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Klinische Neurologie
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Verfasst von:
Christof Klötzsch und Joachim Röther
Publiziert am: 31.07.2018

Hirnembolien

Zur Thrombenbildung im Herzen kommt es bei pathologischen morphologischen Veränderungen oder Rhythmusstörungen. Nach einem Myokardinfarkt kann durch die Ausbildung eines hypokinetischen Wandareals in etwa 2,5 % der Fälle in den ersten 6 Wochen eine zerebrale Ischämie auftreten. Im chronischen Stadium stellt die Ausbildung eines Herzwandaneurysmas eine mögliche Emboliequelle dar. Selten ist das gutartige Vorhofmyxom, das sich typischerweise durch einen embolischen Hirninfarkt manifestiert. Bei Kindern und Jugendlichen spielen angeborene Herzvitien eine Rolle als Emboliequelle. Entzündliche Erkrankungen der Herzklappen sind ebenfalls mit embolischen Ereignissen assoziiert, wobei in der Akutphase besonders septische Embolien das Krankheitsbild komplizieren. Chronische Mitral- oder Aortenklappenprozesse gehen nicht selten mit Vorhofflimmern einher, was die Thrombenbildung im linken Vorhof begünstigt.

Kardiale Hirnembolie

Zur Thrombenbildung im Herzen kommt es bei pathologischen morphologischen Veränderungen oder Rhythmusstörungen. Nach einem Myokardinfarkt kann durch die Ausbildung eines hypokinetischen Wandareals in etwa 2,5 % der Fälle in den ersten 6 Wochen eine zerebrale Ischämie auftreten. Im chronischen Stadium stellt die Ausbildung eines Herzwandaneurysmas eine mögliche Emboliequelle dar. Selten ist das gutartige Vorhofmyxom, das sich typischerweise durch einen embolischen Hirninfarkt manifestiert. Bei Kindern und Jugendlichen spielen angeborene Herzvitien eine Rolle als Emboliequelle. Entzündliche Erkrankungen der Herzklappen sind ebenfalls mit embolischen Ereignissen assoziiert, wobei in der Akutphase besonders septische Embolien das Krankheitsbild komplizieren. Chronische Mitral- oder Aortenklappenprozesse gehen nicht selten mit Vorhofflimmern einher, was die Thrombenbildung im linken Vorhof begünstigt. Die thrombembolische Bedeutung von echokardiografisch nachgewiesenen Spontanechos wird auf Aggregatbildung der korpuskulären Bestandteile im linken Vorhof aufgrund einer verlangsamten Flussgeschwindigkeit zurückgeführt, die im Rahmen von Pumpfunktionsstörungen des Herzens auftreten. Beim Mitralklappenprolaps führt die myxomatöse Degeneration der Chordae tendinae in der Systole zu einem Prolaps von Mitralklappenanteilen in den Vorhof. Die Echokardiografie belegt bei bis zu 18 % völlig asymptomatischer Patienten diese Veränderung, und medikamentöse präventive Maßnahmen werden nicht empfohlen. Bei Patienten, die mit einer mechanischen Herzklappe versorgt wurden, findet sich trotz Antikoagulation ein jährliches Schlaganfallrisiko von 1–4 %. Bei Bioklappenprothesen geht man von einem Schlaganfallrisiko von 0,2–2,9 % aus. Einerseits ist der Gerinnungsstatus durch Ernährung und Interaktion mit anderen Medikamenten Schwankungen unterworfen, andererseits begünstigt auch eine zunehmende Alterung des Klappenmaterials die Bildung von thrombotischen Auflagerungen.
Großangelegte Studien der vergangenen Jahre haben eine erhöhte Infarktrate bei Patienten mit schweren arteriosklerotischen Veränderungen des Aortenbogens nachweisen können. Von zerebralen Ischämien dieser Genese sind insbesondere ältere Patienten (>65 Jahre) mit echokardiografisch nachgewiesenen mobilen Plaques ≥4 mm in der Aorta ascendens betroffen. Die beste Sekundärprophylaxe dieses Gefäßprozesses (Antikoagulation, doppelte Thrombozytenfunktionshemmung, „Plaquestabilisierung“ mit Statinen) ist weiterhin unklar (Amarenco et al. 2014). Unter Acetylsalicylsäure (ASS) in Kombination mit Clopidogrel lag das Risiko für das Auftreten des kombinierten Endpunkts aus ischämischem Schlaganfall, Myokardinfarkt, peripheren Embolien, vaskulärem Tod oder intrazerebraler Blutung im Vergleich zu Warfarin etwas niedriger (7,6 bzw. 11,3 %; n.s.). Allerdings kann eine dauerhafte doppelte Thrombozytenfunktionshemmung nicht empfohlen werden. Vielmehr ist eine befristete Gabe für 3–6 Monate, verbunden mit einer Senkung des LDL unter 70 mg/dl und einer optimalen Blutdruckkontrolle anzuraten.
Vorhofflimmern stellt im Gegensatz zu allen anderen kardialen Rhythmusstörungen eine gesicherte Emboliequelle dar. Es kommt dabei zu einem funktionellen Stillstand der Vorhöfe, was die Bildung von wandständigen Thromben – insbesondere im Herzohr – erheblich begünstigt. Eine Antikoagulation wird beim Vorliegen weiterer Risikofaktoren bereits als Primärprophylaxe empfohlen (CHA2DS2-VASc-Score ≥2) und stellt nach embolischen Ereignissen die Therapie der Wahl dar, um weitere embolische Ereignisse zu verhindern (Kap. „Kardiale Erkrankungen in der Neurologie“).
Kardial-embolisch bedingte Hirninfarkte zeigen im Vergleich zu Infarkten anderer Genese wesentlich häufiger (bis zu 40 %) eine hämorrhagische Transformation, was u. a. auf die raschere Autolyse dieser Embolien zurückgeführt wird. Im Regelfall führt jedoch eine hämorrhagische Transformation nicht zu einer dauerhaften Verschlechterung des neurologischen Zustandes (Gage et al. 2001; Lip und Lane 2015; Kirchhof et al. 2013).

Paradoxe Hirnembolie

Der Pathomechanismus der paradoxen Embolie über ein persistierendes offenes Foramen ovale (PFO) ist schon lange bekannt, jedoch ist die ätiologische Bedeutung dieser Veränderung bei kryptogenen Infarkten umstritten. Das PFO verschließt sich normalerweise innerhalb von 3 Monaten nach der Geburt, persistiert jedoch bei etwa 25 % aller Erwachsenen und ist daher eine potenzielle Pforte für venöse Thromben, die dann nicht nur in das pulmonale Gefäßsystem, sondern auch in den arteriellen Kreislauf gelangen. Der mittlere Durchmesser des PFO beträgt 4,9 mm und ist daher ausreichend groß, um Thromben passieren zu lassen, die z. B. die mittlere Hirnarterie (2–3 mm) verschließen können (Saver 2016). Die Prävalenz eines PFO bei Schlaganfallpatienten mit ungeklärter Schlaganfallursache (kryptogen) liegt bei 40 %. Metaanalysen zeigen, dass das Schlaganfallrisiko bei Patienten mit isoliertem PFO um den Faktor 1,83 gering erhöht ist. Rückblickend finden sich bei bis zu 30 % aller Patienten mit paradoxer Hirnembolie Hinweise auf stumm abgelaufene oder ätiologisch falsch zugeordnete Hirninfarkte.
Während eine tiefe Beinvenenthrombose (TVT) nur bei etwa 10 % dieser Patienten nachweisbar ist, lassen sich bei anderen Patienten in der Anamnese Situationen eruieren, die eine venöse Stase begünstigen. Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen Schlaganfall und PFO erhöhen, sind eine längere Immobilisation während langer Autofahrten, Flugreisen („economy class syndrome“) oder Krankheit, Exsikkosezustände z. B. im Rahmen fieberhafter Infekte, Valsalva-Manöver vor Auftreten der Schlaganfallsymptomatik, ein atriales Vorhofseptumaneurysma (VHSA), eine Gerinnungsstörung mit Hyperkoagulabilität, emboligene und ggf. multiple (alte) Infarkte und das Fehlen typischer Gefäßrisikofaktoren bei jungem Alter (<50 Jahre). Da auch bei Patienten mit einer manifesten Lungenembolie in 20 % der Fälle der Nachweis der Thromboemboliequelle nicht gelingt, scheint die Thrombusgröße eine Rolle zu spielen. Es wird vermutet, dass schon relativ kleine Venenthrombosen, die dem Nachweis mit der Farbduplexsonografie oder der Phlebografie entgehen, ausreichen, um eine zerebrale Ischämie zu verursachen.
Der Nachweis eines PFO gelingt einfach durch eine transkranielle Ultraschalluntersuchung oder eine transösophageale Echokardiografie (TEE) jeweils mit Verabreichung eines Ultraschallkontrastmittels oder agitierter physiologischer Infusionslösung. Die TEE liefert dabei neben dem Nachweis des paradoxen Kontrastmittelübertritts auch Informationen zur Größe und Koexistenz eines atrialen Septumaneurysmas. Eine Gerinnungsanalyse mit der Frage nach einer Hyperkoagulation sowie eine Duplexsonografie der tiefen Beinvenen gehören zur sinnvollen erweiterten Diagnostik.
Betont werden muss, dass das Rezidivrisiko nach einem kryptogenen Schlaganfall und dem Nachweis eines PFO gering ist. Multicenterstudien fanden eine Rezidivinfarktrate unter 1,5 % pro Jahr bei Einnahme eines Thrombozytenfunktionshemmers. Ein möglicher begleitender Risikofaktor ist das Vorliegen eines Vorhofseptumaneurysmas (Auslenkung des Septums >10 mm aus der Mittellage). Für die Kombination aus PFO und Vorhofseptumaneurysma wurden Rezidivraten von bis zu 6 % pro Jahr ermittelt, wobei nicht alle Studien einen eindeutigen Zusammenhang fanden.
Was den Verschluss des PFO mit einem Okkluder nach paradoxem Hirninfarkt anbelangt, konnten 2017 erstmals drei randomisierte Studien im Vergleich mit einer medikamentösen Prophylaxe (Thrombozytenfunktionshemmer oder Antikoagulation) eine Überlegenheit des Okkluderverschlusses nachweisen (Mas et al. 2017; Saver et al. 2017; Søndergaard et al. 2017). Ein vollständiger PFO-Verschluss gelang bei 73–96 % der Fälle. Die Number needed to treat (NNT), um einen Schlaganfall in der Folge in einem Zeitraum von über 5 Jahren zu verhindern, betrug je nach Studie zwischen 17 und 45. Eine signifikante Senkung der Rezidivschlaganfallrate durch den Okkluderverschluss fand sich nur bei Patienten mit großen Rechts-links-Shunts (Übertritt von >30 MB in linken Vorhof nach Kontrastmittelgabe) oder bei mittelgradigen Shunts in Kombination mit einem Vorhofseptumaneurysma. Postinterventionell kam es bei bis zu 7 % zum Auftreten von Vorhofflimmern (5-mal häufiger als im medikamentösen Behandlungsarm). Eine Metaanalyse zeigte, dass der PFO-Okkluder das Reinfarktrisiko von 6 auf 2 zerebrale Insulte pro 100 Patienten gering senkt, sodass der Schirmchenverschluss bei Patienten mit einem hohen ROPE-Score (Risk of Paradoxical Embolism) erwogen werden kann (Tab. 1; Messe et al. 2016; Thaler et al. 2014).
Tab. 1
ROPE-Score-Rechner. Je höher der ROPE-Score bei Patienten mit kryptogenem Schlaganfall und PFO ist, desto wahrscheinlicher ist ein kausaler Zusammenhang (nach Thaler et al. Neurology 2014)
Kriterium
Punkte
Score
Kein Bluthochdruck
1
 
Keine Diabetes mellitus
1
 
Kein Schlaganfall oder TIA
1
 
Nichtraucher
1
 
Kortikaler Infarkt in Bildgebung
1
 
Alter (Jahre)
  
18–29
5
 
30–39
4
 
40–49
3
 
50–59
2
 
60–69
1
 
≥70
0
 
Gesamtergebnis (Summe der individuellen Punkte)
 
Maximales Ergebnis (Patient <30 Jahre ohne vaskuläre Risikofaktoren, keine Anamnese mit Schlaganfall oder TIA und kortikalem Infarkt)
10
 
Minimales Ergebnis (Patient ≥70 Jahre mit vaskulären Risikofaktoren, vorherigem Schlaganfall und kortikalem Infarkt)
0
 
Fallbeispiel
Ein 32-jähriger Mann stellte sich einen Tag nach der Rückkehr von einem Australien-Urlaub in der Notaufnahme eines Krankenhauses mit einer „skew deviation“ und Hemiataxie links vor. Er berichtete, am Vortag erstmals Doppelbilder und allgemeines Unwohlsein verspürt zu haben, als er zwei schwere Koffer vom Taxi bis in seine Wohnung getragen hatte. Kernspintomografisch zeigten sich frische Diffusionsstörungen im dorsolateralen Anteil des Thalamus rechts sowie links im Mittelhirn und im A.-cerebelli-superior-Territorium links. Bei farbduplexsonografisch und MR-angiografisch unauffälligem Gefäßbefund zeigte sich in der transösophagealen Echokardiografie ein spontan offenes Foramen ovale mit schauerartigem Übertritt von Ultraschallkontrastmittel sowie ein Vorhofseptumaneurysma. Obwohl sich laborchemisch eine deutliche Erhöhung der D-Dimere zeigte, konnte phlebografisch keine tiefe Beinvenenthrombose mehr nachgewiesen werden. In der erweiterten Gerinnungsdiagnostik zeigte sich eine heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation. Der Patient wurde, da es sich um ein Erstereignis handelte, für 6 Monate auf ein Cumarin und danach auf ASS 100 mg eingestellt. Alternativ kann ein PFO-Verschluss bei hohem ROPE-Score erwogen werden.

Facharztfragen

1.
Welche kardialen Erkrankungen und Veränderungen erhöhen das Risiko von Hirnembolien?
 
2.
Mit welchem klinischen Score wird das Schlaganfallrisiko bei Vorhofflimmern abgeschätzt und ab welchem Wert wird eine Antikoagulation empfohlen?
 
3.
Welche Faktoren beeinflussen die Rezidivinsultrate bei Patienten mit paradoxer Hirnembolie und PFO?
 
4.
Welche Komplikationen drohen bei Okkluderverschluss eines PFO?
 
Literatur
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