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Klinische Neurologie
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Publiziert am: 07.11.2017

Kardiale Erkrankungen in der Neurologie

Verfasst von: Nico Reinsch und Thomas Budde
Die Diagnostik und Therapie kardialer Erkrankungen weist wegen oft ähnlicher oder gemeinsamer Symptome viele Berührungspunkte mit neurologischen Diagnose- und Therapieverfahren auf. Die Aufgabe des klinisch tätigen Neurologen liegt hier in der sicheren Differenzierung potenziell beiden Fachgebieten zuzuordnenden Krankheitsbildern. Neurologische Symptome primär kardialer Erkrankungen müssen erkannt und in interdisziplinärer Zusammenarbeit analysiert werden. Andererseits gilt es, bei nur sekundär kardialer Symptomatik nach sicherem Ausschluss kardialer Grund- oder Begleiterkrankungen unverzögert eine weiterführende neurologische Diagnostik und Therapie einzuleiten. Der kardiologischen Anamneseerhebung, der Identifizierung von primär z. B. durch Herzrhythmusstörungen oder ein akutes Koronarsyndrom bedingten Symptomen, der Indikation und dem Umfang internistisch-kardiologischer Diagnostik und der Wertung spezieller kardiologischer Diagnoseverfahren wird daher in diesem Kapitel besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Behandlungsindikationen bei kardialen Erkrankungen/Symptomen mit neurologischer Manifestation werden diskutiert.
Die Diagnostik und Therapie kardialer Erkrankungen weist wegen oft ähnlicher oder gemeinsamer Symptome viele Berührungspunkte mit neurologischen Diagnose- und Therapieverfahren auf. Die Aufgabe des klinisch tätigen Neurologen liegt hier in der sicheren Differenzierung potenziell beiden Fachgebieten zuzuordnenden Krankheitsbildern. Neurologische Symptome primär kardialer Erkrankungen müssen erkannt und in interdisziplinärer Zusammenarbeit analysiert werden. Andererseits gilt es, bei nur sekundär kardialer Symptomatik nach sicherem Ausschluss kardialer Grund- oder Begleiterkrankungen unverzögert eine weiterführende neurologische Diagnostik und Therapie einzuleiten. Der kardiologischen Anamneseerhebung, der Identifizierung primär z. B. durch Herzrhythmusstörungen oder ein akutes Koronarsyndrom bedingter Symptome, der Indikation und dem Umfang internistisch-kardiologischer Diagnostik und der Wertung spezieller kardiologischer Diagnoseverfahren wird daher im folgenden Kapitel besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Behandlungsindikationen bei kardialen Erkrankungen/Symptomen mit neurologischer Manifestation werden diskutiert.

Herzrhythmusstörungen

Klinik
Herzrhythmusstörungen können vielfältige Symptome verursachen (s. folgende Übersicht).
Mögliche Symptome von Herzrhythmusstörungen
  • Palpitationen („Herzstolpern, Aussetzer, Herzrasen“)
  • Unruhegefühl
  • Hitzegefühl
  • Übelkeit
  • Anfallartige (Ruhe-)Dyspnoe
  • Belastungsdyspnoe
  • Präsynkope
  • Links- und Rechtsherzinsuffizienz
  • Pektanginöse Beschwerden
Die Schwere klinischer Symptome von Arrhythmien hängt von ihrer Häufigkeit, Herzfrequenz und Dauer ab. Sie wird aber auch von der Kreislaufsituation zu Beginn der Herzrhythmusstörung bestimmt. Abhängig von der hämodynamischen Ausgangssituation (normale/gestörte linksventrikuläre Funktion, Hydratationszustand, Blutdrucksituation), der Körperhaltung (Stehen, Sitzen, Liegen) und dem Katecholamintonus (Ruhe? Körperliche Belastung? Psychischer Stress?) kann eine Arrhythmie (weitgehend) asymptomatisch bleiben oder aber zu Schwindel, Präsynkopen oder Synkopen (z. B. Adam-Stokes-Anfall) führen. Schlimmstenfalls können „maligne“ ventrikuläre Arrhythmien ohne entsprechende Behandlung (z. B. Defibrillation bei Kammerflimmern) einen plötzlichen Herztod verursachen. Das Auftreten von Arrhythmien kann eine ursächliche Bedeutung für die klinischen Symptome haben, aber auch lediglich ein Epiphänomen anderer Erkrankungen sein. Gelegentlich können auch bedrohliche Herzrhythmusstörungen zufällig bei weitgehend asymptomatischen Patienten entdeckt werden.
Kardiale Synkope
Die kausale Klärung einer Synkope (plötzlich einsetzender, spontan reversibler Bewusstseins- und Tonusverlust infolge einer vorübergehenden, globalen, zerebralen Minderperfusion) ist eine interdisziplinäre Aufgabe. Bis zur Klärung der Pathogenese sollte bevorzugt der Begriff der kurzzeitigen Bewusstlosigkeit (TLOC, „transient loss of consciousness“) verwendet werden. Die rationale Abklärung umfasst eine Basisdiagostik aus Anamnese, ggf. Fremdanamnese, 12-Kanal-EKG und ggf. weiterführenden Untersuchungen. Häufig ist jedoch eine bereits gründlich erhobene Eigen- und Fremdanamnese wegweisend in der Klärung der Genese der Synkope (Sheldon et al. 2002). Differenziert werden Reflexsynkopen (neurokardiogen vermittelt), orthostatische Synkopen und kardiale Synkopen (Moya et al. 2009). Kardiale Synkopen können neben rhythmogenen Ursachen (z. B. AV-Blockierungen oder ventrikuläre Tachykardien) auch strukturelle Erkrankungen wie eine hochgradige Aortenklappenstenose als Ursache haben. Lang anhaltende Bewusstlosigkeiten sind üblicherweise nicht (ausschließlich) kardiovaskulär bedingt, jedoch kann ein Kommotionssyndrom bei Sturz im Rahmen der Synkope zu länger dauernder Bewusstlosigkeit führen. Prognostisch wichtige Situationen bei Synkopen im Zusammenhang mit Arrhythmien sind in Tab. 1 aufgeführt.
Tab. 1
Diagnostisch und prognostisch wichtige Situationen bei Synkopen
Synkope
Mögliche Ursache
Kammertachykardie? AV-Blockierung?
Torsades-de-pointes-Tachykardie?
- Bei Sinusknotenfunktionsstörung:
Bradykardie-Tachykardie-Syndrom?
- Bei supraventrikulärer Tachykardie:
Eingeschränkte LV-Funktion? Herzklappenerkrankungen?
- Bei WPW-Syndrom:
Vorhofflimmern/Vorhofflattern (kurze Refraktärzeit der akzessorischen Leitungsbahn)
- Unter Antiarrhythmika:
Tachykardie trotz/wegen Antiarrhythmika? Bradykardie wegen Antiarrhythmika?
- Bei implantiertem Schrittmacher:
Exit-Block? Tachykardie? SM-Dysfunktion?
Kann differenzialdiagnostisch der Bewusstseinsverlust nicht durch Ursachen neurologischer Genese (Epilepsie, zerebrale Ischämie, Enzephalitis, dissoziative Anfälle) oder mögliche metabolische Erkrankungen erklärt werden, sollte bei möglicher kardialer Synkope gezielt eine weitergehende Arrhythmiediagnostik erfolgen.
Die neurokardiogene Synkope („vasovagale Synkope“), die ätiologisch einer Übererregbarkeit der Mechanorezeptoren des linken Ventrikels sowie einer starken Aktivierung des vagalen Systems bei gleichzeitiger Sympathikushemmung zugeordnet wird, betrifft entsprechend ihrer Namensgebung diagnostisch den neurologischen und kardiologischen Bereich. Die quantitative Kipptischuntersuchung steht als erweitertes diagnostisches Verfahren zur Verfügung (Diehl und Berlit 1995; Kosinski und Grubb 1994) und kann in bestimmten Fällen differenzialdiagnostisch hilfreich sein bzw., falls erforderlich, die Diagnose einer vasovagalen Synkope stützen. Ein positiver Befund dient jedoch nur der Unterstützung der Verdachtsdiagnose, insbesondere wenn die provozierte Synkope phänomenologisch den spontan erlittenen Ereignissen ähnelt. Typische klinische Befunde einer neurokardiogenen Synkope sind das Fehlen organischer Herzerkrankungen, eine lange Anamnese von Synkopen, unangenehme Ereignisse/Anstrengungen als Auslöser, begleitende Übelkeit und Erbrechen, Auftreten während oder nach dem Essen oder nach Kopfdrehungen
Von Bedeutung in der Risikostratifizierung der TLOC ist die Frage der Notwendigkeit einer Hospitalisierung. Diese ist bei folgenden Hochrisikokonstellationen mit gleichzeitiger EKG-Überwachung angezeigt:
  • Herzinsuffizienz, niedrige Auswurffraktion oder früherer Herzinfarkt
  • Synkope während körperlicher Belastung oder im Liegen, wenn keine vasovagalen Trigger erkennbar sind
  • Plötzlicher Herztod bei nahen Verwandten
  • EKG-Befunde, die eine rhythmogene Ursache vermuten lassen
  • Ausgeprägte Anämie oder Elektrolytstörung
  • schwere Verletzungen infolge des plötzlichen Bewusstseinsverlustes
Ansonsten ist für die Abklärung einer TLOC in den meisten Fällen eine stationäre Aufnahme nicht erforderlich.
Diagnostik
Die Diagnostik umfasst die kardiologische Anamnese, die Elektrokardiografie, die Echokardiografie und die invasive elektrophysiologische Untersuchung.
Kardiologische Anamnese
Eine gezielte kardiologische Anamnese (s. folgende Übersicht) kann in vielen Fällen bereits zu einer weitgehenden Symptomklärung führen und besitzt daher einen hohen Stellenwert.
Wichtige Fragestellungen einer kardiologischen Anamnese
  • Herzerkrankung bekannt?
  • (Invasive) Vordiagnostik?
  • Medikamentöse/operative Vorbehandlung?
  • Risikofaktoren?
  • Angina pectoris?
  • Dyspnoe?
  • Ödeme?
  • Hustenanfälle?
  • Plötzlicher Leistungsknick?
  • Palpitationen?
  • Schwindel/Synkopen?
  • Dokumentation von Arrhythmien?
  • Familienanamnese?
  • Berufsanamnese?
  • Sport?
Die kardiologische Anamnese umfasst neben der Nachfrage nach bekannten Herzerkrankungen und medikamentösen oder operativen Vorbehandlungen die Abfrage kardiovaskulärer Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus, Hyperurikämie, Familienanamnese von Myokardinfarkt, Schlaganfall oder einer arteriellen Verschlusskrankheit vor dem 50. Lebensjahr. Kardiale Symptome müssen systematisch erfragt werden.
Neben typischen Symptomen wie Angina pectoris, Dyspnoe in Ruhe und/oder unter Belastung, Ödembildung, Hustenanfällen bei körperlicher Belastung, Nykturie, rezidivierenden ungeklärten „Lungenentzündungen“ (Lungenstauung?) ist unspezifischen Symptomen, wie z. B. einem plötzlichen, unerklärlichen „Leistungsknick“, Unruhezuständen, nächtlicher Schlaflosigkeit mit inadäquater Müdigkeit am Tage, Empfindungen von „Herzstolpern“, „Herzaussetzern“ oder „Herzrasen“ und Schwindel, Präsynkopen oder Synkopen bei der Erfassung primär kardial bedingter Erkrankungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Weit vor apparativen Untersuchungen aller Art hat eine eingehende Arrhythmieanamnese, möglichst ergänzt um eine Fremdanamnese (z. B. bei Bewusstlosigkeiten), bei der Erkennung von Herzrhythmusstörungen und der Einschätzung ihrer Gefährlichkeit entscheidende Bedeutung. Ihre Sensitivität und Spezifität sind meist wesentlich höher einzuschätzen als die Aussagekraft ungezielt eingesetzter apparativer Screeninguntersuchungen!
Die Anamnese muss Folgendes klären:
  • mögliche Arrhythmiesymptome („Herzstolpern“, „Herzrasen“, „Aussetzer“, „Pausen“, Schwindel, Präsynkope, Synkope) und
  • Zeitpunkt, Häufigkeit und auslösende Faktoren (Während oder nach körperlicher/psychischer Belastung? Aus der Ruhe heraus? Vorausgehende Angina pectoris? Direkt nach dem Aufstehen? Bei der Miktion?) eruieren.
  • Schwere und Dauer der Symptome sind zu klären (Sturz mit Verletzungen? Nur Sekunden? Minuten? Stunden? Tage? Ununterbrochen? Abrupter Anfang und abruptes Ende? Medikamenteneinnahme?).
  • Regelmäßige oder unregelmäßige Schlagfolge einer Arrhythmie sind zu erfragen (Je „schneller“ die Arrhythmie ist, umso weniger kann der Patient eine Unterscheidung treffen!).
  • Wurde der Puls (evtl. durch andere Anwesende) während der Symptomatik gefühlt?
Im Einzelfall kann es hilfreich sein, zur Einschätzung der Art der Arrhythmie die während des Ereignisses verspürte Herzschlagfolge durch den Patienten oder Zeugen z. B. mit einem Bleistift auf dem Tisch klopfen zu lassen. Falls Herzrhythmusstörungen im EKG dokumentiert wurden, muss sehr genau nachgefragt werden, ob zum Zeitpunkt der Dokumentation auch wirklich die klinische Symptomatik bestand. Andernfalls kann die dokumentierte Arrhythmie nicht als (alleinige) Ursache der klinischen Symptomatik herangezogen werden. Hier schützt eine genaue Nachfrage vor der Einleitung einer erfolglosen und nicht selten sogar gefährlichen Therapie!
Elektrokardiografische Diagnostik
Zur elektrokardiografischen Diagnostik von Herzrhythmusstörungen stehen Ruhe-EKG, Belastungs-EKG und Langzeit-EKG zur Verfügung, mit denen versucht werden muss, die Arrhythmie zum Zeitpunkt ihres Auftretens zu dokumentieren. Bei gezielter Indikationsstellung kann nach kardiologischer (Vor-)Diagnostik eine invasive elektrophysiologische Untersuchung zur Klärung einer vorliegenden Arrhythmie und ihrer Therapiemöglichkeiten erforderlich sein.
Bei hämodynamisch tolerierten Herzrhythmusstörungen sollte der Versuch einer kompletten elektrokardiografischen Dokumentation mittels 12-Kanal-EKG (Ableitung I, II, III, aVR, aVL, aVF, V1–V6) unternommen werden. Zu diesem Zweck sind insbesondere bei Patienten mit mehrfach täglich auftretenden Arrhythmien und bei Schlaganfallpatienten die organisatorischen Voraussetzungen für eine möglichst umgehende EKG-Registrierung zu schaffen. Ist eine 12-Kanal-Registrierung nicht möglich, so können jedoch auch durch die Auswertung eines Monitorstreifens (oder des meist 2-kanaligen Langzeit-EKG) schon Informationen gewonnen werden. Wichtige Kriterien sind hierbei die Beurteilung der Herzfrequenz (Bradykardie <60/min; Tachykardie ≥100/min), der Dauer („Breite“) des QRS-Komplexes im EKG (normal: 0,12 s; verbreitert: ≥0,12 s) und der Regelmäßigkeit/Unregelmäßigkeit des Herzrhythmus. Hieraus können bereits wesentliche differenzialdiagnostische Kriterien bradykarder oder tachykarder Arrhythmien abgeleitet werden. Für die Diagnostik eines möglichen akuten Koronarsyndroms ist jedoch die Durchführung eines 12-Kanal-EKG zur Erfassung von akuten Ischämiezeichen im EKG unerlässlich.
Bei tachykarden Herzrhythmusstörungen (Abb. 1) weist ein schmaler (normaler) QRS-Komplex in der Regel auf eine supraventrikuläre Tachykardie hin (Ausnahme: aberrierende Überleitung mit breitem QRS-Komplex). Bei schmalem QRS-Komplex mit unregelmäßigem Kammerrhythmus liegt in der Mehrzahl der Fälle ein Vorhofflimmern vor. Zusätzlich ist an Vorhofflattern/-tachykardien mit wechselnden Überleitungen zu denken. Ist bei schmalen QRS-Komplexen der Kammerrhythmus regelmäßig, so können eine Sinustachykardie, eine ektop atriale Tachykardie, ein Vorhofflattern mit regelmäßiger Überleitung, eine AV-Knoten-Reentry- („AV-junktionale“ = der AV-Knoten-Region entstammende) oder AV-Reentry-Tachykardie vorliegen. Bei einer regelmäßigen Frequenz von mehr als 200/min ist eine Sinustachykardie sehr unwahrscheinlich.
Auch die Analyse der P-Wellen – sofern erkennbar – kann Aufschluss geben: Während normale P-Wellen auf eine Sinustachykardie hinweisen, lassen wechselnd oder andersartig konfigurierte P-Wellen (hier Vergleich mit einem EKG ohne Tachykardie) eine ektope atriale Tachykardie, negative, dem QRS-Komplex nachfolgende P-Wellen eine junktionale Tachykardie (retrograde Vorhoferregung, AV-Knoten-Reentry-Tachykardie) und typische „sägezahnartige“ P-Wellen ein Vorhofflattern als zugrunde liegende Rhythmusstörung identifizieren.
Bei breiten QRS-Komplexen ist in aller Regel bei regelmäßigem (meist auch bei unregelmäßigem) Kammerrhythmus von einer Tachykardie ventrikulären Ursprungs auszugehen (seltene Ausnahme: supraventrikuläre Tachykardie mit aberrierender Überleitung).
Belastungs-EKG
Die Ableitung eines Belastungs-EKG ist insbesondere dann indiziert, wenn der Patient ein Auftreten von Arrhythmien während oder nach körperlicher Anstrengung berichtet. Hier kann es manchmal durch ein Belastungs-EKG erstmals gelingen, eine bisher nicht nachgewiesene Arrhythmie zu dokumentieren. Darüber hinaus ist ein Belastungs-EKG sinnvoll, wenn eine Koronarischämie als Pathomechanismus einer Arrhythmie vermutet wird, z. B. weil eine Angina pectoris als vorausgehendes Symptom berichtet wird (Nachfrage bei der Arrhythmieanamnese!). Ein positives Belastungs-EKG mit Nachweis von Ischämiezeichen macht eine weiterführende kardiologische Diagnostik erforderlich, im Bedarfsfall die Durchführung einer Koronarangiografie.
Die methodischen Grenzen der Belastungselektrokardiografie sind aber zu beachten
Die Sensitivität des Belastungs-EKG für den Nachweis einer koronaren Herzkrankheit beträgt bei Männern bei kompletter Ausbelastung etwa 80 %, d. h. selbst im bestmöglichen Fall bleiben mindestens 2 von 10 Koronarkranken „unentdeckt“. Die Spezifität beträgt höchstens etwa 90 %. Bei Frauen sind Sensitivität und Spezifität des Belastungs-EKG grundsätzlich geringer. Ein negatives Belastungs-EKG schließt daher bei typischer Angina-Anamnese das Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit nicht aus und sollte nicht zu einer falschen Ausschlussdiagnose führen! Im Zweifelsfall ist bei einer typischen Angina-pectoris-Symptomatik auch ohne sicheren Ischämienachweis in der Belastungs-EKG-Untersuchung eine weitergehende invasive Diagnostik (Herzkatheteruntersuchung) anzustreben. Im Hinblick auf Ischämiezeichen sind unter einer Digitalismedikation falsch-positive Befunde zu erwarten, sodass diese ggf. rechtzeitig zu unterbrechen ist. Da β-Blocker zu einer Herzfrequenzsenkung führen und zusätzlich die zu dokumentierenden Arrhythmien u. U. unterdrücken, ist die Aussagekraft eines Belastungs-EKG bei β-Blocker-Medikation (wie auch bei anderen antiarrhythmisch wirksamen Substanzen) eingeschränkt. Eine „teilweise“ Ausbelastung ist aufgrund erheblich eingeschränkter Sensitivität in aller Regel diagnostisch wertlos.
Aus Sicherheitsgründen muss die Durchführung eines Belastungs-EKG in jedem Fall unter organisatorischen, räumlichen und personellen Voraussetzungen erfolgen, die die sofortige effektive Behandlung evtl. auftretender Arrhythmien oder koronarischämischer Ereignisse erlauben.
Langzeit-EKG
Die kontinuierliche Registrierung eines EKG über in der Regel 24 Stunden dient der Klärung von Symptomen wie Schwindel, Synkopen, atypischen kardialen Beschwerden und Palpitationen und der potenziellen Identifikation von Herzrhythmusstörungen, die vom Patienten berichteten klinischen Symptomen zugrunde liegen können. Des Weiteren hat das Langzeit-EKG eine Bedeutung für die Risikostratifizierung nach Myokardinfarkt oder bei Kardiomyopathien.
Kardiale Arrhythmien unterliegen in ihrer Häufigkeit einer z. T. beträchtlichen Spontanvariabilität. Bei der Indikationsstellung zum Langzeit-EKG muss daher berücksichtigt werden, wie oft anamnestisch beim Patienten diejenigen Beschwerden oder Symptome, deren Klärung man herbeiführen will, auftreten. Bei selten auftretenden (manchmal lebensbedrohlichen) Arrhythmien ist ein Langzeit-EKG oft wertlos, da im Intervall zwischen zwei Anfällen häufig keinerlei Arrhythmien auftreten. Treten die Ereignisse selten, z. B. nur im Abstand mehrerer Tage oder gar Wochen auf, so ist die Erfassungswahrscheinlichkeit minimal. Manchmal kann die konsekutive Wiederholung mehrerer Langzeit-EKG-Registrierungen sinnvoll sein, bis ein Ereignis „eingefangen“ werden kann. Gelingt dies nicht und ist eine Klärung von großer Bedeutung, so kann ein Langzeit-EKG für bis zu 7 Tage angelegt werden oder die (vorübergehende) subkutane Implantation eines sog. Event-Rekorders bis zum nächsten klinischen Ereignis sinnvoll sein. Hier ist mit modernen Geräten eine Dokumentation von Herzrhythmusstörungen über einen Zeitraum von bis zu 3 Jahren möglich.
In jedem Fall muss ein vom Patienten möglichst genau zu führendes Beschwerdeprotokoll vorliegen, um zu prüfen, ob eine dokumentierte Arrhythmie auch tatsächlich zu diesem Zeitpunkt zu Beschwerden geführt hat. Eine dokumentierte, aber nachweislich asymptomatische Arrhythmie darf nicht als Erklärung eines Beschwerdebildes herangezogen werden! Umgekehrt darf eine Arrhythmie als Symptomursache nur dann als ausgeschlossen betrachtet werden, wenn das Symptom während der Registrierdauer auch auftritt und zu diesem Zeitpunkt (Beschwerdeprotokoll!) die EKG-Registrierung unauffällig ist.
Große Probleme der Bewertung werfen „zufällig“ dokumentierte, asymptomatische Arrhythmien auf. Hier muss nach genauer Anamneseerhebung oft eine ergänzende kardiologische Diagnostik erfolgen, da die prognostische Bedeutung entscheidend vom Vorhandensein oder Fehlen einer kardialen Grunderkrankung abhängig ist.
Etwa 10 % der Herzgesunden weisen klinisch irrelevante Arrhythmien auf.
Mit steigendem Alter nimmt z. B. die Zahl ventrikulärer Extrasystolen (unabhängig von einer kardialen Erkrankung) zu. Auch bestimmte Bradykardieformen haben keinerlei prognostische oder therapeutische Konsequenzen. So können während des Schlafs insbesondere bei jungen Patienten und/oder Sportlern auftretende Sinusbradykardien mit Frequenzen von 35–40/min noch als durchaus normal angesehen werden.
Lown-Klassifikation
Vor der unkritischen Anwendung der Lown-Klassifikation (Tab. 2) zur Beurteilung der Prognose oder Therapienotwendigkeit spontaner ventrikulärer Arrhythmien ist zu warnen. Diese Klassifikation wurde von Lown und Wolf (1971) zur prognostischen Beurteilung von Patienten mit koronarer Herzkrankheit kurz nach Myokardinfarkt entwickelt. Prognostische Rückschlüsse anhand dieser Klassifizierung sind bei anderen (herzgesunden) Patienten daher unzulässig! Darüber hinaus ist die Lown-Klassifizierung insbesondere in den Klassen III und IV in der Deskription dokumentierter Arrhythmien „unscharf“. So können in der Klasse IIIa z. B. 3 ventrikuläre Extrasystolen jeweils unterschiedlicher Morphologie oder 3000 polymorphe Extrasystolen pro 24 h, in der Klasse IIIb z. B. ein einzelner ventrikulärer Bigeminus oder ein 24 h andauernder Bigeminus, in der Klasse IVa 2 ventrikuläre Zweiersalven oder 500 Zweiersalven und in der Klasse IVb eine Dreiersalve oder eine anhaltende Kammertachykardie mit 140 Schlägen/min oder auch mit 240 Schlägen/min „verborgen“ sein. Es liegt auf der Hand, dass diesen verschiedenen (Extrem-)Beispielen per se und in Kenntnis der zugrunde liegenden Herzerkrankung eine unterschiedliche prognostische und auch ggf. symptomerklärende Bedeutung zukommt. Zur exakten klinischen Bewertung eines Langzeit-EKG ist daher die detaillierte Analyse/Deskription der verschiedenen dokumentierten „maximalen“ Arrhythmien erforderlich. Die Lown-Klassifizierung kann allenfalls dem Befund als Ergänzung (z. B. „formal Lown IVa“) hinzugefügt werden, da sie Form und Häufigkeit ventrikulärer Arrhythmien gut beschreibt.
Tab. 2
Lown-Klassifizierung ventrikulärer Arrhythmien bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt. (Nach Lown und Wolf 1971)
Lown-Klasse
Arrhythmie
0
Keine ventrikulären ES
I
<30 VES/h
II
>30 VES/h
IIIa
Polymorphe VES
IIIb
Ventrikulärer Bigeminus
Iva
Ventrikuläre Zweiersalven
Ivb
Längere Salven, Kammertachykardien, Kammerflattern/-flimmern
V
R-auf-T-Phänomen
ES Extrasystolen, VES ventrikuläre Extrasystolen
Wegen der hohen Spontanvariabilität von Arrhythmien kann das Langzeit-EKG nur begrenzt zur symptomatischen Effektivitätskontrolle einer antiarrhythmischen Therapie verwendet werden. Eventuelle Nebenwirkungen einer antiarrhythmischen Therapie wie Brady- oder Tachykardien (bei paradoxer, sog. proarrhythmogener Wirkung) können aufgedeckt werden.
Cave
Die Beurteilung der antiarrhythmischen Wirksamkeit im Langzeit-EKG im Hinblick auf eine Prognoseverbesserung ist aber umstritten. Sie ist, unkritisch angewendet, manchmal sogar gefährlich, da die Häufigkeit spontaner (und damit im Langzeit-EKG registrierbarer) Arrhythmien nicht mit Unterdrückung oder Fortbestehen potenziell lebensbedrohlicher Arrhythmien übereinstimmt.
Die Erfassung passagerer ST-Strecken-Veränderungen zur Detektion klinisch „stummer“ Koronarischämien ist technisch und analytisch problematisch (z. B. geringe Zahl von Ableitungen im Langzeit-EKG, Wertigkeit bei bereits in Ruhe bestehenden Kammerendteilveränderungen etc.). Ihre prognostische Bedeutung im Vergleich zu symptomatischen Ischämien ist letztlich nicht geklärt.
Echokardiografische Diagnostik
Die Echokardiografie ist das wichtigste nichtinvasive bildgebende Verfahren in der Kardiologie. Sie ist in der Lage, sowohl die anatomischen Strukturen des Herzens abzubilden als auch eine funktionelle Beurteilung aller Anteile des menschlichen Herzens zu ermöglichen. Sie gibt Aufschluss über die Funktion der Ventrikel bei dem Verdacht einer Herzinsuffizienz (Dyspnoe), kann die Herzklappen bezüglich möglicher Vitien (Stenose, Insuffizienz, Prolaps, Sklerose, endokarditische Auflagerungen) beurteilen und einen möglichen Perikarderguss erfassen. Bei dem Verdacht auf kardiogene Embolien ist es durch die Echokardiografie möglich, endokavitäre Thromben nachzuweisen oder auszuschließen. In den meisten Fällen ist die transthorakale Echokardiografie (TTE) ausreichend, um die linksventrikuläre Funktion zu beurteilen oder einen Herzklappenfehler bei Vorliegen eines Herzgeräusches zu erfassen. Bei transthorakal schlecht schallbaren Patienten (Emphysem oder Beatmung) können jedoch auch Routinefragen eine transösophageale Echokardiografie (TEE-)Untersuchung notwendig machen.
Zur Ausschlussdiagnostik endokavitärer Thromben ist die TEE unerlässlich. Da z. B. bei Patienten mit Vorhofflimmern kleinste Thromben im linken Vorhofohr Ausgangspunkt klinisch bedeutsamer Embolien sein können, erfordert dieser Herzanteil besondere Aufmerksamkeit. Hier ist die TEE der transthorakalen Technik aufgrund der erheblich höheren Sensitivität überlegen. Die TEE kann Thromben im linken Vorhofohr mit einer Sensitivität von bis zu 92 % und einer Spezifität von bis zu 98 % nachweisen. Sie sollte daher regelhaft vor Rhythmisierungsversuchen bei Vorhofflimmern angewendet werden, um etwaige vorhandene Thromben zu erfassen und ggf. durch eine Antikoagulation das Embolierisiko zu verringern.
Des Weiteren können während der TEE mit der Doppler- bzw. Farbdopplertechnik endokavitäre Shuntverbindungen (z. B. Vorhof- oder Ventrikelseptumdefekt, offenes Foramen ovale) lokalisiert und vermessen werden, die bei Vorliegen venöser Thrombosen paradoxe zerebrale Embolien ermöglichen. Die Kontrast-TEE, bei der gasblasenbildende Substanzen intravenös injiziert werden, kann durch Übertritt dieser im Echokardiogramm sichtbaren Bläschen zusammen mit einem Valsalva-Manöver als definitive Diagnostik zum Nachweis oder Ausschluss eines offenen Foramen ovale erfolgen.
Invasive elelektrophysiologische Untersuchung (EPU)
Die invasive elektrophysiologische Untersuchung steht als aufwendigstes Verfahren der Arrhythmiediagnostik nach Anwendung der obigen Diagnosetechniken am Ende der diagnostischen Kette. Hierbei werden unter Lokalanästhesie bis zu 4 Elektrodenkatheter über das venöse Gefäßsystem in das rechte Herz eingebracht und zur Ableitung endokardialer EKG im hohen rechten Vorhof, in der Nähe des His-Bündels, in der rechtsventrikulären Spitze und (bei Verdacht auf das Vorliegen akzessorischer Leitungsbahnen, z. B. WPW-Syndrom) auch im Koronarsinus platziert (Abb. 2). Mittels eines detaillierten Stimulationsprotokolls können dann die Leitungseigenschaften des physiologischen Reizleitungssystems des Herzens überprüft und noch nicht identifizierte Arrhythmien unter kontrollierten Bedingungen induziert werden.
Die Befunde der invasiven elektrophysiologischen Untersuchung sind Ausgangspunkt für medikamentöse (Antiarrhythmika) oder interventionskardiologische (z. B. Katheterablation) Therapieverfahren, deren Effektivität durch erneute invasive elektrophysiologische Testung überprüft werden kann. Mittels der elektrophysiologischen Untersuchung können die Form von Tachykardien (z. B. Linksschenkelblock-/Rechtsschenkelblockkonfiguration), ihre Frequenz (und damit ihre hämodynamische Bedeutung), die Lokalisation des Ursprungsortes (supraventrikulär? ventrikulär? AV-Knoten?), ihre Gefährlichkeit und Bedingungen ihrer Auslösbarkeit mit oder ohne Vorliegen einer (evtl. zum Zeitpunkt spontaner Arrhythmien bereits bestehenden) medikamentösen antiarrhythmischen Therapie charakterisiert werden. Die folgende Übersicht gibt die wichtigsten Indikationen zur invasiven elektrophysiologischen Untersuchung wieder, deren Durchführung spezialisierten kardiologischen Kliniken vorbehalten bleiben muss.
Während die invasive elektrophysiologische Untersuchung bei tachykarden Herzrhythmusstörungen mit häufig gleichzeitigem Ziel der Ablation der Herzrhythmusstörungen eine große Bedeutung hat, ist sie zur Diagnostik bradykarder Herzrhythmusstörungen in der Regel nicht erforderlich und auch nicht sinnvoll. Der Dokumentation spontan auftretender Arrhythmien (durch komplettes 12-Kanal-EKG bzw. durch Monitoraufzeichnung oder Langzeit-EKG) kommt hier größte Bedeutung zu. Im Zeitalter von modernen Event-Rekordern und auch Herzschrittmachersystemen ist eine diagnostische EPU zur Entscheidungsfindung bei bradykarden Herzrhythmusstörungen nur noch im Einzelfall vertretbar. Ausnahmen stellen Situationen dar, bei denen neben einer dokumentierten Bradykardie auch tachykarde Herzrhythmusstörungen als Ursache einer klinischen Symptomatik (z. B. Synkope, rezidivierende Schwindelanfälle, Palpitationen) vermutet werden müssen. Eine invasive Diagnostik sollte bei supraventrikulären Herzrhythmusstörungen heute nur in Kombination mit einer möglichen Katheterablation in selbiger Sitzung durchgeführt werden.
Synkopen stellen bei Vorliegen einer bifaszikulären Blockierung eine mögliche Indikation zur Durchführung einer elektrophysiologischen Untersuchung dar. So stellt bei Patienten mit bifaszikulären Schenkelblöcken ein (nur invasiv-elektrophysiologisch feststellbares) deutlich verlängertes HV-Intervall (Überleitungszeit vom His-Bündel bis zur Kammererregung) ≥70 ms oder eine Blockierung distal des His-Bündels ein deutlich erhöhtes Risiko für einen kompletten AV-Block dar und kann eine Schrittmacherimplantation indizieren. In einer elektrophysiologischen Untersuchung sind bei diesen Patienten neben potenziellen Tachykardien die atrioventrikulären Überleitungsverhältnisse zu überprüfen, wenngleich Bradykardien als Synkopenursache durch eine unauffällige elektrophysiologische Untersuchung nicht ausgeschlossen sind. Bei auch durch sorgfältige interdisziplinäre nichtinvasive Untersuchungen nicht abzuklärenden rezidivierenden Synkopen und auch weiterhin hochgradigem Verdacht auf primär durch Arrhythmien erzeugte Synkopen, insbesondere im Fall von zugleich bekannten strukturellen Herzerkrankungen, kann eine invasive elektrophysiologische Untersuchung somit einen Beitrag zur Klärung leisten. Erweitert besteht bei dieser Patientengruppe mit unklaren Synkopen und bifaszikulärem Schenkelblock die Möglichkeit zur Implantation eines Event-Rekorders, da auch bei negativer elektrophysiologischer Untersuchung im Verlauf bis zu 50 % der Patienten AV-Blockierungen aufweisen.
Indikationen zur Durchführung einer invasiven elektrophysiologischen Untersuchung (EPU)
  • Klärung des Arrhythmiemechanismus bei Synkopen (z. B. symptomatische Tachyarrhythmien, organische Herzerkrankung, pathologisches EKG etc.)
  • Erklärung der Mechanismen dokumentierter oder vermuteter supraventrikulärer Tachykardien mit dem Ziel der Katheterablation
  • Erklärung des Mechanismus symptomatischer dokumentierter oder vermuteter ventrikulärer Arrhythmien und ggf. Katheterablation
  • Therapieentscheidung (z. B. ICD-Implantation, Katheterablation)

Sinusbradykardie

Beim Auftreten von Sinusbradykardien ist zwischen physiologischen und pathologischen Bradykardien zu unterscheiden. Auch beim Herzgesunden, insbesondere bei Sportlern, kommt es während des Schlafes oder in Situationen erheblicher Vagusstimulation (z. B. postprandial) gelegentlich zu einer Absenkung der Sinusfrequenz auf 35–40/min. Im Unterschied hierzu ist bei pathologischen Sinusbradykardien regelhaft eine langsame Herzfrequenz ≤60/min ohne ausreichende Anpassung unter Belastung festzustellen, die oft bereits in Ruhe zu Symptomen führt. Extrakardiale Ursachen pathologischer Sinusbradykardien können neben einem erhöhten Hirndruck, Hypothyreose, Hypothermie oder einer gramnegativen Sepsis sehr oft auch negativ chronotrop wirksame Medikamente, Antiarrhythmika oder Antihypertensiva (z. B. β-Blocker, Kalziumantagonisten, Clonidin u. a.) sein. Meist ist keine spezifische Therapie erforderlich, ggf. müssen bradykardisierende Medikamente abgesetzt werden. Bei schwerwiegender akuter Symptomatik ist die Gabe von 0,5–1 mg Atropin oder 0,25–0,5 mg Orciprenalin (Alupent) sinnvoll. Eine Schrittmacherimplantation ist nur in den seltenen Fällen eines nachgewiesenen Zusammenhangs zwischen Bradykardie und bestehender Symptomatik sinnvoll.

Sinusknotensyndrom („Sick-sinus-Syndrom“, SSS)

Unter der Definition des Sinusknotensyndroms sind pathologische Sinusbradykardien und/oder sinuatriale (SA-)Blockierungen bzw. Sinusknotenstillstände zusammengefasst, die bei zusätzlichem Vorliegen atrialer Tachyarrhythmien (z. B. Vorhofflimmern) zum „Bradykardie-Tachykardie-Syndrom“ führen können. Neben einer medikamentösen Auslösung kommen als kardiale Ursachen eine koronare Herzkrankheit, Myokarditiden oder eine arterielle Hypertonie infrage. Hypothyreose, Hyphophyseninsuffizienz, ein gesteigerter Hirndruck, Hypothermien, Urämien, Sepsis oder schwere ikterische Erkrankungen können extrakardiale Ursachen sein. Die häufigste Ursache sind degenerative Veränderungen, u. a. in Zusammenhang mit einem fortgeschrittenen Lebensalter. Bei einem Sinusknotensyndrom besteht bei dokumentierter symptomatischer intermittierender wie auch persistierender chronotroper Inkompetenz eine Schrittmacherindikation. Bei asymptomatischen Patienten akzeptieren die Leitlinien eine Schrittmacherindikation nur bei Pausen >6 s sowie bei Bradykardie und eingeschränkter linksventrikulärer Funktion, hier dann ggf. in Form eines Gerätes zur kardialen Resynchronisationstherapie (CRT). Ein Bradykardie-Tachykardie-Syndrom begründet eine Schrittmacherindikation, um eine gleichzeitige effektive antiarrhythmische Behandlung der tachykarden Arrhythmien zu ermöglichen sowie bei verlängerten Sinuspausen nach Terminierung einer Tachykardie, sog. präautomatische Pausen. Insbesondere bei Patienten mit Vorhofflimmern kommt heutzutage alternativ jedoch auch hier die ablative Therapie der Grunderkrankung in Betracht.

Karotissinussyndrom

Ein Karotissinussyndrom ist durch rezidivierende Synkopen infolge einer Überempfindlichkeit des Karotissinusreflexes (bei Kopfdrehung oder äußerer Kompression) definiert („hypersensitiver Karotissinus“). Nach Kompression der A. carotis im Glomusbereich treten eine Asystolie von ≥3 s Dauer und/ oder ein Abfall des systolischen arteriellen Blutdrucks um ≥50 mmHg auf. Ein hypersensitiver Karotissinusreflex ist bei älteren Menschen häufig (bis zu 25 %); nur bei etwa 10 % der Patienten kommt es aber zu klinischen Symptomen.
Das Karotissinussyndrom hat quoad vitam eine (von einer Schrittmacherimplantation nicht abhängige) günstige Prognose. Eine gesicherte Therapienotwendigkeit besteht daher nur bei nachgewiesener Korrelation mit einer entsprechenden klinischen Symptomatik. Art und Notwendigkeit einer Therapie hängen auch von den unterschiedlichen Manifestationsformen des Karotissinussyndroms ab:
  • Beim kardioinhibitorischen Typ kommt es zu Herzfrequenzabfällen beim Sinusknotenstillstand und/oder höhergradigen AV-Blockierungen bis hin zur Asystolie.
  • Beim vasodepressorischen Typ treten symptomatische Blutdruckabfälle ohne wesentliche Frequenzverlangsamung auf. Des Weiteren existiert ein Mischtyp aus beiden Formen.
Der ausschließlich vasodepressorische Typ des Karotissinussyndroms stellt keine Schrittmacherindikation dar, bei der gemischten Form ist die Rezidivrate trotz Schrittmacherimplantation hoch.
Eine Klasse-I-Schrittmacherindikation besteht bei rezidivierenden Synkopen, die in eindeutigem Zusammenhang mit einer Reizung des Karotissinus stehen, durch Alltagsbewegungen (z. B. Kopfdrehung) auslösbar sind und zu einer Asystolie >3 s führen. Eine Klasse-II-Indikation stellen rezidivierende, anderweitig nicht klärbare Synkopen ohne auslösende Alltagsbewegungen, aber mit Nachweis eines symptomatischen, hypersensitiven Karotissinusreflexes dar.

AV-Blockierungen

Wie Sinusbradykardien können auch AV-Blockierungen unter bestimmten Voraussetzungen bei erhöhter Parasympathikusaktivität (z. B. während des Schlafes, bei Athleten) physiologisch oder zumindest als physiologische Reaktion z. B. bei Tachyarrhythmien (Sinustachykardien unter Belastung, bei Vorhofflimmern) auftreten. Unphysiologische AV-Blockierungen können neben vielfältigen Pathomechanismen, wie z. B. degenerativen Veränderungen des Erregungsleitungssystems bei Systemerkrankungen, lokalen Entzündungen oder Infektionen bei Myokarditis, Endokarditis oder rheumatischen Erkrankungen sowie akuten oder chronischen Ischämien bei koronarer Herzerkrankung (rechte Herzkranzarterie), auch Medikamenteneinwirkungen als Ursache haben. Eine gezielte Medikamentenanamnese ist zur kausalen Klärung von AV-Blockierungen daher besonders wichtig. Die Therapie von AV-Blockierungen orientiert sich neben der Ausschaltung behandelbarer Ursachen an der klinischen Symptomatik. Klasse-I-Schrittmacherindikationen bei symptomatischen Patienten sind ein permanenter oder intermittierender AV-Block III. oder II. Grades, ungeachtet der anatomischen Lokalisation, spontan oder in Folge einer erforderlichen Medikation. Beim asymptomatischen Patienten besteht aus prognostischer Sicht eine Klasse-I-Indikation bei permanentem AV-Block III. Grades, bei häufigen intermittierenden AV-Blockierungen III. Grades oder II. Grades vom Mobitz-Typ II, 2:1 oder höhergradig mit breiten QRS-Komplexen, oder beim AV-Block III. Grades im Zusammenhang mit einer AV-Knoten- oder His-Bündel-Ablation.

Vorhofflimmern

Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung und unabhängig assoziiert mit einer 2-fach erhöhten Gesamtmortalität bei Frauen und 1,5-fach erhöhten Gesamtmortalität bei Männern. Die Prävalenz des Vorhofflimmerns beträgt in der erwachsenen Bevölkerung insgesamt etwa 2,5 % und zeigt eine nicht lineare Zunahme im Alter. Bei 35- bis 44-Jährigen liegt die Prävalenz bei ca. 0,7%. Sie nimmt altersabhängig zu und beträgt in der Normalbevölkerung im Alter über 75 Jahren etwa 10–12 %. In einer „gemischten“ Klinikpopulation ist Vorhofflimmern bei etwa 10–12 % der Patienten anzutreffen. Die aktuellen Leitlinien (ESC Guidelines 2016) unterscheiden „erstmalig beobachtetes“ von „paroxysmalem“ (selbstterminierend, ≤7 Tage, meist <24 h, Rezidive möglich), „persistierendem“ (nicht selbstterminierend, meist >7 Tage, Rezidive möglich), lang persistierendem (nicht selbstterminierend, ≥1 Jahr) und „permanentem“ (akzeptiertem) Vorhofflimmern.
Vorhofflimmern kann klinisch asymptomatisch bleiben. Beim häufigeren „symptomatischen“ Vorhofflimmern aber sind Palpitationen oder hämodynamische Beeinträchtigungen (Schwindel, Präsynkopen oder Synkopen), aber auch (insbesondere bei Patienten mit organischen Herzerkrankungen) pektanginöse Beschwerden oder akute Linksherzdekompensationen möglich. Neben kardialen Erkrankungen (koronare Herzerkrankung bei 5–10 % der Patienten, häufig bis zum Auftreten des Vorhofflimmerns asymptomatisch; hypertensive Herzerkrankung, Herzinsuffizienz, Herzklappenvitien) kommen ursächlich auch eine obstruktive Schlafapnoe, chronische Lungenerkrankungen, Adipositas, chronische Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus und eine Hyperthyreose in Betracht. Zudem besteht eine Assoziation zwischen Vorhofflimmern und einem steigenden Lebensalter. Häufig liegt jedoch ein idiopathisches Vorhofflimmern als eigenständige Symptomatik vor.
Insbesondere von Herzgesunden wird das Neuauftreten von Vorhofflimmern als besonders unangenehm empfunden, da schlagartig die bisher geordnete Vorhofkontraktion wegfällt, die durch die aktive diastolische Ventrikelfüllung bis zu 30 % des Herzzeitvolumens Gesunder ausmacht. Neben der hämodynamischen Beeinträchtigung sind Patienten mit Vorhofflimmern durch zerebrale Embolien als besonders relevante Komplikation bedroht, da sich im flimmernden, funktionell „stillstehenden“ Vorhof Thromben bilden können. Große Studien zeigen, dass Vorhofflimmern in über 25 % für die Entstehung eines Schlaganfalls verantwortlich ist. Durch die Implantation von Event-Rekordern im Falle eines kryptogenen Schlaganfalls mit im Verlauf erfolgter Dokumentation von Vorhofflimmern liegt diese Zahl je nach Studie noch darüber (Abb. 3).
Therapie
Die Therapie von Vorhofflimmern umfasst ein multimodales Konzept unter Berücksichtigung sowohl prognostischer Faktoren als auch vorwiegend symptomatischer Aspekte mit dem Ziel, die Lebenserwartung, aber auch die Lebensqualität zu verbessern. Als therapeutische Optionen stehen zur Verfügung:
  • Antikoagulationstherapie zur Vermeidung von thrombembolischen Komplikationen (Abb. 3)
  • medikamentöse oder operative Behandlung der Grunderkrankung, mit Lebensstilanpassung
  • kurzfristige oder dauernde antiarrhythmische Therapie mit dem Ziel der Konversion in Sinusrhythmus oder der Vermeidung von Rezidiven
  • elektrische Kardioversion mit oder ohne Antiarrhythmikabehandlung vor oder nach der Kardioversion
  • Durchführung einer Pulmonalvenenisolation, d. h. Katheterablation zur Vermeidung von Rezidiven
  • Belassen des Vorhofflimmerns unter Frequenzkontrolle
In jedem Fall, besonders aber bei älteren Patienten, sind der Nutzen und die Verträglichkeit einer antiarrhythmischen Therapie oder Katheterablation im Vergleich zu einem bezüglich der Arrhythmie konservativen Verfahren abzuwägen. Prinzipiell besteht bei einem symptomatischen Vorhofflimmern die Indikation zur Therapie, was in Abhängigkeit von Alter und Komorbiditäten zu entscheiden ist. Bei fehlender oder geringer klinischer Symptomatik kann es durchaus sinnvoll sein, das bestehende Vorhofflimmern zu „akzeptieren“. Die Notwendigkeit einer Thrombembolieprophylaxe berechnet sich anhand klinischer Risikoscores. Die Etablierung des CHA2DS2-VASc-Scores hat die initiale Indikationsstellung zur oralen Antikoagulation diesbezüglich vereinfacht. Im weiteren Verlauf soll auf die möglichen differenzialtherapeutischen Optionen näher eingegangen werden.
Elektrische Kardioversion
Die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung des Sinusrhythmus ist Ziel einer Therapie des Vorhofflimmerns. Eine elektrische Kardioversion ist bei Vorhofflimmern in der Akutsituation indiziert, wenn eine schnelle atrioventrikuläre Überleitung nicht auf Medikamente anspricht und so eine anhaltende Ischämie, eine symptomatische Hypotension, Angina pectoris oder Herzinsuffizienz entsteht. Dies gilt auch für Patienten mit einer Präexzitation und sehr schneller Überleitung oder hämodynamischer Instabilität. Auch bei hämodynamisch stabilen Patienten mit symptomatischem, persistierenden Vorhofflimmern ist die elektrische Kardioversion eine effektive Therapie, um den Sinusrhythmus wiederherzustellen. Sie ist schnell und einfach durchzuführen, bei sachgerechter Durchführung nebenwirkungs- und komplikationsarm und setzt den Patienten nicht dem Risiko einer oft hoch dosierten, mehrere Tage andauernden Antiarrhythmikatherapie aus, die unter ambulanten Bedingungen gefährlich sein kann oder einen längeren Krankenhausaufenthalt zur Überwachung erfordert. Passagere Bradykardien im Zusammenhang mit der Kardioversion sind leicht zu beherrschen, längere Asystolien sehr selten. Bei der Kardioversion besteht ein inherent erhöhtes Thrombembolierisiko bei Patienten ohne Antikoagulation, welches durch eine orale Antikoagulation aber substanziell gesenkt werden kann. Vor einer elektiven elektrischen Kardioversion von Vorhofflimmern mit unbekannter oder mehr als 48 h Dauer ist daher eine 3-wöchige orale Antikoagulation (INR 2,0–3,0) mittels Vitamin-K-Antagonist oder einem neuen oralen Antikoagulans (NOAC) einzuleiten. Nach erfolgter Kardioversion wird diese Antikoagulation immer für weitere 4 Wochen beibehalten, da erst dann bei fortbestehendem Sinusrhythmus (bei nicht organisch vorgeschädigtem Vorhof) von einer Normalisierung der Vorhofkontraktion auszugehen ist. Nach Bestimmung des CHA2DS2-VASc-Scores ist bei Patienten mit erhöhtem Schlaganfallrisiko die orale Antikoagulation dauerhaft nach Kardioversion fortzuführen. Wenn eine eilige Kardioversion beim bisher nicht antikoagulierten Patienten oder ohne nachweislich mindestens 3-wöchige effektive orale Antikoagulation erforderlich wird, so ist durch eine transösophageale Echokardiografie ein endokavitärer Thrombus auszuschließen. Erst danach sollte kardiovertiert werden. Daten zur Sicherheit einer Kardioversion unter bestehender Therapie mit einem NOAC sind bisher nicht für alle Substanzen verfügbar. Im Zweifelsfalle sollte somit vor Durchführung einer elektrischen Kardioversion eine TEE durchgeführt werden.
Medikamentöse Rhythmisierung
Alternativ zu einer elektrischen Kardioversion oder einer oralen Langzeittherapie kann – insbesondere beim erstmaligen („new-onset“) Vorhofflimmern – unter EKG- und Monitorüberwachung ein intravenös-medikamentöser Rhythmisierungsversuch unternommen werden. Für die einmalige intravenöse Gabe von Flecainid (Tambocor 2 mg/kg KG), Propafenon (Rythmonorm 2 mg/kg KG), Vernakalant (3mg/kg KG) oder Amiodaron (Cordarex 5–7 mg/kg KG) werden Konversionsraten in einen Sinusrhythmus von 25–90 % berichtet. Anschließend ist aber häufig eine Rezidivprophylaxe erforderlich. Zur oralen medikamentösen Konversion können Antiarrhythmika der Klassen I und III verwendet werden. Hier sind z. B. Flecainid, Propafenon oder Amiodaron mit Konversionsraten je nach Patientengruppe zwischen 25 und 100 % zu nennen.
Entgegen weitverbreiteter Praxis und Meinung ist weder durch β-Blocker, Verapamil noch durch Digitalis eine aktive Rhythmisierung zu erreichen, da ihre klinisch relevante Wirkung sich im Wesentlichen auf eine Verlangsamung der AV-Überleitung beschränkt. Eine Rhythmisierung von Vorhofflimmern nur nach Gabe von Verapamil und/oder Digitalis ist daher eine spontane Rhythmisierung und nicht durch die Gabe dieser Medikamente ausgelöst.
Die medikamentöse Konversion von Vorhofflimmern durch eine Antiarrhythmikatherapie ist durch potenzielle proarrhythmogene Effekte (Hypotension, Bradykardien, AV-Blockierungen, QT-Verlängerungen, Kammertachykardien, Torsades-de-pointes-Tachykardien, Kammerflimmern) risikobehaftet, sodass sie in der Regel (insbesondere bei kardialer Grunderkrankung oder Herzinsuffizienz) nur unter stationären Bedingungen und hämodynamischen Monitoring erfolgen kann. Die Auswahl des Antiarrhythmikums sollte in Abhängigkeit von der Kreislaufsituation des Patienten sowie etwaigen kardialen Begleiterkrankungen erfolgen, da hier je nach Substanzklasse Kontraindikationen bestehen. Bradykardien müssen wegen ihrer hämodynamischen Wirkung und der Förderung maligner Arrhythmien vermieden werden. Einer Hypokaliämie muss durch hochnormale Einstellung des Serumkaliumspiegels vorgebeugt werden. Der Gebrauch medikamentöser Konversionsverfahren von Vorhofflimmern gegenüber der Rhythmisierung durch eine elektrische Kardioversion hat in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung verloren, da dies häufig schneller und effektiver gelingt. Vorteil der medikamentösen Kardioversion ist, dass keine Sedierung und Nahrungskarenz erforderlich sind. Im Falle einer medikamentösen Kardioversion ist vergleichbar der elektrischen Kardioversion die Notwendigkeit einer TEE-Untersuchung zu klären. Die Regeln hinsichtlich der Dauer des Vorhofflimmern bzw. der Antikoagulation unterscheiden sich hier nicht.
Rhythmuskontrolle
Die Bedeutung und die Risiken einer medikamentösen Rezidivprophylaxe nach Vorhofflimmern wurden in einer größeren Anzahl von Studien evaluiert. Ziel der antiarrhythmischen Therapie ist eine Reduktion der mit Vorhofflimmern assoziierten Symptome und ein Erhalt des Sinusrhythmus. Die Entscheidung zur Einleitung einer Therapie sollte hier abhängig gemacht werden von der Schwere der Symptome, Begleiterkrankungen, möglichen medikamentösen Nebenwirkungen sowie dem Wunsch des Patienten. Ohne Behandlung einer auslösenden Grunderkrankung und ohne antiarrhythmische Therapie ist nach einem Jahr nur noch ein sehr kleiner Anteil der erfolgreich rhythmisierten Patienten im Sinusrhythmus. Zur Rezidivprophylaxe bei paroxysmalem oder kardiovertiertem persistierenden Vorhofflimmern stehen kardioselektive β-Blocker, Antiarrhythmika mit Klasse-I-Wirkung (z. B. Flecainid, Propafenon,), Klasse-III-Wirkung (z. B. Amiodaron, Dronedarone) oder mit kombinierter β-Blocker- und Klasse-III-Wirkung (Sotalol) zur Verfügung.
Alternativ bietet sich heute die Möglichkeit einer Katheterablation. Ziel ist hier die zirkumferenzielle Isolation der Pulmonalvenen als Trigger für das Entstehen von Vorhofflimmern. Die Katheterablation ist im Langzeitverlauf effektiver als eine medikamentöse Therapie bei vergleichbaren Komplikationsraten und kommt als Second-Line-Therapie bei Versagen oder Unverträglichkeit einer medikamentösen Therapie oder sogar als First-Line-Therapie bei ausgewählten Patienten in Betracht. Durch die Etablierung zahlreicher rhythmologischer Zentren ist die Katheterablation mittlerweile ein Routineeingriff geworden.
Frequenzkontrolle
Entschließt man sich bei fehlender/geringer klinischer Symptomatik oder nach erfolglosen Rhythmisierungsversuchen zu einem Belassen des Vorhofflimmerns, so stehen die Frequenzkontrolle des Vorhofflimmerns und die Vermeidung von Thrombembolien im Vordergrund der therapeutischen Bemühungen. Bei einem tachykard übergeleitetem Vorhofflimmern kann eine Frequenzabsenkung durch Verlangsamung der AV-Überleitung mittels Digitalis, β-Blockern, Kalziumantagonisten oder Kombinationen der drei Medikamentengruppen erreicht werden. Eine Kombination von β-Blocker und Kalziumantagonisten ist jedoch zu vermeiden. Vom Einsatz von Antiarrhythmika nur zum Ziel der Frequenzverlangsamung ist wegen potenzieller proarrhythmogener Nebenwirkungen insbesondere beim Vorliegen einer kardialen Grunderkrankung abzuraten. Die optimale Herzfrequenz ist jedoch unklar. Ziel sollte initial die Reduktion der Ruheherzfrequenz auf <110/min sein. In Abhängigkeit von der Klinik des Patienten kann hier jedoch eine weitere Anpassung notwendig sein. Als Ultima Ratio bei medikamentös nicht zu kontrollierenden Herzfrequenzen und Symptomen besteht die Möglichkeit einer AV-Knotenablation mit vorheriger Implantation eines Herzschrittmachers („pace and ablate“).
Bei Bradyarrhythmien unter Vorhofflimmern kann nach dem Ausschluss medikamentenbedingter Ursachen ebenfalls eine Schrittmacherimplantation erforderlich werden. Die Indikation ist aber streng zu stellen. Eine konsequente Thrombembolieprophylaxe durch eine orale Antikoagulation ist an der klinischen Risikokonstellation nach dem CHA2DS2-VASc-Score zu orientieren.
Embolieprophylaxe
Eine orale Antikoagulation (OAC) kann in der Mehrzahl das Auftreten eines ischämischen Schlaganfalls bei Patienten mit Vorhofflimmern verhindern. Die OAC ist keiner Therapie bzw. einer Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern überlegen. Der klinische Benefit ist mit Ausnahme von Patienten mit sehr niedrigem Schlaganfallrisiko eindeutig belegt. In der Behandlung stehen neben den bekannten Vitamin-K-Antagonisten (VKA) seit einigen Jahren mit den neuen oralen Antikoagulanzien (NOAC) unterschiedliche Wirkstoffgruppen zur Verfügung. In Abhängigkeit vom Patienten wird in den aktuellen Leitlinien (ESC Guidelines 2016) sogar bevorzugt der Einsatz der NOAC empfohlen. Eine Therapie mit NOAC ist bei Patienten mit mechanischen Herzklappen bzw. mittel- bis hochgradiger Mitralklappenstenose jedoch kontraindiziert.
Indikation
Bereits in den 1990er-Jahren wurden einfache Risikoscores zur Erfassung des Schlaganfallrisikos bei Patienten mit Vorhofflimmern entwickelt. Seit der Einführung des CHA2DS2-VASc-Scores (Tab. 3) im Jahr 2010 wurde die Entscheidungsfindung zur Einleitung einer OAC deutlich vereinfacht. Insgesamt ergibt sich bei Patienten ohne klinische Risikofaktoren für einen ischämischen Insult keine Indikation für eine OAC. Eindeutig belegt ist der Nutzen für Patienten mit einem CHA2DS2-VASc-Score ≥2 bei Männern und ≥3 bei Frauen. Bei Patienten mit nur einem klinischen Risikofaktor (i. e. CHA2DS2-VASc-Score von 1 bei Männern und 2 bei Frauen) zeichnet sich auch ein klinischer Benefit bei einer Vielzahl von Patienten ab, sodass auch hier unter Berücksichtigung des Blutungsrisikos sowie dem Wunsch des Patienten die Indikation zur OAC zu stellen ist. Zur Erfassung eines möglichen erhöhten Blutungsrisikos sind mehrere Blutungsscores verfügbar. Zu nennen sind hier u. a. der HAS-BLED-, ORBIT- und ABC-Score. Entscheidend ist, dass ein erhöhter Score nicht automatisch zum Unterlassen oder zum Absetzen der Therapie führen sollte, sondern vielmehr zur Optimierung modifizierbarer Faktoren wie Optimierung des Blutdrucks, Reduktion von Alkoholkonsum oder aber auch Absetzen einer möglichen Kombination mit Thrombozytenaggregationshemmern, sofern diese nicht zwingend erforderlich ist. Im Falle einer Therapie mit VKA sollte die Therapie nach der International Normalized Ratio (INR) gesteuert werden mit einem Zielwert von 2,0–3,0. In der klinischen Praxis hat sich herausgestellt, dass die Einleitung einer chronischen Antikoagulation leider trotz erwiesenen Nutzens in weniger Fällen erfolgt, als unter Beachtung der gültigen Indikationen sinnvoll und notwendig wäre.
Tab. 3
CHA2DS2-VASc-Score zur Erfassung des Schlaganfallsrisikos bei Patienten mit Vorhofflimmern (nach ESC Guidelines Vorhofflimmern 2016)
CHA2DS2-VASc-Risikofaktor
Punkte
+1
Bluthochdruck
+1
Alter 75 oder älter
+2
Diabetes mellitus
+1
Früherer Schlaganfall, TIA oder Thrombembolie
+2
Vaskuläre Erkrankung
+1
Alter 65–74 Jahre
+1
Geschlecht (weiblich)
+1
Maximal
9
TIA transitorisch ischämische Attacke
Der interventionelle Vorhofohrverschluss (LAA-Occluder) stellt eine wirkungsvolle Alternative zur OAC dar. Da >95 % der intrakavitären Thromben bei Vorhofflimmern im linken Vorhofohr entstehen, kann durch den Verschluss ein Großteil der Thromben vermieden werden. Geeignet sind insbesondere Patienten, die aufgrund von möglichen Begleiterkrankungen oder Komplikationen (z. B. intrazerebrale Blutungen) keine OAC erhalten können. Bisherige Studiendaten liegen nur im Vergleich mit VKA vor, wobei hier eine Nichtunterlegenheit des Occluders im Vergleich zur OAC gezeigt werden konnte. Daten mit NOAC fehlen bisher.
Koronare Herzerkrankung, Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz, Linksschenkelblock
Ein 81-jähriger, selbstständig berufstätiger (!) Patient stellt sich zum ersten Mal in seinem Leben im Krankenhaus vor und berichtet darüber, morgens auf dem Hometrainer nicht mehr die normale Kondition zu haben und Treppen schlechter steigen zu können. Die körperliche Untersuchung ergibt mit Ausnahme eines unregelmäßigen Pulses keine wesentlich auffälligen Befunde. Die Auskultation ist bezüglich der Lunge unauffällig, es bestehen keine Beinödeme, keine anderen Stauungszeichen. Im EKG zeigt sich ein verbreiteter QRS-Komplex in unregelmäßigen Abständen, einzelne P-Wellen sind nicht zu identifizieren. Es wird die Diagnose eines Vorhofflimmerns gestellt. Im Echokardiogramm zeigt sich eine deutlich eingeschränkte linksventrikuläre Funktion. Letztlich ergibt die Anamnese, dass der Patient im Laufe der letzten 3 Monate 3–4 kg an Gewicht zugenommen hat, ohne mehr gegessen zu haben. Es wird eine diuretische Therapie eingeleitet, die zu einem Erreichen des alten Körpergewichtes führt. Das Vorhofflimmern wird nach Ausschluss intrakavitärer Thromben mittels transösophagealer Echokardiografie elektrisch kardiovertiert. Bei einem CHA2DS2-VASc-Score von 4 wird eine Antikoagulation mit einem NOAC eingeleitet. Es kommt zu zwei Rezidiven unter β-Blocker-Sekundärprophylaxe. Es ist jetzt geplant, ein Antiarrhythmikum einzusetzen. Vor dem Hintergrund des Vorhofflimmerns und einer gleichzeitig bestehenden arteriellen Hypertonie und Hypercholesterinämie sowie gelegentlich atypischen thorakalen Beschwerden wird vorher jedoch die Indikation zur Koronarangiografie gestellt. Die Koronarangiografie ergibt eine grenzwertige Einengung der rechten Herzkranzarterie proximal und eine grenzwertige Einengung des Ramus interventricularis anterior der linken Herzkranzarterie ohne Interventionsbedarf. Es erfolgt daraufhin der Entschluss, kein Klasse-1c-Antiarrhythmikum, sondern Cordarex (Amiodaron) einzusetzen und dann erneut elektrisch zu kardiovertieren. Die Kardioversion gelingt. Es entsteht ein Sinusrhythmus mit einem jedoch anhaltend verbreiterten QRS-Komplex mit einer kompletten Linksschenkelblockkonfiguration.
Unter Medikation mit Amiodaron, die gut vertragen wird, bleibt der Sinusrhythmus erhalten. Der Patient fühlt sich aber weiterhin nicht ausreichend belastbar und klagt gegenüber dem vorherigen Zustand über ein Belastungsdefizit, obwohl zwischenzeitlich wegen der linksventrikulären Funktionsstörung eine ACE-Hemmer-Therapie, eine niedrig dosierte β-Blocker-Therapie sowie eine kontinuierliche Diuretikatherapie eingeleitet wurde.
Bei dem bestehenden kompletten Linksschenkelblock und anhaltend hochgradig eingeschränkter linksventrikulärer Ejektionsfraktion trotz optimierter Herzinsuffizienztherapie wird nach eingehender Diskussion mit dem Patienten über Vor- und Nachteile der Entschluss gefasst, eine Implantation eines biventrikulären Defibrillators vorzunehmen, um eine „kardiale Resynchronisation“ zu erreichen. Dies geschieht komplikationslos. Nach einem weiteren Verlauf von 3–4 Monaten berichtet der Patient über die Wiederherstellung der vorherigen Belastbarkeit.

Herzrhythmusstörungen als Komplikation neurologischer Erkrankungen

Die Auswirkungen von Fehlfunktionen des kardiovaskulären Systems auf das Gehirn sind weitreichend bekannt. Diese Beziehung ist jedoch nicht einseitig. Etwa 90 % der Patienten mit akuten zerebralen Ereignissen (besonders häufig Patienten mit spontanen intrazerebralen oder subarachnoidalen Blutungen, aber auch Patienten mit akuten zerebralen Ischämien) zeigen EKG-Veränderungen, die neben Repolarisationsstörungen aus Arrhythmien aller Art, wie z. B. Sinusbrady- oder Sinustachykardien, supraventrikulären Extrasystolen oder Tachykardien, Vorhofflimmern oder -flattern, ventrikulären Extrasystolen oder Tachykardien, schlimmstenfalls Kammerflattern oder -flimmern, bestehen können. Es kommt aber auch zu weiteren Effekten, wie erhöhten Troponin-Werten, dem Entstehen eines Lungenödems, einer Einschränkung der LV-Funktion oder sogar dem Auftreten eines kardiogenen Schocks. Die Pathogenese dieser Myokardschäden ist nicht eindeutig geklärt. Vermutet werden eine Hyperaktivität bzw. ein stark erhöhter Sympathikotonus.
Da der Zeitpunkt des Auftretens von Arrhythmien nicht vorausgesagt werden kann, ist eine sorgfältige Überwachung von Patienten mit akuten zerebralen Ereignissen sinnvoll. Des Weiteren sind im Hinblick auf potenzielle Arrhythmien neuromuskuläre Erkrankungen (z. B. progressive Muskeldystrophien) zu erwähnen, bei denen neben inadäquaten, nicht belastungsinduzierten Sinustachykardien aufgrund einer fibrotischen Infiltration des Reizleitungssystems (atrioventrikuläre) Reizleitungsstörungen auftreten können, die zu Brady- oder Tachyarrhythmien führen. Das in der Parkinson-Therapie eingesetzte Budipin kann zur lebensgefährlichen Torsades-de-pointes-Tachyarrhythmie führen.

Arrhythmiebehandlung

Tachykarde Arrhythmien

Die Indikation zu einer antiarrhythmischen Therapie bei Tachyarrhythmien ist nach heutiger Kenntnis nur aus zwei Überlegungen heraus zu stellen:
1.
Ist eine dokumentierte Arrhythmie für eine vom Patienten als intolerabel empfundene, objektivierbare Symptomatik nachweislich verantwortlich?
 
2.
Wird durch die genannte Behandlung eine Verhinderung des plötzlichen Herztods oder anderer Komplikationen erzielt?
 
Durch diese zwei Kardinalfragen wird die Notwendigkeit jeder antiarrhythmischen Therapie auf eine „symptomatische“ und eine „prognostische“ Indikation begrenzt. Die Behandlung asymptomatischer und prognostisch nicht gefährlicher Arrhythmien ist „EKG-Kosmetik“, von der durch proarrhythmogene Wirkungen und andere Nebenwirkungen von Antiarrhythmika selbst Gefahren ausgehen können.
Insbesondere die Behandlung von ventrikulären Tachyarrhythmien gehört in die Hand internistisch-kardiologisch erfahrener Ärzte und Ärztinnen. Vor Einleitung einer antiarrhythmischen Therapie sind nach Brugada (1987) „7 goldene Regeln“ zu beachten:
1.
Ermittle sorgfältig Ätiologie, Mechanismus und Ursprungsort der Arrhythmie!
 
2.
Sammle alle über frühere Therapieversuche erhältlichen Informationen (Effektivität? Nebenwirkungen?)!
 
3.
Schließe organische Substrate für durch das Antiarrhythmikum evtl. auslösbare Arrhythmien aus!
 
4.
Wäge den potenziellen symptomatischen und prognostischen Nutzen der Therapie gegen ihre Risiken ab!
 
5.
Denke an Begleiterkrankungen, die sich durch die Therapie verschlimmern könnten (z. B. Linksherzinsuffizienz)!
 
6.
Verwende nur dir vertraute Antiarrhythmika!
 
7.
Benutze die minimal wirksame Dosierung (hohe/zu hohe Dosierungen können zu einer Verschlechterung führen)!
 
In der Regel ist eine Einstellung in der Aufsättigungsphase unter stationären Bedingungen mit sequenziellen EKG-Ableitungen und Kontrollen der Serumelektrolyte (Serumkaliumspiegel) erforderlich. Für die Langzeitantiarrhythmikatherapie ist die Verträglichkeit bzw. das Auftreten von Nebenwirkungen gründlich zu überprüfen, da insbesondere bei Behandlung aus prognostischer Indikation ein Absetzen der Medikamente durch den Patienten wegen Unverträglichkeit ohne Rücksprache ein evtl. lebensgefährliches Risiko bedeuten kann.

Schrittmachertherapie bei Bradykardien

Schrittmacherindikationen
Bei der Indikationsstellung zur Implantation eines permanenten Schrittmachersystems ist neben dem elektrokardiografischen Befund immer auch die klinische Symptomatik (Palpitationen? Schwindel? Präsynkope? Synkope? eingeschränkte Belastbarkeit?) und insbesondere deren kausale Beziehung zu den jeweiligen elektrokardiografischen Befunden zu berücksichtigen. Andere Ursachen (tachykarde Herzrhythmusstörungen, neurologische Erkrankungen u. a.) einer bestehenden Symptomatik sind konsequent auszuschließen.
Die aktuellen deutschen Leitlinien zur Stellung einer Schrittmacherindikation stammen aus dem Jahr 2005 (Lemke et al. 2005). 2013 hat die European Society of Cardiology (ESC) ebenfalls neue Leitlinien zur Herzschrittmachertherapie und Resynchronisationstherapie publiziert (Brignole et al. 2013). Hierzu wurde im Jahr 2015 durch die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie eine kommentierende Darstellung der Indikationen (Israel et al. 2015) veröffentlicht. Basierend auf dieser Publikation sind die folgenden Angaben über die Indikationsstellung entstanden (s. Übersicht).
Für die einzelnen Arrhythmien werden hier jeweils (nur) die Empfehlungen der Klasse I („Evidenz oder allgemeine Übereinkunft, dass eine Therapieform oder eine diagnostische Maßnahme effektiv, nützlich oder heilsam ist“) zur Schrittmacherimplantation aufgeführt. In anderen Fällen herrscht weniger Übereinstimmung, dass eine Schrittmachertherapie nützlich ist (Klasse II) oder sogar Übereinkunft darüber, dass eine Implantation nicht indiziert ist (Klasse III).
Neben der klinischen Symptomatik ist bei der Indikationsstellung auch eine evtl. prognostische Bedeutung zu berücksichtigen. So ist z. B. bei der Sinusknotenerkrankung eine Prognoseverbesserung durch die Schrittmacherimplantation nicht gesichert. Arrhythmiebedingte Todesfälle sind bei Sinusknotenfunktionsstörungen sehr selten. Wegen des oft schwierig zu klärenden Zusammenhanges zwischen den klinischen Symptomen und einer Arrhythmie und auch wegen einer relativ hohen Rate an Spontanremissionen kann es daher bei einmaligen Ereignissen gerechtfertigt sein, zunächst abzuwarten.
Klasse-I-Indikationen zur Implantation permanenter Schrittmachersysteme (mod. nach Israel et al. 2015)
  • Sinusknotenfunktionsstörung (spontan oder aufgrund unverzichtbarer Medikation):
    • Bei eindeutigem Zusammenhang zwischen der Bradykardie und der klinischen Symptomatik, inklusive einer symptomatischen chronotropen Inkompetenz
    • Sick-Sinus-Syndrom inkl. Brady-Tachy-Typ mit symptomatischer Bradykardie infolge Sinus-Arrest oder SA-Block
  • AV-Überleitungsstörungen:
    • Symptomatische Patienten:
      • Bei AV-Block III. und II. Grades, permanent oder intermittierend, ungeachtet der anatomischen Lokalisation, spontan oder infolge einer erforderlichen Medikation
    • Asymptomatische Patienten (prognostische Indikation):
      • Bei permanentem AV-Block III. Grades
      • Bei häufigen intermittierenden AV-Blockierungen III. Grades oder II. Grades, Typ II (Mobitz), 2:1 oder höhergradig mit breiten QRS-Komplexen
      • Bei AV-Block III. Grades in Zusammenhang mit einer AV-Knoten-Ablation (His-Bündel-Ablation)
  • Chronische bifaszikuläre oder trifaszikuläre Leitungsstörungen:
    • Bei bifaszikulärem Block mit intermittierendem totalem AV-Block
    • Bei bifaszikulärem Block mit häufigen AV-Blockierungen II. Grades, Typ II (Mobitz), 2:1 oder höhergradig
    • Bei alternierendem Schenkelblock
  • Akuter Myokardinfarkt:
    • Bei AV-Block II. Grades, Typ II (Mobitz) oder III. Grades, mehr als 2 Wochen nach dem Infarktereignis persistierend
  • Karotissinusyndrom:
    • Bei rezidivierenden Synkopen, die in eindeutigem Zusammenhang mit einer Reizung des Karotissinus stehen und die durch Alltagsbewegungen (z. B. Kopfdrehung) auslösbar sind und dadurch zu einer Asystolie von >3 s führen
  • Vorhofflimmern:
    • Intrinsischer intermittierender oder paroxysmaler AV-Block II. oder III. Grades (inkl. Vorhofflimmern mit intermittierender bradykarder Überleitung)
  • Vasovagale Synkope:
    • Keine Klasse-I-Indikation!
  • Neuromuskuläre Erkrankungen und Schlafapnoe-Syndrom:
    • Keine Klasse-I-Indikation! Vergleiche dort!
AV-Blockierungen
Bei Patienten mit AV-Blockierungen ist hingegen die Situation häufig anders. So ist bei komplettem AV-Block und Adam-Stokes-Anfällen die Mortalität hoch und durch eine Schrittmacherimplantation zu reduzieren, wenngleich – abhängig von der Grunderkrankung– keine komplette Angleichung mehr an die Normalbevölkerung zu erreichen ist. Erworbene AV-Blockierungen III. und II. Grades sind in aller Regel symptomatisch und indizieren daher meist eine Schrittmachertherapie. Diesbezüglich haben sich die aktuellen Leitlinien jedoch vereinfacht. Im Falle eines höhergradigen AV-Blocks II. (Mobitz) und III. Grades wird eine Schrittmachertherapie sowohl bei symptomatischen als auch bei asymptomatischen Patienten empfohlen, für Letztere aus prognostischer Indikation. Ein AV-Block II. Grades Typ Wenckebach stellt nur dann eine Indikation zur Schrittmacherimplantation dar (Klasse IIa), wenn er in eindeutigem Zusammenhang mit einer Symptomatik steht. Auch bei einem breiten QRS-Komplex ist im Falle eines AV-Blocks II. Grades Typ Wenckebach eine Schrittmacherimplantation indiziert (Klasse IIa), da hier von einem erhöhten Risiko für das Fortschreiten eines AV-Blocks auszugehen ist. Grenzwerte (z. B. Bradykardie <40/min oder Pausen >3 s) bestehen nicht mehr, da diese individuell sehr unterschiedlich sein können.
Der AV-Block I. Grades hat eine gute Prognose, ist nahezu immer klinisch asymptomatisch und bedarf daher keiner Schrittmachertherapie. Eine Ausnahme stellt der AV-Block I. Grades mit einer PQ-Zeit >300 ms dar. Hier wurde die Indikation zur Schrittmacherimplantation für Patienten mit Symptomen (eingeschränkte Belastbarkeit, Pseudo-Schrittmachersyndrom) zur Klasse IIa aufgewertet.
Intraventrikuläre Leitungsstörungen
Bei intraventrikulären Leitungsstörungen ist die Schrittmacherindikation vorwiegend an prognostischen Überlegungen zu orientieren. Bei bis zu 50 % der Patienten mit Synkopen und bifaszikulärer Schenkelblockierung kommt es im Verlauf zu einem kompletten AV-Block. Eine elektrophysiologische Untersuchung kann hier eine infrahisäre Leitungsverzögerung bzw. -blockade nachweisen. In diesem Fall besteht eine Klasse-I-Indikation zur Schrittmacherimplantation. Bei Patienten mit alternierenden kompletten Schenkelblockierungen besteht Konsens, dass ein kompletter AV-Block droht und somit eine Schrittmacherimplantation auch ohne Symptomatik indiziert ist. Schwieriger ist die Therapieentscheidung bei Patienten mit unklarer Synkope und Schenkelblock. Hier sollte eine Dokumentation des Synkopenhergangs angestrebt werden. In solchen Fällen ist die Implantation eines Event-Rekorders einer direkten Schrittmacherimplantation vorzuziehen.
Bei Patienten mit Brady-Tachy-Typ des Sick-Sinus-Syndroms und Vorhofflimmern ist die hämodynamische Situation und die Korrelation zwischen längeren „Pausen“ und klinischer Symptomatik besonders zu berücksichtigen, da längere Pausen bei asymptomatischen Patienten als „Normalbefund“ bei Vorhofflimmern bzw. nach Terminierung von Vorhofflimmern und vor Beginn der Sinusaktivität zu betrachten sind. Für dokumentierte Pausen >6 s sollte jedoch auch bei asymptomatischen Patienten eine Schrittmacherimplantation erwogen werden, da hier von einem relevanten Nutzen auszugehen ist (Prävention von Synkopen und Stürzen).

Schrittmachersysteme

Herzschrittmacherkodierung
Herzschrittmachersysteme sind bezüglich ihrer Funktionsweise, der Impulswahrnehmungs- und Stimulationsart, der Anzahl von Stimulationselektroden und weiterer Programmierungsmöglichkeiten durch ein Kodierungssystem gekennzeichnet, das je nach Komplexität des Systems aus bis zu vier Großbuchstaben besteht (z. B. VVI-, DDD-, DDD-R-System):
  • Hierbei gibt der erste Buchstabe (z. B. A = Atrium, V = Ventrikel) den Stimulationsort,
  • der zweite die steuernde Herzkammer (Sensing-Ort, z. B. A, V oder D = doppelt, Vorhof und Kammer),
  • der dritte Buchstabe die Betriebsart (z. B. I = inhibiert, T = getriggert, 0 = keine Steuerung durch patienteneigene Impulse, D = doppelt) an.
  • Der vierte Buchstabe kodiert die Variationsmöglichkeiten der Programmierung (z. B. R = „rate-responsive“, frequenzanpassend).
Bei einem DDD-R-System handelt es sich somit um ein System, das zwei Elektroden hat, in Vorhof und Kammer sowohl Impulse wahrnehmen als auch stimulieren kann und das über eine Programmierung verfügt, die die Stimulationsfrequenz den Patientenbedürfnissen unter körperlicher Belastung anpasst.
Demandschrittmacher
Demandschrittmacher treten nur dann in Aktion, wenn die spontane Herzfrequenz des Patienten einen durch eine vorangegangene Programmierung eingegebenen Grenzwert (z. B. 60 Schläge/min) unterschreitet. Sie nehmen durch ihre Sensing-(Wahrnehmungs-)Funktion die Vorhof- und/oder Kammereigenfrequenz des Patienten wahr und bleiben bei ausreichender Eigenfrequenz inaktiv. Alle aktuellen Schrittmachersysteme können in der Regel heute im Demandmodus arbeiten.
Programmierbarkeit von Herzschrittmachern
Moderne Schrittmachersysteme bieten eine Vielzahl von Programmierungsmöglichkeiten. Die jeweiligen Programmierungen können sowohl bei der Erstimplantation als auch im späteren Verlauf mittels extern anwendbarer Programmierungsgeräte variiert werden. Im Einzelnen sind die Vorhof- und/oder Kammerstimulationsfrequenz, die Amplitude (Spannung) der Schrittmacherstimuli, die Impulsdauer („Impulsbreite“), die Empfindlichkeit der Wahrnehmung patienteneigener Impulse (Sensing), das Intervall zwischen Vorhof- und Kammerstimulation bei Zweikammersystemen, die Anpassung der Herzfrequenz an Ruhe- oder Belastungsbedingungen bei frequenzadaptiven Systemen oder die Veränderung der Stimulationsweise beim Auftreten spontaner Tachyarrhythmien („Mode-Switch“) innerhalb eines je nach Schrittmachersystem mehr oder weniger weiten Bereichs wählbar. So kann eine Anpassung des Schrittmachersystems an die spezifischen Bedürfnisse des Patienten erfolgen.
Vor- und Nachteile verschiedener Schrittmachersysteme
Unterschieden werden Einkammer-, Zweikammer- und Einkammervorhofschrittmachersysteme.
Einkammerschrittmachersysteme
Die technisch einfachsten Systeme sind sog. Einkammerschrittmachersysteme (z. B. VVI, AAI), die nur eine entweder atriale oder ventrikuläre Stimulations-/Sensingelektrode haben. Einkammersysteme können zusätzlich über eine programmierbare Frequenzanpassung verfügen (AAI-R, VVI-R), die über einen Aktivitätssensor (z. B. Muskelaktivität, QT-Dauer-Vermessung) die Herzfrequenz bei körperlicher Belastung steigert. Den Vorteilen einer einfachen Implantierbarkeit (nur eine Elektrode), einfacher Funktionskontrollen, einer „Langlebigkeit“ des Systems, einer geringen Störanfälligkeit und niedriger Kosten stehen einige funktionelle Nachteile und Einschränkungen entgegen. So kann z. B. eine noch vorhandene physiologische Frequenzanpassung der spontanen Sinusknotenfrequenz bei Patienten mit VVI-Schrittmacherimplantation wegen kompletten AV-Blocks nicht durch die schrittmacherinduzierte ventrikuläre Stimulation synchronisiert werden. Das unsynchronisierte Aufeinandertreffen der noch vorhandenen Vorhofkontraktion mit der schrittmacherinduzierten Ventrikelkontraktion führt hier bei über 20 % der Patienten zu einer häufig als unangenehm empfundenen, manchmal sogar Schwindelanfälle auslösenden „Pfropfungswelle“ („Schrittmachersyndrom“).
Einkammervorhofschrittmachersystem (AAI, AAI-R)
Dieses System führt bei permanenten oder intermittierenden Sinusknotenfunktionsstörungen mit intakter atrioventrikulärer Überleitung zu einer Erhaltung der physiologischen Stimulationssequenz und zu einer Verbesserung des Herzzeitvolumens um etwa 20–30 %. Da es aber in einem nennenswerten Anteil der Fälle von Sinusknotenfunktionsstörungen im Verlauf auch zu einer Störung der AV-Überleitung kommt, werden AAI-/AAI-R-Systeme aber relativ selten implantiert und stattdessen meist die direkte Implantation eines DDD(-R)-Systems (bei Sinusrhythmus) bzw. eines VVI(-R)-Systems (bei Vorhofflimmern) vorgezogen.
Zweikammerschrittmachersysteme (z. B. DDD, DDD-R)
Diese Systeme garantieren eine an die physiologischen Verhältnisse angepasste AV-sequenzielle Stimulation und haben ein Hauptindikationsgebiet bei der sog. Zweiknotenerkrankung (gleichzeitige Funktionsstörung des Sinusknotens und des AV-Knotens). Insbesondere bei noch vorhandener physiologischer Frequenzanpassung führen sie zu einer adäquaten Steigerung der Herzfrequenz und des Herzzeitvolumens unter Belastung. Den funktionellen Vorteilen stehen eine im Vergleich zu Einkammersystemen oft schwierigere Implantation (Platzierung der Vorhofelektrode), höhere Kosten sowie ein größerer Programmierungsaufwand insbesondere bei zusätzlicher Frequenzadaptations- und/oder Mode-Switch-Funktion entgegen.
Passagere Schrittmacherimplantation
Bei symptomatischen Bradykardien ist im Akutfall zu überprüfen, ob transiente, evtl. korrigierbare Ursachen (z. B. hochgradige Stenose der rechten Herzkranzarterie mit Auswirkungen auf die AV-Knoten-Durchblutung, Ischämie in der akuten Infarktphase) oder Medikamentenwirkungen (z. B. Digitalis, β-Blocker) für die Bradykardie verantwortlich sein könnten. In diesen Fällen kann als Überbrückung bis zur Korrektur der zugrunde liegenden Störung ein passagerer Schrittmacher implantiert werden. Bildet sich jedoch trotz Absetzen der als auslösend eingestuften Medikamente bei ausreichender Wartezeit bis zur kompletten Elimination oder Beseitigung der akuten Ischämie (z. B. durch PTCA) die Bradykardie nicht zurück, ist die Implantation eines permanenten Schrittmachers indiziert. Weitere Indikationen zur passageren Schrittmacherimplantation sind:
  • AV-Blockierungen in der Akutphase des Myokardinfarkts
  • Überbrückung symptomatischer Bradykardien
  • Postoperative Absicherung nach Herzchirurgie
  • Bakterielle Endokarditis mit Beteiligung des Reizleitungssystems
  • Chirurgische Eingriffe im Halsbereich
  • Vergiftungen durch negativ chronotrope Medikamente
  • Elektrolytentgleisungen
  • Torsade-de-pointes-Tachykardien
  • Reanimationsmaßnahmen
  • Schrittmacherdefekte und -komplikationen
  • Überstimulation von Kammertachykardien
Eine prophylaktische passagere Schrittmacherimplantation ist bei neurologischen Erkrankungen mit Beteiligung des kardialen Erregungsleitungssystems im Einzelfall zu diskutieren. Hier sind beispielsweise die idiopathischen Immunoneuropathien zu nennen, bei denen Bradyarrhythmien bis hin zu Asystolien auftreten können. Da diese nicht sicher mit der Schwere der neurologischen Symptome korrelieren, ist stets ein intensives elektrokardiografisches Monitoring empfehlenswert. Die Voraussetzungen zur schnellen passageren Schrittmacherimplantation sollten jederzeit gegeben sein. Beim Auftreten von Bradykardien (auch asymptomatischer) sollte diese frühzeitig erfolgen.
Schrittmacherindikationen bei/nach Myokardinfarkt
Leitungsblockierungen im Zusammenhang mit einem akuten Myokardinfarkt stellen eine prognostisch wichtige Situation dar. Beim Hinterwandinfarkt hat eine AV-Blockierung meist eine günstige Prognose. Eine Normalisierung der Überleitungsverhältnisse ist häufig und kann nach bis zu 3 Wochen noch eintreten, sodass frühestens etwa nach dem 10. Postinfarkttag eine permanente Schrittmacherimplantation zu erwägen ist. Beim Vorderwandinfarkt ist hingegen das Neuauftreten eines Blockbildes (z. B. Linksschenkelblock, bifaszikulärer Block, AV-Block III. Grades) prognostisch ungünstig. Die Indikation zu einer prophylaktischen temporären Schrittmacherimplantation sollte hier bereits innerhalb der ersten 10 Tage gestellt werden. Der plötzliche Herztod oder Synkopen sind allerdings bei Postinfarktpatienten viel häufiger durch tachykarde Kammerarrhythmien bedingt, somit bedeutet der Nachweis eines Leitungsblocks im normalen Oberflächen-EKG unter Annahme einer symptomatischen Bradykardie nicht zwangsläufig eine hinreichende Klärung.

Automatizität des Herzens und Herzfrequenzvariabilität

Die Automatizität der elektrischen Herzerregung und des Herzrhythmus ist zwar grundsätzlich eigenständigen, intrinsischen Mechanismen zuzuordnen, jedoch stehen diese Regelmechanismen unter einer übergeordneten Kontrolle und Modifikation durch das autonome Nervensystem. Dem durch Acetylcholinfreisetzung vermittelten Einfluss des vagalen Systems auf die Herzaktion steht die durch Adrenalin- und Noradrenalinausschüttung vermittelte sympathische Aktivierung gegenüber. Beide Systeme stehen in ständiger Interaktion. Der Einfluss des Parasympathikus ist durch eine cholinerge Reduktion der sympathikusvermittelten Noradrenalinausschüttung und eine (ebenfalls cholinergische) Schwächung der kardialen Reaktion auf sympathische Reize gekennzeichnet. Über muskarinartige Acetylcholinrezeptoren wird die K+-Leitfähigkeit der Zellmembran erhöht, der durch Hyperpolarisation aktivierte natürliche „Schrittmacherstrom“ inhibiert und die spontane diastolische Depolarisation verzögert. Eine sympathische Aktivierung führt über eine Aktivierung der kardialen β-Rezeptoren zur Beschleunigung der spontanen langsamen diastolischen Depolarisation. Unter Ruhebedingungen überwiegt die Vaguswirkung, sodass Herzfrequenzveränderungen in Ruhe vorwiegend durch Modifikationen des Vagotonus bedingt sind. Die vagale Wirkung auf den Sinusknoten ist jeweils nur von sehr kurzer Dauer, da das Sinusknotengewebe einen hohen Anteil von Acetylcholinesterase enthält. Je nach dem aktuellen Einfluss des autonomen Nervensystems bestehen daher neben längerfristigen Schwankungen der Herzfrequenz auch sehr kurzfristige Veränderungen der Herzschlagabstände (Herzfrequenzvariabilität).
Während der letzten Jahre hat sich gezeigt, dass zwischen einer beeinträchtigten Funktion des autonomen Nervensystems und dem Auftreten eines plötzlichen Herztodes durch Arrhythmien eine enge Beziehung besteht. Experimentell haben sich Hinweise auf eine Verbindung zwischen gesteigerter sympathischer bzw. verminderter vagaler Aktivierung und der Inzidenz letaler Arrhythmien ergeben.
Eine verminderte Variabilität der Herzfrequenz als Zeichen eines beeinträchtigten autonomen Regelkreises ist durch Messung der Intervalle zwischen den R-Zacken des EKG (RR-Intervalle) unter Hyperventilation oder beim Valsalva-Manöver sowohl „von Schlag zu Schlag“ als auch im längeren zeitlichen Verlauf nachweisbar. Sie kommt bei kardiologischen und nichtkardiologischen Erkrankungen, wie z. B. Herzinfarkt, diabetischer oder sonstiger autonomer Neuropathie, nach Herztransplantation, bei Herzinsuffizienz, bei extrapyramidalen Krankheitsbildern oder bei Tetraplegien, vor. Ob und in welchem Ausmaß eine durch spezifische Interventionen gesteigerte vagale Aktivität zu einem protektiven Effekt gegenüber bedrohlichen Arrhythmien führt, ist bisher aber nicht gesichert.
Eine hohe klinische Relevanz hat die Bestimmung der Herzfrequenzvariabilität beim Herzinfarkt, bei Immunoneuropathien und bei anderen (z. B. diabetischen) Neuropathien. Beim Herzinfarkt ist eine eingeschränkte Herzfrequenzvariabilität in der Akutphase mit einer erhöhten „In-Hospital-Sterblichkeit“ verbunden, in der Postinfarktphase ist sie ein unabhängiger Prädiktor arrhythmogener Komplikationen. Eine Messung zur Risikoabschätzung sollte bei Postinfarktpatienten etwa am Ende der ersten Woche erfolgen. Die alleinige Interpretation einer eingeschränkten Herzfrequenzvariabilität ist im Hinblick auf etwaige therapeutische Konsequenzen jedoch nur mäßig sensitiv, sodass weitere bekannte Risikofaktoren hinzuzuziehen sind.

Erkrankungen mit neurologischer und kardiologischer Manifestation

Schlafapnoe

Das Schlafapnoe-Syndrom ist durch nächtliche Atempausen definiert, die 10 s oder länger andauern können und von Phasen starken Schnarchens und tagsüber auftretender übermäßiger, oft anfallsartiger Schlafneigung begleitet sind. Hierbei handelt es sich in einer Vielzahl der Fälle um eine obstruktive Schlafapnoe. Als Maß der Schlafapnoe gilt der Apnoeindex (AI), der angibt, wie viele 10 s lange Atempausen der Patient pro Stunde Schlafzeit hat. Der AI liegt im besten Falle unter 5, je höher er ist, desto schwerer ist die Erkrankung. Von der obstruktiven Schlafapnoe wird eine zentral bedingte Schlafapnoe unterschieden. Die nächtlichen Atempausen können zu Hypoxämien mit z. T. lebensbedrohlichen Sauerstoffuntersättigungen führen.
Am Herzen verursachen die Apnoephasen signifikante Bradykardien durch Steigerung des Vagotonus und nach Wiedereinsetzen der Atmung konsekutive Tachyarrhythmien, die teilweise durch eine ebenfalls durch die Hypoxämie bedingte Sympathikusaktivierung ausgelöst werden. Neben (relativ harmlosen) Schwankungen der Sinusfrequenz und ventrikulären Extrasystolien sind lang anhaltende symptomatische Bradykardien bis hin zu vorübergehenden Asystolien/Vorhofstillständen oder auch Kammertachykardien möglich. Nächtliche Todesfälle durch Schlafapnoe-Phasen werden vermutet. Die prognostische Bedeutung der Bradykardien ist nicht völlig geklärt. Daher ist die Schrittmacherindikationsstellung jeweils eine Einzelfallentscheidung. Falls trotz adäquater Therapie (häufigste Therapieform: nächtliche CPAP-Beatmung) die Bradykardien oder Asystolien bestehen bleiben, kann eine Schrittmacherimplantation sinnvoll werden (Israel et al. 2015).
Der arterielle Blutdruck steigt während der Apnoephasen ebenso wie der Druck im Lungenkreislauf an. Bei kurz aufeinanderfolgenden Apnoephasen ist ein kumulativer Effekt zu beobachten, der insbesondere beim Vorliegen kardiopulmonaler Begleiterkrankungen zu hämodynamisch problematischen Situationen führen kann. Das Schlafapnoe-Syndrom ist ein unabhängiger Risikofaktor für andere kardiovaskuläre Erkrankungen (koronare Herzkrankheit, arterielle Hypertonie, Schlaganfall). Beim Verdacht auf das Vorliegen eines Schlafapnoe-Syndroms sollte die weitere Untersuchung in einem möglichst interdisziplinär betreuten Schlaflabor erfolgen, in dem durch Polysomnografie EKG, EEG, Atemfrequenz und andere schlafphysiologisch wichtige Parameter fortlaufend analysiert werden.
Eine Sonderstellung nimmt die zentrale Schlafapnoe bei Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz ein. So leiden ca. 50–75 % der Patienten mit systolischer Herzschwäche an Schlafapnoen. Die Hälfte dieser Patienten leidet an einer zentralen Schlafapnoe. Diese verschlechtert die Prognose der Patienten mit Herzinsuffizienz. Die adaptive Servoventilation (ASV) hat sich hier als die effektivste Beatmungsform erwiesen. In der SERVE-HF-Studie (Cowie et al. 2015) konnte jedoch gezeigt werden, dass es in dieser Patientengruppe zu einer Übersterblichkeit kommt, sodass die ASV hier kontraindiziert ist. Bei anderen Patienten (zentrale Schlafapnoe ohne Herzinsuffizienz, obstruktive Schlafapnoe) kann diese Therapie jedoch weitergeführt werden.

Kardiogene Hirnembolien (nicht durch Vorhofflimmern bedingt)

Etwa 30 % der ischämischen Hirninfarkte sind auf kardiogene Embolien zurückzuführen. Außer beim Vorhofflimmern mit oder ohne zugrunde liegender organischer Herzerkrankung können vom Herzen ausgehende Thrombembolien bei angeborenen oder rheumatischen Herzklappenfehlern, nach Implantation von Herzklappenprothesen, bei stark eingeschränkter linksventrikulärer Funktion oder bei linksventrikulären Aneurysmen sowie bei Vorhof- oder Ventrikeltumoren (selten!) nach Anlagerung thrombotischen Materials entstehen. Neben einer operativen Therapie ist eine effektive Antikoagulation hier die einzig adäquate Therapieform. Während nach Implantation einer künstlichen Herzklappenprothese eine lebenslange Antikoagulation erforderlich ist, kann diese ohne Vorliegen weiterer Embolierisikofaktoren (Vorhofflimmern?) 3 Monate oder teilweise noch früher nach Implantation einer Bioprothese (Endothelialisierung des Nahtringes der Klappe) beendet werden. Bei den übrigen Situationen hängen Dauer und INR-Zielwert der Antikoagulation von der spezifischen Risikokonstellation ab und müssen im Einzelfall diskutiert werden.
Eine weitere, zumindest kardial mitbedingte Embolieform stellt die Embolie durch aus der venösen Strombahn stammendes thrombotisches Material über einen intrakardialen Rechts-links-Shunt dar („paradoxe“ Embolie). So kann es z. B. bei Vorhofseptumdefekten oder offenem Foramen ovale in bestimmten Atemphasen oder bei Pressmanövern (Valsalva) zu einer Druckumkehr kommen, die durch Erhöhung des Drucks im kleinen Kreislauf einen Übertritt von Thrombusmaterial in die arterielle Strombahn mit konsekutiver Embolie ermöglicht. Intrakardiale Shunts und die Möglichkeit einer paradoxen Embolie können transösophageal (kontrast-)echokardiografisch und durch intrakranielle Doppleruntersuchungen nachgewiesen werden (Klötzsch et al. 1994). Scheidet bei rezidivierenden Embolien ein Shuntverschluss durch operative oder interventionskardiologische Maßnahmen (transvenöse Einbringung eines Vorhofseptumokkluders) aus, so kann auch hier eine langfristige Antikoagulation erforderlich werden.

Infektiöse Endokarditis

Die infektiöse Endokarditis (IE) ist eine tödliche Erkrankung. Die Inzidenz und Mortalität der IE haben während der letzten 30 Jahre nicht abgenommen. Die IE tritt in vielen verschiedenen Erscheinungsformen auf, die sich im Hinblick auf die klinische Erstmanifestation, die kardiale Grunderkrankung, den Erreger, das Auftreten oder Fehlen von Komplikationen und die individuelle Situation des Patienten unterscheiden.
Die Endokarditis hat in den letzten Jahren ihr klinisches Profil verändert. Es gibt eine größere Anzahl von Patienten mit durch medizinische Behandlungen/Eingriffe induzierter Endokarditis, die Patienten sind älter und die Erkrankung betrifft häufiger Patienten mit implantierten Geräten oder Prothesen. Auf rheumatisch bedingte Herzklappenfehler von nativen Klappen zu beziehende Endokarditiden sind seltener geworden. Im Hinblick auf die veränderten Charakteristika der Erkrankung hat die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) Leitlinien zur Prävention, Diagnose und Behandlung der IE publiziert (Habib et al. 2009). Seitdem haben insbesondere die Veröffentlichung zahlreicher neuer Studien zur IE, einschließlich der ersten randomisierten Studie zur chirurgischen Therapie, sowie Verbesserungen im Bereich der kardiovaskulären Bildgebung die Entscheidung gerechtfertigt, die Leitlinien zu überarbeiten (Habib et al. 2015).
Staphylokokken liegen in der Erregerhäufigkeit in spezialisierten Zentren heute vor oralen Streptokokken-Infekten, wogegen z. B. in afrikanischen Ländern die rheumatische streptokokken-bezogene Genese weiter Bedeutung hat. Dagegen kommen Endokarditiden mit Enterobakterien, den sog. HACEK-Organismen und Pilzen weniger häufig und Endokarditiden mit anderen seltenen Erregern (Corynebakterien, Chlamydien, Legionellen, Mykobakterien) kaum vor.
Die Inzidenz der IE beträgt 3–10 Episoden/100.000 Lebensjahre. Im Alter (70–80 Jahre) nimmt die Inzidenz bis auf ca. 15 Episoden/100.000 Lebensjahre zu. Männer sind mehr als doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Frauen haben eine schlechtere Prognose und erhalten seltener Herzklappenoperationen als Männer.
Eine Endokarditis kann sich durch unspezifische oder spezifische Symptome manifestieren (s. Übersicht).
Klinische Anzeichen infektiöser Endokarditiden (nach Habib et al. 2015)
  • Der Verdacht auf eine infektiöse Endokarditis ist bei folgenden klinischen Befunden zu äußern:
    • Neu aufgetretenes Herzklappeninsuffizienzgeräusch
    • Embolieereignisse unklarer Ursache
    • Sepsis unbekannter Ursache (insbesondere in Assoziation mit endokarditistypischen Erregern)
    • Fieber (häufigstes Zeichen einer infektiösen Endokarditis)
  • Eine IE sollte angenommen werden, wenn Fieber zusammen mit folgenden Situationen auftritt:
    • Intrakardiales Prothesenmaterial (z. B. Herzklappenprothesen, Schrittmacher, implantierbare Defibrillatoren, chirurgische Prothesen/Conduits)
    • Anamnese einer abgelaufenen Endokarditis
    • Bekannte valvuläre oder kongenitale Herzerkrankung
    • Andere Prädispositionen für eine Endokarditis (Immmunschwäche etc.)
    • Prädisposition oder vorausgegangene Intervention mit assoziierter Bakteriämie
    • Zeichen einer Herzinsuffizienz
    • Neu aufgetretene Erregungsleitungsstörungen
    • Positive Blutkulturen mit endokarditistypischen Erregern oder positive Serologie für chronisches Q-Fieber (mikrobiologischer Nachweis evtl. bereits vor Auftreten einer kardialen Manifestation)
    • Vaskuläre oder immunologische Phänomene: embolische Ereignisse, Roth-Spots, punktförmige Blutungen, Janeway-Läsionen, Osler-Knötchen
    • Fokale oder unspezifische neurologische Symptome und Zeichen
    • Zeichen von pulmonalen Embolien/Infiltraten (Rechtsherzendokarditis)
    • Periphere Abszesse (Niere, Milz, Hirn, vertebral) unklarer Ursache
  • Weitere klinische Symptome können sein:
    • Schweißausbrüche
    • Gewichtsverlust
    • Herzbeschwerden (Angina, Palpitationen, Dyspnoe, Arrhythmien)
    • Neurologische Symptome
    • Arthralgien
    • Splenomegalie
Häufige kardiale Symptome sind pektanginöse Beschwerden, Palpitationen oder Zeichen der Links- und/oder Rechtsherzinsuffizienz wie Dyspnoe, Lungenstauung oder periphere Ödeme. Leitsymptome/-befunde sind rezidivierendes Fieber, (neu aufgetretene) Herzgeräusche im Sinne eines Herzklappenfehlers, echokardiografisch nachweisbare bakterielle Absiedlungen auf einer oder mehreren Herzklappen (TEE), eine Anämie und ein positiver Keimnachweis in Blutkulturen.
Neben anderen Komplikationen wie Sepsis, Nierenversagen, Herzinsuffizienz und peripheren Organ- oder Hautembolien (15–35 %!) treten neurologische Komplikationen in etwa einem (bis zwei) Drittel der Fälle auf und sind damit eine der Haupttodesursachen, wobei Embolien (vorwiegend septischen Materials) im Gehirn (in mehr als der Hälfte der Fälle) die schwerste Komplikation darstellen. Sie können neben der Symptomatik eines akuten Schlaganfalls zur Entwicklung mykotischer zerebraler Aneurysmen, zu Meningitiden, Meningoenzephalitiden oder Hirnabszessen (Abb. 4) führen. Die neurologischen Symptome einer infektiösen Endokarditis können toxisch (z. B. Kopfschmerz, Konzentrations- und Schlafstörungen, Schwindel), zerebrovaskulär-embolisch (fokale-neurologische Defizite) oder entzündlich (meningitische, enzephalitische Zeichen) bedingt sein. Psychische Symptome (Verwirrtheitszustände, Desorientiertheit, Affektlabilität, Persönlichkeitsveränderungen) und Bewegungsstörungen (Tremor, Dyskinesien, hartnäckiger Singultus, Myoklonien) können hinzukommen. Kreuzschmerzen, allgemeines Schwächegefühl, Myalgien oder periphere Neuropathien sind unspezifische Begleitsymptome.
Der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Hausärzten, Neurologen, Neurochirurgen, Mikrobiologen, Infektiologen, Kardiologen und Kardiochirurgen kommt sowohl in der Diagnostik als auch bei der Entwicklung eines gemeinsamen therapeutischen Konzepts eine große Bedeutung zu. Hier sind individuelle Konzepte der Infektionsbekämpfung, Risiken und Nutzen einer Antikoagulation/Thrombozytenaggregationshemmung und der optimale Zeitpunkt für neuro- oder kardiochirurgische Eingriffe sorgfältig miteinander abzustimmen. Neu geprägt und in die Leitlinien mit aufgenommen wurde der Begriff des „Endokarditis-Teams“, der nochmals die Bedeutung eines gemeinsamen Vorgehens unterstreicht.
Blutkulturen
Positive Blutkulturen sind nach wie vor Grundpfeiler der Endokarditisdiagnostik. Drei Proben-Sets (mindestens je eine aerob und anaerob) sollten unter sterilen Bedingungen aus einer peripheren Vene gewonnen werden. Dies ist fast immer ausreichend, um die üblichen Erreger zu isolieren. Weitere Proben ergeben keinen nennenswerten Zusatznutzen. Nach Möglichkeit sollten die Proben nicht aus Venenkathetern entnommen werden, da hier häufig Erregerkontaminationen entstehen. Die Erregersicherung sollte vor einer Antibiotikatherapie angestrebt werden. Der Erregernachweis in Blutkulturen ist für den diagnostischen und therapeutischen Erfolg von größter Wichtigkeit, da eine gezielte antibiotische Therapie den Krankheitsverlauf und damit die Prognose des Patienten entscheidend verbessert. Während einer Endokarditis besteht eine kontinuierliche Bakteriämie, wobei deren quantitative Ausprägung unterschiedlich ist und möglicherweise auch vom Ort der Blutentnahme abhängt. Die andauernde Anwesenheit von Bakterien im Blut macht aber die früher geübte Entnahmetechnik nur im Fieberanstieg oder -maximum überflüssig. Blutkulturen sind bei etwa 85 % aller IE-Patienten positiv. Fälle mit negativen Blutkulturen (BCNIE) werden meist durch eine schon vorausgegangene Antibiotikagabe verursacht. Hier kann es notwendig sein, die bestehende Therapie zu pausieren, um einen Keim in erneuten Blutkulturen zu sichern. Während bei einer akuten oder perakuten Endokarditis nicht mehr als 24–48 h bis zum Einsetzen der Antibiotikatherapie vergehen sollten, kann es daher bei einer subakuten Verlaufsform sinnvoll sein, über mehrere Tage eine Erregersicherung anzustreben, bevor eine antibiotische Therapie erfolgt. Seltene oder nur sehr schwer anzuzüchtende oder intrazelluläre Mikroorganismen können ebenfalls ein Grund für negative Blutkulturen sein.
Der Nutzen arterieller Blutkulturen wird unterschiedlich diskutiert: Während einige Untersucher über deutlich mehr positive Erregernachweise in arteriellen Blutkulturen (insbesondere bei „Rechtsherzendokarditis“) berichten, zeigte sich in anderen Studien kein Vorteil im Vergleich zu venösen Entnahmetechniken. Zur Erfolgskontrolle einer längeren Behandlung sollten frühestens 24–48 h nach Ende der Therapie mehrere Blutkulturen gewonnen werden. Sind diese negativ, so sind weitere Kontrollen erst nach 7–10 Tagen sinnvoll. Sind diese Blutkulturen ebenfalls negativ, ist ein Therapieerfolg hochwahrscheinlich, wenn nicht atypische Erreger (z. B. Pilze) zur Persistenz klinischer Infektionszeichen führen.
Cave
Die Entnahme sollte in jedem Fall aber nicht über liegende Verweilkatheter/-kanülen und an möglichst vielen verschiedenen Stellen erfolgen.
Prophylaxe
Im deutlichen Unterschied zu früheren Empfehlungen ist in den aktuellen Leitlinien die Indikation zu einer antibiotischen Endokarditisprophylaxe auf die Patienten mit Höchstrisiko eingeschränkt worden (Habib et al. 2015). Nach Auswertung der vorliegenden Evidenzen wurden wesentliche, neue Schlussfolgerungen für die Anwendung einer Endokarditisprophylaxe gezogen:
1.
Der aus früheren Leitlinien resultierende extensive Gebrauch von Antibiotika wird durch die vorliegende Evidenz nicht gerechtfertigt.
 
2.
Die Prophylaxe sollte auf diejenigen Patienten mit dem höchsten Risiko (Patienten mit höchster Endokarditisinzidenz und/oder höchstem Risiko für Endokarditiskomplikationen) limitiert werden.
 
3.
Die Indikationen zur Antibiotikaprophylaxe bei IE sollten im Vergleich zu früheren Leitlinien deutlich reduziert werden.
 
4.
Eine gute Oralhygiene und eine regelmäßige zahnärztliche Untersuchung sind wegen häufiger dental bedingter Bakteriämien zur Verhinderung der IE von größter Bedeutung.
 
Nach den aktuellen Leitlinien sollte eine Antibiotikaprophylaxe gegenüber einer IE in den in der folgenden Übersicht genannten Situationen durchgeführt werden:
Antiobiotikaprophylaxe infektiöser Endokarditiden (nach Habib et al. 2015)
  • Kardiale Erkrankungen/Befunde mit höchstem Risiko einer infektiösen Endokarditis, für die eine Prophylaxe empfohlen wird, sofern eine Hochrisikoprozedur durchgeführt wird
    1.
    Patienten mit einer prothetischen Herzklappe einschließlich Transkatheterklappen oder mit rekonstruierten Klappen unter Verwendung prothetischen Materials
     
    2.
    Patienten mit vorausgegangener infektiöser Endokarditis
     
    3.
    Patienten mit kongenitalen Herzfehlern
    (a)
    Jegliche zyanotische kongenitale Herzfehler
     
    (b)
    Kongenitale Herzfehler mit kompletter Korrektur mit Prothesenmaterial (chirurgisch oder interventionell implantiert), bis zu 6 Monate nach dem Eingriff
     
    (c)
    Wenn ein Residualdefekt am Implantationsort einer Prothese oder eines Gerätes (chirurgisch oder interventionell implantiert) verbleibt
    Für andere Formen valvulärer oder kongenitaler Herzfehler wird eine Antibiotikaprophylaxe nicht mehr empfohlen!
     
     
  • Empfehlungen zur Prophylaxe der infektiösen Endokarditis bei Höchstrisikopatienten im Zusammenhang mit risikobehafteten Eingriffen
    1.
    Antibiotikaprophylaxe nur zu erwägen bei zahnärztlichen Eingriffen, die Manipulationen im gingivalen oder periapikalen Bereich des Zahns/der Zähne benötigen oder die die orale Mukosa perforieren
    Für Eingriffe am Respirationstrakt (inkl. Bronchoskopie, Laryngoskopie, transnasale oder endotracheale Intubation), gastrointestinale (Gastroskopie, Koloskopie) oder urogenitale (Zystoskopie) Eingriffe, transösophageale Echokardiografien und Haut- und Weichteileingriffe wird eine Antibiotikaprophylaxe nicht mehr empfohlen!
     
Somit beschränkt sich die Antibiotikaprophylaxe gegenüber einer IE auf der Basis der neuen Leitlinien auf wesentlich weniger Prozeduren als entsprechend den früheren Empfehlungen. Die Vorgehensweise bei der Prophylaxe wegen zahnärztlicher Risikoeingriffe ist in (Tab. 4) zusammengefasst.
Tab. 4
Empfohlene Prophylaxe bei zahnärztlichen Risikoeingriffen. (Nach Habib et al. 2015)
  
Einzeldosis 30–60 Minuten vor dem Eingriff
Situation
Antibiotikum
Erwachsene
Kinder
Keine Allergie gegen Penicillin oder Ampicillin
Amoxicillin oder Ampicillina
2 g p.o. oder i.v
50 mg/kg KG p.o. oder i.v.
Allergie gegen Penicillin oder Ampicillin
Clindamycin
600 mg p.o. oder i.v.
20 mg/kg KG p.o. oder i.v.
Cephalosporine sollten nicht bei Patienten mit Anaphylaxie, Angioödem oder Urtikaria nach Einnahme von Penicillin oder Ampicillin verwendet werden
aAlternativ: Cephalexin 2 g i.v. oder 50 mg/kg KG für Kinder, Cefazolin oder Ceftriaxon 1 g i.v. für Erwachsene oder 50 mg/kg KG i.v. für Kinder

Neurologische Erkrankungen mit kardialer Beteiligung

Ebenso wie neurologische Symptome manchmal zur Diagnose zugrunde liegender Herzerkrankungen führen, können kardiovaskuläre Symptome eine Manifestationsform primär neurologischer Grunderkrankungen darstellen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere degenerative (z. B. Muskeldystrophien) oder entzündliche Erkrankungen des Muskel- und Nervensystems sowie akute ischämisch, embolisch oder traumatisch bedingte zerebrale Ereignisse zu nennen.

Neuromuskuläre Erkrankungen mit dem klinischen Erscheinungsbild einer Kardiomyopathie

Die frühzeitige Erkennung kardiomyopathischer Beteiligungen bei degenerativen oder entzündlichen Erkrankungen der Muskulatur, des Rückenmarks und des peripheren Nervensystems ist von großer prognostischer Wichtigkeit, da kardiale Komplikationen neben immobilisationsbedingten rezidivierenden Infektionen oder Embolien wesentlich zur deutlichen Reduktion der Lebenserwartung bei den betroffenen Patienten beitragen. Tab. 5 gibt eine Übersicht über mögliche, teils charakteristische kardiale Beteiligungen bei hereditär-degenerativen und entzündlichen neuromuskulären Erkrankungen. Nahezu alle Formen von Arrhythmien, globale oder regional begrenzte Kontraktionsstörungen und sogar infarktähnliche Symptome ohne morphologisch nachweisbare Veränderungen der Herzkranzarterien sind prinzipiell möglich. Manchmal werden Patienten ohne (zunächst) klar sichtbare Zeichen einer systemischen neuromuskulären Erkrankung erst durch Symptome einer Kardiomyopathie oder Störungen der physiologischen kardialen Erregungsleitung auffällig. So sind Blockierungen des Sinusknotens, des AV-Knotens oder des His-Purkinje-Systems manchmal erste Manifestationsformen z. B. einer myotonen Muskeldystrophie, eines Kearns-Sayre-Syndroms oder einer Emery-Dreifuss-Erkrankung. Andere Patienten mit zunächst „idiopathischer“ dilatativer Kardiomyopathie zeigen in Muskelbiopsien oder (später) in klinisch manifester Form die Befunde zentronukleärer Myopathien. Wenngleich diese Arten der primären Krankheitsmanifestation nicht sehr häufig sind, ist es insbesondere im Jugendalter sinnvoll, bei sinuatrialen Blöcken, AV-Blockierungen oder „idiopathischer“ dilatativer Kardiomyopathie evtl. ursächliche, neuromuskuläre Erkrankungen in die diagnostischen Überlegungen einzubeziehen.
Tab. 5
Kardiomyopathische und andere Symptome als Begleit- oder Primärmanifestationen neurologischer/neuromuskulärer Erkrankungen. (Nach Stegaru-Hellring et al. 1988)
Erkrankung
Mögliche kardiale Symptome bzw. Befunde
Art der nachweisbaren kardialen Veränderungen
Progressive Muskeldystrophie Duchenne
Typisch Rechtslagetyp, T-Negativierungen, inadäquate Sinustachykardien, andere plötzliche Arrhythmien, QT-Zeit-Verlängerungen, EKG-Infarktzeichen (tiefes Q in V1, aVL, V5, V6), akutes Linksherzversagen, Mitralklappenprolaps
Herzmuskelatrophie, Fibrose/Fettgewebsinfiltration (Betonung: Septum und linksventrikuläre Hinterwand), fettig/fibröse Infiltration des Erregungsleitungssystems, regionale metabolische Anomalien, Verdickung kleinerer Koronararterien
Muskeldystrophie Becker-Kiener
QT-Zeit-Verlängerungen, EKG-Infarktzeichen
Herzmuskelhypertrophie, hypertrophische Kardiomyopathien, Beteiligung aller Herzmuskelabschnitte
Muskeldystrophie Emery-Dreyfuss
QT-Zeit-Verlängerungen, Vorhofflimmern, Vorhofstillstand und andere Arrhythmien
Fibröse Herzmuskelinfiltrationen
Skapulohumerale Gliedergürteldystrophie (Erb)
Brady- oder Tachykardien, Leitungsblöcke, EKG-Infarktzeichen, QT-Zeit-Verlängerung, Mitralklappenprolaps
Herzmuskelhypertrophie oder -atrophie
QT-Zeit-Verlängerung, Mitralklappenprolaps, Vorhof- oder kompletter Herzstillstand
Herzmuskelatrophie
Dystrophia myotonica Curschmann-Steinert
Supraventrikuläre und intraventrikuläre Blockierungen, QT-Zeit-Verlängerungen, Adam-Stokes-Anfälle, Mitralklappenprolaps
Bevorzugt: Veränderungen des Erregungsleitungssystems (His-Purkinje-System)
EKG-Infarktzeichen, QT-Zeit-Verlängerungen, Inzidenz der kardialen Beteiligung liegt bei 90 %
Herzmuskelhypertrophie mit hypertrophischer Kardiomyopathie und interstitieller Fibrose, Intimaproliferation der kleinen Koronararterien
Spinale Muskelatrophie Kugelberg-Welander
QT-Zeit-Verlängerung, Mitralklappenprolaps
Herzmuskelhypertrophie und -atrophie
Guillain-Barré-Syndrom, idiopathische Polyradikuloneuritis
Bradykardien, Asystolien, Tachyarrhythmien, Hyper- und Hypotonie, Bild des akuten Koronarsyndroms durch Störungen des autonomen Nervensystems
Unspezifisch
Herzinsuffizienz, Bradykardien/Tachyarrhythmien aller Art, plötzlicher Herztod
Dilatative Kardiomyopathie (Befall aller Wandregionen), Blockierungen des Erregungsleitungssystems (alle Abschnitte), funktionelle Mitralinsuffizienz
Extrasystolien, Erregungsleitungsstörungen
Fibröse Degeneration und mononukleäre Infiltration von Herzmuskel und Erregungsleitungssystem
Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen, die mit kardialen Leitungsstörungen einhergehen (z. B. myotone Dystrophie, Kearns-Sayre-Syndrom, Schultergürtel-Dystrophie, Emery-Dreifuss-Muskelatrophie) profitieren nach der aktuellen Datenlage bei AV-Blockierungen I. Grades und II. Grades, Typ I und II, sowie bei faszikulärem Block unabhängig von den Symptomen von einer Schrittmacherimplantation.

Akute zerebrale Erkrankungen mit kardialen Begleitmanifestationen

Eine Verbindung zwischen akuten zerebralen Ereignissen (z. B. subdurale Hämatome, Subarachnoidalblutungen, intrazerebrale Blutungen, intrazerebrale Thrombosen oder Embolien) und kardialen Symptomen ist seit langer Zeit unstrittig. Hier stehen neben Überleitungs- und Repolarisationsstörungen alle Arten von Rhythmusstörungen als Ausdruck der kardialen Beteiligung im Vordergrund.
Bei einer größeren Anzahl von akuten Schädigungen des ZNS – insbesondere bei Hirnstammblutungen oder Schädel-Hirn-Traumata – kann es aber auch zur Ausprägung eines neurogenen Lungenödems mit dem Bild einer akuten, schweren Herzinsuffizienz kommen. Es konnte klinisch und experimentell gezeigt werden, dass durch eine bedeutsame Steigerung des intrakraniellen Drucks auch eine Erhöhung des peripheren arteriellen Gefäßwiderstandes entsteht, die durch Nachlasterhöhung ein Low-output-Syndrom mit konsekutiver pulmonalvenöser Stauung und hämorrhagischem Lungenödem provozieren kann. Auf diese Weise kann es bei ausgedehnten Schädel-Hirn-Verletzungen zu akuten schweren funktionellen und morphologischen Myokardschädigungen kommen. Hier ist neben der primären neurologisch-neurochirurgischen Behandlung die interdisziplinäre Behandlung mithilfe begleitender internistisch-kardiologischer Therapieverfahren zur Verbesserung von Symptomatik und Prognose erforderlich.

Facharztfragen

1.
Welche klinischen Symptome kardialer Arrhythmien sind Ihnen bekannt?
 
2.
Unter welchen Bedingungen ist die Durchführung eines Langzeit-EKG sinnvoll?
 
3.
Was sind die Indikationen für eine kardiologische invasive elektrophysiologische Untersuchung?
 
4.
Welche Schrittmacherindikationen bei symptomatischen/asymptomatischen Patienten gibt es?
 
5.
Wie ist das Embolierisiko bei Patienten mit Vorhofflimmern abzuschätzen?
 
6.
Erklären Sie bitte den CHA2DS2-VASc-Score! Welche Patienten mit nichtvalvulärem Vorhofflimmern benötigen eine Thrombozytenfunktionshemmung/Antikoagulation?
 
7.
Was sind die Hauptsymptome einer infektiösen Endokarditis?
 
8.
Welche Patienten haben ein besonders hohes Risiko, eine Endokarditis zu erleiden?
 
9.
Welche prognostische Bedeutung hat ein Schlafapnoe-Syndrom?
 
Literatur
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