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Klinische Neurologie
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Publiziert am: 10.04.2019

Erkrankungen der kaudalen Hirnnervengruppe

Verfasst von: Peter Berlit
Erkrankungen der Hirnnerven und des Hirnstamms führen häufig zu einer erheblichen Belastung der Patienten. Umso wichtiger ist eine schnelle und exakte topografische Zuordnung der klinischen Syndrome. Die auf den Befunden der klinisch-neurologischen Untersuchung basierenden Zusatzuntersuchungen helfen bei der ätiologischen Zuordnung und bestimmen das weitere therapeutische Prozedere. Zur kaudalen Gruppe gehören die Hirnnerven IX-XII. Oftmals finden sich kombinierte Läsionen der Hirnnerven IX–XI, nicht selten auch IX–XII.
Erkrankungen der Hirnnerven und des Hirnstamms führen häufig zu einer erheblichen Belastung der Patienten. Umso wichtiger ist eine schnelle und exakte topografische Zuordnung der klinischen Syndrome. Die auf den Befunden der klinisch-neurologischen Untersuchung basierenden Zusatzuntersuchungen helfen bei der ätiologischen Zuordnung und bestimmen das weitere therapeutische Prozedere. Zur kaudalen Gruppe gehören die Hirnnerven IX–XII. Oftmals finden sich kombinierte Läsionen der Hirnnerven IX–XI, nicht selten auch IX–XII.

N. glossopharyngeus und N. vagus

Im klinischen Alltag sind die Hirnnerven IX und X kaum isoliert betroffen, sodass es gerechtfertigt erscheint, diese hier gemeinsam zu besprechen.

N. glossopharyngeus

Anatomie
Beim IX. Hirnnerv (N. glossopharyngeus) handelt es sich in erster Linie um einen sensiblen und sensorischen Nerv, welcher seinen Ursprung von der seitlichen Oberfläche der Medulla oblongata dorsal der unteren Olive aus mehreren kurzen Wurzeln direkt oberhalb jener des N. vagus nimmt. Die Hirnnerven IX, X und XI verlassen den Schädel gemeinsam durch das Foramen jugulare. Die Ganglien des IX. Hirnnervs liegen in Höhe des Foramen jugulare (Ganglion petrosus superior) bzw. unterhalb des Felsenbeinanteils des Schläfenlappens (Ganglion petrosus inferior). Im oberen Halsbereich verläuft der IX. Hirnnerv in anatomischer Nähe zur A. carotis interna, zur Pharynxmuskulatur und zum M. hypoglossus. Er versorgt sensibel das hintere Drittel der Zunge, die Mandeln, den Nasopharynx, Teile des weichen Gaumens, die Tuba eustachii und Teile des Ohres. Über den N. glossopharyngeus erfolgt die Geschmacksleitung des ipsilateralen hinteren Zungendrittels. Die autonomen Anteile des N. glossopharyngeus enthalten die Afferenzen der Barorezeptoren des Karotissinus und der Chemorezeptoren des Karotiskörpers, welche für die Regulation von Blutdruck bzw. Atmung zuständig sind, sowie parasympathische sekretomotorische Fasern für die Ohrspeicheldrüse. Der IX. Hirnnerv innerviert den M. stylopharyngeus (Pharynxelevator) motorisch (Abb. 1).
Diagnostik
Klinisch lässt sich die Funktion des N. glossopharyngeus am besten über eine Geschmacksprüfung des hinteren Zungendrittels untersuchen. Für die Überprüfung der Barorezeptorfunktion stehen der Tilt-table-Test, das Valsava-Manöver sowie der Karotisdruckversuch zur Verfügung. Die Chemorezeptorfunktion wird über die Atemantwort auf milde Hypoxie kontrolliert. Die sekretomotorische Funktion kann nach intravenöser Gabe von Pilocarpin bilateral gemessen werden. Im klinischen Alltag wird eine isolierte Läsion des IX. Hirnnervs praktisch nie gesehen.

Glossopharyngeusneuralgie

In Analogie zur Trigeminusneuralgie, jedoch wesentlich seltener (0,2–1,3 % aller Gesichtsschmerzsyndrome), kann es zum Auftreten einer Glossopharyngeusneuralgie kommen. Das Krankheitsbild tritt in der 5. und 6. Dekade ohne Geschlechtsbevorzugung auf mit Tage bis wenige Wochen dauernden Phasen serieller Schmerzattacken, gefolgt von monatelangen freien Intervallen. Die Schmerzen werden einseitig in den Zungengrund oder Rachen lokalisiert, wobei Husten, Niesen und Schlucken typische Triggermechanismen sind. Die Schmerzattacken lassen sich vorübergehend durch eine Anästhesie mit 10 %igem Lidocain-Spray von Tonsillen und hinterem Pharynx blockieren. Selten kommt es im Rahmen von Attacken einer Glossopharyngeusneuralgie zu Synkopen.
Stets gilt es, eine symptomatische Genese auszuschließen: Insbesondere müssen retropharyngeale Tumoren, ein Zoster segmentalis und Gefäßanomalien von Vertebralarterien oder PICA ausgeschlossen werden. Während die Blockade durch Lidocain-Spray in erster Linie der Diagnose dient, kommt in der Langzeittherapie Carbamazepin zum Einsatz.
Beim Nachweis eines pathologischen Gefäß-Nerv-Kontaktes ist eine mikrovaskuläre Dekompression in Analogie zur Trigeminusneuralgie (Operation nach Jannetta) in bis zu 85 % erfolgreich.

N. vagus

Anatomie
Der X. Hirnnerv (N. vagus) versorgt sensibel die Haut der Concha des äußeren Ohres, die Hirnhäute der hinteren Schädelgrube und des Foramen magnum. Viszerale Afferenzen leiten die Impulse von Pharynx, Larynx, Trachea, Ösophagus und den thorakalen und abdominellen Eingeweiden, viszerale Efferenzen innervieren die quer gestreifte Muskulatur des Gaumensegels von Pharynx, Larynx und oberem Ösophagus. Autonome Fasern versorgen vornehmlich das Herz und den Verdauungstrakt (Abb. 2). Der Nerv wird gebildet aus medullären Wurzeln zwischen den Nn. IX und XI (kranialer Anteil). Gemeinsam mit diesen beiden Nerven verlässt der N. vagus die Schädelbasis durch das Foramen jugulare. In Höhe des Foramen jugulare liegt das Ganglion jugulare, welches für die sensible Innervation zuständig ist, unterhalb des Foramens das Ganglion nodosa mit den Afferenzen von Pharynx, Magen-Darm-Trakt und Eingeweiden. Die motorischen Fasern des X. Hirnnervs entstammen dem Nucleus ambiguus und dem motorischen Vaguskern in der Medulla.
Klinik
Klinisch führt die Vagusläsion zu einer unilateralen Gaumensegelparese: Auf der betroffenen Seite hängt der weiche Gaumen herab, der Würgereflex fehlt. Bei Auslösen des Würgereflexes und Phonation kommt es zu einem Abweichen nicht nur der Uvula, sondern des gesamten weichen Gaumens zur gesunden Seite (Kulissenphänomen). Durch Ausfall des N. recurrens resultiert eine Stimmbandlähmung mit heiserer Sprechweise. Laryngoskopisch zeigt sich, dass die Abduktion mehr als die Adduktion betroffen ist (Semon-Gesetz). In der Regel sind Pharynx- und Stimmbandlähmung bei Vagusläsionen nur inkomplett. Eine operative Läsion des N. recurrens selbst führt jedoch nicht selten zu einer einseitigen kompletten laryngealen Parese – bei bilateraler Läsion kann eine Tracheostomie erforderlich werden. Auf Untersuchungen zur autonomen Funktion des N. vagus wird in Kap. „Polyneuropathien: Differenzialdiagnostik“ eingegangen.
Ätiologie der Vagusläsion
Typische Ursachen einer Vagusläsion sind in der folgenden Übersicht zusammengestellt – isolierte Vagusläsionen sind selten. Gaumensegelparese und Stimmbandlähmung können führendes Symptom eines dorsolateralen Medullainfarkts (Wallenberg-Syndrom) sein. Beim Foramen-jugulare-Syndrom sind in der Regel der IX. und XI. Hirnnerv gleichzeitig ausgefallen. Sowohl der IX. als auch der X. Hirnnerv kann im Rahmen von Dissektionen der A. carotis interna an der Schädelbasis mitbetroffen sein (Mokri et al. 1996). Die autonome Vagusmitbeteiligung bei alkoholischer, diabetischer oder hereditärer Polyneuropathie muss abgegrenzt werden von der autonomen Symptomatik im Rahmen von multiplen Systematrophien. Bilaterale Vagusläsionen werden bei Poliomyelitis und Diphtherie beschrieben.
Ätiologie der Stimmbandlähmung/Vagusläsion
  • Intramedullär (Horner, Kleinhirnzeichen, kontralaterale dissoziierte Sensibilitätsstörung):
    Wallenberg-Syndrom und Varianten (Ischämie, Tumor, Blutung), Polio, Motoneuronerkrankung
  • Extramedullär intrakraniell (meist IX, X und XI):
    Foramen-jugulare-Syndrom (Entzündung: Zoster; Tumor: Glomus, Neurofibromatose, Metastasen)
  • Schädelbasis (meist IX, X, oft auch andere Hirnnervenausfälle):
    Tumor (Garcin-Syndrom), Dissektion der A. carotis interna (ICA)
  • Extrakraniell (oft Hirnnerven IX, X, XI, XII und Horner):
    Tumor (HNO, Metastasen), Granulom, Entzündung
  • Mediastinum (isolierte Stimmbandlähmung, links > rechts):
    Vergrößerter linker Vorhof, Aortenaneurysma, Bronchialkarzinom, Mediastinaltumor, idiopathisch (20.–30. Lebensjahr, Männer > Frauen, parainfektiös bei Virusinfekt)

Rekurrensparese

Nach Schilddrüsenoperationen kommt es in knapp 10 % zu Rekurrensparesen, permanent in 2,3 % (Jeannon et al. 2009). Differenzialdiagnostisch problematisch ist die nicht iatrogene isolierte Rekurrensparese. Sofern keine Schilddrüsenoperation vorangegangen ist, müssen Prozesse im Bereich der Lungenspitze ausgeschlossen werden. Da insbesondere der linke N. recurrens weit bis zum Aortenbogen hinabreicht, können Aortenaneurysmen, ein vergrößerter linker Vorhof, in diesem Bereich lokalisierte Lungentumoren oder Metastasen zu einer isolierten Stimmbandlähmung führen. Stets sollten beim Vorliegen einer scheinbar isolierten Rekurrensparese andere vagale Funktionen überprüft werden (Gaumensegellähmung? Autonome Funktionen?). Bis zu ein Drittel aller Rekurrensparesen bleibt ungeklärt, wobei v. a. Männer vom 20. bis 30. Lebensjahr betroffen sind. In diesen Fällen ist eine parainfektiöse Genese bei Virusinfekt wahrscheinlich. Innerhalb von 1 Jahr bessert sich die Dysphonie in 60 % der Fälle; danach ist die Prognose ungünstig (Sulica 2008). Die Differenzialdiagnose der Rekurrensparese ist in der vorangehenden Übersicht zusammengestellt.
Seltene Krankheitsbilder sind der Pharynxmyoklonus mit für den Patienten und oft auch für Umstehende hörbarem Klickgeräusch (Ear-click-Syndrom) und die Larynxneuralgie mit durch Husten, Gähnen, Niesen und Sprechen ausgelösten Schmerzattacken in Höhe des Schildknorpels. Während das Ear-click-Syndrom mit Botulinumtoxininjektionen behandelt wird, kommt bei der Neuralgie Carbamazepin zum Einsatz.

N. accessorius

Anatomie
Der N. accessorius ist ein rein motorischer Nerv, welcher gebildet wird von Fasern aus den Vorderhornzellen der oberen fünf zervikalen Segmente, die durch das Foramen magnum ins Schädelinnere gelangen, und den untersten Fasern aus dem Nucleus ambiguus (vagale Wurzel). Beide Wurzeln verlassen gemeinsam mit dem IX. und X. Hirnnerv durch das Foramen jugulare das Schädelinnere. Im Halsbereich verläuft der XI. Hirnnerv zwischen A. carotis interna und V. jugularis, penetriert den M. sternocleidomastoideus und kreuzt über das hintere Halsdreieck zum M. trapezius (Abb. 3). Sowohl der M. sternocleidomastoideus als auch der M. trapezius werden nicht ausschließlich vom N. accessorius, sondern auch aus den obersten zervikalen Wurzeln versorgt.
Klinik
Klinisch resultieren Lähmungen der Kopfdrehung und Schulterhebung. Bei der Inspektion zeigt sich auf der betroffenen Seite ein verändertes Schulterrelief mit Atrophie der oberen Trapeziusanteile. Die Schulter kann auf der betroffenen Seite nicht angehoben werden. Die Hebung des Arms über die Horizontale ist durch die fehlerhafte Skapulaposition behindert. Die Sternokleidomastoideusparese zeigt sich am besten, wenn der Patient aufgefordert wird, gegen Widerstand den Kopf von der kontralateralen Seite in Mittelposition zu drehen. Die Kontraktion des Muskels bleibt dann aus.
Ätiologie der Akzessoriusparese
Die Ursachen einer Akzessoriusparese sind in der folgenden Übersicht zusammengestellt.
Ätiologie der Akzessoriusparese
  • Kerngebiet, intraspinaler Verlauf, intrakranieller Verlauf: Motoneuronerkrankung, Poliomyelitis, Syringomyelie, Tumor, Trauma
  • Austritt aus dem Schädelinnern: Foramen-jugulare-Syndrom (mit Nn. IX und X), Sympathikusbeteiligung zeigt extrakranielle Läsion an (intrakraniell: Schwannom, Meningeom, Epidermoid, Chordom; extrakraniell: HNO-Tumoren, Metastasen)
  • Seitlicher Halsbereich (nur Trapeziusfasern): chirurgische Eingriffe (Lymphknotenbiopsie), Kompression, Verletzung (Zerrung, Überstreckung)
  • Unklare Lokalisation: idiopathisch (ein- oder beidseitig)
Während für komplette Akzessoriusparesen Motoneuronerkrankungen und Rückenmarkprozesse verantwortlich sind, betrifft die häufigste Läsion ausschließlich den Anteil, der den M. trapezius versorgt. Wichtigste Ursachen sind operative Eingriffe im seitlichen Halsdreieck, namentlich Lymphknotenbiopsien und HNO-ärztliche Operationen. Vor allem die sekundären Veränderungen durch die Fehlstellung der Schulter nach Trapeziusparese können zu anhaltenden und therapieresistenten Schmerzsyndromen führen – ggf. kommen Ersatzoperationen in Frage. Der N. accessorius ist im Rahmen des Foramen-jugulare-Syndroms mitbetroffen (s. Übersicht).
Differenzialdiagnose des Foramen-jugulare-Syndroms
  • Intrakraniell (oft zusätzliche Hirnnerven betroffen, Symptome von Seiten der langen Bahnen):
    • Benigne Tumoren (Schwannom, Meningeom, Epidermoid, Chordom)
    • Basale Meningitis
    • Sinusthrombose
  • Extrakraniell (ggf. Sympathikus mitbetroffen):
    • Maligne Tumoren (HNO-Karzinome, Metastasen, Plasmozytom)
    • Osteomyelitis, Entzündungen des Retropharynx/Ohres
    • Karotisaneurysma, Glomustumor
    • Trauma (Schuss-/Schnitt-/Splitterverletzungen)
Eine gutartige, auch rezidivierend auftretende und oft mit Schmerzen einhergehende Form der isolierten Akzessoriusparese wird idiopathisch in Analogie zur Bell-Parese beschrieben. In diesen Fällen kann ein Behandlungsversuch mit Kortikosteroiden erfolgen. Zusammenhänge mit der neuralgischen Schulteramyotrophie erscheinen denkbar (Müller-Vahl 1983).

N. hypoglossus

Anatomie
Der XII. Hirnnerv ist zuständig für die motorische Innervation der Zunge. Das Kerngebiet des N. hypoglossus liegt unterhalb des Bodens des 4. Ventrikels und reicht bis zum unteren Abschnitt der Medulla oblongata. Die Nervenfilamente treten aus der Medulla zwischen der Pyramide und der unteren Olive aus. Sie verlassen den Schädel durch das Foramen hypoglossus und ziehen zu den Mm. genioglossus (Vorwärtsbewegung der Zunge), styloglossus (Heben der Zungenwurzel) und hypoglossus (Krümmung der Zunge).
Klinik
Klinisch zeigt sich bei einer Hypoglossusparese frühzeitig die resultierende Atrophie mit vermehrter Gyrierung der Oberfläche; durch Überwiegen des M. genioglossus der gesunden Seite kommt es beim Herausstrecken zu einer Abweichung zur gelähmten Seite (Abb. 4). Wenn der Patient mit der Zunge gegen die Wangenschleimhaut drückt, lässt sich die Parese von außen palpieren.
Ätiologie der Hypoglossusparese
Während intramedullär Hirnstamminfarkte (Jackson-Syndrom), die Syringobulbie und Gliome ursächlich sein können, ist der Nerv in seinem Verlauf im Halsbereich bei Dissektion der A. carotis interna, aber auch bei Thrombendarteriektomie dieses Gefäßes läsionsgefährdet (Keane 1996). Stets müssen Tumoren und Anomalien des kraniozervikalen Überganges ausgeschlossen werden (Tab. 1). Die Abb. 5 zeigt den Befund eines Hypoglossusschwannoms (-neurinoms).
Tab. 1
Ätiologie der Hypoglossusparese
Lokalisation
Ursache
Untere Medulla
Medialer Hirnstamminfarkt (Jackson-Syndrom), Motoneuronerkrankung, Poliomyelitis, Syringobulbie, multiple Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSE), Tumor (Metastase, Gliom)
Extramedullär intrakraniell
Anomalien des kraniozervikalen Übergangs (Platybasie, Arnold-Chiari), Tumoren (Chordom, Schwannom), Morbus Paget, Klivusosteomyelitis, atlantoaxiale Instabilität (bei rheumatoider Arthritis)
Foramen hypoglossus
Tumoren (Metastasen, HNO-Tumoren, Glomustumor, Lymphom), Granulome (GPA, Sarkoidose)
Peripherer Verlauf (Nacken)
Dissektion der A. carotis interna, OP (Thrombendarteriektomie, Neck Dissection, Tonsillektomie), Trauma (Schussverletzung), Strahlentherapie, A.-carotis-interna-Aneurysma, Dolichoektasie der A. carotis interna
Ohne genaue Lokalisation
Guillain-Barré-Syndrom, parainfektiös, Meningeose, Mononukleose, Botulismus
Bewegungsabhängige Nackenschmerzen in Verbindung mit Gefühlsstörungen der ipsilateralen Zungenhälfte werden zurückgeführt auf die Läsion afferenter lingualer Fasern, welche mit dem N. hypoglossus zu den spinalen Wurzeln ziehen. Ursächlich ist die temporäre Subluxation des lateralen atlantoaxialen Gelenks mit Irritation des ventralen Astes der C2-Wurzel bei Kopfdrehung. Für dieses sog. Neck-tongue-Syndrom werden degenerative oder traumatische Wirbelsäulenveränderungen sowie atlantoaxiale Entzündungen (rheumatoide Arthritis!) verantwortlich gemacht. Die Blockade des seitlichen atlantoaxialen Gelenks durch ein Lokalanästhetikum ist diagnostisch, die Therapie hängt von der Ursache ab (Orrell und Marsden 1994) – chiropraktische Manöver können hilfreich sein (Chu und Lin 2018).
Brennende Schmerzen im Zungenbereich werden als Glossodynie bezeichnet. Sie sind bei Frauen häufiger als bei Männern. Neben einem Mangel an B-Vitaminen oder Eisen sind Mundtrockenheit durch Medikamente, ein Nikotinabusus, schlecht sitzende Prothesen, eine larvierte Depression und ungenügende Mundpflegegewohnheiten zu bedenken.

Facharztfragen

1.
Was sind die Leitsymptome einer Läsion der Hirnnerven IX und X?
 
2.
Nennen Sie typische Ursachen von Gesichts- und Rachenschmerzen.
 
3.
Welche Hirnnerven sind beim Foramen-jugulare-Syndrom betroffen? Was sind die Ursachen?
 
4.
Nennen Sie die häufigsten Ursachen einer Accessorius- bzw. einer Hypoglossusparese.
 
Literatur
Berlit P (2007) Basiswissen Neurologie, 5. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York/Tokio
Chu E, Lin A (2018) Neck-tongue syndrome. BMJ Case Rep 11(1):e227483. https://​doi.​org/​10.​1136/​bcr-2018-227483CrossRefPubMedPubMedCentral
Dressler D, Conrad B (1989) Geschmacksstörungen nach Tonsillektomie. Nervenarzt 60:572–575PubMed
Jeannon JP, Orabi AA, Bruch GA, Abdalsalam HA, Simo R (2009) Diagnosis of recurrent laryngeal nerve palsy after thyroidectomy: a systematic review. Int J Clin Pract 63(4):624–629CrossRef
Keane JR (1996) Twelfth-nerve palsy. Arch Neurol 53:561–566CrossRef
Mokri B, Silbert PL, Schievink WI, Piepgras DG (1996) Cranial nerve palsy in spontaneous dissection of the extracranial internal carotid artery. Neurology 46:356–359CrossRef
Müller-Vahl H (1983) Akzessoriuslähmungen. Akt Neurol 10:18–23CrossRef
Orrell RW, Marsden CD (1994) The neck-tongue syndrome. J Neurol Neurosurg Psychiatry 57:348–352CrossRef
Quant EC, Jeste SS, Muni RH, Cape AV, Bhussar MK, Peleg AY (2009) The benefits of steroids versus steroids plus antivirals for treatment of Bell’s palsy: a meta-analysis. BMJ 339:b3354. https://​doi.​org/​10.​1136/​bmj.​b3354CrossRefPubMedPubMedCentral
Sulica L (2008) The natural history of idiopathic unilateral vocal fold paralysis: evidence and problems. Laryngoscope 118:1303–1307CrossRef