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Klinische Neurologie
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Publiziert am: 07.12.2017

Neurologische Rehabilitation

Verfasst von: Friedemann Müller und Eberhard König
Gegenstand der Rehabilitation ist primär die Behandlung der Krankheitsfolgen. Die direkte kurative Krankheitsbehandlung kann, muss aber bei Beginn der Rehabilitation noch nicht abgeschlossen sein. Funktionsstörungen des Nervensystems z. B. als Folgen von Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, multipler Sklerose oder Parkinson-Erkrankung betreffen den Patienten zentral in seiner Persönlichkeit, verändern seine soziale Stellung und können erhebliche Rückwirkungen auf das soziale Umfeld, insbesondere die Familie, haben. Neurologische Funktionsstörungen sind die wesentliche Ursache für stationäre Rehabilitationsmaßnahmen und wegen häufig unvollständiger Rückbildung auch die wichtigste Ursache für Pflegebedürftigkeit. Dem gesetzlich verankerten Grundsatz „Reha vor Pflege“ entsprechend sollen mit der Rehabilitation Funktionsstörungen bei drohender Behinderung möglichst weitgehend gebessert werden, bevor über Sozialleistungen wegen Pflegebedürftigkeit entschieden wird. Allerdings benötigen bei Weitem nicht alle neurologischen Patienten eine Rehabilitationsmaßnahme, sondern nur diejenigen ohne rasche und ausreichende Besserung der Krankheitsfolgen. Bei leicht betroffenen Patienten kann die Rehabilitation ambulant erfolgen, bei schwerer betroffenen Patienten ist eine stationäre Rehabilitation erforderlich. Da die Ergebnisse der Rehabilitation günstiger sind, wenn frühzeitig mit rehabilitativen Maßnahmen begonnen wird, überlappen sich Krankheitsbehandlung und Rehabilitation häufig.
Gegenstand der Rehabilitation ist primär die Behandlung der Krankheitsfolgen. Die direkte kurative Krankheitsbehandlung kann, muss aber bei Beginn der Rehabilitation noch nicht abgeschlossen sein. Funktionsstörungen des Nervensystems z. B. als Folgen von Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, multipler Sklerose oder Parkinson-Erkrankung betreffen den Patienten zentral in seiner Persönlichkeit, verändern seine soziale Stellung und können erhebliche Rückwirkungen auf das soziale Umfeld, insbesondere die Familie, haben. Neurologische Funktionsstörungen sind die wesentliche Ursache für stationäre Rehabilitationsmaßnahmen und wegen häufig unvollständiger Rückbildung auch die wichtigste Ursache für Pflegebedürftigkeit. Dem gesetzlich verankerten Grundsatz „Reha vor Pflege“ entsprechend sollen mit der Rehabilitation Funktionsstörungen bei drohender Behinderung möglichst weitgehend gebessert werden, bevor über Sozialleistungen wegen Pflegebedürftigkeit entschieden wird. Allerdings benötigen bei Weitem nicht alle neurologischen Patienten eine Rehabilitationsmaßnahme, sondern nur diejenigen ohne rasche und ausreichende Besserung der Krankheitsfolgen. Bei leicht betroffenen Patienten kann die Rehabilitation ambulant erfolgen, bei schwerer betroffenen Patienten ist eine stationäre Rehabilitation erforderlich. Da die Ergebnisse der Rehabilitation günstiger sind, wenn frühzeitig mit rehabilitativen Maßnahmen begonnen wird, überlappen sich Krankheitsbehandlung und Rehabilitation häufig.

Hirnplastizität

Die neuronalen Prozesse, die der Rehabilitation zugrunde liegen, sind nach wie vor bei Weitem nicht vollständig verstanden. Der Spontanerholung, die häufig in den ersten Tagen und Wochen nach der Läsion zu beobachten ist, liegen wahrscheinlich zwei Prozesse zugrunde. Durch Abklingen der Stoffwechselstörungen und der Resorption des Ödems oder (im Falle einer Blutung) auch des Blutes kann es zu einer Funktionserholung der Neurone kommen, deren Stoffwechselstörung so schwer war, dass die Funktion ausfiel, aber nicht so schwer, dass der Erhaltungsstoffwechsel nicht ein Überleben der Zelle erlaubt hätte. Durch die gleichen Mechanismen (Verminderung der raumfordernden Wirkung durch Ödem- und Blutresorption) kann es auch zu einer Wiederherstellung der Leitfähigkeit von Bahnsystemen kommen.
Zusätzlich spielt wahrscheinlich die Rückbildung von verminderter Aktivität (Diaschisis) in von der Läsion entfernt liegenden und nicht direkt betroffenen, aber mit dem läsionierten Gebiet funktionell verknüpften Arealen eine Rolle.
Unter Netzwerkplastizität ist eine Umorganisation mit dem Ergebnis der Funktionsrestitution des Netzwerkes zu verstehen. Dies kann einerseits geschehen durch die Verwendung alternativer Bewegungsmuster, andererseits durch Expansion oder Verlagerung neuronaler Projektionen. So können z. B. Neurone im Randbereich der Läsion Funktionen übernehmen, die vorher im Kernbereich der Läsion lokalisiert waren, also de facto eine Verschiebung der funktionellen Landkarte auf der Hirnoberfläche zu Lasten anderer Kortexareale.
Die Rekrutierung paralleler oder funktionell ähnlicher Bahnsysteme setzt voraus, dass derartige Systeme, wie z. B. im motorischen System, vorhanden sind. Hier kann eine vermehrte Innervation in der supplementärmotorischen oder prämotorischen Area einen Defekt im primär motorischen Kortex partiell ausgleichen. Bezüglich der Capsula interna fand sich entsprechend eine gute motorische Erholung, wenn nur der vordere oder hintere Anteil betroffen waren, dagegen ein schlechtes Rehabilitationsergebnis, wenn beide, vorderer und hinterer Anteil der Capsula interna, betroffen sind. Bezüglich der willkürlichen Anteile des Schluckaktes gibt es in der Regel eine schluckdominante Hemisphäre, sodass Schluckstörungen auch bei Großhirnläsionen bei Patienten mit Hemiparese häufig sind. Überwiegend gibt es aber in der anderen Hemisphäre eine ausreichende Repräsentation der Schluckmotorik, sodass diese die Funktion der betroffenen Seite ersetzen kann und deshalb die Schlucktherapie eine gute Prognose hat. Auch die Aktivierung ungekreuzter Anteile der Pyramidenbahn kann wahrscheinlich etwas zur Reduktion eingetretener Defizite durch Aktivierung der entsprechenden Areale in der kontralateralen Hemisphäre beitragen. Das 1. motorische Neuron für die Innervation von Rumpfmuskeln und der kaudalen Hirnnerven, die insbesondere für die Schluckfunktion wichtig sind, verläuft zu annähernd gleichen Teilen gekreuzt und ungekreuzt, sodass eine einseitige Großhirnläsion z. T. gar nicht zu relevanten Lähmungserscheinungen führt.
In den vergangenen Jahren ist die Neuroplastizität umfangreich tierexperimentell und auch zunehmend am Menschen mit Untersuchung der Stoffwechselaktivität (Positronenemissionstomografie, PET) und Änderung der regionalen Hirndurchblutung (funktionelle Magnetresonanztomografie, fMRT) vornehmlich bei motorischen Aufgaben untersucht worden. Nach diesen Untersuchungen ist davon auszugehen, dass es nach der Läsion im Vergleich zum Gesunden zu einer stärkeren Aktivierung aller motorisch relevanten Areale sowohl in der kontralateralen als auch in der ipsilateralen Hemisphäre als Ursprung ungekreuzter Bahnen und auch des dorsolateralen präfrontalen Kortex als Ausdruck vermehrter Anstrengung kommt. Im Laufe des Fortschreitens der Rehabilitation und der Besserung der klinischen Ausfälle geht diese zusätzliche Rekrutierung kortikaler Areale zurück, bleibt aber z. T. in unmittelbarer Umgebung des Fokus der Läsion erhalten. Zum Teil bleiben auch andere, zusätzlich rekrutierte Hirnareale aktiv (wohl bei Patienten mit geringer Besserung). Methoden zur Förderung der Plastizität finden sich weiter unten insbesondere zur motorischen Rehabilitation (Abschn. 7.2) inklusive der Beeinflussung der kortikalen Erregbarkeit. In jüngster Zeit hat sich mit der MRT-Technik des Diffusion Tensor Imaging die Möglichkeit ergeben, Änderungen der Konnektivität beim Menschen zu verfolgen, was insbesondere bei Kindern ein erstaunliches Ausmaß annehmen kann.

Organisation der Rehabilitation im multiprofessionellen Team

Die praktische Umsetzung der Rehabilitation richtet sich nach den funktionellen Defiziten des Patienten. Differenziert werden die Defizite nach den professionellen Therapiebereichen. Bestehen Defizite nur in einem Bereich, kann die ambulante symptomzentrierte Therapie ausreichend sein. Bestehen Defizite in mehreren Therapiebereichen, erfolgt die Rehabilitation sowohl ambulant als auch stationär am besten in einem multiprofessionellen Team unter ärztlicher Leitung. In diesem Team sind Physiotherapeuten und Ergotherapeuten für die motorische Übungsbehandlung zuständig. Dabei liegt der Schwerpunkt der Physiotherapie auf dem Erhalten von Gelenkbeweglichkeit und Muskelkraft, Lageänderungen des Körpers, Gleichgewicht, Stehen und Gehen. In der Ergotherapie stehen die Greiffunktion der oberen Extremität, Feinmotorik inklusive Schreiben und das Wiedererlernen der sog. Aktivitäten des täglichen Lebens (auch ADL = „activities of daily living“ = Körperpflege, Ankleiden, Nahrungsaufnahme, Toilettengang usw.) im Vordergrund. Diagnostik und Übungsbehandlung von höheren Hirnfunktionen werden von Neuropsychologen (Fachweiterbildung nach dem Psychologiestudium) durchgeführt. Wenn diese nicht ausreichend vorhanden sind, oder auch ergänzend, werden diese Aufgaben auch von Ergotherapeuten übernommen. Sprach-, Sprech- und Schluckstörungen werden von Logopäden, klinischen Linguisten oder Sprachheilpädagogen behandelt. Eine wichtige Rolle spielen auch die Mitarbeiter der Pflege, die neben der Grund- und Behandlungspflege die Aufgabe haben, durch die sog. aktivierende Pflege, die rehabilitativen Therapieansätze in einem 24-Stunden-Konzept umzusetzen. Neben der regelmäßigen Umlagerung (häufig alle 2 Stunden) bei immobilen Patienten zur Vermeidung von Schmerzen und Dekubiti, der Anleitung zur selbstständigen Körperpflege, der Mobilisation aus dem Bett heraus und der Unterstützung der motorischen Therapien sind insbesondere die Essensbegleitung mit Schlucktherapie und das Toilettentraining als Therapiemaßnahme bei Inkontinenz als Tätigkeitsschwerpunkte zu nennen.

Ziele

Ziel der Rehabilitation ist letztlich immer eine Wiedereingliederung des Patienten in sein früheres soziales und berufliches Umfeld. Nicht selten sind Schädigungen aber so schwer, dass zumindest zunächst bescheidenere Teilziele verfolgt werden müssen.
Ist der Patient z. B. zunächst auf einer Intensivstation beatmungspflichtig, wird das erste Ziel die Entwöhnung von der Beatmung sein. Das nächste Ziel ist in der Regel die Entlassung aus dem Krankenhaus und Verlegung in eine Rehabilitationseinrichtung, dann die Entlassung aus der stationären Rehabilitation und Fortsetzung der Rehabilitation ambulant. Bleibt der Patient weiter pflegebedürftig, ist es das Ziel, durch rehabilitative Maßnahmen die funktionellen Defizite so weit zu verbessern, dass eine Weiterversorgung zu Hause mit Unterstützung der Angehörigen und ggf. ambulanter Pflegedienste realisiert werden kann. Ist dieses Ziel unter Berücksichtigung auch des sozialen Umfeldes des Patienten nicht erreichbar, ist die Auswahl einer geeigneten Pflegeeinrichtung erforderlich, wenn unter fortgesetzter Rehabilitation keine Fortschritte mehr zu verzeichnen sind.
Ziel der Therapie ist zunächst immer, durch geeignete Übungen und häufig wiederholtes Training die ausgefallene Funktion wiederzuerlernen (Restitution). Erst wenn dies nicht gelingt, wird als alternativer Ansatz versucht, die ausgefallene Funktion durch Erlernen einer anderen Funktion (z. B. mit links zu schreiben) auszugleichen (Kompensation). Gelingt auch dies nicht, wird man eine Anpassung der Umwelt versuchen (Adaptation, z. B. barrierefreies Wohnen in einer rollstuhlgerechten Umgebung).
Für die Planung der Rehabilitationsziele ist neben der Grund- und den Begleiterkrankungen und den daraus folgenden Funktionsstörungen auch die soziale Umwelt des Patienten bezüglich der Auswirkungen der Funktionsstörungen von wesentlicher Bedeutung. Um zu einem einheitlichen System zur Beschreibung der Ressourcen des Patienten und seinen Partizipationsmöglichkeiten in seiner sozialen Umwelt zu kommen, hat die WHO die „International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps“ (ICIDH) herausgegeben. Darin werden Krankheitsfolgen auf drei Ebenen beschrieben:
  • „Impairments“: Schädigungen von Körperstrukturen und Funktionseinschränkungen von Organsystemen
  • „Disabilities“: Fähigkeitsstörungen im Bereich alltäglicher Verrichtungen
  • „Handicaps“: Beeinträchtigung der sozialen Rolle des Patienten
Die Weiterentwicklungen dieses Systems in der ICIDH-2 (1999) und der ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health, WHO 2001) betonen weniger die Defizite des Patienten als vielmehr die verbliebenen Fähigkeiten (funktionale Gesundheit, Funktionsfähigkeit). Die Partizipation des Patienten wird zusätzlich als abhängig von Kontextfaktoren gesehen, die Umweltbedingungen beschreiben und (positiv) in Förderfaktoren und (negativ) Barrieren unterteilt werden. Dieses System dient der systematischeren Beschreibung der Funktionsstörungen in Abhängigkeit von Ressourcen und Partizipationsmöglichkeiten des Patienten und wird verstärkt bei Rehabilitations- und Verlängerungsanträgen bei den Kostenträgern eingesetzt.

Häufig behandelte Krankheitsbilder

Von den behandelten Krankheitsbildern machen zerebrale Ischämien den größten Teil der in der Rehabilitation behandelten Patienten aus (ca. 50 %), gefolgt von Patienten nach intrazerebralen und subarachnoidalen Blutungen, nach Schädel-Hirn-Trauma, mit multipler Sklerose, extrapyramidalmotorischen Erkrankungen (überwiegend Parkinson im fortgeschrittenen Stadium), Guillain-Barré-Syndrom, Critical-Ill-ness-Polyneuropathie, nach Rückenmarkläsion (sog. Querschnitt), nach Hirntumoroperationen und nach globaler zerebraler Hypoxie (meist durch Kammerflimmern, bei Kindern meist Ertrinkungsunfälle).
Die Ätiologie der Funktionsstörung ist für die Rehabilitation zunächst einmal sekundär, weil die Behandlung symptomorientiert erfolgt. Allerdings spielt die Ätiologie und die Lokalisation für den Rehabilitationserfolg und die langfristige Prognose natürlich eine wesentliche Rolle. Lokal eng begrenzte Läsionen haben eine bessere Prognose als diffuse Schädigungen des gesamten Gehirns wie die globale zerebrale Hypoxie. Die Plastizität ist durchaus unterschiedlich in den verschiedenen Funktionsbereichen des Nervensystems, im vestibulären und motorischen System relativ hoch, während Rehabilitationserfolge im visuellen System (Hemianopsie, Quadrantenanopsie) gering sind, sodass es sinnvoller sein kann, gleich eine Kompensationsstrategie einzuschlagen (Explorationsübungen mit Kopf- und Augenbewegung in das erblindete Feld) als eine Restitution zu versuchen. Entscheidend ist häufig für die Langzeitprognose, ob die zugrunde liegende Erkrankung progredient ist (wie Parkinson-Syndrom, chronisch-progrediente multiple Sklerose, Demenz oder ein maligner Hirntumor) oder ein voraussichtlich einmaliges Ereignis darstellt (Schädel-Hirn-Trauma, Enzephalitis, Critical-Illness-Polyneuropathie). Auch die Behandlung der Risikofaktoren beim Schlaganfall (Sekundärprophylaxe) ist integraler Bestandteil der Rehabilitationsbehandlung.

Entwicklung von der Anschlussheilbehandlung zum Phasenmodell der neurologischen Rehabilitation

Ursprünglich verstand man unter Rehabilitation eine Maßnahme zur Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit des Patienten. Ein solches Ziel ist natürlich nur bei Patienten realistisch, bei denen sich als Ergebnis der Rehabilitation ein Funktionszustand erreichen lässt, der die Ausübung des bisherigen Berufes (Berufsfähigkeit) oder nach einer Umschulungsmaßnahme eine andere berufliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (Erwerbsfähigkeit) erwarten lässt. Diese sog. „positive Erwerbsprognose“ ist Voraussetzung dafür, dass die Rentenversicherung Kostenträger der Behandlung ist. Dahinter steht die Überlegung, dass der Patient möglichst wieder Beitragszahler und nicht Rentenempfänger wegen Erwerbsunfähigkeit werden soll. Eine derartige Rehabilitationsmaßnahme muss beim Rentenversicherungsträger (meist Deutsche Rentenversicherung) vom Krankenhaus beantragt werden und innerhalb von 14 Tagen nach Krankenhausentlassung in einer von der Rentenversicherung zugelassenen Rehabilitationseinrichtung begonnen werden (sog. Anschlussheilbehandlung – AHB, entspricht Phase D, Abschn. 5.3).
Mit der Verbesserung des Rettungswesens (flächendeckende Versorgung mit Notärzten und Hubschraubern), Fortschritten in Anästhesie und Neurochirurgie überlebten zunehmend mehr Patienten auch schwerste Hirnschädigungen. Angesichts dieser Situation wurde die bisherige Rehabilitation von Patienten mit positiver Erwerbsprognose (s. oben) erweitert um die Rehabilitation schwerer betroffener Patienten meist zu Lasten der Krankenkasse mit dem Ziel, die Pflegebedürftigkeit zu minimieren und dem Patienten ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Um die Sekundärschäden der Immobilisation zu minimieren, soll mit der Rehabilitation, wenn erforderlich, schon während des initialen Krankenhausaufenthaltes (Akutbehandlung = Phase A) begonnen werden (z. B. rehabilitative Therapiemaßnahmen auf der Stroke Unit beim Schlaganfall).
Im Anschluss daran sind die rehabilitativen Erfordernisse der Patienten je nach Schwere der funktionellen Defizite sehr unterschiedlich. Deshalb hat die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) 1995 in den „Empfehlungen zur neurologischen Rehabilitation von Patienten mit schweren und schwersten Hirnschädigungen in den Phasen B und C“ ein gestuftes Versorgungsmodell entwickelt. Die ursprünglich als zeitliche Abfolge gedachte Unterteilung der Rehabilitation in „Frührehabilitation“, „weiterführende Rehabilitation“ und „Anschlussheilbehandlung“ wurde in ein Versorgungsmodell auf der Basis der funktionellen Defizite umgewandelt. Hat der Patient schwerste funktionelle Defizite, wird er in der sog. Phase B (Rehabilitation schwerst Hirngeschädigter) weiterbehandelt und kann bei zunehmender Besserung in der Phase C (Rehabilitation schwer Hirngeschädigter) und später in der Phase D (Rehabilitation mittel und leicht hirngeschädigter Patienten, entspricht der bisherigen Anschlussheilbehandlung) die Rehabilitation fortsetzen. Liegen schwere, aber nicht schwerste funktionelle Defizite vor, wird der Patient unmittelbar an die Phase A anschließend in der Phase C weiter rehabilitiert. Liegen mittelschwere bis leichte Defizite vor, erfolgt die weitere Rehabilitation unmittelbar in der Phase D. Ergänzt wird dieses Modell durch die Phasen E (nachgehende Rehabilitationsleistungen, berufliche Rehabilitation), wenn eine Reintegration des Patienten in das berufliche Umfeld aussichtsreich ist), die Phase F (aktivierende Behandlungspflege), wenn der Patient hochgradig pflegebedürftig bleibt, und die Phase G (betreutes und begleitendes Wohnen).
Eine genauere Kenntnis der Zuordnung der Patienten zu den Rehabilitationsphasen ist für den Krankenhausarzt vorteilhaft, weil die Phasenzuordnung die Abläufe bei der Überleitung des Patienten vom Krankenhaus in die Rehabilitation bestimmt. Mit der Einführung des DRG-Systems wurde die Phase B in die Frührehabilitation überführt, die durch eine Gesetzesänderung 2001 (§ 39,1 SGB V) als Teil der Krankenhausbehandlung definiert wurde. Voraussetzung ist, dass definierte Struktur- und Prozessvorgaben (OPS 8-552) erfüllt werden und der Patient einer Krankenhausbehandlung bedarf. Der Patient hat dann den gleichen gesetzlichen Anspruch auf diese Behandlung und der Patient kann im Rahmen einer Verlegung zwischen Krankenhausabteilungen oder Krankenhäusern in die Frührehabilitation durch den Arzt überwiesen werden. Für Rehabilitationsleistungen in den Phasen C und D kann der Kostenträger (gemäß § 40 SGB V) die Notwendigkeit, die Rehabilitationsklinik und die Dauer der Rehabilitation bestimmen. Deshalb kann der Arzt den Patienten nicht direkt überweisen, sondern es muss ein Antrag auf Rehabilitationsleistungen beim Kostenträger gestellt werden, was in den meisten Krankenhäusern durch den Sozialdienst erfolgt. Dieser Ablauf benötigt natürlich in der Regel einige Tage Zeit. Für einige wenige Rehabilitationskliniken wird auch die Phase B noch der Rehabilitation zugeordnet (Vertrag nach SGB V, § 111), sodass dann auch dieser Ablauf eingehalten werden muss.
Die Einleitung einer Rehabilitationsmaßnahme ist nicht daran gebunden, dass sich der Patient im Krankenhaus befindet. Auch ein Vertragsarzt kann Anträge für ambulante Patienten und Patienten im Pflegeheim stellen, auch zur Klärung des Rehabilitationspotenzials.

Neurologische Frührehabilitation

Die Phase B wird von der BAR als Behandlungs-/Rehabilitationsphase definiert, in der noch intensivmedizinische Behandlungsmöglichkeiten vorgehalten werden müssen. Die in dieser Phase zu behandelnden Patienten haben schwerste Hirnfunktionsstörungen, hochgradige spinale Läsionen (hoher Querschnitt) oder schwerste generalisierte periphere Läsionen (Guillain-Barré-Syndrom, Critical-Illness-Polyneuropathie). Die Patienten sind vollständig von pflegerischer Hilfe abhängig, nicht fähig zu kooperativer Mitarbeit, in der Regel sondenernährt und inkontinent, aber nicht mehr kontrolliert beatmet, im Liegen Herz-Kreislauf- und atmungsstabil, durch das therapeutische Personal mobilisierbar und aktuell nicht operationspflichtig. Das entscheidende Kriterium für die neurologische Frührehabilitation nach § 39,1 SGB V ist die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Patienten.
Ziel der Behandlung in der Phase B ist neben der Fortführung der bisherigen kurativen medizinischen Maßnahmen die Verhinderung von Sekundärkomplikationen durch beginnende Mobilisierung, die Besserung des Bewusstseinszustandes, das Herstellen einer Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, im Grunde das Erreichen der Rehabilitationsfähigkeit des Patienten. Auch zur Klärung des Rehabilitationspotenzials und zur Planung und Einleitung der weiteren Versorgung, ggf. auch Anleitung der Angehörigen zur Patientenversorgung, ist die Aufnahme in die Phase B indiziert. Kostenträger in der Phase B ist fast immer die Krankenversicherung, ggf. die Unfallversicherung (BG). Aus der Phase B kann der Patient bei ausreichender Besserung in die Phase C verlegt werden, bei fehlender Besserung in die zustandserhaltende, aktivierende Dauerpflege (Phase F).
Ein Abbruch der Behandlung in der Phase B wird bei ungestörtem Therapieverlauf dann für indiziert gehalten, wenn über mindestens 8 Wochen kein funktioneller Zugewinn feststellbar ist.
In begründeten Einzelfällen und insbesondere bei Kindern werden längere Zeiträume als 8 Wochen für erforderlich gehalten. Diese Übergangsfristen gelten im DRG-System nicht, da die Frührehabilitation endet, wenn der Patient nicht mehr im Krankenhaus behandelt werden muss.

Phase C

Die Phase C wird von der BAR als Behandlungs-/Rehabilitationsphase definiert, in der die Patienten bereits in der Therapie mitarbeiten können, aber weiter kurativ medizinisch und mit hohem pflegerischen Aufwand betreut werden. Hinsichtlich der Patientencharakteristika sind die Eingangskriterien für die Phase C identisch mit den Ausgangskriterien für die Phase B. Der Patient ist überwiegend bewusstseinsklar, kann einfachen Aufforderungen nachkommen, die Handlungsfähigkeit reicht aus, um an mehreren Therapiemaßnahmen täglich von je 30 Minuten Dauer aktiv mitzuarbeiten. Er ist in der Regel für mehrere Stunden täglich in den Rollstuhl mobilisierbar, für alltägliche Verrichtungen weitgehend auf pflegerische Hilfe angewiesen und in der Regel auch kleingruppenfähig (3–5 Personen). Ziel der Behandlung ist die Selbstständigkeit in den sog. Aktivitäten des täglichen Lebens (Körperpflege, Kontinenz, Einnahme von Mahlzeiten), Verbesserung grundlegender höherer Hirnfunktionen (Antrieb, Motivation, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Kommunikation) und sensomotorischer und koordinativer Funktionen bis hin zur vollen Handlungsfähigkeit inkl. der Mobilität (selbstständiges Gehen und selbstständige Fortbewegung im Rollstuhl). Kostenträger ist meist die Krankenkasse, bei positiver Erwerbsprognose die Rentenversicherung. Je nach Verlauf und weiteren Behandlungserfordernissen kann der Patient bei guter Besserung in die Phase D (Anschlussheilbehandlung), bei Ausbleiben weiterer Besserung in die Phase F (aktivierende Dauerpflege) verlegt werden oder nach Hilfsmittelverordnung und Organisation ambulanter Pflegedienste nach Hause entlassen werden.

Phase D

In der Phase D (bisher Anschlussheilbehandlung, bei nicht berenteten Patienten zu Lasten der Rentenversicherung, bei Rentnern zu Lasten der Krankenkasse) werden Patienten behandelt, die in einer behindertengerechten Umgebung mobilisiert sind, bewusstseinsklar und bei den therapeutischen Anwendungen voll kooperativ sind. Sie sind von pflegerischer Zuwendung nur noch in geringem Maße oder gar nicht abhängig. Ziel ist die Wiedereingliederung in das bisherige Lebens- und Berufsumfeld.

Phasenzuordnung nach Pflegeabhängigkeit bzw. Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit

Da sowohl auf Seiten der Kliniken wie auf Seiten der Kostenträger wegen unterschiedlich hoher Pflegesätze für die Phasen B, C und D ein Interesse an möglichst präziser Zuordnung der Patienten zu den Phasen besteht, wurden die oben dargestellten verbalen Formulierungen des Phasenmodells der BAR operationalisiert durch die Verwendung eines Indexes, der die basalen Aktivitäten des täglichen Lebens, also die Unabhängigkeit von pflegerischer Zuwendung, misst. Aufgrund seiner Einfachheit und relativ leichten Überprüfbarkeit wird dazu in den meisten Bundesländern der Barthel-Index (Mahoney und Barthel 1965) verwendet, obwohl dieser Index neuropsychologische und sprachliche Defizite nicht erfasst. Da der Barthel-Index bei den besonders betroffenen Frührehabilitationspatienten einen Bodeneffekt zeigt, wurde für Frührehabilitationspatienten eine Erweiterung dieses Indexes um spezielle Frührehabilitationserschwernisse entwickelt, der sog. Frührehabilitationsindex nach Schönle (1995). Teilweise wurde der Barthel-Index von den Krankenkassen auch verwendet, um die Phasengrenzen vertraglich festzulegen (in den Bundesländern unterschiedlich: Grenze C/D 65–80 Barthel-Punkte). Für die Grenze B/C wird die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit als Kriterium herangezogen, obwohl es dafür keine allgemein akzeptierten Kriterien gibt

Ambulante und tagesklinische Rehabilitation

Bei fokal begrenzten Funktionsstörungen oder nach vorangegangener längerer stationärer Rehabilitation ist es häufig sinnvoll, die weitere Therapie ambulant fortzuführen, um weitere Behandlungsfortschritte zu erzielen oder das Erreichte zu erhalten. Insbesondere bei Beschränkung der Störung auf Neuropsychologie oder Sprache und damit geringer Pflegebedürftigkeit kann eine ambulante Therapie auch von Anfang an indiziert sein. Bei multifunktionellen Defiziten kann eine tagesklinische Rehabilitation in täglich mehreren Therapiebereichen erfolgen. Allerdings sind tagesklinische Rehabilitationseinrichtungen nicht flächendeckend vorhanden und häufig assoziiert an Rehabilitationskliniken.

Abläufe während der Rehabilitation

Bei Aufnahme des Patienten

Wie in der Akutklinik erfolgen Anamnese, ggf. Fremdanamnese, ärztliche Untersuchung durch den Arzt unter Supervision eines Facharztes/Oberarztes am Aufnahmetag. Die Sozialanamnese inkl. Fragen nach Situation am Arbeitsplatz, Wohnumgebung oder nach unterstützenden Angehörigen ist für die Rehabilitation natürlich von besonderer Bedeutung. Auf der Basis der vom Akutkrankenhaus übermittelten Unterlagen muss der noch vorhandene oder im Verlauf notwendige Diagnostikbedarf festgelegt werden. Besonders im Schwerstkrankenbereich haben die Patienten im Akutkrankenhaus häufig nicht auf der neurologischen oder neurochirurgischen Abteilung gelegen, sondern waren in der Anästhesie/Intensivmedizin, der Unfallchirurgie, der Herzchirurgie oder in kleineren Krankenhäusern ohne neurologische Abteilung und haben dann z. T. nur ein neurologisches Konsil und in der Regel eine zerebrale Bildgebung, aber keine neurophysiologische Diagnostik erhalten.
Im Zentrum der neurologisch-klinischen Aufnahmeuntersuchung steht die Erfassung der Funktionsstörungen. Häufig lassen sich diese in ihrem Ausmaß nicht vollständig in der Aufnahmesituation klären. So braucht z. B. eine differenzierte neuropsychologische Testuntersuchung mehrere Stunden, ein Aachener Aphasie-Test ca. 2 Stunden, daher werden diese Tests in den ersten Tagen des Aufenthaltes von den Therapeuten durchgeführt. Auch zur Frage der Kontinenz bedarf es einer Beobachtungszeit, da die Inkontinenz nachts häufiger ist. Noch am Aufnahmetag sollte bei Verdacht ein Screening der Schluckfunktion erfolgen und auf dieser Basis die Kostform und Ernährung festgelegt werden, um die Gefahr einer Pneumonie zu minimieren. Eine apparative Schluckdiagnostik (Abschn. 7.3) sollte bei Bedarf rasch angeschlossen werden. Zunehmend häufiger sind auch große Krankenhäuser in der Lage, die Dysphagiediagnostik selbst durchzuführen. Ist der Patient kommunikationsfähig, wird die klinische Untersuchung mit einem Gespräch abgeschlossen, in dem mit dem Patienten die Rehabilitationsziele besprochen werden. Dabei sind nicht nur die festgestellten Funktionsstörungen wesentlich, sondern besonders die Prioritäten des Patienten vor dem Hintergrund seiner individuellen Bedürfnisse und Lebensumstände (Kontextfaktoren). Die von der WHO verabschiedete ICF (International Classification of Functioning, Disability und Health) eignet sich für die Beschreibung der komplexen Interaktion von Funktionsfähigkeit des Patienten (Abschn. 3). Aufgabe des Arztes ist es, auf der Basis der vereinbarten Rehabilitationsziele einen Therapieplan zu entwickeln und diesen an die verschiedenen Therapeuten weiterzuleiten. Häufig, insbesondere bei schwerstbetroffenen nicht kommunikationsfähigen Patienten, können die relevanten Informationen ohne Fremdanamnese nicht alle zu Beginn der Behandlung vorliegen, sodass hier schrittweise vorgegangen werden muss. Wichtig für den immobilen Patienten ist die möglichst frühzeitige Versorgung mit einem auf seine Körpermaße und seine Bewegungsfähigkeit adaptierten Rollstuhl. Der erste Kontakt mit Therapeuten dient in der Regel zunächst einer genaueren Erfassung der funktionalen Defizite und auf dieser Basis auch der Verordnung von Gruppentherapien. In der Sprachtherapie und Neuropsychologie können die Testverfahren mehrere Tage erfordern.

Organisatorische Abläufe im Rehabilitationsverlauf

Viele Abläufe entsprechen dem im Krankenhaus gewohnten. Zumindest die schwer betroffenen Patienten werden täglich, erforderlichenfalls auch mehrfach täglich visitiert. Wegen der zahlreichen Therapietermine kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Patient sich tagsüber ganz überwiegend in seinem Zimmer aufhält. Je weniger schwer betroffen der Patient ist, umso mehr wird er sich zu Therapien außerhalb seines Zimmers und in der Regel auch außerhalb seiner Station aufhalten. Deshalb müssen die Termine für die Visiten wie auch Termine mit Therapeuten geplant werden. In der Regel geschieht dies mithilfe eines Computerprogramms, das für jeden Patienten einen individuellen Therapieplan täglich oder wöchentlich erstellt.
Grundlage dieses Therapieplans sind die in der Aufnahmeuntersuchung festgestellten Funktionsstörungen, die von den Therapeuten weiter präzisiert und im Zeitverlauf aktualisiert werden.
Diese Aktualisierung geschieht bei einer mindestens einmal wöchentlich stattfindenden Konferenz aller Therapeuten und des Arztes (sog. Teamkonferenz, zwingend vorgeschrieben bei Abrechnung einer Frührehabilitations-DRG). Dabei findet ein Austausch über die in den vergangenen Tagen aufgetretenen Verbesserungen und ggf. auch Komplikationen statt. Davon ausgehend wird im therapeutischen Team eine entsprechende Anpassung des Therapieplans und die Planung der weiteren Therapie besprochen. Das Ergebnis dieser Konferenz wird für jeden einzelnen Patienten protokolliert und anschließend mit dem Computerprogramm der Patientenplan für die kommende Woche entworfen. Dabei sind auch bestimmte Rahmenvorgaben der Kostenträger zu berücksichtigen. So werden für die Prozedur 8-552 im DRG-System (neurologische Frührehabilitation) im Durchschnitt des stationären Aufenthaltes 300 Minuten Therapie und therapeutische Pflege gefordert. Die Deutsche Rentenversicherung hat Vorgaben für die Therapiedichte und durchschnittliche Therapiezusammensetzung der von ihr finanzierten Patienten nach Schlaganfall entwickelt.
Von den Kostenträgern wird die Dauer der Rehabilitation in der Regel auf eine Dauer von 2–4 Wochen begrenzt. Wenn diese Behandlungsdauer nicht ausreicht, was bei neurologischen Erkrankungen häufig ist, muss etwa eine Woche vor Ablauf der Kostenzusage ein Verlängerungsantrag unter Angabe der Fortschritte und der aktuellen Rehabilitationsziele gestellt werden. Bei positiver Rehabilitationsprognose wird diesem Antrag in der Regel stattgegeben, sonst muss die Entlassung aus der Rehabilitationseinrichtung eingeleitet werden. Diese Regelung nach § 40 SGB V gilt für die Rehabilitation im engeren Sinne, also die Phasen C und D. Wenn die Frührehabilitation der Phase B im Krankenhaus bzw. in Krankenhausbetten einer Rehabilitationsklinik stattfindet, wird die Indikation zunehmend häufiger durch Prüfaufträge an den MDK hinterfragt.

Therapeutische Verfahren

Neurorehabilitation auf der Intensivstation

Eine intensivmedizinische Behandlung ist erforderlich, wenn vitale Funktionen des Patienten ausgefallen sind oder der Patient wegen eines abnorm erhöhten Sympathikotonus als Folge der zerebralen Läsion analgosediert werden muss. In der Regel ist der Patient also sediert und beatmet (deshalb oral/nasal intubiert oder bei längerer Beatmungspflichtigkeit tracheotomiert), bedarf häufig einer intravenösen medikamentösen Therapie und Ernährung häufig über zentralvenöse Katheter und wird kontinuierlich überwacht bezüglich Hämodynamik, Diurese und z. T. Hirndruck. Durch die Verbindung zu Beatmungs- und Überwachungsgeräten und die Sedierung ist der Patient immobil und kommunikationsunfähig.
Die rehabilitativen Therapiemaßnahmen müssen auf die dadurch bedingten Einschränkungen zugeschnitten werden, gleichzeitig führen diese Einschränkungen zu Sekundärschäden, die zu vermindern oder zu vermeiden Ziel der Therapie ist. So geht längere Bettlägerigkeit mit Muskelabbau, Osteoporose, Dekubitusgefahr, Fehladaptation der Blutdruckregulation an die ausschließlich horizontale Körperlage einher. Der bei zerebralen Läsionen erhöhte Sympathikotonus führt zu einem erhöhten Kalorienverbrauch und dementsprechend zur Gefahr der Mangelernährung. Die bei zerebralen und spinalen Läsionen häufige Erhöhung des Muskeltonus (Spastik) kann zu Muskel- und Sehnenverkürzungen, Schrumpfungen der Gelenkkapsel und dadurch zu (auch passiv) verminderter Gelenkbeweglichkeit, Kontrakturen und (partiell) fixierten Fehlstellungen der Extremitäten führen, die die spätere Mobilisierung des Patienten erschweren und einschränken können. Besonders häufig sind Kontrakturen am Sprunggelenk (mit Ausbildung eines Spitzfußes – verhindert den Sohlenkontakt beim Stehen) und am Schultergelenk.
Dementsprechend müssen die rehabilitativen Therapiemaßnahmen auf der Intensivstation die mangelnde vegetative Stabilität, die Folgen der neurologischen Schädigung und die drohenden oder schon vorhandenen Sekundärschäden berücksichtigen:
Therapiemaßnahmen bei vegetativer Entgleisung/sympathikotoner Krise
Die klinischen Zeichen Tachykardie, Tachypnoe, Blutdruckschwankungen, profuses Schwitzen, psychomotorische Unruhe und Erhöhung des Muskeltonus sprechen für einen erhöhten Sympathikotonus. Die möglichst weitgehende Ausschaltung von irritierenden Reizen (Alarme, Lärm aller Art) im Umfeld des Patienten (sog. Umgebungskontrolle), Lagern des Patienten in entspannenden und schmerzfreien Körperhaltungen (Abb. 1) können erfolgreich sein, bei stärkerer Ausprägung ist aber häufig eine medikamentöse Therapie mit Antihypertensiva, Sedativa und Antispastika nötig.
Mobilisierung und Vertikalisierung
Zur Senkung des Muskeltonus und zur Verminderung von Muskel-, Sehnenverkürzung und Gelenkkapselschrumpfung dient passives Bewegen der Extremitäten im Rahmen der Physiotherapie. Langsame, gleichmäßige Dehnungen vermeiden am besten die Aktivierung der Muskelspindelafferenzen und damit eine Zunahme der Spastik. Wenn möglich, sollte der Patient auf der Intensivstation schon wieder an die vertikale Körperhaltung gewöhnt werden, zunächst durch eine Mobilisation in den Rollstuhl, später in den Stand. Dies dient der lageabhängigen Blutdruckregulation, der Verminderung von Osteoporose durch Skelettbelastung, der Spitzfußprophylaxe und der Steigerung der Vigilanz. Häufig lässt sich die Vertikalisierung nur unter Einschaltung mehrerer Zwischenschritte (partielle Aufrichtung im Stehbett, Stehbrett [Abb. 2], evtl. mit gleichzeitigen passiven Beinbewegungen zur Vermeidung von Synkopen [Erigo], sowie kurz dauerndes Sitzen an der Bettkante) erreichen.
Vigilanzsteigerung und Wahrnehmungsförderung
Nach Abklingen sympathikotoner Krisen sollte versucht werden, die sedierende Medikation auszuschleichen, um eine Verbesserung der Bewusstseinslage und, wenn möglich, Kontaktfähigkeit zu erreichen. Da viele Patienten aufgrund der schweren Hirnschädigungen primär komatös oder hochgradig bewusstseinsgestört sind, ist das Ausschleichen der Sedierung häufig nicht ausreichend. Über den gezielten Einsatz von Sinnesreizen kann eine Aktivierung versucht werden: somatosensorisch durch taktile Reize (Berührung, Vibration, Druck, Bewegung der Extremitäten), durch gleichzeitige vestibuläre Stimulation bei Aufrichten des gesamten Körpers, durch gustatorische, olfaktorische und somatosensorische Reize bei der Mund- und Gesichtspflege oder auch akustische und visuelle Stimuli. Ist dies nicht ausreichend, können vigilanzsteigernde Psychopharmaka eingesetzt werden (Amantadin, Methylphenidat, Modafinil). Da dadurch auch die Gefahr epileptischer Anfälle zunehmen kann, sollte zuvor ein EEG zur Risikoeinschätzung abgeleitet werden.
Nach wiedererreichter Kontaktfähigkeit ist der Patient grundsätzlich für die typischen übenden Verfahren der Rehabilitation zugänglich, die weiter unten besprochen werden.
Respiratorentwöhnung
Wesentlich für das Gelingen der Entwöhnung vom Beatmungsgerät sind eine partiell erhaltene bzw. wieder trainierbare Atemfunktion (z. B. keine komplette Querschnittslähmung oberhalb C4 mit Lähmung des Zwerchfells und der Atemhilfsmuskulatur). Die Voraussetzungen können durch ein Training der Atemmuskulatur und Vertikalisierung zur Verbesserung der funktionellen Residualkapazität (Tiefertreten der Eingeweide und des Zwerchfells in vertikaler Rumpfposition) verbessert werden. Vorgegangen wird nach einem Weaning-Protokoll mit Start- und Abbruchkriterien. Voraussetzungen für den Diskonnektionsversuch vom Beatmungsgerät sind: gute Oxygenierung und Ventilation am Respirator, stabile Hämodynamik weitgehend ohne Katecholamine, stabile metabolische Situation, Ursache des respiratorischen Versagens behoben oder gebessert, Patient wach oder nur wenig sediert, sodass erweckbar und fähig zu willkürlicher Inspiration. Die Diskonnektion muss beendet werden bei Verschlechterung der Oxygenierung trotz konstanter Sauerstoffzufuhr, Erhöhung der Atemfrequenz über 35/min, Verschlechterung der Hämodynamik, erhöhter Atemarbeit mit Einsatz der Atemhilfsmuskulatur und paradoxen Atembewegungen, Verschlechterung der Wachheit, Auftreten von vermehrter Stressreaktion mit Angst, Unruhe, Schwitzen. Ziel ist es, die Diskonnektionszeiten langsam zu steigern zunächst über Tag, dann unter Einbeziehung der Nacht.

Motorische Rehabilitation

Die Rehabilitation der Motorik fällt in das Aufgabengebiet von Physiotherapie, Ergotherapie und insbesondere in Hinblick auf Selbsthilfetraining zur Pflege des eigenen Körpers (Aufstehen, Waschen, Zähneputzen, Essen und Trinken sowie Toilettengang, auch bezeichnet als Aktivitäten des täglichen Lebens, ADL) in den Bereich der rehabilitativen Krankenpflege. Die Umsetzung der erlernten Funktionen über die Zeiten der üblichen Anwesenheit von Physio- und Ergotherapeuten hinaus in Form eines 24-Stunden-Behandlungskonzeptes sollten von den Mitarbeitern des Pflegedienstes durchgeführt werden, sodass sie speziell in den rehabilitativen Behandlungsverfahren weitergebildet sein müssen.
Vermeiden/Behandeln von Sekundärschäden/Spastik
Ausgehend vom schwerstbetroffenen immobilisierten Patienten kommt es darauf an, die Voraussetzungen für Bewegungsfähigkeit zu erhalten, also Sekundärkomplikationen wie der durch Spastik bedingten Tendenz zur Muskel- und Sehnenverkürzung und Gelenkkapselschrumpfung entgegenzuwirken. Dies geschieht am besten durch langsame passive Bewegungen zur Dehnung unter Berücksichtigung der Gelenkbeweglichkeit und der Schmerzschwelle. Dadurch lässt sich meist auch der Muskeltonus senken.
Die typische Streckspastik der Beine führt beim bettlägerigen Patienten schnell zu einer Spitzfußstellung mit Verkürzung der Wadenmuskulatur, sodass bei der Mobilisierung in den Stand die Ferse den Boden nicht mehr berührt und somit die normale Unterstützungsfläche des Fußes nicht mehr gegeben und damit das Wiedererreichen von Steh- und Gehfähigkeit erheblich erschwert ist. Nicht selten kommt es auch ohne Spastik zur Spitzfußbildung durch habituelle Lagerung in Plantarflexion durch die Auflage der Bettdecke. Um dies zu vermeiden, sollte bei der Lagerung des Patienten im Bett möglichst frühzeitig darauf geachtet werden, dass der Fuß rechtwinklig zur Unterschenkellängsachse steht, z. B. durch Einbringen eines Schaumstoffquaders zwischen Füßen und Fußteil des Bettes. Zuverlässiger ist die Anwendung von individuell angepassten „Lagerungsgipsen“, die allerdings nicht aus Gips, sondern aus selbstaushärtendem Kunststoffmaterial bestehen (Abb. 3).
Bei ausgedehnter Spastik kann ein Bad in körperwarmem Wasser durch die fehlende Temperaturdifferenz und den Auftrieb zur Minimierung der spinalen afferenten Reize und darüber zur Tonussenkung führen, sodass passive und aktive Bewegungen leichter möglich sind. Bei den oralen Antispastika ist zu bedenken, dass sie dosisabhängig zur Beeinträchtigung von Vigilanz und Kognition führen können, ein für alle Arten von Therapie mit aktiver Beteiligung des Patienten unerwünschter Effekt. Baclofen intrathekal über eine implantierte Pumpe ist zwar sehr viel weniger sedierend, führt aber zu einer bilateralen Tonussenkung, die auch häufig zu einer Kraftminderung führt, sodass die Motorik partiell gelähmter Muskeln leidet. Bei bilateraler schwerer insbesondere Schmerzen verursachender Spastik (z. B. fortgeschrittener MS) ist dies jedoch die Methode der Wahl. Zur Senkung von regional umschriebener Spastik werden intramuskuläre Injektionen von Botulinumtoxin durchgeführt, die nach 2–3 Monaten ggf. wiederholt werden müssen. Bei günstiger Dosis kann durch die Tonussenkung nicht nur eine Verminderung von Schmerzen, Gelenkfehlstellungen, Muskelverkürzungen, sondern z. T. auch eine verbesserte Beweglichkeit erreicht werden.
Haben sich schon Fehlstellungen entwickelt (am häufigsten der Spitzfuß mit Plantarflektion des Vorfußes), kann durch Gipsbehandlung eine allmähliche Aufdehnung erreicht werden, indem nacheinander (serielle) Gipse, die sich zunehmend der 90°-Stellung annähern, angepasst werden. Der erhöhte Tonus der Fußsenker lässt sich lokal durch die Injektion von Botulinumtoxin in der Regel senken, sodass die Aufdehnung durch serielles Gipsen dadurch effektiver wird. Analoges gilt für andere Fehlstellungen, wie die Flexion im Hand- und Ellenbogengelenk (Abb. 4). In seltenen Fällen können auch Operationen zur Muskel- und Sehnenverlängerung erforderlich sein.
Ein spezielles Problem stellt der vollständig gelähmte Arm dar (relativ häufig als Folge einer Ischämie der Arteria cerebri media). Durch das Gewicht des Armes und die mangelnde muskuläre Führung im Schultergelenk kommt es leicht zu einer schmerzhaften Subluxation des Schultergelenks (Abb. 5). Das Herabhängen des Armes und der Ausfall der Muskelpumpe (Kontraktion der Armmuskulatur führt zu Verkürzung und Verdickung des Muskels und dadurch zum Auspressen der Venen mit Rückstrom des Blutes nach zentral durch die Venenklappen) können rasch zu einem distal betonten Ödem des Armes und der Hand führen. Die Kombination aus Schulterschmerz, dadurch bedingter Sympathikusaktivierung und distalem Ödem entwickelt sich häufig zu einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS) weiter. Dem muss von Anfang an durch eine richtige Lagerung des Armes vorgebeugt werden. Durch Unterstützung des Unterarms durch einen in richtiger Höhe angebrachten Rollstuhltisch kann die Subluxation verhindert werden. Auf jeden Fall zu vermeiden ist ein Herunterhängen des Armes oder das Herunterfallen beim Transfer. Durch Hochlagerung der Hand über Herzniveau kann dem Ödem insbesondere im Liegen entgegengewirkt werden. Ist ein Ödem eingetreten, sind wiederholte vorsichtige Lymphdrainagen unter Schmerzvermeidung zu empfehlen in Kombination mit einer Kompressionstherapie. Diese kann in Form von zentripetalem Auswickeln von Hand und Arm durchgeführt werden (Abb. 6) oder durch Anwendung eines konfektionierten Schlauchverbandes. Ist ein CRPS eingetreten, hat sich eine Methylprednisolontherapie bewährt (30 mg/Tag für 2 Wochen, dann über 2 Wochen ausschleichen). Alternativ kann auch die Injektion von Botulinumtoxin helfen.
Konventionelle physio- und ergotherapeutische Verfahren
Ziel der motorischen Therapie ist aber natürlich die selbst gesteuerte Motorik des Patienten. Dazu wird der Patient aufgefordert, motiviert und dabei unterstützt. Sinnvoll und motivierend ist, die Motorik auch für Alltagsbewegungen zu nutzen, sodass für den Patienten der Sinn offensichtlich ist, und damit seine Selbstständigkeit zu fördern, wie das Drehen im Bett, das Aufsetzen am Bettrand, das unterstützende Führen der Extremitäten bei der Körperpflege (sichtbar in Abb. 2). Verschiedene physiotherapeutische Behandlungskonzepte nutzen unterschiedliche Techniken.
Repetitives funktionsorientiertes Üben
Ansätze aus der motorischen Trainingstherapie, die gezeigt haben, dass sehr hohe Wiederholungsraten der Bewegung erst zu einem optimalen Ergebnis führen, wurden in die Neurorehabilitation zur Ausführung sehr einfacher Bewegungsabläufe bei zerebral gelähmten Patienten übernommen. Der Patient ist aber für ziel- und funktionsorientierte komplexere Bewegungen, die alltagsnahe Bewegungsabläufe simulieren, leichter zu motivieren, weil dann die Sinnhaftigkeit der Übung unmittelbar evident ist. Dabei sollen die Übungen in unterschiedlicher Reihenfolge und unter variablen und realistischen Bedingungen möglichst als vollständige motorische Handlungsabläufe geübt werden. Ausgehend von der Funktionsstörung („impairment-oriented“) wurde für Patienten mit leichterer Armparese ein „Arm-Fähigkeitstraining“, für Patienten mit schwerer Armparese ein „Arm-Basistraining“ entwickelt, das in einer vergleichenden Studie einer Behandlung nach Bobath überlegen war.
Visuelles Feedback/Spiegeltherapie
Eine intakte Rückmeldung der erfolgten Bewegung über die eigenen somatosensorischen Systeme (Lage- und Bewegungssinn) beschleunigt das motorische Lernen erheblich im Vergleich zu Patienten mit Lagesinnstörung, die den Erfolg der Bewegung erst visuell wahrnehmen müssen. Ein externes Feedback der eigenen Bewegungsabläufe (z. B. durch Videoaufnahmen) kann aber zu einer weiteren Verbesserung führen. Auch die Bewegungsbeobachtung allein führt zu einer motorischen Verbesserung, ist allerdings effektiver, wenn die Bewegung vom Patienten imitiert wird. Bei der sog. Spiegeltherapie (Abb. 7) wird bei einem halbseitig gelähmten Patienten die intakte Körperseite so gespiegelt, dass sich bei intendierter bilateral symmetrischer Innervation für den Patienten der visuelle Eindruck ergibt, dass die gelähmte Seite ebenfalls die intendierte Bewegung ausführt. Dieses Behandlungsverfahren hat in Studien insbesondere bei distal betonten Armparesen Therapieerfolge gezeigt.
Constraint-Induced Movement Therapy (CIMT)
Lähmungen haben aber häufig zur Folge, dass die gelähmte Extremität wegen der geringeren Effektivität weniger benutzt wird, als dies aufgrund der Ausprägung der Lähmung erforderlich wäre (sog. erlernter Nichtgebrauch). Um diesen nicht erwünschten Effekt rückgängig zu machen, wurde die Therapie des sog. erzwungenen Gebrauches („forced use“) entwickelt, welche darauf beruht, dass die normale Seite an ihrer Bewegungsfähigkeit durch mechanische Hindernisse (Tragen eines dicken Handschuhs an der ungelähmten Hand bis zum Festwickeln des gesunden Armes am Rumpf) gehindert wird und es damit für den Patienten relativ leichter ist, die intendierte Bewegung mit der gelähmten Seite auszuführen. Diese Therapie setzt allerdings eine im Alltagsgebrauch nutzbare Motorik auf der gelähmten Seite voraus und hat sich in mehreren Studien als besonders effektiv erwiesen.
Weiterhin werden auch von einzelnen Therapeutenschulen gelehrte Therapieverfahren eingesetzt, für die in vergleichenden Untersuchungen, allerdings an relativ kleinen Patientenzahlen, keine Überlegenheit demonstriert werden konnten. Meist werden heute diese traditionellen Techniken bzw. Elemente daraus mit den neueren Techniken, wie dem repetitiven Üben einfacher Bewegungsabläufe, dem aufgabenorientierten Training und der Vermeidung des „erlernten Nichtgebrauchs“ durch erzwungenen Gebrauch („forced use“) kombiniert.
Bobath-Konzept
Das Bobath-Konzept legt besonderen Wert auf die Förderung des normalen Bewegungsablaufs beim Wiedererlernen der Motorik, da davon ausgegangen wird, dass Kompensationsmuster weniger ökonomisch sind, mit einer Fehlbelastung einhergehen können und im Verlauf nur mühsam zu korrigieren sind. Deshalb werden Abweichungen vom normalen Haltungs- und Kontrollmechanismus bei der Befundaufnahme genau analysiert in Hinblick auf Tonus, Zusammenspiel von Agonisten und Antagonisten und Stell-, Schutz- und Gleichgewichtsreaktionen. Durch die Ausrichtung sog. Schlüsselpunkte (Beziehungen von Körperabschnitten zueinander) und deren Beziehung zur Unterstützungsfläche soll ein möglichst physiologischer Bewegungsablauf unter Einbeziehung des propriozeptiven Feedbacks erzielt werden. Komplexe Bewegungsabläufe werden in einfachere Bewegungssequenzen aufgeteilt. Taktile Hilfen unterstützen die Bewegungsabläufe (Fazilitation) und werden mit den Fortschritten der Therapie reduziert.
Propriozeptive neuromuskuläre Stimulation
Die propriozeptive neuromuskuläre Stimulation (PNF) geht davon aus, dass durch propriozeptive Reize wie Traktion, kurze Muskeldehnungen, Approximation und manuell gesetzte Widerstände Bewegungsabläufe erleichtert und beeinflusst werden können. Das menschliche Bewegungssystem wird als aus diagonalspiralig angeordneten Muskelschlingen bzw. Muskelketten zusammengesetzt gedacht, dementsprechend wird in diagonalen Bewegungsabläufen geübt.
Weitere Konzepte
Weitere Behandlungskonzepte sind das Brunnström-Konzept, das eine Bewegungsinitiierung auf der hemiparetischen Seite durch eine supramaximale Innervation der nicht betroffenen Seite zu erreichen sucht (Overflow-Innervation), das Vojta-Konzept, das eine Reflexlokomotion durch Druck des Therapeuten auf bestimmte Auslösezonen ermöglicht und in der Therapie von Kindern noch eine Rolle spielt, sowie manualtherapeutische Techniken, die bei Bewegungseinschränkungen und Schmerzen zum Einsatz kommen.
Rehabilitation des Schreibens
Trotz der Vielfalt unterschiedlicher Handschriften sind die Geschwindigkeits- und Beschleunigungsprofile bei der Analyse kleinster Einheiten (z. B. ein Auf- und Abstrich) bei routinierten Schreibern erstaunlich ähnlich, die Geschwindigkeitskurve zeigt nämlich eine glatte symmetrische Glockenform mit einem einzelnen Maximum. Im Gegensatz dazu sind die Geschwindigkeitskurven von Patienten und jungen Schülern, die das Schreiben erlernen, durch mehrere Geschwindigkeitsmaxima, Beschleunigungsänderungen und Richtungswechsel charakterisiert. Um die übliche automatisierte Schreibform wiederzuerlangen, ist es wichtig, den Patienten davon abzuhalten, zu versuchen, die Buchstaben möglichst genau zu „malen“. Vielmehr wird versucht, mit sehr einfachen Bewegungsabläufen, z. B. dem Schreiben von Kringeln oder mehreren ℓ hintereinander, das automatisierte Bewegungsmuster zu aktivieren. Erst wenn dies erreicht wird, kann der Schwierigkeitsgrad gesteigert werden, dadurch dass zusätzliche Buchstaben mit komplizierterem Bewegungsablauf eingeführt werden. Die Schreibbewegungen lassen sich leicht mit einem sog. Digitalisiertablett erfassen und in Hinblick auf Geschwindigkeits- und Beschleunigungsmaxima mithilfe von Computerprogrammen online analysieren, sodass dem Patienten das Ergebnis seiner Bemühungen unmittelbar demonstriert werden kann.
Apparativ assistierte Behandlungsmöglichkeiten
Zusätzlich sind für die motorische Rehabilitation eine ganze Reihe von apparativen Behandlungssystemen entwickelt worden, die z. T. auf mechanischer Unterstützung, mechanischem Widerstand zur Trainingstherapie und Elektrostimulation der Muskulatur beruhen.
EMG-getriggerte Elektrostimulation
Beim hochgradig gelähmten Arm gelingt z. B. aufgrund des Beugetonus die Flexionsbewegung der Finger regelhaft besser als die Extensionsbewegung. Mittels elektromyografischer Ableitung lässt sich häufig aber auch die Aktivität weniger Muskelfasern in den Extensoren mit der Elektromyografie (EMG) registrieren, die dann durch elektronische Verstärkung eine Elektrostimulation dieser Muskeln mit resultierender Extension von Fingern und Handgelenk bewirken und dem Patienten zu einem sichtbaren Erfolgserlebnis verhelfen (Abb. 8).
Schrittauslösung durch Flexorreflex
Durch Elektrostimulation eines Fluchtreflexes (sog. Flexorreflex) durch Elektrostimulation am distalen Bein kann eine Synergie von Hüft- und Kniebeugung und Fußhebung initiiert werden, eine Synergie, die zur Initiierung eines Schrittes in der Gangtherapie genutzt werden kann.
Funktionelle Elektrostimulation (FES)
Durch Elektrostimulation verschiedener Muskeln in zeitlich richtiger Reihenfolge lassen sich auch komplexere funktionell sinnvolle Bewegungsabläufe erreichen (sog. funktionelle Elektrostimulation – FES). Dieses Verfahren lässt sich recht gut an den kleineren Muskeln der oberen Extremität einsetzen. So gelingt es z. B. durch Elektrostimulation der Fingerbeuger und -strecker, den distal gelähmten Arm für einfache Halte- und Greiffunktionen einzusetzen, um z. B. mit der nichtgelähmten anderen Hand den festgehaltenen Gegenstand manipulieren zu können. Bei erhaltener Sensibilität ist eine Stimulation der großen proximalen Beinmuskeln wegen der (für ausreichende Drehmomente) erforderlichen Stromstärken zu schmerzhaft, um ein Gehen über FES zu erreichen. Bei der häufigen Fußheberschwäche kann aber durch zeitgerechte Elektrostimulation des N. peronaeus im Gangzyklus eine Verbesserung des Gangbildes erreicht werden (Abb. 9). Bei Patienten mit komplettem Querschnitt und daher ausgefallener Sensibilität können aber mit FES Beinbewegungen für das Fahren mit einem Dreirad generiert werden. Dabei steht der Aspekt der Fortbewegung nicht im Vordergrund, vielmehr lässt sich ein kardiales Ausdauertraining und eine Verbesserung der Muskeltrophik im Gesäßbereich zur Vorbeugung von Dekubiti erreichen.
Apparativ mechanisch unterstützte und geführte Bewegungstherapie
Das Führen der Extremität durch einen quasi physiologischen Bewegungsablauf ist eine Alternative, da dadurch auch ein somatosensorischer Input über Lage- und Bewegungsrezeptoren erreicht wird. Am stärksten bietet sich das natürlich für sehr standardisierte Bewegungsabläufe wie beim Gehen an. Durch die Kombination eines Laufbandes mit einer Sicherung und Gewichtsentlastung des Patienten durch ein Gurtsystem ist es möglich, das Gehen zu üben, selbst wenn der Patient wegen der Lähmung das eigene Körpergewicht noch nicht wieder tragen kann („gait therapy with partial body weight support“). Bei hochgradiger Lähmung des Beines kann auch das gelähmte Bein von einem Physiotherapeuten geführt werden, eine wegen des Beingewichtes und der häufig gebückten Körperhaltung für den Therapeuten körperlich sehr belastende Tätigkeit (Abb. 10). Meist ist bei höhergradig gelähmten Patienten dann noch ein weiterer Physiotherapeut zur Stabilisation des Beckens nötig. Zur personellen Entlastung wurden verschiedene Maschinen entwickelt, die einen annähernd natürlichen Bewegungsablauf des Beines beim Gehen imitieren, während der Patient wieder in einem Gurtesystem gesichert ist. Prinzipiell zu differenzieren ist zwischen Exoskelettsystemen (Lokomat und mobile Exoskelette wie EKSO Bionics, HAL, Indego, Rewalk), bei denen die gelähmte Extremität komplett oder partiell durch apparative Steuerung der einzelnen Gelenkachsen bewegt wird, und Endeffektorgeräten (Gangtrainer, G-EO, Lyra, Anklebot, LokoHelp), bei denen die Position des Fußes gesteuert bewegt wird und die Bewegung in den dazwischen liegenden Gelenken apparativ nicht genau vorgegeben ist. Diese Geräte vermitteln dem Patienten die Illusion, wieder nahezu gehfähig zu sein, was die Motivationslage erheblich bessern kann (Abb. 11). Es wurden mehrere vergleichende Studien zwischen der physiotherapeutisch unterstützten Gangtherapie auf dem Laufband mit partieller Gewichtsentlastung und den mechanischen Gangtherapiegeräten durchgeführt, die z. T. eine Überlegenheit der Gangtherapiegeräte zeigten (s. auch entsprechende Cochrane-Analyse), die übrigen Studien zeigten keinen signifikanten Unterschied, keine Studie zeigte eine Überlegenheit der physiotherapeutisch unterstützten Gangtherapie.
Ähnliche Geräte wurden auch für die Armfunktion entwickelt. Dabei wird z. B. das Schultergelenk oder Ellenbogengelenk bei Bewegungen innerhalb eines intendierten Pfades unterstützt oder bei Bedarf geführt (MIT-Manus). Andere Geräte dienen der Extension und Flexion im Handgelenk, der Pro- und Supination (Bi-Manu-Track), weitere Geräte beüben die Funktion einzelner Finger (Amadeo). Auch für bilaterale alternierende rhythmische Streck- und Beugebewegungen auf akustische Reize wurde ein Gerät entwickelt (BATRAC), alternativ können auch bilateral symmetrische Streck- und Beugebewegungen geübt werden (Rehaslide). Wegen der komplexen Bewegungsabläufe und zahlreichen Bewegungsachsen des Armes (3 in der Schulter, 2 im Ellenbogengelenk, 2 im Handgelenk ohne Berücksichtigung der Finger) sind Geräte, die alle Bewegungsachsen nachbilden, komplex und teuer (Armeo Power). Zusätzlich gibt es zahlreiche Geräte, die die selbst initiierten Bewegungen des Patienten erfassen und sie dem Patienten im Rahmen von Videospielen rückmelden und auf diese Weise zu einer Steigerung der Motivation und damit der Übungshäufigkeit und -dauer führen.
Es wurden mehrere vergleichende Studien durchgeführt, die insgesamt eine bessere Funktionserholung und größere Kraft für die apparativ behandelten Gruppen im Vergleich zur konventionellen Therapie zeigten, besonders im Schulter- und Ellenbogengelenk. Hinsichtlich der Einsetzbarkeit des Armes in den Alltagsaktivitäten fand sich zwischen apparativer Therapie und konventioneller Therapie häufig kein Unterschied. Allgemein kann gesagt werden, dass sich in Therapiestudien in der Regel die Funktion bessert, die für die Übungsanordnung gewählt wurde, dass die Generalisierung auf andere motorische Funktionen aber häufig gering ist.
Pharmakologische Beeinflussung der motorischen Rehabilitation
Eine generelle Besserung der Motorik gemessen in Form einer Verminderung der Pflegebedürftigkeit nach Schlaganfall, aber auch der Stimmungslage, wurde unter der Gabe von Fluoxetin festgestellt, wobei wahrscheinlich ist, dass dies auch für pharmakologisch verwandte Substanzen (SSRI) gilt. Zwei kleine Studien zeigten auch eine verbesserte motorische Erholung unter der Gabe von 100 mg L-Dopa kurz vor der physiotherapeutischen Übungsbehandlung im Vergleich zu Placebo.
Beeinflussung der kortikalen Erregbarkeit
Ein anderer Behandlungsansatz insbesondere in der Motorik besteht in der direkten Beeinflussung der kortikalen neuronalen Erregbarkeit. In den letzten Jahren wurden insbesondere zwei Paradigmen genauer untersucht, die sog. repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) und die transkranielle Gleichstrom(„direct current“ = DC)-Stimulation (tDCS). Bei der rTMS hängt der Effekt von der Frequenz der applizierten Magnetfelder ab (ab 5 Hz stimulierend, 1 Hz hemmend), bei der tDCS von der Polarität der Stimulation (anodal-depolarisierend-erregend, kathodal-hyperpolarisierend-hemmend). Bei dem am häufigsten zu behandelnden Krankheitsbild, dem Schlaganfall, ist ja in der Regel nur eine Hemisphäre betroffen, deshalb muss bei der Applikation bedacht werden, dass die intakte Hemisphäre einen hemmenden Einfluss auf die läsionierte Hemisphäre hat. Es besteht also grundsätzlich die Alternative, die läsionierte Seite zu stimulieren oder die gesunde Seite zu hemmen. Diese Techniken werden aktuell in größeren Multicenter-Studien untersucht. Da die DC-Stimulation einfacher zu realisieren ist (die Elektrostimulation kann während der Bewegungstherapie durchgeführt werden), ist diese Technik leichter in der Klinik einsetzbar.

Dysphagie/Schluckstörung

Bei der willkürlichen Kontrolle des Schluckens werden weitgehend gleiche anatomische Strukturen wie beim Sprechen benutzt (50 Muskelpaare und 6 Hirnnerven), sodass die Behandlung meist durch die Sprachtherapie, also Logopäden oder Sprachheilpädagogen durchgeführt wird.
Schluckstörungen sind von besonderer Relevanz, weil Aspiration mit häufig folgender Pneumonie den Patienten gefährdet. Insofern besteht eine enge Beziehung auch zur Frage der Sicherung der Atemwege durch Intubation, Beatmung, Tracheotomie, weiterhin eine enge Beziehung natürlich zur ausreichenden Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr.
Schluckstörungen treten relativ häufig auf, bei akutem Schlaganfall in ca. 40–50 % der Fälle, bei Hirnstammläsionen bei genauerer Untersuchung in ca. 80 %.
Der Schluckvorgang gliedert sich in vier Phasen. Die orale Vorbereitungsphase besteht aus Kauen und Einspeicheln und anschließend der Formung eines Speiseklumpens (Bolus). Dieser wird in der jetzt folgenden oralen Transportphase nach hinten in Richtung Rachen bewegt. Diese beiden Phasen sind willkürlich gesteuert. Der Schluckreflex wird dadurch ausgelöst, dass der Bolus mit dem Gaumensegel und Zungengrund Kontakt macht. Dies ist der Beginn der pharyngealen Phase. Um ein Eindringen der Nahrung in die Nase zu verhindern, kommt es zu einer Hebung des Gaumensegels mit Abdichtung des Nasenrachens und einer Kontraktion der oberen Schlundmuskeln. Anschließend hebt sich der Kehlkopf, verbunden mit einer Senkung der Epiglottis, um den Bolus über dem Eingang zum Kehlkopf nach hinten Richtung Ösophagus zu transportieren. Als weitere Sicherungen gegen Eindringen von Flüssigkeit und Nahrung in die Trachea kommt es zu einem Verschluss von Taschenfalten und Stimmlippen. Durch Öffnung des oberen Ösophagussphinkters tritt der Bolus in den Ösophagus ein. Dieser Übertritt wird durch Schieben der Zunge, pharyngeale Konstriktionen, das Eigengewicht des Bolus und zusätzlich durch einen Unterdruck im Hypopharynx, der durch die Hebung und Vorverlagerung des Kehlkopfes entsteht, hervorgerufen. In der sog. ösophagealen Phase wird der Bolus durch die Peristaltik in Richtung Magen transportiert. Der distale Ösophagus und der untere Ösophagussphinkter bestehen aus glatter Muskulatur, sind vegetativ innerviert und daher funktionellen Behandlungsmethoden nicht zugänglich.
Diagnostik
Zur Diagnostik von Schluckstörungen gehört zunächst einmal eine gezielte Anamnese (Schluckprobleme, Husten, Fieber, Pneumonie, Gewichtsabnahme) und eine genaue Untersuchung der motorischen und sensiblen Funktion der kaudalen Hirnnerven, ferner eine Beurteilung der Stimmqualität (z. B. gurgelnde Stimme bei Eintritt von Speichel oder Nahrung in den Kehlkopfeingang). Es wird auf Beweglichkeit von Zunge, Velum, Kehlkopf und Kiefer (Ruhelage, willkürliche und reflektorische Beweglichkeit), Atrophie und Fibrillationen der Zunge, Sensibilität an Gaumenbogen und Rachenhinterwand beidseits und Auslösbarkeit des Würgreflexes geachtet. Vor der Schluckprobe werden die Reinigungsfunktionen (willkürliches Räuspern und Husten) überprüft. Für die klinische Schluckuntersuchung werden 50 ml Wasser angeboten, die in kleinen Schlucken von ca. 5 ml zu sich genommen werden sollen. Dabei wird auf Verschlucken, Erstickungsanfälle, Husten oder Änderung der Stimmqualität geachtet. An apparativen Verfahren stehen die endoskopische Schluckuntersuchung (FEES = „flexible endoscopic evaluation of swallowing“, endoskopische Beobachtung des Schluckaktes von oben durch die Nase und Aufzeichnungen mithilfe einer Videokamera), die Videofluoroskopie/Röntgenkinematografie (Aufzeichnung des Transports von röntgenkontrasthaltigem Brei a.-p. und seitlich) und ggf. die Tracheo- und Bronchoskopie zur Verfügung.
Schluckstörungen können alle Phasen des Schluckaktes von Seiten der Motorik, der Sensibilität und der Koordination betreffen. Bereits die Mundöffnung kann durch eine ausgeprägte Spastik der Kiefermuskulatur (Trismus) erschwert sein. Frühkindliche Bewegungsmuster wie Saug-, Schnauz- und Beißreflexe können wieder auftreten. Am gravierendsten ist die Kombination von gestörter Oralmotorik und mangelnder Sensibilität im Rachen- und Kehlkopfbereich, was zum Ausbleiben des Hustenstoßes führt, sodass Speisebrei oder Flüssigkeit unbemerkt in die Trachea eintritt (sog. stille Aspiration, „silent aspiration“). Der Grad der Schluckstörung wird nach Penetration (Eintritt des Speisebolus oder von Speichel in den Kehlkopfeingang), Aspiration (Eintritt in den subglottischen Bereich, also unterhalb der Stimmlippen) und Vorhandensein bzw. Fehlen des Hustenreflexes graduiert. Zeitlich kann die Aspiration im Verhältnis zur Auslösung des Schluckreflexes (davor, während und danach) in prädeglutitive, intradeglutitive und postdeglutitive Aspiration differenziert werden. Die prädeglutitive Aspiration kann durch eine unzureichende Boluskontrolle mit vorzeitigem Eintritt des Bolus oder durch eine verzögerte Auslösung des Schluckreflexes bedingt sein. Ursache der intradeglutitiven Aspiration ist meist eine unzureichende Kehlkopfhebung und nicht ausreichende Epiglottisabsenkung. Wenn durch eine insuffiziente pharyngeale Konstriktion oder Öffnungsstörungen des oberen Ösophagussphinkters Speisereste im Hypopharynx verblieben sind, kann es nach Ende des Schluckreflexes beim Wiederöffnen der Stimmlippen zur postdeglutitiven Aspiration kommen.
Therapie
Bei den therapeutischen Maßnahmen wird zwischen kausalen und kompensatorischen Verfahren unterschieden.
Kausale Maßnahmen
Ziel der kausalen Therapiemaßnahmen ist die Wiederherstellung der Sensomotorik des Schluckens.
Zur Verbesserung des sensorischen Inputs kommen thermale Reize, Geschmacksintensivierung (Beimischung von Zitronensaft) und mechanische Reize (Streichungen, Massage) in Frage. Eine Verbesserung des Schluckens (frühere Reflextriggerung und geringere Aspirationsneigung) wohl als Folge einer besseren kortikalen Erregbarkeit nach einseitigen supratentoriellen Läsionen lässt sich durch pharyngeale Elektrostimulation erreichen. Dazu wird eine bipolare Elektrode transnasal oder transoral oberhalb des oberen Ösophagussphinkters platziert und 10 min mit 5 Hz und 75 % der maximal tolerablen Amplitude stimuliert. Bei Hirnstammläsionen scheint dies Verfahren nicht wirksam zu sein.
Muskuläre Kräftigung kann durch Übungen gegen Widerstand erreicht werden, häufigere Bewegungswiederholungen mit geringerer Kraft fördern die Ausdauer, zusätzlich ist die Übung rascher Kontraktionsgeschwindigkeiten sinnvoll. Spezielle Übungen (Masako-Manöver) verbessern die Anteriorbewegung der Pharynxhinterwand und damit die pharyngeale Konstriktion. Mit dem Shaker-Manöver lässt sich eine Larnyxventralisation, eine weitere Öffnung des oberen Ösophagussphinkters und eine erhöhte Bolusfließgeschwindigkeit erreichen.
Zur Beeinflussung des Tonus können langsame Dehnungen, Streichungen und Wärmeanwendungen (detonisierend) durchgeführt werden, umgekehrt wirken rasche, kurze Dehnungen, kurze Anwendung von Kältereizen und hochfrequente Vibrationen tonisierend.
Adduktionsübungen im Kehlkopfbereich verbessern den Verschluss der oberen Luftwege.
Kompensatorische Maßnahmen
Kompensatorische Verfahren umfassen spezielle Schluckmanöver, Haltungsänderungen des Kopfes beim Schlucken und Anpassung der Kost an das Schluckvermögen. Auch die schon erwähnten Maßnahmen zur Steigerung des sensorischen Inputs werden z. T. dazugezählt.
Bei reduzierter Larynxbewegung nach oben und dadurch bedingter Öffnungsstörung des oberen Ösophagussphinkters ist das Mendelsohn-Manöver indiziert. Dabei soll der Patient willkürlich durch Anspannung der Rachen- und Zungengrundmuskulatur den Kehlkopf mehrere Sekunden in hoher Position halten lernen. Dies kann durch Bewusstmachung der Kehlkopfbewegungen durch Ertasten der Kehlkopfverschiebung am Hals von außen und durch Drücken der hinteren Zungenanteile gegen den Gaumen bei geschlossenem Kiefer gelingen.
Bei prädeglutitiver Aspirationsgefahr wird das sog. supraglottische Schlucken durchgeführt, indem durch willkürliches Atemanhalten ein frühzeitiger Stimmlippenverschluss herbeigeführt wird. Durch sehr kräftiges Atemanhalten kann auch ein Verschluss des Kehlkopfeingangs (Taschenfaltenverschluss) durch Kippen der Aryknorpel und damit die Verhinderung einer intradeglutitiven Aspiration erreicht werden (sog. supra-supraglottisches Schlucken). Postdeglutitive Retentionen können bei Bedarf abgehustet werden.
Durch Haltungsänderungen des Kopfes kann man durch die Schwerkraft die Bewegungsrichtung des Bolus beeinflussen. Durch eine Kopfneigung nach vorn kann man bei gestörter oraler Phase eine prädeglutitive Aspiration verhindern, indem die Nahrung nicht vor der Reflexauslösung in den Rachen gleitet. Bei halbseitiger Lähmung kann durch Rotation des Kopfes zur betroffenen Seite eine Verkleinerung des Rachens auf dieser Seite und durch Kopfneigung zur gesunden Seite ein Abschlucken über die nichtparetische Seite erreicht werden.
Bei degenerativen Erkrankungen (z. B. amyotrophe Lateralsklerose mit bulbärer Beteiligung) kommt es durch die Atrophie der Zunge zur Verminderung des Druckes zwischen Gaumen und Zunge, mit der der Bolus rachenwärts transportiert wird. Dann kann eine individuell angepasste Gaumensegelprothese den Raum zwischen Zunge und Gaumen vermindern und den oralen Transport erleichtern.
Im Einzelfall kann auch der Einsatz von Ess- und Trinkhilfen (Schiebelöffel bei gestörtem oralen Transport, Trinkbecher mit Dosierfunktion, Trinken mit Strohhalm) indiziert sein.
Nahrungsadaptationen richten sich nach der Art der Schluckstörung. Bei verminderter Öffnung des oberen Ösophagussphinkters werden Flüssigkeiten leichter eingeschluckt als feste Konsistenzen. Bei Sensibilitätsstörungen werden feste Konsistenzen besser wahrgenommen als flüssige, Temperaturunterschiede erleichtern ebenfalls die Wahrnehmung. Die Fließgeschwindigkeit von Flüssigkeiten lässt sich durch Andicken verlangsamen. Bei gestörter Kau- und oraler Transportfunktion erleichtern breiige Konsistenzen das Schlucken. Krümelige, klebrige und gemischte Konsistenzen sind am schwierigsten zu kontrollieren.
Bei neurogenen Dysphagien ist häufig die Kombination von kausalen, kompensatorischen und adaptiven Verfahren nötig, um zum Erfolg zu kommen.
Trachealkanüle und Tracheostoma
Dysphagietherapie bei Patienten mit Trachealkanüle soll mit entblockter Kanüle durchgeführt werden, weil der geblockte (aufgeblasene) Cuff (aufblasbare Manschette aus Weichgummi zur Abdichtung zwischen Kanüle und Tracheawand) bei herabgesetzter Larynxbeweglichkeit diese behindern kann und bei Passage des Bolus vom Ösophagus aus Druck auf die Pars membranacea der Trachea ausgeübt wird mit der Gefahr einer Tracheomalazie und einer tracheoösophagealen Fistelbildung.
Grund für die Anlage eines Tracheostomas und den Einsatz einer Trachealkanüle ist neben der Langzeitbeatmung häufig eine ausgeprägte Schluckstörung. Der aufblasbare Cuff reduziert auch die Aspiration von Speichel erheblich, auch wenn eine vollständige Dichtigkeit häufig nicht erreicht wird. Hier ist der Cuffdruck limitierend, da eine tracheale Schädigung durch zu hohe Drücke möglich ist (Epithelläsionen mit Granulationen, Tracheomalazie mit inspiratorischem Stridor). Die Notwendigkeit der Blockung ergibt sich hauptsächlich aus der Schwere der Speichelaspiration. Die Entblockung wird im Laufe des Therapieprozesses zeitlich unter Kontrolle der Entzündungsparameter (Pneumoniegefahr) gesteigert. Im weiteren Verlauf kann von einer gecufften ungefensterten Trachealkanüle auf eine gecuffte gefensterte übergegangen werden. Diese erlaubt nach Aufsetzen eines Sprechventils die Inspiration über die Kanüle und die Exspiration per vias naturales über den Kehlkopf mit der Möglichkeit zu sprechen. Die schließlich verwendete ungecuffte gefensterte Kanüle erlaubt natürliche In- und Exspiration, die durch ein immer längeres Tragen einer Verschlusskappe auf der Kanüle Ziel der Therapie ist. Wird die Verschlusskappe 24 Stunden toleriert und ist die Kostaustestung erfolgreich abgeschlossen, Sekretmenge und -beschaffenheit tolerabel (Führen eines Absaugprotokolls), der Hustenstoß ausreichend kräftig und besteht keine Stenose der Atemwege, kann eine Dekanülierung erwogen werden. Das Belassen eines Platzhalters kann die evtl. notwendige Rekanülierung erleichtern. Erst nachdem das Tracheostoma 2 Wochen luftdicht ohne Komplikationen abgeklebt war, wird das Tracheostoma verschlossen, soweit es sich nicht (insbesondere bei einem dilatativen Tracheostoma) von selbst durch Schrumpfung verschließt. Nicht in allen Fällen ist eine Dekanülierung möglich. Bemerkenswert ist, dass trotz einer zunächst nicht erfolgreichen Schlucktherapie, die eine Dekanülierung und einen Tracheostomaverschluss verhindert hat, eine erneute Rehabilitationsmaßnahme häufig zum Erfolg führt. Denn in etwa der Hälfte der Patienten lässt sich in einer zweiten Rehabilitationsmaßnahme (sog. Intervallrehabilitation) doch noch eine ausreichende Schluckfunktion wiederherstellen.

Sprachtherapie

Klassifikation der Sprachstörungen
Bei über 90 % der Rechtshänder und über 60 % der Linkshänder ist die Sprache linksdominant organisiert. Insbesondere linkshirnige Läsionen können also zu einer Sprachlähmung (Aphasie) führen (geschätzt 50.000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland). Unter Aphasie wird eine nach abgeschlossenem Spracherwerb aufgrund einer Hirnläsion aufgetretene Sprachstörung verstanden, die die drei Strukturebenen der Sprache betreffen, nämlich Phonologie (Lautrepräsentation von Wörtern), Syntax (Regeln der Wortfolge und -beugung in Sätzen) und Semantik (Bedeutung der sprachlichen Äußerung). Davon zu differenzieren sind sprechmotorische Störungen wie die Dysarthrie oder Dysarthrophonie (Beeinträchtigung der Artikulation), Dysphonie (Beeinträchtigung der Stimmbildung = Phonation – bis hin zur Aphonie, der Unfähigkeit, stimmhaft zu sprechen, also nur noch Flüstersprache), Sprechapraxie (Planungsstörung des Sprechens mit unflüssiger Sprechweise und artikulatorischen Suchbewegungen) und Dysprosodie (Beeinträchtigung der Sprachmelodie, Intonation, Sprechrhythmus und Lautstärkemodulation).
Die Aphasie betrifft alle Modalitäten der Sprachverarbeitung, d. h. die Sprachproduktion, das Sprachverständnis, das Lesen und Schreiben, wobei unterschiedliche Störungsbereiche im Vordergrund stehen können. Bezüglich der Sprachproduktion können die Störungen den oben genannten Strukturebenen (Phonologie, Syntax und Semantik) zugeordnet werden.
Phonologische Störungen
Phonologische Störungen umfassen Wortfindungsstörungen (mit Verwendung von lautlich ähnlichen Wörtern, z. B. Hand statt Hund oder Umschreibungen) und phonematische Paraphasien (fehlerhaft lautliche Umsetzung in Form von Auslassung, Hinzufügung, Ersetzung oder Vertauschung von Sprachlauten = Phonemen wie „Kische“ statt „Kirsche“, „Bansane“ statt „Banane“ oder „Afpel“ statt „Apfel“). Im Extremfall wird eine Aneinanderreihung phonematisch entstellter Silben geäußert (phonematischer Jargon).
Syntaktische Verarbeitungsstörungen
Syntaktische Verarbeitungsstörungen äußern sich in einer Reduktion der grammatikalischen Komplexität bis hin zu einer Aneinanderreihung von unflektierten Nomen und Verben (Agrammatismus, Telegrammstil). Es kann aber auch zur Bildung komplexer, aber fehlerhafter Sätze mit Satzverschränkungen kommen (Paragrammatismus).
Semantische Verarbeitungsstörungen
Semantische Verarbeitungsstörungen gehen mit der Verwendung von inhaltlich ähnlichen, aber nicht genau zutreffenden Begriffen (semantische Paraphasien, z. B. „Finger“ statt „Zehen“) oder Wortneubildungen (Neologismen: „Kaltschrank“ statt „Kühlschrank“) einher bis hin zu einer Aneinanderreihung phonologisch korrekter Wörter, die aber ohne Informationsgehalt sind (semantischer Jargon).
Schreibstörungen
Schreibstörungen (Agrafien) im Rahmen einer Aphasie spiegeln meist die lautsprachlichen Defizite wider in Form von graphematischen (Paragrafie), syntaktischen und semantischen Fehlern.
Störungen des Sprachverständnisses
Störungen des Sprachverständnisses erschließen sich aus einer inadäquaten Reaktion im Gespräch, insbesondere auf Fragen oder Aufforderungen. Leichtere Störungen können aber auch unerkannt bleiben, weil die Patienten aus dem situativen Kontext oder aus der Gestik des Gesprächspartners die Information erschließen. Auch bezüglich des Sprachverständnisses kann bei systematischer Testung wieder zwischen phonologischen, syntaktischen und semantischen Störungen differenziert werden.
Lesestörungen (Alexien) reflektieren meist die expressiven und rezeptiven Defizite, sodass man beim lauten Vorlesen zwischen phonematischen, syntaktischen und semantischen Fehlern differenzieren kann. Das Lesesinnverständnis muss gesondert untersucht werden. Reine Lesestörungen ohne Beeinträchtigung von Sprachproduktion, Schreiben und Verstehen sind Raritäten und werden auf eine Läsion der Verbindung zwischen den linkshirnigen Spracharealen und dem linken und rechten visuellen System zurückgeführt.
Diagnostik
Zur diagnostischen Einordnung einer Aphasie sollten zumindest die Spontansprache, das Sprachverständnis, Nachsprechen, Benennen, Lesen und Schreiben geprüft werden. Am weitesten verbreitet in der Aphasiediagnostik, aber auch mit einem Zeitbedarf von 2 Stunden relativ aufwendig, ist der Aachener Aphasie-Test (AAT), der zusätzlich zu der standardisierten Untersuchung der gerade benannten Bereiche den Token-Test (Arrangieren von geometrischen Formen auf mündliche Aufforderung) umfasst. Neben der Aussage bezüglich des Vorliegens einer Aphasie kann der Test auch die Schwere bewerten und ein Störungsprofil darstellen, auf dessen Basis eine Syndromzuordnung möglich ist. Zur Diagnostik akuter Aphasien wurde der Aachener Aphasie-Bedside-Test (AABT) entwickelt. Es gibt noch zahlreiche weitere Tests für einzelne Sprachmodalitäten, zur Erfassung kommunikativer Fähigkeiten oder auf der Basis bestimmter Modelle der Sprachverarbeitung (z. B. LEMO – Lexikon modellorientiert – auf der Basis des Logogen-Modells mit 33 Untertests, 1000 Stimuli zur Erfassung der Wortverarbeitung und einem PC-gestützten Auswerteprogramm).
Aufgrund der standardisierten Testuntersuchung kann das Störungsbild in der Regel einem der folgenden Syndrome zugeordnet werden. Voraussetzung ist allerdings, dass sich das Störungsbild stabilisiert hat, denn kurz nach der Läsion kann sich die Symptomkonstellation im Rahmen der Spontanerholung auch kurzfristig ändern. Typisch sind folgende Störungsmuster:
  • Broca-Aphasie : Unflüssige Aphasie mit Störung der Sprachproduktion, erhöhter Sprachanstrengung, verlangsamter Sprachproduktion, unvollständigen Sätzen bis hin zu Ein- oder Zwei-Wort-Äußerungen mit aufgehobener Sprachmelodie (Prosodie), Agrammatismus und veränderter Lautstruktur (phonematische Paraphasien).
    Läsion: Frontal vor dem prämotorischen Kortex überwiegend mit Beteiligung des Gyrus frontalis inferior, z. T. mit Einbeziehung der Insel und der Basalganglien.
  • Wernicke-Aphasie : Flüssige Aphasie mit im Vordergrund stehender Störung des Sprachverständnisses. Sprachproduktion z. T. überschießend mit semantischen und phonematischen Paraphasien und Neologismen.
    Läsion: Übergang vom Parietallappen zum Temporallappen häufig mit Beteiligung des Gyrus temporalis superior.
  • Globale Aphasie: Unflüssige Aphasie mit gleichzeitiger Störung von Sprachproduktion und Sprachverständnis, also von Broca- und Wernicke-Aphasie bis zur völligen Aufhebung aller Sprachfunktionen.
    Läsion: ausgedehnte Läsionen des linken Frontal- und Temporallappens meist unter Einbeziehung des Gyrus frontalis inferior und des Gyrus temporalis superior.
  • Amnestische Aphasie: Wortfindungsstörungen mit Satzabbrüchen, phonematischen und semantischen Paraphasien.
    Läsion: häufig im vorderen Anteil des Gyrus temporalis superior.
  • Leitungsaphasie: Flüssige Aphasie mit Wortfindungsstörungen, phonematischen Paraphasien, Nachsprechen stärker gestört als alle anderen sprachlichen Leistungen.
    Läsion: meist Gyrus supramarginalis.
  • Transkortikal-motorische Aphasie: Unflüssige Aphasie mit vermindertem Sprachantrieb und somit Verminderung der Spontansprache, Wortfindungsstörungen, aber Nachsprechen und Lesen kaum gestört, Sprachverständnis relativ gut erhalten.
    Läsion: frontal oder supplementär-motorische Area.
  • Transkortikal-sensorische Aphasie: Flüssige Aphasie mit deutlich vermindertem Sprachverständnis, mit Wortfindungsstörungen, Benennstörungen, semantischen und phonematischen Paraphasien.
    Läsion: Gyrus angularis oder Thalamus
Verlauf
Der Verlauf einer Aphasie ist in den ersten Wochen meist durch eine spontane Rückbildung gekennzeichnet. Traumatische Läsionen haben eine bessere Prognose als ischämische. Insbesondere in der akuten Phase (bis 6 Wochen nach Läsion), aber auch in der frühen (bis 6 Monate) und späten postakuten Phase (bis 12 Monate) kann es zu unterschiedlich starker Rückbildung einzelner Symptome und damit zu einem Syndromwechsel, also einem Wechsel der oben genannten Aphasieformen kommen. Nach 12 Monaten ist das Störungsbild erfahrungsgemäß weitgehend stabil, durch therapeutische Maßnahmen lässt es sich aber trotzdem häufig weiter verbessern.
Therapie
Bei der Therapie kommt es wesentlich darauf an, den Patienten erst wieder zu Sprachäußerungen zu motivieren, da ihm in der Regel die Demonstration sprachlicher Defizite unangenehm ist. Hypothetisch wird auch davon ausgegangen, dass die Hirnläsion zu Blockierungen einzelner Module der Sprachverarbeitung oder der Zugangswege (verbal-auditiv, visuell, gnostisch, grafomotorisch) geführt hat, die durch Stimulationstechniken zu überwinden sind. Dafür spricht, dass sich in einzelnen Studien eine Verbesserung mit stimulierender Medikation (Bromocriptin, Dextroamphetamin, Donepezil) zeigte. Am besten ist die Studienlage für die Gabe von Piracetam während der ersten Wochen und Monate nach der Läsion. Die Rehabilitation der Sprache beginnt daher mit einer Aktivierungsphase, um den Patienten mit deblockierenden Verfahren (Nachsprechen von Wortreihen wie Wochentage, Monate usw.) zu sprachlichen Äußerungen zu stimulieren. Eine multimodale Stimulierung (Benennen von Gegenständen, Sprachverständnis, Schreiben, Lesen, Singen – „Melodic Intonation Therapy“ [MIT] mit Übergang vom Singen zu Sprechen) kann sich erhaltene Teilleistungen für die Deblockierung zunutze machen. Bei überschießender, meist unverständlicher Sprachproduktion (Jargon, Automatismen) bei flüssigen Aphasien ist dagegen eine Kontrolle und Reduktion das Ziel. In der anschließenden störungsspezifischen Behandlungsphase erfolgt ein symptomorientiertes Arbeiten an den in der Diagnostik identifizierten Symptomen.
Störungen der Sprachproduktion
Je nach Störungsschwerpunkt stehen Übungen auf Laut-, Wort-, Satz- oder Textebene zur Verbesserung der phonologischen, semantischen und syntaktischen Fähigkeiten im Vordergrund. Dafür gibt es jeweils geeignete Lehrmaterialien (z. B. lautlich ähnliche Wörter zur Differenzierung, Lückensätze zur Ergänzung, Bildkarten zur Benennung oder aus unterschiedlichen semantischen Feldern, wie Obst, Kleidung, Körperteile, Tiere, die nach den Oberbegriffen sortiert werden sollen). Selbstverständlich beginnt man mit einfachen Aufgaben und steigert dann die Anforderungen. Da die Therapiedichte nach zahlreichen Studien ein wesentlicher Prädiktor für den Therapieerfolg ist, kann man diese, natürlich abhängig von Art und Schwere des Störungsbildes, durch das Stellen von „Hausaufgaben“, den Einsatz von PC-Computerprogrammen und Therapie in Kleingruppen steigern. In der darauf folgenden Konsolidierungsphase rückt neben der Symptombehandlung vermehrt die Förderung der kommunikativen Kompetenz in den Mittelpunkt. Diese Phase eignet sich daher besonders für Gruppentherapien mit Rollenspielen und der Simulation von Alltagssituationen. Im sog. PACE-Ansatz (Promoting Aphasics‘ Communicative Effectiveness), bei dem der Patient die Kommunikationsart frei wählen kann, hat sich der Einsatz von Bildkarten bewährt (ggf. nach sprachsystematischen Kriterien ausgewählt), die dem anderen Gesprächsteilnehmer beschrieben werden sollen. Die kommunikative Selbstständigkeit kann weiter durch Einbeziehung der Gestik und kompensatorische Verfahren wie das Erarbeiten eines Kommunikationsbuches gefördert werden. Dazu werden wesentliche Begriffe als Abbildungen in ein Heft geklebt, sodass der Patient sich durch Deuten auf das Bild mitteilen kann.
Sprechmotorische Störungen
In der Rehabilitation sprechmotorischer Störungen wird ebenfalls symptomorientiert nach entsprechender Diagnostik vorgegangen. Bei der Sprechapraxie beginnt man mit der Erarbeitung von Einzellauten, gefolgt von Lautverbindungen und dann der Verbesserung der Prosodie (Wort- und Satzakzent, Intonation, Sprechgeschwindigkeit, Pausen). Es gibt unterschiedliche Behandlungsansätze:
  • Segmentorientierter Ansatz: Anbahnung der Ziellaute über nichtsprachliche Laute, Geräusche und Mundstellungen, Anbahnung weiterer Laute durch schrittweise Annäherung unter Zuhilfenahme interner und externer Feedbackmechanismen – visuelles Feedback mit Spiegel, gedankliche Bewegungsplanung.
  • Phonologisch-metrischer Übungsansatz: von artikulatorisch einfachen zu komplexeren fortschreitend, z. B. von nasal („mam“) nach oral/nasal („bam“) und Vorderzunge/oral/nasal („lam“).
  • Anbahnung von Artikulationsbewegungen über taktile Hinweise oder Gesten: Taktkin – taktil-kinästhetische Hinweisreize durch Berührung am Mundboden und im Gesichtsbereich durch den Therapeuten, Gesten mit Bildungsmerkmalen bestimmter Laute und dazugehörigem Therapiematerial in Form von Fotokarten. Die Elektropalatografie erlaubt die Kontaktbildung und Kontaktlokalisation zwischen Zunge und Gaumen zu üben, indem mit Hilfe eines in je eine Gaumenprothese eingelassenen Elektrodenarrays der Kontaktpunkt der Zunge des Therapeuten und des Patienten bei einer bestimmten Lautbildung auf einem Bildschirm nebeneinander dargestellt werden und sich der Patient durch visuelles (und akustisches) Feedback korrigieren kann.
Neurogene Sprechstörungen
Ein Teil der gerade für die Therapie der Sprechapraxie genannten Verfahren kann auch für die Therapie neurogener Sprechstörungen eingesetzt werden, insbesondere bei artikulatorischen Störungen (Dysarthrie). Zusätzlich sind hier phonatorische Störungen (Hypoadduktion und Hyperadduktion der Stimmlippen), Gaumensegeldysfunktion und prosodische Störungen auch in Zusammenhang mit der Sprechatmung zu nennen. Dafür gibt es jeweils spezifische Therapieansätze. Besonders erwähnt werden soll das Lee Silverman Voice Treatment (LSVT), das zur Therapie von Phonationsstörungen bei Morbus Parkinson entwickelt wurde. Dieses Verfahren basiert auf folgenden Prinzipien: Fokussierung (Training nur von Lautheit, Tonhaltevermögen und Modulation der Stimme), hoher Einsatz (Überwinden der Akinese mit möglichst hohem Kraftaufwand), Intensität (hohe Therapiefrequenz und häufiges selbstständiges Üben), Förderung von Eigenwahrnehmung von Lautstärke und Anstrengung sowie Quantifizierung (kontinuierliche Messung von Lautheit, Tonhöhe und -haltedauer). In mehreren Studien konnte damit eine Verbesserung von Stimmqualität, Artikulation und Inspirationstiefe nachgewiesen werden.
Fall 1
Die 57 Jahre alte Patientin erlitt eine schwere Ischämie im Stromgebiet der A. cerebri media links.
Ätiologie: Kardiogen embolisch bei persistierendem Foramen ovale und mit Vorhofseptumaneurysma.
Klinik: Globale Aphasie, Anarthrie, Dysphagie, Fazialisparese und zunächst schlaffe, hochgradige Hemiparese rechts.
Wegen einer unklaren Latenz zwischen Beginn der klinischen Symptomatik und Klinikaufnahme wurde keine Lyse durchgeführt. Wegen progredienter Hirnschwellung und zunehmender Vigilanzminderung wurde am Folgetag eine Dekompressionskraniektomie in der Abteilung für Neurochirurgie durchgeführt. Bei Wiederaufnahme war die Patientin intensivpflichtig und beatmet. Auf der Intensivstation stand das Weaning der Patientin (Entwöhnung von der Beatmung) im Vordergrund. Begleitend wurde die Patienten physiotherapeutisch vorsichtig (wegen der Schädellücke, die zu einer Verlagerung des Gehirns beim Aufrichten führen kann) mobilisiert. 10 Tage nach Beginn der Symptomatik war das Weaning abgeschlossen und die Patientin konnte hausintern auf die Frührehabilitationsstation verlegt werden. Hier konnte die Therapie mit Physio-, Ergo-, Schluck- und Sprachtherapie intensiviert werden. In der endoskopischen Schluckuntersuchung wurde eine mittelschwere Dysphagie festgestellt mit prädeglutitiver Aspirationsgefahr bei breiigen Konsistenzen und postdeglutitiver Aspirationsgefahr bei festen Konsistenzen. Kein Hinweis auf eine Stimmlippenparese, klinisch reduzierter Hustenstoß und pharyngolaryngeale Hypästhesie, Kraft von Zunge und Pharynx reduziert. Die Therapieinhalte bestanden in thermaler Stimulation und in pharyngealer Elektrostimulation nach Hamdy zur Verbesserung der Wahrnehmung im Bereich des Pharynx, in Austestung der Konsistenzen, oralem Kostaufbau und schlucktherapeutischer Essensbegleitung. Die zunächst erforderliche Magensonde konnte entfernt werden.
Wegen der globalen Aphasie war eine verbale Kommunikation zunächst nicht möglich. Die Sprachverständnisstörung bildete sich aber zurück, sodass für kurze Sätze auf Alltagsebene bald ein relativ gutes Sprachverständnis vorhanden war. Gesten konnten erkannt und nachgeahmt werden. Spontansprache war zunächst nicht möglich.
In der Physiotherapie wurde zunächst die Rumpfkontrolle im Sitz und Stand verbessert. Stehen war dann mit Hilfe eines Therapeuten, erste Gangversuche mit Hilfe von 2 Therapeuten möglich. Insbesondere wurde an der Funktion des rechten Beines in der Schwung- und Standbeinphase gearbeitet. Lagewechsel im Bett gelangen mit wenig Hilfe, der Transfer vom Bett in den Rollstuhl und auf die Toilette war nicht selbstständig, erforderte aber zunehmend weniger Hilfe. Der rechte Arm blieb zunächst weiterhin trotz Ergotherapie plegisch. Der Blasendauerkatheter konnte komplikationslos gezogen werden, Harn- und Stuhlkontinenz waren gegen Ende der Frührehabilitationsphase gegeben.
Knapp 2 Monate nach der Ischämie erfolgte die Rückverlegung der Patientin in die Abteilung für Neurochirurgie zur Knochendeckelreimplantation, die komplikationslos verlief. 6 Tage später wurde die Patientin zur Rehabilitation wieder aufgenommen, die 3 ½ Monate dauerte. Wegen einer depressiven Stimmungslage wurde mit Reboxetin und Mirtazapin behandelt, was die Stimmung gut stabilisierte.
Physiotherapeutisch waren die Fortschritte bezüglich des Transfers, der Stand- und Gangfunktion erfreulich, sodass die Patientin gegen Ende der Rehabilitation mit Peroneusschiene und Gehstock selbstständig mobil war. Wie bei der Läsionslokalisation erwartet, waren die Fortschritte in der Ergotherapie bei der Rehabilitation des Armes sehr viel geringer. Es konnte nur eine geringe proximale Reinnervation erreicht werden, die einen Alltagseinsatz des rechten Armes nicht erlaubte. Im Rahmen der Schlucktherapie gelang ein Kostaufbau bis hin zur Vollkost und allen Flüssigkeiten.
Hinsichtlich der Aphasie konnte jetzt erstmals eine sprachsystematische Diagnostik mit dem Aachener Aphasie-Test erfolgen, was eine schwere bis mittelschwere globale Aphasie bestätigte. Zusätzlich wurden eine schwere laryngeale Apraxie, eine leichte bukkofaziale Apraxie diagnostiziert und der Verdacht auf eine Sprechapraxie geäußert.
Schwerpunkt der Therapie war zunächst das Sprachverständnis, wobei mit semantisch und phonematisch unrelationiertem Material auf Wort- und Satzebene gearbeitet wurde. Die semantischen Kontraste konnten zunehmend verringert werden und die Auswahlmengen von Objekt- und Handlungsabbildungen gesteigert werden.
Hinsichtlich des Sprachverständnisses konnte also ein langsamer, aber kontinuierlicher Fortschritt verzeichnet werden. Hinsichtlich der Sprachproduktion war dies nicht der Fall. Ein spontaner Wortabruf gelang nur selten, sodass Spontansprache kaum möglich war. Am Ende dieses Behandlungsabschnittes konnte die Patientin ein PC-Selbsttraining von Sprachverständnisleistungen durchführen und an Gruppentherapien teilnehmen. Zusätzlich erfolgte ein PACE-Training zur Förderung der Kommunikation über nichtsprachliche Kanäle (Gesten, Zeichnen) und ein Training mit den Angehörigen zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Patientin und Familie.
Zur Intervallrehabilitation wurde die Patientin 1 ½ Jahre nach dem Ereignis für 6 Wochen nochmals aufgenommen. Ziel war insbesondere die Verbesserung der inzwischen leicht- bis mittelgradigen globalen Aphasie mit leichter Sprechapraxie. Eine Verbesserung der Flüssigkeit der Sprachproduktion durch Verbesserung des Zugriffs auf das phonologische Outputlexikon für alltagsrelevante Verben und Nomina sowie die Verbindung von Objekt und Verb waren Therapiegegenstand. Zunächst wurde die Sprachproduktion mit alltagsrelevanten phonologisch einfachen Nomina und Verben geübt und dann die Phrasenebene erarbeitet, wobei zuerst bei gleichem Verb das Objekt, später bei fixem Objekt das Verb variiert wurde. Obwohl hochfrequent alltagsrelevante Situationen mit der Objekt-Verb-Verbindung geübt wurden, gelang ein Transfer in den Alltag nur ansatzweise. Eine Kommunikation über alltagsrelevante oder persönliche Themen gelang schließlich mit Unterstützung, z. B. durch das Kommunikationsbuch oder durch Nachfragen des Gesprächspartners. Eine eigene mündliche Darstellung einfacher Sachverhalte gelang durch Ein- bis Zweiwortphrasen. Aufgrund der weiter deutlichen Wortabrufproblematik gelang die Vermittlung des Sachverhaltes nicht immer, regelmäßig war die mündliche Kommunikation deutlich verlangsamt. Im Rahmen eines alltagsorientierten Trainings setzte die Patientin neben der Sprache alternative Kommunikationsmöglichkeiten ein, was meist eine Erfüllung der Aufgabe erlaubte.
Hinsichtlich der Physiotherapie wurde Gehen über 100 m ohne Hilfsmittel erreicht, wobei der Gang über eine leichte Zirkumduktion erfolgte und weiterhin noch eine leichte Fußheberschwäche sowie eine Schwäche der Becken- und Beinmuskulatur bestand. Der Einbeinstand für kurze Zeitintervalle war möglich. Die Armlähmung ließ sich schließlich soweit bessern, dass die rechte Hand für leichtere Aufgaben als Haltehand eingesetzt werden konnte.
Fall 2
Beim Golfspielen bemerkte der 75-jährige Patient plötzliche Schmerzen im Kiefer mit Ausstrahlung ins Sternum und Abdomen, als deren Ursache sich eine akute Aortendissektion mit Ausriss der rechten A. coronaria und akutem transmuralem Myokardinfarkt herausstellte. Es erfolgte der Aortenklappenersatz mit Perimount-Perikard-Bioprothese, ein Ersatz der Aorta ascendens und des Aortenbogens mit Dacron-Prothese, eine Reimplantation der rechten Koronararterie und eine Revaskularisation dieser Arterie mit einem Venenbypass. Dies war gefolgt von einem komplikationsreichen Verlauf mit u. a. heparininduzierter Thrombozytopenie Typ II, Leberversagen, Aszites, Pneumonie, Sepsis, Phlebitis mit Candida albicans, rezidivierenden Harnwegsinfekten mit ESBL. Nach herzchirurgischer und intensivmedizinischer Behandlung über 10 Wochen erfolgte die Aufnahme auf die Frührehabilitation, wobei eine Critical-Illness-Polyneuropathie mit schlaffer Tetraparese und Dysphagie mit aspirationsgefährdender Schluckstörung und deshalb Versorgung mit geblockter Trachealkanüle sowie eine Critical-Illness-Enzephalopathie diagnostiziert wurden. Eine Laryngo- und Bronchoskopie zeigte pharyngeale Speichelretention mit Aspiration von Flüssigkeit, sodass der Patient nicht dekanüliert werden konnte und eine PEG-Sonde zur enteralen Ernährung angelegt wurde. Die Ernährung des Patienten war kompliziert durch Refluxepisoden und Durchfälle, sodass die Sondenkost mehrfach gewechselt werden musste, bis eine verträgliche Ernährung gefunden war, unter der der Patient sein Gewicht halten konnte. Wegen hoher Speichelsekretion erfolgte unter sonografischer Kontrolle eine Botulinumtoxininjektion in die 4 Speicheldrüsen. Eine Videolaryngoskopie nach 2 ½ Monaten zeigte noch eine ausgeprägte Speichelretention, Retention von Götterspeise und uneingedickter Flüssigkeit in den Valleculae und Sinus piriformis. Bei permanenter Speichelaspiration lag ein guter Hustenstoß vor.
Eine Störung des Kurzzeitgedächtnisses wurde als Enzephalopathie infolge der wiederholten Infektionen interpretiert. Unter vollkalorischer Ernährung, Nachlassen der infektiologischen Komplikationen und unter Physio-, Ergo- und Schlucktherapie machte der Patient zunehmend Fortschritte. War zunächst nur eine Mobilisation in den Rollstuhl je nach Tagesform möglich, konnte der Patient dann frei sitzen, den Transfer in den Rollstuhl aktiv unterstützen, mit 2 Therapeuten am Unterarmgehwagen gehen und mit einer Person kurzfristig stehen.
Bei der Selbsthilfe in den Aktivitäten des täglichen Lebens brauchte er zunehmend weniger Unterstützung, war aber wegen der neuropsychologischen Defizite noch eingeschränkt.
Auch die Schluckfunktion besserte sich zunehmend, sodass die Trachealkanüle schließlich nach 4 ¼ Monaten entfernt werden konnte. Das dilatative Tracheostoma verschloss sich spontan, Hustenstoß und Stimmqualität waren damit verbessert.
Nach Abschluss der Frührehabilitation wurde in der Rehabilitation mit den gleichen Schwerpunkten weitergeübt, ergänzt durch neuropsychologische Therapie. Der Verlauf war durch eine länger anhaltende rotavirusbedingte Enterokolitis mit Durchfall und Erbrechen und Isolationsnotwendigkeit verkompliziert. Trotzdem erreichte der Patient schließlich eine Gehstrecke von 400 m, Treppensteigen mit Festhalten am Geländer, eine vollständige Selbstständigkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens. Die Schluckfunktion war schließlich ungestört, sodass die PEG entfernt werden konnte.
Neuropsychologisch zeigte sich eine Verbesserung der kognitiven Verarbeitungsgeschwindigkeit auf ein gut durchschnittliches Niveau mit kontinuierlich stabiler Aufmerksamkeitszuwendung. Bei der zeitlichen Orientierung und bei der alltagsnahen Prüfung der Gedächtnisleistungen ergaben sich jedoch noch Beeinträchtigungen bei relativ ungestörtem Altgedächtnis. Der Patient konnte schließlich unter Betreuung durch die Ehefrau nach Hause entlassen werden und wurde ambulant zunächst noch weiterbehandelt.
Fall 3
Die 82-jährige Patientin befand sich nach einer Hüft-TEP-Operation in physiotherapeutischer Behandlung, als eine Orientierungs- und Sprachstörung auffiel. In der Akutphase wurde eine Aphasie mit Wortfindungsstörungen, Paraphasien und ausgeprägten Perseverationen beschrieben. Die Kernspintomografie inkl. Diffusionswichtung zeigte einen hinteren kortikalen Mediaterritorialinfarkt links, vermutlich embolischer Genese. Das EKG zeigte durchgehend eine normofrequente absolute Arrhythmie bei bekanntem Vorhofflimmern. Die Motorik war nur durch die Folgen der Hüft-TEP, aber nicht neurologisch eingeschränkt. In der sprachtherapeutischen Testung fiel eine deutliche Einschränkung des auditiven Sprachverständnisses v. a. auf Satzebene auf. Weiter bestanden Wortfindungsstörungen und semantische Paraphasien. Auf Satzebene kam es zu ausführlichen inhaltlich ungenauen Umschreibungen, vielen Satzabbrüchen und auch einigen Verschränkungen. Therapieziele waren eine Verbesserung des Sprachverständnisses auf komplexer Wort- und einfacher Satzebene sowie eine Verbesserung des Wortabrufes. Diese Ziele wurden im Verlauf erreicht, sodass keine sprachlichen Einschränkungen im Alltagsleben mehr bestanden.
In der motorischen Rehabilitation lag der Schwerpunkt auf Mobilisierung, Kräftigung und Beüben des Gleichgewichts sowie von Ausdauer und Koordination unter Einbeziehung der operierten Hüfte. Bei Entlassung benötigte die Patientin nur noch für weitere Strecken Unterarmgehstützen.
Neuropsychologisch zeigte sich ein durchschnittliches kognitives Leistungsniveau, somit kein Therapiebedarf.
Nach 2 ½ Wochen konnte die Patientin nach Hause entlassen werden.

Neuropsychologische Rehabilitation

Ziel der neuropsychologischen Behandlung sind die sog. höheren Hirnfunktionen mit Ausnahme der Sprache. Basale neuropsychologische Funktionen wie Wahrnehmung (Kognition), deren Fokussierung (Aufmerksamkeit), Antrieb, Stimmungslage (Affekt) und Gedächtnis sind Voraussetzungen dafür, dass Leistungen wie Planen, Problemlösen, die Koordination motorischer Leistungen, emotionale Kontrolle, Lernen und Entscheidungsprozesse gelingen können. Aphasien mit ihrer Einschränkung des Sprachverständnisses und des sprachlichen Ausdrucks können die neuropsychologische Behandlung erheblich erschweren.
Diagnostik
Zur Diagnostik kann zunächst eine Verhaltensbeobachtung erfolgen. Bei erhaltenen sprachlichen Fähigkeiten wird eine Exploration des Patienten durchgeführt und dann eine gezielte Untersuchung mit psychometrischen Testfahren, die auch eine Aussage über die Ausprägung von Störungen machen. Dies kann mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Aufgrund der Defizite im Leistungsprofil werden die zu behandelnden Bereiche festgelegt. Die Therapie erfolgt in Einzelsitzungen oder Kleingruppen. Letztere haben den Vorteil, dass sie Patienten in einem geschützten Rahmen die Möglichkeit bieten, sich selbst in der Interaktion mit anderen zu erfahren, Leistungsstärken und -schwächen zu erkennen, ein Störungsbewusstsein zu entwickeln und daraus zu lernen.
Therapie
Ziel der Behandlung ist das Wiedererlangen der zur Bewältigung des Alltags erforderlichen Fähigkeiten, insbesondere eines kompetenten Sozialverhaltens, um eine Wiedereingliederung in die frühere familiäre, soziale und berufliche Situation möglich zu machen.
Inadäquates Sozialverhalten wird vom sozialen Umfeld sehr viel weniger toleriert als andere neuropsychologische Störungen und kann daher die Wiedereingliederung unmöglich machen.
Bei sehr schwer hirngeschädigten Patienten sind in der Regel schon die basalen neurologischen Funktionen wie Wachheit, Antrieb, Aufmerksamkeit und Wahrnehmung stark eingeschränkt oder aufgehoben. Häufig sind die Patienten auch stark vegetativ stimuliert, sodass sie zunächst sediert werden müssen. Dann ist die allmähliche Reduktion der Sedierung das Ziel. Eine medikamentöse Behandlung kann bei Vigilanzstörungen und schweren Antriebsstörungen angezeigt sein (Amantadin, Methylphenidat, Reboxitin, Modafinil), um Therapiefähigkeit zu erreichen.
Aufmerksamkeitsstörungen
Hinsichtlich der Aufmerksamkeit wird neuropsychologisch zwischen folgenden Bereichen unterschieden:
  • Aufmerksamkeitsaktivierung („alertness“),
  • längerfristige Aufmerksamkeitszuwendung (Daueraufmerksamkeit),
  • selektive oder fokussierte Aufmerksamkeit,
  • räumliche Ausrichtung des Aufmerksamkeitsfokus,
  • geteilte Aufmerksamkeit mit Aufmerksamkeitsflexibilität und Wechsel der Aufmerksamkeitsfokus.
Für die Messung der Aufmerksamkeit im Rahmen der Diagnostik ist sowohl die Reaktionsgeschwindigkeit als auch die Richtigkeit der Reaktion entscheidend. Beides (Reaktionszeit und Fehlerrate) kann sehr gut mit dem Computer gemessen werden. Auch für die Therapie ist der Computer sehr geeignet, nachdem mit Software alltagsähnliche Situationen gut simuliert werden können. In mehreren Studien wurde die Wirksamkeit einer derartigen Behandlung nachgewiesen, jedoch muss die Therapie auf das jeweilige Defizit zugeschnitten sein (deshalb vorher eingehende Diagnostik) und darf hinsichtlich der Anforderungen das Leistungsvermögen des Patienten nicht übersteigen, denn dann kann es auch zu Verschlechterungen kommen. Wichtig ist eine ausreichende Anzahl und zeitliche Dichte der Therapiesitzungen. Pharmakologisch kommen die Gabe von Methylphenidat (Steigerung von Verarbeitungsgeschwindigkeit, Daueraufmerksamkeit und Vigilanz), Donepezil (Daueraufmerksamkeit nach Trauma) und Rivastigmin (Fokussierung, Daueraufmerksamkeit und Verarbeitungsgeschwindigkeit bei Parkinson-Demenz) in Frage.
Gedächtnisstörungen
Die Gedächtnisfunktionen werden in Kurzzeitgedächtnis/Arbeitsgedächtnis (kurzfristiges Halten bzw. mentales Bearbeiten von verbalen oder figuralen Informationen in der aktuellen Situation), Langzeitgedächtnis/kurzfristige Lernleistung, Neugedächtnis (Speicherung, Lernen von Informationen für einen etwas längeren Zeitraum, die die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses übersteigen) und Altgedächtnis differenziert (langfristige Leistungen des Langzeitgedächtnisses). Die Prognose einer Gedächtnisstörung hängt wesentlich davon ab, ob die Läsion unilateral oder bilateral ist (wie bei der zerebralen Hypoxie, bei der die sog. CA1-Zellen in beiden Hippocampi zugrundegehen) und ob ein progredienter degenerativer Prozess wie bei den verschiedenen Demenzformen vorliegt. Auch bei günstiger Prognose ist reines Training wie Merkübungen und Auswendiglernen nicht zielführend. Vielmehr muss durch das Erlernen sog. Mnemotechniken versucht werden, Speicherung und Abruf von Information zu erleichtern und damit die Auswirkung der Gedächtnisstörung zu minimieren. Mnemotechniken beruhen auf einer Steigerung der Verarbeitungstiefe der neuen Information, wie durch das Strukturieren von Information (z. B. nach Kategorien oder Oberbegriffen), durch Verknüpfung mit bekannten inhaltlich ähnlichen Gedächtnisinhalten (semantisches Verknüpfen), durch Verknüpfen der Einzelinformationen zu einer Geschichte (Geschichtentechnik), durch bildhaftes Vorstellen oder eine emotionale Färbung des zu Lernenden. Das Anlegen eines Gedächtnisbuches oder die Verwendung technischer Geräte wie Handy, Organizer oder Computer mit möglichst selbstständiger Eintragung relevanter Informationen auch außerhalb der Therapiesitzung ist gleichzeitig therapeutische Methode und Hilfsmittel zur Bewältigung von Alltagsproblemen. Bei sehr schweren Gedächtnisstörungen hat eine Konfrontation mit dem Defizit keinen Sinn. Der Gebrauch eines Gedächtnisbuches sollte nur bei vorhandener Krankheitseinsicht versucht werden. Eine Gestaltung der Umwelt insbesondere der Wohnung mit Beschriftung der Türen kann die Orientierung erleichtern. An einem zentralen Ort (z. B. einer Pinnwand) sollten alle wichtigen Informationen inklusive relevanter Telefonnummern verfügbar sein. Der Patient sollte bei schweren Gedächtnisstörungen möglichst nur in die ihm schon aus der Zeit vor der Läsion bekannte Wohnung zurückkehren, da er neue räumliche Verhältnisse nicht mehr abspeichern kann. Bei schwerster Ausprägung der Gedächtnisstörung bedarf der Patient dauernder Begleitung, sodass vor der Entlassung ein Betreuungsnetz aus Angehörigen, Freunden und Sozialeinrichtungen geplant werden muss.
Affektstörungen
Häufig finden sich auch Affektstörungen. So leiden z. B. ca. 40 % der Patienten nach einem Schlaganfall an Depressionen, 20 % an Angststörungen und 10 % an Störungen der Affektsteuerung in Form von Ungeduld, vermehrter Reizbarkeit oder äußeren Zeichen plötzlicher Traurigkeit (sog. pathologisches Weinen) ohne adäquaten Anlass und häufig ohne dass der Patient dabei eine entsprechend starke emotionale Beteiligung angibt. Insbesondere bei großen rechtshirnigen Läsionen kommt es zu einer verminderten affektiven Schwingungsfähigkeit (sog. Affektnivellierung). Depressionen, die ja meist nicht unmittelbare Folge der Hirnläsion sind, sondern Reaktion auf die grundlegend veränderte Lebenssituation mit der Perspektive eines Lebens mit Behinderung, können die aktive Mitwirkungsfähigkeit des Patienten am Rehabilitationsprozess erheblich beeinträchtigen, wenn nicht unmöglich machen. Der Einsatz antriebsteigender Antidepressiva ist dann in der Regel indiziert, bei ängstlich gespannten Patienten die Gabe von Antidepressiva mit sedierend-anxiolytischem Profil. Diese Medikamente sollten frühzeitig in der Rehabilitation eingesetzt werden, da bis zum vollen Wirkungseintritt ja häufig 14 Tage vergehen. Die medikamentöse Therapie muss um eine unterstützende Gesprächstherapie ergänzt werden, in der mit dem Patienten Coping-Strategien, also Strategien zum erfolgreichen Umgang mit der veränderten Lebenssituation, erarbeitet werden. Dabei sollte an die dem Patienten noch verbliebenen Fähigkeiten angeknüpft und diese in den Vordergrund gestellt werden.
Störungen der visuellen Wahrnehmung
Störungen der visuellen Wahrnehmung können durch Gesichtsfeldausfälle, Verminderung der Sehschärfe oder Kontrastempfindlichkeit, gestörte Hell-Dunkel-Adaptation, Störungen von Stereopsie, Akkomodation, Farbensehen, geminderte binokulare Fusion und Störungen der Augenbeweglichkeit bedingt sein, die im Rahmen einer klinischen ophthalmologischen, orthoptischen oder neurologischen Untersuchung diagnostiziert werden sollten. Als Störungen der höheren visuellen Wahrnehmungsleistungen treten Neglect-Syndrom (überwiegend nach links), Balint-Syndrom, Objektagnosie und Prosopagnosie (Unfähigkeit, bekannte Gesichter wiederzuerkennen) und weitere hinzu. Rehabilitative Therapieansätze sind insbesondere für das Neglect-Syndrom (Nicht-Beachtung des kontralateral zur Läsion gelegenen Raumes einschließlich der eigenen Körperhälfte trotz intakten Gesichtsfeldes) beschrieben. Bei weniger schwerer Ausprägung kann durch das visuelle Explorationstraining mit Sakkaden und Kopfbewegungen in Richtung des Neglects die Wahrnehmung der vernachlässigten Seite verbessert werden. Aufgrund der fehlenden Symptomwahrnehmung können aber nicht alle Patienten diese Suchstrategien erlernen. Man kann den Neglect auch als eine Verschiebung der Repräsentation der subjektiven Geradeausrichtung und somit als eine Form von Raumwahrnehmungsstörung interpretieren. Dafür spricht, dass sich der Neglect durch Vibration der Nackenmuskulatur, die über die Stimulation der Dehnungsrezeptoren ein Gefühl der Kopfrotation erzeugt, vermindern und bei repetitiver Anwendung behandeln lässt.
Eine alternative Therapie beruht auf der Readaptation der Raumrichtung durch rasch ausgeführte Zeigebewegungen während des Tragens einer Prismenbrille. Auch mit einer optokinetischen Stimulation, bei der sich das Muster kontinuierlich von rechts nach links bewegt und daher Folgebewegungen nach links ausgeführt werden, lässt sich ein therapeutischer Effekt erzielen.
Wahrnehmungsstörung der Körperorientierung
Eine andere typische Wahrnehmungsstörung des Körpers im Raum bezieht sich auf die Wahrnehmung der Körpervertikalen (sog. Pushen), bei der der Patient den Körperschwerpunkt auf die gelähmte Seite verlagert statt, wie es zweckmäßig wäre, auf die gesunde Seite. Dies geht mit einem erhöhten Sturzrisiko einher und verzögert die motorische Rehabilitation erheblich (im Schnitt um ca. 6 Wochen). Die Therapieansätze bestehen in physiotherapeutischen Übungen in aufrechter Körperhaltung inklusive Stehen und Gehen (unter entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen, z. B. auf einem Laufband mit Sicherungsgurten für den Patienten).
Störungen der Exekutivfunktionen
Störungen der Exekutivfunktionen erfordern neben standardisierter Testung wegen der besonderen Komplexität auch eine Verhaltensbeobachtung und -analyse. Zwischen folgenden Aspekten muss dabei differenziert werden: Interferenzabwehr, Arbeitsgedächtnis, Monitoring (Aufgabenkontrolle und -überwachung), Planen und Ausführen von mehrschrittigen komplexen Handlungen, problemlösendes Denken und kognitive Flexibilität. Die Therapie muss auf das jeweilige Störungsbild zugeschnitten sein, sollte alltagsrelevante Problemstellungen umfassen und im Anforderungsniveau langsam, dem Therapiefortschritt entsprechend gesteigert werden. Problemanalyse, die Entwicklung und das Abwägen von Lösungsalternativen unter Berücksichtigung der Konsequenzen, die Durchführung entsprechend der Planung und eine abschließende Evaluation zur Erfolgskontrolle sollten systematisch geübt werden. Dies kann teilweise auch in Gruppen mit verteilten Rollen erfolgen.
Verhaltensstörungen
Verhaltensstörungen können das Sozialverhalten (Distanzlosigkeit, Enthemmung, Empathie), die Impulskontrolle (Aggressivität, Gereiztheit) und das Kommunikationsverhalten (nichtaphasische Sprachstörungen, Sprechantrieb) betreffen. Zur Diagnostik stehen (protokollierte) Verhaltensbeobachtungen, Verhaltensproben, Anamnese und Fremdanamnese im Vordergrund. Die Therapie umfasst
  • Verfahren zur Verhaltensmodifikation (differenzielle Verstärkung, Time-out, Token-System, Response-Cost-Verfahren),
  • Verfahren zur Selbstmodifikation (Selbstmanagement mit Verhaltensverträgen, Selbstinstruktion, Protokollierungssysteme, Reaktionsverhinderung durch Erkennen inkompatibler Reaktionen) und
  • Verfahren zur Modifikation der Umwelt (Vermeiden auslösender Stimuli).
Die Therapie erfolgt defizitorientiert unter interdiszplinärer Einbindung des sozialen Umfeldes (außer Therapeuten psychotherapeutisch geschultes Pflegepersonal als Kotherapeuten und Angehörige). Gruppentherapien bieten den Vorteil, dass Sozialverhalten unter Gleichen in einer geschützten Umgebung mit Feedback durch die Gruppenmitglieder geübt werden kann (z. B. soziales Kompetenztraining mit Rollenspielen zur Kontaktaufnahme bei Antriebsstörungen und Einhalten von Distanz bei Störung des Sozialverhaltens, soziales Wahrnehmungstraining zum Erkennen und Ausdrücken von Emotionen oder Aktivitätengruppe zum gemeinsamen Planen und Ausführen von Aktivitäten bei Antriebsstörungen).
Wichtig ist auch die Angehörigenberatung, da der Umgang mit dem Patienten für die Angehörigen durch Veränderung der Persönlichkeit, insbesondere bei Störungen der emotionalen Kontrolle und des Sozialverhaltens, sehr erschwert sein kann. Nach Wiedererreichen der Alltagsfertigkeiten ist häufig eine noch längerfristige Behandlung nach Abschluss des stationären Aufenthaltes notwendig. So gibt es neuropsychologisch betreute Wohngruppen, in denen Ansätze des Alltagslebens wiedererlernt werden können, Belastungs- und Arbeitserprobungen und ggf. Umschulungsmaßnahmen durchgeführt werden, um den Patienten beruflich wiedereinzugliedern. Dabei hat sich gerade das Wiedererlenen eines adäquaten Sozialverhaltens für die Prognose der beruflichen Wiedereingliederung als besonders relevant gezeigt.

Beendigung der Rehabilitation/Intervallrehabilitation

Die stationäre Rehabilitation wird beendet, wenn sich bei ungestörtem Rehabilitationsverlauf (ohne Komplikationen) durch die Fortsetzung der Rehabilitation keine Verbesserungen der Funktionsfähigkeit mehr nachweisen lassen oder wenn der Kostenträger dem Verlängerungsantrag nicht zustimmt. Beim Fortbestehen erheblicher Defizite ist in der Regel eine ambulante Fortsetzung der Rehabilitation erforderlich, die sich inhaltlich möglichst an die im stationären Bereich eingesetzten Methoden anschließen sollte. Vor Entlassung ist auch die Versorgung mit Hilfsmitteln und eine Adaptation der Wohnverhältnisse an die Behinderung einzuleiten. Zur Übernahme dieser Kosten müssen Kostenvoranschläge zur Genehmigung beim Kostenträger eingereicht werden. Wesentlich hängt die weitere Versorgung eines schwerbehinderten Patienten vom sozialen Umfeld ab. Nach unserer Erfahrung kann eine engagierte Familie, die die Belastung auf mehrere geeignete Personen verteilen kann, alle Leistungen eines Pflegeheims erbringen. Dazu ist es allerdings notwendig, die Angehörigen zuvor in der Pflege des Patienten zu unterweisen, z. B. durch die Mitaufnahme des Angehörigen in der Endphase des stationären Aufenthaltes (sog. Rooming-in). Ausnahmen sind schwerstpflegebedürftige und schwergewichtige Patienten, für deren Versorgung gleichzeitig mehrere Personen erforderlich sind, insbesondere auch nachts wegen des Umlagerns. Von der Pflege eines schwerstbetroffenen Patienten allein durch seine aufopfernde Ehefrau sollte man abraten. Dabei ist zu bedenken, dass Pflegebedürftigkeit in der Regel langfristig besteht und Überforderungssituationen insbesondere betagter Angehöriger vermieden werden müssen.
Entscheidend ist, dass die in der Rehabilitation wieder erlernten Fähigkeiten im Alltag des Patienten genutzt und dadurch weiter geübt werden, wenn notwendig im Rahmen ambulanter Rehabilitationsmaßnahmen. Ansonsten muss man damit rechnen, dass sich diese Fähigkeiten im Laufe der Zeit graduell verschlechtern und ggf. verloren gehen.
Bei erheblicheren verbliebenen Funktionsstörungen kann es indiziert sein, innerhalb einer zweiten Rehabilitationsmaßnahme nach mehreren Monaten (sog. Intervallrehabilitation) eine weitere Funktionsverbesserung zu versuchen. Die Maßnahme muss natürlich erneut beim Kostenträger beantragt werden. Häufig sind allerdings die Erwartungen der Patienten zu hoch und werden dann enttäuscht. Denn man muss sich vergegenwärtigen, dass bei der primären Rehabilitationsmaßnahme oft die spontane Funktionserholung den Rehabilitationsprozess unterstützt und bei einer Intervallrehabilitation aufgrund des längeren Zeitabstandes nicht mehr im gleichen Maß vorhanden ist. Der Erfolg lässt sich weniger gut prognostizieren und erfordert meist einen erheblichen Aufwand an Übungstherapie. Die schon genannte eigene Erfahrung, dass sich nämlich in einer Intervallrehabilitation noch 50 % der verbliebenen Trachealkanülen entfernen lassen (und damit dem Patienten das normale Sprechen wieder ermöglicht werden kann), verdeutlicht den Sinn von Intervallrehabilitation bei guter Indikationsstellung.

Facharztfragen

1.
Was wird unter Restitution, Kompensation und Adaptation verstanden?
 
2.
Welche Rehabilitationsphasen werden im Phasenmodell der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation unterschieden?
 
3.
Kann ein Patient direkt vom Krankenhaus in die Rehabilitation entlassen werden?
 
4.
Welche Voraussetzungen müssen für die Respiratorentwöhnung (Weaning) gegeben sein?
 
5.
Wie lässt sich die Spastik beeinflussen?
 
6.
Welche Maßnahmen sind beim Spitzfuß indiziert?
 
7.
Wie soll der plegische Arm vor Sekundärschäden bewahrt werden?
 
8.
Welches sind die Voraussetzungen für das Entfernen einer Trachealkanüle?
 
9.
Wie unterscheiden sich die verschiedenen Aphasien?
 
10.
Welche Mnemotechniken können die Auswirkungen von Gedächtnisstörungen vermindern?
 
11.
Welche Medikamente können bei Vigilanzstörung und Antriebsstörungen eingesetzt werden?
 
Literatur
Zitierte Literatur
Granger C, Hamilton B, Keith R, Zielesny M, Sherwin FS (1986) Advances in functional assessment for medical rehabilitation. Top Geriatr Rehabil 1:59–74CrossRef
Mahoney FI, Barthel DM (1965) Functional evaluation: the Barthel Index. Md State Med J 14:61–65PubMed
Schönle PW (1995) Der Frühreha-Barthel-Index (FRB) – eine frührehabilitationsorientierte Erweiterung des Barthel-Index. Rehabilitation 34:69–73PubMed
World Health Organization (2001) International classification of functioning, disability and health: ICF. World Health Organization, Geneva