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Klinische Neurologie
Info
Publiziert am: 12.09.2017

Intrakranielle Empyeme

Verfasst von: Bettina Pfausler
Zwischen 10 und 20 % der fokalen intrakraniellen bakteriellen Infektionen sind Subduralempyeme. Diese werden als „the most imperative of all neurosurgical emergencies“ beschrieben.
Zwischen 10 und 20 % der fokalen intrakraniellen bakteriellen Infektionen sind Subduralempyeme. Diese werden als „the most imperative of all neurosurgical emergencies“ beschrieben.
Häufigkeit und Vorkommen
Das Subduralempyem kommt deutlich seltener als ein Hirnabszess vor (1:4). Das typische Alter für ein Subduralempyem ist die 2. und 3. Lebensdekade, Männer sind 4-mal häufiger als Frauen betroffen.
Pathogenese
In fast allen Fällen entstehen Subduralempyeme per continuitatem aus einer paranasalen Sinusitis, einer Otitis media, einer Mastoiditis oder als Folge einer bakteriellen Meningitis, nur selten durch Infektion eines subduralen Hämatoms oder Hygroms nach neurochirurgischen Operationen und/oder penetrierenden Verletzungen (Osborn und Steinberg 2007). In Einzelfällen fanden sich hämatogen-metastatisch bedingte Subduralempyeme. Eine fokale Osteomyelitis liegt etwa 50 % der Fälle zugrunde, eine septische Sinusvenenthrombose mit hämorrhagischer Infarzierung und oberflächlicher Hirnabszessbildung kann ebenfalls Ursache eines Subduralempyems sein. Bei weniger als 15 % besteht eine begleitende purulente Meningitis. Ein perifokales Hirnödem entwickelt sich sehr rasch und trägt zur Verschlechterung der klinisch-neurologischen Symptomatik erheblich bei.
Aerobe Streptokokken werden in einem Drittel und Staphylokokken in einem Sechstel der berichteten Fälle aus dem Eiter eines subduralen Empyems kultiviert. In Einzelfällen wurden Pneumokokken, H. influenzae und gramnegative Bakterien gezüchtet. Anaerobier (inklusive Bacteroides spp.) sind ebenso häufige Erreger. In den meisten Fällen ist eine polymikrobielle Infektion zu finden.
Klinik
Bei 60–90 % der Patienten besteht eine – nicht selten asymptomatische – Sinusitis oder Otitis. Die Fortleitung dieser Infektionen in den Subduralraum führt zu Fieber, herdförmigen Kopfschmerzen, die später diffus werden können, Zeichen einer meningealen Irritation und Erbrechen. Innerhalb von 1–2 Tagen entwickeln sich neurologische Herdzeichen entsprechend der Lokalisation, dann folgen rasch Hirndruckentwicklung und Bewusstseinsstörung (French et al. 2014). Bei mehr als 50 % der Patienten werden zerebrale Krampfanfälle, häufig fokal, berichtet. Der Verlauf eines subduralen Empyems ist so rasch, dass sich nur bei weniger als 50 % der Patienten ein Papillenödem entwickeln kann.
Komplikationen
Eine septische Sinusvenenthrombose, zerebrale Krampfanfälle und Hirndruckentwicklung sind potenziell lebensbedrohliche Komplikationen eines Subduralempyems.
Diagnostik
Ein Subduralempyem sollte bei jedem Patienten mit Meningismus und fokalem neurologischem Defizit vermutet werden, insbesondere wenn sich die Klinik sehr rasch verschlechtert und auf eine Hirnhemisphäre beschränkt ist. Eine vorausgehende Sinusitis oder Otitis macht die Entwicklung eines Subduralempyems besonders wahrscheinlich.
Bildgebung
CT und MRT (mit Kontrastmittelgabe) sind die wichtigsten diagnostischen Schritte mit sehr hoher Sensitivität und Spezifität (Abb. 1). Eine Osteomyelitis oder eine Sinusitis (Mastoiditis etc.) kann auch im Nativröntgenbild visualisiert werden.
Mikrobiologie
Blutkulturen (Anaerobier und Aerobier) und Punktate von Nasennebenhöhlen und Innenohr sollten unter allen Umständen gewonnen werden.
Cave
Aufgrund der enormen Einklemmungsgefahr ist eine Lumbalpunktion absolut kontraindiziert!
Therapie
Die antibiotische Therapie sollte so schnell wie möglich empirisch bis zum Eintreffen der spezifischen Kulturergebnisse und der Antibiogramme initiiert werden. Bei erhöhtem intrakraniellem Druck ist ein intensivneurologisches Management unerlässlich, eine Intubation mit artifizieller Ventilation und eine Osmotherapie zur akuten Hirndrucksenkung sind angezeigt. Die notfallmäßige neurochirurgische Entleerung, am besten mittels Kraniotomie (Bohrlochtrepanationen mit Spülung des Subduralraumes sollten möglichst nur in den Frühphasen angewendet werden) ist unausweichlich notwendig, vor allem da Septenbildung keine ausreichende Eiterentleerung mittels eines Bohrloches erlaubt (Mat Nayan et al. 2009). Die postoperative antibiotische Therapie richtet sich nach dem Kulturergebnis und dem Antibiogramm. Die initiale antibiotische Therapie ist in Tab. 1 aufgelistet.
Tab. 1
Empirische Initialtherapie beim Subduralempyem in Abhängigkeit von der Lokalisation der Primärinfektion
Lokalisation der Primärinfektion
Empirische Initialtherapie
Paranasale Sinusitis
Ceftriaxon + Metronidazol oder
Cefotaxim + Oxacillin
Otitis media oder Mastoiditis
Cefotaxim + Oxacillin oder
Ceftriaxon + Metronidazol
Postneurochirurgisch oder posttraumatisch
Ceftazidim + Vancomycin
alternativ Meropenem + Vancomycin
Bei dentogenem Primärherd
Penicillin G, Ceftriaxon oder Cefotaxim + Metronidazol
Fallbeispiel: Subduralempyem
17-jähriger Junge mit chronischem „Schnupfen“. Wegen Verdacht auf Sinusitis frontalis mehrfach (unzureichende) antibiotische Therapie. Wegen heftiger Kopfschmerzen und rechtshemisphärisch ausgehendem fokal eingeleitetem sekundär generalisiertem tonisch-klonischem epileptischem Anfall stationäre Aufnahme. Zerebrale CT: Subduralempyem über der rechten Hemisphäre frontal akzentuiert, Arrosion der Sinus-frontalis-Hinterwand bei Sinusitis frontalis. Antibiotische Therapie mit Drittgenerationscephalosporin plus Metronidazol und Fosfomycin. Neurochirurgische und HNO-chirurgische notfallmäßige Intervention. Nach 3-tägiger künstlicher Beatmung erfolgreiches Entwöhnen vom Respirator. Weiterführung der antibiotischen Therapie und EEG-Kontrolle (keine epilepsiespezifischen Veränderungen mehr). Krankenhausentlassung nach 4 Wochen antibiotischer Therapie.
Prognose
Bei frühzeitigem Therapiebeginn ist eine gute Restitution zu erwarten, während jede auch nur kurzfristige Verzögerung der Therapieeinleitung das Risiko permanenter neurologischer Langzeitfolgen erhöht. Die Gesamtmortalität beträgt 15 % – beim zu Therapiebeginn wachen Patienten lediglich 4–8 %, beim zu Therapiebeginn komatösen Patienten 75 %. Fast die Hälfte der überlebenden Patienten leidet an einer Residualepilepsie, fokal oder generalisiert. In den meisten Fällen treten die ersten Anfälle nach Abheilung der akuten Erkrankung innerhalb von 1–1½ Jahren auf.

Facharztfragen

1.
Welche klinischen Zeichen weisen auf ein Empyem hin?
 
2.
Welche neurologische Untersuchung ist bei einem Empyem kontraindiziert?
 
Literatur
French H, Schaefer N et al (2014) Intracranial subdural empyema: a 10-year case series. Ochsner J 14:188–194PubMedPubMedCentral
Mat Nayan SA, Mohd Haspani MS et al (2009) Two surgical methods used in 90 patients with intracranial subdural empyema. J Clin Neurosci 16:1567–1571CrossRefPubMed
Osborn MK, Steinberg JP (2007) Subdural empyema and other suppurative complications of paranasal sinusitis. Lancet Infect Dis 7:62–67CrossRefPubMed