Die Myasthenia gravis
(MG) ist eine erworbene Autoimmunerkrankung, die durch belastungsinduzierte vorzeitige Ermüdbarkeit der Muskulatur gekennzeichnet ist. Bei 85 % der Patienten sind
Antikörper gegen den Acetylcholinrezeptor (AChR) der neuromuskulären Synapse nachweisbar. Daneben finden sich Antikörper gegen den muskelspezifischen Tyrosinkinaserezeptor (MuSK) und das
Low-density lipoprotein receptor-related protein 4 (LRP4). Bei etwa 20 % der Erkrankten wird ein Thymom nachgewiesen (häufig mit Titin-Antikörpern). Die Therapie umfasst eine Immunsuppression ergänzt durch Acetylcholinesterasehemmer. Die Thymektomie wird bei der generalisierten Myasthenie mit AChR-Antikörpern im Frühstadium der Erkrankung empfohlen und ist bei Thymomverdacht immer indiziert.
Das
Einzelfaser-EMG bildet das variable Zeitintervall zwischen den Aktionspotenzialen bei aufeinanderfolgenden Entladungen zweier Muskelfasern einer motorischen Einheit ab. Die physiologische Variabiliät („Jitter“) schwankt beim Gesunden zwischen 10 und 50 ms und erhöht sich bei
Störungen der neuromuskulären Überleitung sowie bei Denervierung und Reinnervation. Diese Untersuchung ist für den Patienten belastend und zeitaufwendig, sie wird nur noch selten eingesetzt.
Besonderheiten und Nebenwirkungen der Azathioprin-Therapie: Bei weniger als 1 % der Patienten tritt eine perakute Sofortreaktion („idiosynkrastische Reaktion“) mit Erbrechen, Durchfall, Kreislaufkrisen auf, die die weitere Einnahme verbietet. Weiterhin entwickeln ca. 20 % innerhalb der ersten 14 Behandlungstage grippeähnliche Symptome, gastrointestinale Unverträglichkeit und häufig einen temporären Anstieg der Leberwerte. Die Zulassung sieht eine Antikonzeption bis mindestens 6 Monate nach Therapieende einschließlich männlicher Patienten vor. Gleichzeitig belegen die Daten (
http://www.embryotox.de, Stand: 12.09.2017), dass Azathioprin keine Indikation zum Abbruch einer Schwangerschaft darstellt und bei schwer betroffenen Patientinnen als individueller Therapieversuch weitergeführt werden kann (Wiendl et al.
2015). Patienten mit fehlender Thiopurin-S-Methyltransferase-Aktivität (TPMT) (Häufigkeit 1:300) und homozygoten bekannten Mutationen und Single-Nukleotid-Polymorphismen (
SNP) im
TPMT-Gen dürfen nicht mit Azathioprin behandelt werden. Eine niedrig normale TPMT-Aktivität ist für die Therapieentscheidung nicht hilfreich. Es sollte vorsichtig (beginnend mit einer Testdosis von 50 mg am Abend) titriert werden, um eine unerwartet starke Myelosuppression zu limitieren.
Allopurinol hemmt die Xanthinoxidase und damit den Abbau von Azathioprin. Sofern die Kombination beider Medikamente unverzichtbar ist, darf Azathioprin nur mit 25 % der Standarddosierung (0,5–0,75 mg/kg KG) (oder alternativ geringer wirksame Urikosurika wie Benzbromaron und Probenecid) eingenommen werden. Unter Azathioprin werden selten zerebrale
Lymphome und schwere opportunistische Infektionen beobachtet. Ein erhöhtes Risiko für Tumorerkrankungen besteht nur bei einer Behandlungsdauer über 10 Jahre hinaus. Eine erhöhte Photosensibilität (deutlich erhöhte Inzidenz von kutanen Hyperkeratosen und Hautkrebs, selten akute Phototoxizität) erfordern UV-Schutz, eine dermatologische Anbindung und ggf. Therapieumstellung (O’Donovan et al.
2005).
Besondere Myasthenieformen
Facharztfragen
1.
Welche serologischen Subgruppen der Myasthenia gravis existieren?
2.
Woraus besteht die Basistherapie der Myasthenia gravis?
3.
Was ist bei Behandlung von Patienten mit thymomassoziierter Myasthenie zu beachten?