influenza und HIV) sind selten (Crum-Cianflone 2008).
Bei HIV-Infektion kann klinisch in jedem Stadium eine Muskelbeteiligung auftreten, typischerweise als schmerzhafte Parese. Die HIV-Myopathie ist histologisch durch ein entzündliches Bild gekennzeichnet. Davon abgegrenzt werden muss eine toxische Myopathie durch das antivirale Medikament Zidovudin (Azidothymidin), die sich vor allem durch mitochondriale Störungen zeigt. Während bei der HIV-Myopathie die antivirale Therapie indiziert ist, besteht bei der Zidovudin-induzierten Myopathie die therapeutische Konsequenz im Absetzen des Medikaments (Arendt und Nolting 2012).

Facharztfragen

1.
Was sind histologische und pathogenetische Unterschiede zwischen Dermatomyositis und Polymyosits?
 
2.
Welche spezifischen Antikörper können bei der immunvermittelten nekrotisierenden Myopathie gefunden werden?
 
3.
Was sind klinische und histologische Besonderheiten einer Einschlusskörpermyositis?
 
4.
Worin unterscheiden sich sporadische Einschlusskörpermyositis und hereditäre Einschlusskörpermyopathie?
 
5.
Worin ähneln sich und wie unterscheiden sich Einschlusskörpermyositis und amyotrophe Lateralsklerose?
 
6.
Was ist die Therapie der Wahl der Dermatomyositis?
 
7.
Welche Tumoren kommen am häufigsten bei Dermatomyositis vor?
 
8.
Welches sind die Differenzialdiagnosen der okulären Myositis?
 
9.
Welche Erreger werden im Falle einer infektiösen Myositis gefunden?
 
10.
Welcher Antikörper lässt sich typischerweise beim Anti-Synthetase-Syndrom nachweisen und welche Organbeteiligungen müssen erwartet werden?
 
Literatur
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Basharat, P. and L. Christopher-Stine (2015). Immune-mediated necrotizing myopathy: update on diagnosis and management. Curr Rheumatol Rep 17(12):72
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