Klinische Neurologie
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Verfasst von:
Andreas Engelhardt
Publiziert am: 05.04.2018

Paraproteinämische und paraneoplastische Polyneuropathien

Monoklonale Immunglobuline können zu einer Schädigung des peripheren Nervensystems führen. Bei einer monoklonalen Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS) müssen stets maligne Prozesse (multiples Myelom, Plasmozytom, Makroglobulinämie Waldenström, Amyloidose) ausgeschlossen werden! Im Rahmen neoplastischer Erkrankungen können periphere Nerven durch Kompression oder Infiltration, Malnutrition (Vitamin-B12-Mangel) und toxische Ursachen (Vincristin, Cisplatin) geschädigt werden. Wenn Neuropathien durch Fernwirkung (Remote-Effekt) der Tumoren entstehen, spricht man von paraneoplastischer Polyneuropathie. Bei etwa 1 % der Krebspatienten ist eine klinisch manifeste Polyneuropathie nachweisbar. Am häufigsten sind sie beim Mamma- und beim Bronchialkarzinom sowie bei Lymphomen.
Monoklonale Immunglobuline können zu einer Schädigung des peripheren Nervensystems führen. Bei einer monoklonalen Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS) müssen stets maligne Prozesse (multiples Myelom, Plasmozytom, Makroglobulinämie Waldenström, Amyloidose) ausgeschlossen werden! Im Rahmen neoplastischer Erkrankungen können periphere Nerven durch Kompression oder Infiltration, Malnutrition (Vitamin-B12-Mangel) und toxische Ursachen (Vincristin, Cisplatin) geschädigt werden. Wenn Neuropathien durch Fernwirkung (Remote-Effekt) der Tumoren entstehen, spricht man von paraneoplastischer Polyneuropathie. Bei etwa 1 % der Krebspatienten ist eine klinisch manifeste Polyneuropathie nachweisbar. Am häufigsten sind sie beim Mamma- und beim Bronchialkarzinom sowie bei Lymphomen.

Polyneuropathie bei Paraproteinämie (monoklonale Gammopathie)

Häufigkeit und Vorkommen
Im Serum nachweisbare monoklonale Immunglobuline können zu einer Schädigung des peripheren Nervensystems führen. Sie kommen nicht nur in Verbindung mit malignen Prozessen (multiples Myelom, Plasmozytom, Makroglobulinämie Waldenström, Amyloidose) vor, sondern auch als sog. benigne monoklonale Gammopathie. Diese wird besser als monoklonale Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS) bezeichnet, da etwa ein Viertel der Patienten nach mehrjähriger Beobachtung ein multiples Myelom entwickelt. Auch erscheint der Ausdruck „benigne“ angesichts der häufig schweren neurologischen Ausfälle verharmlosend. Mit 63 % der monoklonalen Gammopathien ist die MGUS die häufigste Form. Sie tritt bei etwa 1 % der über 50-Jährigen und bei 3 % der über 70-Jährigen auf. Sowohl maligne als auch benigne Paraproteinämien sind in einem hohen Prozentsatz (zwischen 27 und 70 %) mit Polyneuropathien verbunden.
Pathogenese
Bei der durch MGUS und Morbus Waldenström bedingten Polyneuropathie findet sich überwiegend monoklonales IgM, gewöhnlich mit κ-Leichtketten, während die Gruppe der IgG- und IgA-MGUS sehr heterogen ist und breite Überlappungen zur chronisch-inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP) zeigt. Polyneuropathien kommen bevorzugt bei monoklonalen IgM-Gammopathien vor. Etwa die Hälfte dieser Patienten hat stark erhöhte Anti-MAG-IgM-Antikörper, die gegen das myelinassoziierte Glykoprotein gerichtet sind. Vereinzelt wurden Antikörper gegen Sulphatide und Chondroitinsulfat C gefunden. Die Anti-MAG-Antikörper tragen fast ausschließlich die Leichtkette Kappa.
Immunhistochemisch konnte bei IgM-Gammopathie das monoklonale Protein zusammen mit aktivierten Komplementkomponenten im Bereich der Markscheiden beobachtet werden. Offenbar führt die Ablagerung von IgM zwischen den Markscheidenlamellen und die daraus resultierende Aufweitung des Abstands der elektronendichten Hauptlinien zur Myelinschädigung mit folgender Entmarkung und schließlich Degeneration der gesamten Nervenfasern. Bei dem POEMS-Syndrom (Polyneuropathie, Organomegalie, Endokrinopathie, monoklonales Protein, „skin changes“) handelt es sich um eine chronische demyelinisierende Polyneuropathie bei osteosklerotischem Myelom.
Klinik
Klinisch imponieren bei Paraproteinämie überwiegend symmetrische sensomotorische Polyneuropathien mit langsamer Progredienz. In vielen Fällen besteht auch eine Ataxie mit sehr charakteristischem Haltetremor der oberen Extremitäten. Hirnnervenausfälle kommen in der Regel nicht vor. Insbesondere zu Beginn können Schmerzen und unangenehme Missempfindungen auftreten. Stehen dissoziierte Empfindungsstörungen im Vordergrund, sollte an eine Amyloidose (AL-Amyloidose) gedacht werden. Asymmetrische Verteilungsmuster sprechen eher für eine (gelegentlich mit Paraproteinämie assoziierte) Kryoglobulinämie; Hirnnervenbefall ist verdächtig auf das Vorliegen einer malignen Paraproteinämie (Morbus Waldenström). Beim Plasmozytom sind die neurologischen Ausfälle überwiegend durch die Kompression des Rückenmarks und der Nervenwurzeln bedingt, sodass Rückenschmerzen, radikuläre Ausfälle, Blasen- und Mastdarmstörungen auf diese Diagnose hinweisen. Hier ist das monoklonale Protein überwiegend vom IgG- oder IgA-λ-Typ.
Diagnostik
Elektrophysiologisch finden sich bei einer Paraproteinämie Leitungsblöcke oder eine verlängerte Nervenleitgeschwindigkeit zusammen mit Zeichen der (sekundär) axonalen Degeneration. Elektromyografisch lässt sich die axonale Schädigung an der Muskulatur in Form von Spontanaktivität und chronisch-neurogenem Muster darstellen. Charakteristisch in der Biopsie ist das elektronenmikroskopische Bild aufgeweiteter Myelinlamellen. Nur selten finden sich lymphoplasmazelluläre Infiltrate in der Suralisbiopsie oder Zeichen einer epineuralen Vaskulitis (Letztere v. a. bei Kryoglobulinämie). Spezifisch für die Amyloidose ist der Nachweis von Amyloid im peripheren Nerven durch Kongorot-Färbung (Mendell et al. 2001).
Therapie
Die Therapie der Paraproteinämie erfolgt bei zugrunde liegendem malignem Prozess operativ, strahlen- oder chemotherapeutisch. Bei schwerer sensomotorischer Polyneuropathie im Rahmen einer MGUS sollte immunsuppressiv behandelt werden.
Therapieempfehlungen
  • Basis ist eine Therapie mit Prednisolon (1 mg pro kg Körpergewicht pro Tag über 4 Wochen) in Kombination mit Chlorambucil (2 mg pro Tag, nach 4 Wochen 1 mg, nach weiteren 4 Wochen 0,5 mg);
  • alternativ auch als Chlorambucil-Stoßtherapie (8 mg pro m3 pro Tag) oder
  • Azathioprin (2–3 mg pro kg Körpergewicht pro Tag) oder
  • Cyclophosphamid (2 mg pro kg Körpergewicht pro Tag).
  • Die Plasmapherese zeigt bei IgM-MGUS offenbar weniger Wirkung als bei IgG- und IgA-MGUS.
  • Hoch dosierte intravenöse γ-Globulingabe kann ebenfalls zum Einsatz kommen.
  • In einigen Fällen wurde über anhaltende Therapieerfolge nach Gabe des gegen B-Lymphozyten gerichteten CD20-Antikörpers Rituximab berichtet.

Paraneoplastische Polyneuropathien

Im Rahmen neoplastischer Erkrankungen können periphere Nerven durch Kompression oder Infiltration geschädigt werden. Auch an Malnutrition (Vitamin-B12-Mangel) und toxische Ursachen (Vincristin, Cisplatin) ist zu denken. Seltener sind Neuropathien durch Fernwirkung (Remote-Effekt) der Tumoren; nur diese bezeichnet man als paraneoplastische Polyneuropathien. Bei etwa 1 % der Krebspatienten ist eine klinisch manifeste Polyneuropathie nachweisbar. Am häufigsten sind sie bei Mamma- und beim Bronchialkarzinom sowie bei Lymphomen beschrieben (Dyck und Thomas 2005). Bei der subakuten sensiblen Polyneuropathie (Denny-Brown) kommt es zu einer Ganglionitis der Spinalganglien mit Degeneration der hinteren Wurzeln, der Hinterstränge und sensibler Fasern des peripheren Nervs. Klinisch treten von distal nach proximal fortschreitende sensible Reiz- und Ausfallsyndrome mit Parästhesien, Schmerzen und häufig ausgeprägten Tiefensensibilitätsstörungen auf. Im Zusammenhang mit dem kleinzelligen Bronchialkarzinom konnten in Serum und Liquor polyklonale komplementfixierende IgG-Antikörper nachgewiesen werden (Anti-Hu-Antikörpersyndrom). Gelegentlich geht die Polyneuropathie der Manifestation des Neoplasmas bis zu einem Jahr voraus. Andere Formen von Polyneuropathien, wie distal-symmetrische sensomotorische, demyelinisierende Polyneuropathien nach Art des GBS (vor allem bei Lymphomen), die subakute motorische Polyneuropathie (sog. subakute Poliomyelitis) sowie asymmetrische Polyneuropathien bei paraneoplastischer Vaskulitis kommen ebenfalls im Zusammenhang mit Neoplasmen vor (Kap. „Paraneoplastische Syndrome in der Neurologie“).

Facharztfragen

1.
Was ist die häufigste Form einer Paraproteinämie?
 
2.
Nennen Sie Beispiele tumorassoziierter Polyneuropathien!
 
Literatur
Dyck PJ, Thomas PK (Hrsg) (2005) Peripheral neuropathy, 4. Aufl. Saunders, Philadelphia
Mendell JR, Kissel JT, Cornblath DR (2001) Diagnosis and management at peripheral nerve disorders. Oxford University Press, Oxford