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Klinische Neurologie
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Publiziert am: 03.06.2019

Nichtneoplastische Raumforderungen

Verfasst von: Martin Glas, Björn Scheffler und Sied Kebir
Nichtneoplastische Raumforderungen im ZNS können als Folge zahlreicher erregerbedingter oder nichterregerbedingter Entzündungen, z. B. bei Zystizerkose, Tuberkulose, Abszess oder Sarkoidose, und als Folge anderer Pathologien auftreten. Diese Läsionen werden in diesem Kapitel nur besprochen, sofern sie eine differenzialdiagnostische Bedeutung bei bestimmten Tumoren besitzen. Zu Läsionen aus dem Formenkreis der Fehlbildungen, die durch ihre Raumforderung neurologische Symptome und zerebrale Anfälle verursachen können, zählen Hamartome des Hypothalamus, Kolloidzysten des 3. Ventrikels, Dermoide und Epidermoide.
Nichtneoplastische Raumforderungen im ZNS können als Folge zahlreicher erregerbedingter oder nichterregerbedingter Entzündungen, z. B. bei Zystizerkose, Tuberkulose, Abszess oder Sarkoidose, und als Folge anderer Pathologien auftreten. Diese Läsionen werden in diesem Kapitel nur besprochen, sofern sie eine differenzialdiagnostische Bedeutung bei bestimmten Tumoren besitzen. Zu Läsionen aus dem Formenkreis der Fehlbildungen, die durch ihre Raumforderung neurologische Symptome und zerebrale Anfälle verursachen können, zählen Hamartome des Hypothalamus, Kolloidzysten des 3. Ventrikels, Dermoide und Epidermoide.
Häufigkeit und Vorkommen
Die im Folgenden besprochenen Fehlbildungen sind selten und stellen nur einen kleinen Teil der intrakraniellen Raumforderungen dar. Epidermoide und Dermoide machen zusammen etwa 1 % aller intrakraniellen Raumforderungen aus (DeAngelis et al. 2002).
Diagnostik
Bei den Fehlbildungstumoren wird die Diagnose in der Regel kernspintomografisch gestellt. Ein CCT reicht nicht aus. Eine Kolloidzyste kann im CCT isodens zu Liquor sein und der Entdeckung entgehen. Im MRT kann diese dann aber auf T2-gewichteten Sequenzen hyperintens mit einem hypointensen Zentrum zur Darstellung kommen. Ein Hamartom zeigt nur in besonderen Sequenzen der MRT eine Signalintensitätsänderung im Vergleich zum umliegenden Gewebe, und speziell im Bereich um das Chiasma herum können kleine Läsionen im CCT unentdeckt bleiben. Zur Diagnose eines Dermoids oder eines Epidermoids ist immer eine diffusionsgewichtete MRT (DWI) erforderlich, da der Zysteninhalt dieser Läsionen in den normalen T1- und T2-gewichteten Sequenzen oft isointens zu Liquor ist, sich in der DWI jedoch leicht von diesem abgrenzen lässt. Differenzialdiagnostisch zu erwägende entzündliche Raumforderungen werden ebenfalls durch die MRT diagnostiziert und ggf. verlaufskontrolliert, da z. B. eine Größenregredienz im Verlauf ein differenzialdiagnostisches Kriterium ist.
Pathologie und Klinik
Hypothalamische (neuronale) Hamartome
Hypothalamische (neuronale) Hamartome setzen sich aus z. T. in Clustern angeordneten reifen Neuronen und einem glialen Stroma zusammen. Sie können spontan an Größe zunehmen und verursachen abhängig von ihrer Lage unterschiedliche Symptome: Sitzen die Tumoren im Bereich des Hypothalamus oberhalb des Infundibulums, finden sich oft charakteristische gelastische Anfälle, d. h. epileptische Anfälle, deren Semiologie in plötzlichem unangemessenem Lachen besteht. Sind sie im Infundibulum oder am Hypophysenstiel lokalisiert, kommt es zu endokrinen Störungen, z. B. zu einer Pubertas praecox.
Kolloidzysten
Kolloidzysten sind im 3. Ventrikel lokalisiert und an den Plexus choroideus angeheftet; sie produzieren einen dickflüssigen Zysteninhalt und verursachen bei typischer Lage am Foramen Monroi eine Liquorabflussbehinderung mit einem Hydrocephalus biventricularis. Es kommt zu einer wahrscheinlich chronischen intrakraniellen Druckerhöhung, die jedoch im Rahmen von Druckwellen plötzlich zur Dekompensation (z. B. während des Nachtschlafs) mit Gefahr der Einklemmung führen kann. In der Regel finden sich diese Läsionen im jungen Erwachsenenalter. Sie verursachen intermittierend Hirndrucksteigerungen. Sehstörungen deuten auf eine Optikusschädigung durch chronischen Druck hin. In seltenen Fällen kann der Liquorabfluss über das Ventrikelsystem durch eine Kolloidzyste vollständig unterbunden werden und zum plötzlichen Tode führen.
Dermoide und Epidermoide
Dermoide und Epidermoide sind zystische Malformationen, die von versprengten Keimzellen der Epidermis ausgehen und wahrscheinlich durch eine unvollkommene Trennung des Neuroektoderms vom fetalen kutanen Ektoderm zustandekommen. Epidermoide und Dermoide kommen ubiquitär im ZNS vor, bevorzugt im 4. Ventrikel, in den suprasellären und parasellären Zisternen sowie im Spinalkanal. Sie sind u. U. durch einen Kanal mit der Hautoberfläche verbunden. Das Epidermoid besteht aus einer Wand von verhornendem Plattenepithel, das Dermoid aus einer Wand von Plattenepithel mit Hautanhangsgebilden, wie z. B. Haarfollikeln und Drüsengewebe. Der Zysteninhalt besteht aus cholesterinreicher Flüssigkeit und kann beim Dermoid Haare oder unreife Zähne enthalten. Dermoide und Epidermoide werden oft zufällig bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen gefunden; sie werden u. U. durch einen Defekt in der Zystenmembran symptomatisch, durch den Zysteninhalt in das Liquorkompartiment gerät und im Sinne einer Fremdkörperreaktion eine meningeale Reizung oder eine aseptische Meningitis auslöst. Verlegen Dermoide oder Epidermoide das Ventrikelsystem, kann es zu einem okklusiven Hydrozephalus kommen. In Einzelfällen wurde über die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms in der Wand eines Epidermoids mit leptomeningealer Tumordissemination berichtet (DeAngelis et al. 2002).
Therapie und Prognose
Hypothalamische Hamartome sollen bei Pubertas praecox und gelastischer Epilepsie weitgehend reseziert werden, zumal eine Größenzunahme dieser Fehlbildungen den Verlauf komplizieren kann. Eine vollständige Resektion ist oft nicht ohne erhebliches Risiko von hypothalamischen Schäden möglich. Kolloidzysten werden vollständig mikrochirurgisch transventrikulär entfernt. Manche Zysten lassen sich unter Umständen endoskopisch entfernen, wobei das Ziel die vollständige Entfernung sein muss, da es bei Verbleiben der Kapselanteile zum Rezidiv kommt.
Cave
Die bloße Zystenentleerung einer Kolloidzyste ist kontraindiziert, da sich eine verbliebene Kapsel rasch wieder füllen würde und erneut lebensbedrohliche Symptome verursachen kann.
Mit den modernen mikrochirurgischen Verfahren sind die Operationen bei der „offenen“ Resektion der Endoskopie vergleichbar. Dermoide und Epidermoide werden entlastet oder gänzlich entfernt. Man versucht bei diesen langsam expansiv wachsenden Läsionen alle risikolos resezierbaren Anteile zu entfernen. Sind Kapselanteile an Gefäßen oder an Hirnnerven fest adhärent, soll man kein Risiko eingehen, auch wenn von einem verbliebenen Stück Kapsel ein Rezidiv ausgehen kann. Gelegentlich ist aufgrund eines Hydrozephalus die dauerhafte Versorgung mit einem ventrikuloperitonealen Shunt notwendig. Etwaige nach Erstoperation eines Epidermoids oder Dermoids verbliebene Reste wachsen erfahrungsgemäß extrem langsam, sodass die Erkrankung, selbst bei notwendig werdenden Rezidivoperationen, nicht lebensverkürzend ist. Auch im Rezidiv ist die Therapie der Wahl die chirurgische Resektion. Für eine Strahlentherapie oder eine Chemotherapie besteht keine Indikation.

Facharztfragen

1.
Welche nichtneoplastischen Raumforderungen des Gehirns kennen Sie?
 
Literatur
DeAngelis LM, Gutin PH, Leibel SA et al (Hrsg) (2002) Neoplastic cysts and cyst-like tumors. In: Intracranial tumors. Martin Dunitz, London, S 356–366